Free

Tahiti: Roman aus der Südsee. Zweiter Band.

Text
iOSAndroidWindows Phone
Where should the link to the app be sent?
Do not close this window until you have entered the code on your mobile device
RetryLink sent

At the request of the copyright holder, this book is not available to be downloaded as a file.

However, you can read it in our mobile apps (even offline) and online on the LitRes website

Mark as finished
Font:Smaller АаLarger Aa

Sadie schwieg und sah sinnend vor sich nieder; ihr Blick haftete aber nicht lange am Boden, sondern suchte den Gatten, in dem wilden Gewirr des Tanzes, dem sich René wieder mit vollem Eifer hingegeben. Aber die, nach der ihr Blick dann umherschweifte, fand sie nicht; Miß Lewis hatte den Saal verlassen und René lachte und plauderte noch immer mit seiner lebendigen Tänzerin, der Frau Belard.

Doch neue Gäste kamen zum Tanz, in dem jetzt gerade eine kurze Pause eintrat, den Tänzern Gelegenheit zu geben sich an den hie und da angebrachten und mit Früchten, Kuchen und Wein bedeckten Tafeln zu erfrischen, und kaum schwieg die Musik, als Manche der wilden Mädchen, froh eines lästigen Zwanges enthoben zu sein, in die Mitte des Saales sprangen und sich dort bald von einem großen Theil der Männer umgeben fanden.

»Kommt!« rief Eine der fröhlichen Schaar, sich jetzt wenig an die geputzten Fremden kehrend, deren unbekannte Weisen und monotones Drehen im Ring herum sie schon lange geärgert und ermüdet hatte,

»Komm! denn der scharfe Ton

Hat mich gelangweilt schon,

Komm!

 
Zuckt mir's durch Fuß und Knie,
Zuckt mir's im Herzen hie!
Komm!«
 

»Frieden, Wahine – gieb Ruhe – fort mit Dir, Mädchen!« riefen einzelne lachende Stimmen dazwischen – »hier ist kein Platz für Euere wilden Tänze, wo fremde Frauen sind – auseinander mit Euch!«

»Fort?« riefen aber Andere dazwischen, denen der wilde bekannte Laut die Pulse schon rascher klopfen machte —

»Fort? laß sie schwatzen da,

Herzchen wir kommen ja,

Fort —

 
Rasch nur die Trommel her,
Stehn wir nicht müßig mehr.
Fort!«
 

und den Takt auf den Lenden schlagend mit ihren flachen Händen, und singend und lachend begann die muntere Schaar, trotz dem Einspringen einzelner Männer, die vielleicht nicht mit Unrecht fürchteten daß der Tanz in dem Uebermuth des jubelnden Schwarmes ausarten könnte, den wilden Upepehe, den Lieblingstanz ihres Stammes.

Die neuangekommenen Gäste, zwei Marine-Officiere der Jeanne d'Arc, mischten sich gleich lachend unter die jubelnden Dirnen, die sie fast Alle kannten, und Mad. Belard beschwor jetzt René, seinen Einfluß aufzubieten das zügellose Volk wieder zur Ordnung zurückzubringen, was aber mit nicht wenig Schwierigkeiten verbunden war. In der Mitte gestört, stoben sie nach allen Seiten hinaus, jede auf eigene Hand den begonnenen Tanz auszuführen, und es wurde auch in der That erst dann möglich sie wieder zu vollkommener Ordnung zu bringen, als die Trompeten, auf Renés Zeichen, von Neuem zu einem Tanze einsetzten und dadurch die Mädchen, die denen entgegen nicht ihren eigenen Takt beibehalten konnten, zwangen aufzuhören.

Als die Musik nun aber, nicht wieder durch eine neue Pause neue Störung zu verursachen, in dem begonnenen Stücke blieb, sahen sich die letztgekommenen Officiere ebenfalls nach Tänzerinnen um. Von weißen Damen schien aber nur noch Mrs. Noughton übrig geblieben zu sein, die trotz allen Aufforderungen auch noch nicht einen Schritt heut' Abend getanzt, sondern wacker an der Seite ihres eben so langwei ligen Gatten auf dem einen Canape ausgehalten hatte. Madame Belard war mit Monsieur Brouard angetreten, Madame Brouard mit dem Capitain, und Fräulein Susanne blieb verschwunden. Mrs. Noughton weigerte sich aber auch dießmal mit einer steifen Verbeugung an dem Tanze Theil zu nehmen und Einer der neugekommenen Officiere schaute eben, leicht getröstet, im Saal umher, sich unter den anwesenden Insulanerinnen Eine herauszusuchen, mit der er möglicher Weise im Walzer fortkäme, als er Sadie bemerkte, deren Europäische Tracht ihm gerade nicht besonders auffiel. Rasch auf sie zu tretend, legte er seinen Arm um ihre Taille und sagte:

»Komm Wahine, dann wollen wir einmal versuchen wie wir herum kommen, und halt das Köpfchen steif, daß Du mir nicht schwindlich wirst; ich drehe Dich schon.«

René hatte sich mit Bertrand wieder zusammengefunden, und schritt eben langsam der Stelle zu wo Sadie stand, als er sah wie sie sich in dem Arm des Fremden sträubte und sich ihm zu entwinden suchte; der junge Officier aber, schon seit Monden langem Aufenthalt auf den Inseln gewohnt mit den Frauen Tahitis umzugehen, glaubte nur hier eine etwas spröder als gewöhnliche Schöne gefunden zu haben, und rief lachend:

»Zum Teufel, mein Mädchen, stemme Dich nur nicht, ich thue Dir Nichts;« Sadie aber war so erschreckt, daß sie nicht vermochte einen Laut über die Lippen zu bringen und sich von dem starken Manne schon emporgehoben fühlte, als René mit einem Sprung an ihrer Seite war, und seine Hand mit einem Eisengriff in des Soldaten Schulter heftend, mit vor Zorn bebender und kaum hörbarer Stimme sagte:

»Zurück da, Monsieur – das ist mein Weib.«

»Sollst sie behalten, Kamerad,« lachte der junge, etwas rohe Marine-Officier, »aber ein Tänzchen muß sie erst mit mir machen, davon hilft ihr kein Gott.«

»Lassen Sie mich los, Monsieur!« rief auch in diesem Augenblick Sadie, die durch Renés Gegenwart ermuthigt, ihre Sprache wieder gewann, und der Officier, durch das flüssige Französisch der Insulanerin überrascht, ließ kaum in seinem Griff um ihre Taille nach, als er sich auch schon von dem, kaum seiner Sinne mehr mächtigen René gefaßt und mehre Schritte zurückgeschleudert fand.

»Teufel!« schrie er, und die Hand fuhr fast unwillkührlich nach dem leeren Degenkoppel, Bertrand sprang aber dazwischen, und der Officier auch, sich rasch besinnend wo er sich befand, und daß er hier das Fest nicht stören durfte, biß nur die Zähne auf einander und winkte dem, trotzig zu ihm hinüberschauenden René ihm zu folgen. Aber andere Augen hatten ebenfalls den Wink gesehen und verstanden, und ehe René im Stande war sich von Sadie frei zu machen, und dem stillen aber wohl begriffenen, ja erwarteten Ruf zu folgen, fühlte er eine Hand auf seiner Schulter, und der Capitain der Jeanne d'Arc, der gerade zufällig mit seiner Tänzerin dort stehen geblieben, und Zeuge des ganzen blitzesschnell in einandergreifenden Vorfalls gewesen war, bat ihn, nur wenige Minuten auf seiner Stelle zu bleiben, bis er ihm Antwort bringe von draußen. Dann ohne weiteres dem Officier folgend, erreichte er diesen gerade an der Thür, faßte seinen Arm und führte ihn mit sich hinaus.

In dem Saal war indessen für den Augenblick Todtenstille eingetreten; die Musici, vor denen der Streit stattgefunden, hatten auch fast wie verabredet, aufgehört zu blasen so wie die Tänzer stockten. Auch die übrigen Gäste, wenn auch nur wenige von ihnen die Ursache des so plötzlich aufgetauchten Streites kannten, sahen daß er schon zu weit gegangen war, anders als mit Blut wieder gesühnt zu werden, und standen in jener peinlichen Erwartung, dem Ausgang des Ganzen entgegenzusehen, die wir uns wohl stets bei irgend einer nahenden Gefahr, mag sie uns oder einen Andern bedrohen, beschleichen fühlen. Nur die eingeborenen Mädchen, denen nicht entgangen war daß Einer der Betheiligten den Saal verlassen hatte, glaubten damit natürlich Alles beigelegt, und zuerst die feierliche und so plötzliche Stille um sich her einen Augenblick erstaunt beobachtend, gewann das leichte Element bei ihnen doch nur zu bald wieder die Oberhand.

»Hierher Waihines!« rief plötzlich die lachende Stimme Nahuihuas, der Schwester Aumamas, mit der Lefevre schon fast den ganzen Abend getanzt -

Schnell!

Schnell wie der gier'ge Hai

Schneidet die Fluth entzwei,

Schnell —

»Ruhe Wahine!« flüsterte es rasch um sie her, und das Mädchen schwieg erschreckt, mitten in ihrem Gesang, als sie die ernsten finstern Gesichter all' erblickte, die sich rasch und bestürzt auf sie richteten.

Madame Belard wußte aber wie dieser böse Geist zu bannen sei, und dem Orchester ein Zeichen gebend, daß jetzt rasch wieder in den unterbrochenen Tanz einfiel, ergriff sie den Arm Renés und den halb Widerstrebenden mit sich fortziehend, flüsterte sie leise und dringend:

»Ei, Sie ungezogener Mensch, den eine Dame zum Tanz förmlich mit Gewalt zwingen muß. Sie haben mir meinen Tänzer fortgejagt, und sind jetzt auch verpflichtet dessen Stelle zu übernehmen. Ueberdieß fühlen Sie denn nicht daß Alles auf Sie achtet?« setzte sie leiser hinzu. »Machen Sie wieder gut was Sie verdorben haben, und zeigen Sie den Leuten daß Sie gar nicht daran denken Skandal anzufangen!«

René fühlte mehr wie er verstand, daß sie recht hatte; einen Blick nach Sadie zurückwerfend, die er jetzt in Bertrands Schutz sah, kam ihm auch die Erinnerung an das Vergangene, und sich zu seiner liebenswürdigen Tänzerin niederbiegend bat er leise:

»Vergebung, theuerste Frau, Vergebung für den fatalen Auftritt den ihnen hier meine Hitze bereitet, aber – «

»Ich weiß Alles,« beruhigte ihn Madame Belard, »ein Mißverständniß nur – ruhig Monsieur, Sie sollen mir nicht wieder hitzig werden und aufbrausen, so lange ich jetzt in Ihrem Schutze bin – ein Mißverständniß war die ganze Ursache, der junge Officier, der Sie gar nicht kannte, kann nicht die Absicht gehabt haben Sie oder Sadie wissentlich beleidigen zu wollen, und würde vielleicht eben so leicht daran denken sich einen Finger abzuschneiden, als Streit zu suchen hier bei mir.«

»Aber er hat – «

»Ich weiß ja Alles,« unterbrach ihn wieder Madame Belard, in gutmüthiger Ungeduld mit dem Kopf schüttelnd, als sie zum Ausruhen abgetreten waren und Nichts als eingeborene Frauen um sich sahen, die nicht verstanden was sie sprachen. »Er hat Ihre Frau nach unseren Begriffen von dem was sich schickt und gehört, beleidigt, und wäre das auf einem Europäischen Ball vorgefallen, so könnte nichts anderes als Degen oder Pistol den Streit entscheiden; hab' ich recht?«

»Wäre das?« wiederholte René erstaunt – »und ist das nicht hier, bei meiner Frau genau dasselbe?«

»Nein, nein und abermals nein!« sagte aber Madame Belard ungeduldig; »nach Insulanischen Begriffen von Ehre und Schicklichkeit – «

 

»Aber meine Frau ist – «

»Eine Insulanerin, Sie mögen's drehen und wenden wie Sie wollen; und wenn sie eine Ausnahme macht von den übrigen, von denen sie allerdings wie Tag und Nacht verschieden ist, so liegt der doch nicht auf der Haut zu Tage, und das junge fröhliche Stück von einem Officier, das in seinem Uebermuth, von den Schiffsbanden auf einen Abend frei zu sein, nur hier herein springt, sich, wie es keine weiße Tänzerin bekommen kann, nach dem schönsten Indianischen Gesicht umschaut und da aus Versehen gerad' auf Ihre Frau trifft, hätte eben so gut vermuthen können einen Neger in weißer Haut zu finden, als eine Indianerin, die sich so ganz ihrer eigenen Sitten entschlagen, und Europäischen Gebräuchen mit ihrer Sprache und Haltung zugewandt hat.«

»Aber ihre ganze Kleidung mußte ihm das schon von vorn herein verrathen.«

»Als ob Ihr Männer überhaupt je sähet womit sich eine arme Frau herausgeputzt hat, diesen Herren der Schöpfung zu gefallen,« spottete die junge Frau halb im Scherz halb im Ernst; »entweder Ihr mustert ganz genau und auf das peinlichste, immer dabei Eueren schlechten Geschmack bewährend, oder Ihr wißt nicht einmal ob wir Seide oder Cattun getragen, wenn wir Stunden lang in Euerer Gesellschaft gewesen sind – Gott ist der Mensch grob,« seufzte sie dann nach einer kleinen Pause, als René schwieg und vor sich nieder schaute, mit komischem Ernst; »handgreiflich leg' ich's ihm in den Weg, und nicht eine kleine unbedeutende Schmeichelei sagt er mir dafür.«

»Liebe Madame Belard,« bat René.

»Ich bin schon wieder gut,« lachte die kleine Frau, »aber René,« setzte sie ernster, und einen Blick umherwerfend ob sie Niemand überhöre, hinzu – »seien Sie auch vernünftig, setzen Sie sich über eine kleine Vernachlässigung Ihres sonst so lieben Weibchens eher einmal hinweg, als Sie es nöthig hätten wenn sie – eben von – unserer Farbe wäre. Der Fremde kann nun einmal unsere Privatverhältnisse nicht so leicht durchschauen, und wird der farbigen Eingeborenen nie eine solche Achtung und Aufmerksamkeit zollen, als ob sie ihm ebenbürtig wäre.«

»Und ist sie das nicht?« rief René erstaunt, und Madame Belard biß sich auf die Lippen; sie zögerte augenscheinlich mit einer Antwort, die sie sich scheute gerade auszusprechen.

»Lieber René,« sagte sie endlich nach einer kleinen Pause mit wirklicher Herzlichkeit im Ton, wie sie bis jetzt noch nie zu ihm gesprochen, »Sadie ist ein liebes herziges Kind, eine Frau die man lieber gewinnt mit jedem Tag, und ihre ganze Seele liegt in ihrem Blick, aber – «

»Aber? Madame Belard?«

»Sie haben sich mit ihr die Rückkehr in die Heimath abgeschlossen,« setzte die kleine Frau endlich entschlossen hinzu – »Sie haben sich auf Ihre Bambushütte und den Meeresstrand beschränkt, und – ich weiß nicht ob Sie daran gut gethan haben.«

»Und paßt Sadie nicht in jede Gesellschaft?«

»Ja – aber die Gesellschaft paßt nicht für sie;« lautete die rasche Antwort; »wenn sie von der Gesell schaft als das aufgenommen würde was sie wirklich ist, in all' ihrer Anmuth und holden Weiblichkeit, keine andere Frau könnte höher stehen, aber wir leben nun einmal in einer Welt von Vorurtheilen, und – können nicht durch die Wand mit dem Kopf.«

»Aber ich will von der Welt Nichts mehr – mir genügt das Glück das ich besitze – sie sollen mir das nur unverkümmert lassen.«

Madame Belard schüttelte mit dem Kopf und sagte ernst:

»Sie kennen sich selber nicht, Delavigne, und sind hier in Verhältnisse gekommen, die Sie noch nicht übersehen können; gebe Gott daß ich unrecht habe, aber Sie passen so wenig zu dem thatenlosen Leben dieser Inseln wie – ich, und ich will auch meinem Gott danken, wenn Monsieur Belard einmal ebenso denken lernt und die Segel wieder heimwärts setzt.«

»Und was sollte mich hindern ebenfalls nach Hause zurückzukehren?« frug René, doch sein Auge suchte dabei den Boden als er sprach, und nur als Madame Belard gar nicht antwortete sah er auf, und vor ihm stand, mit einem eigenen Lächeln auf den zarten Lippen, Susanne; aber ohne ihn anzureden schüttelte sie nur leise und wie mißbilligend mit dem Kopf und schritt langsam der Stelle zu, auf welcher sich Herr und Madame Brouard eben zum Fortgehen anschickten. Ihm blieb jedoch keine Zeit weiter, denn durch die Tänzer schritt der Capitain der Jeanne d'Arc, und mit einer entschuldigenden Verbeugung gegen Madame Belard René's Arm ergreifend, führte er ihn mit hinaus in's Freie, wo die kühle Seeluft seine heiße Stirn fächelte, und die Sterne gar freundlich und traut auf sie herniederschienen.

»Mr. Delavigne,« begann er hier, freundlich des jungen Mannes Hand fassend und drückend, »es ist zwischen Ihnen und einem meiner Officiere ein mir höchst fataler, ja schmerzlicher Fall vorgekommen.«

»Ich stehe dem Herrn mit Vergnügen jeden Augenblick zu seiner Genugthuung bereit,« erwiederte René ruhig.

»Ich weiß das, ich weiß das,« beseitigte es der Capitain – »aber die Sache ist, daß Sie Beide recht und Beide unrecht haben.«

»Ich verstehe Sie nicht,« sagte René.

»Ich will mich deutlicher erklären,« fuhr der Capitain fort; »Sie sind selber zu gut mit den hiesigen Verhältnissen bekannt, als daß ich nöthig hätte Ihnen den Standpunkt anzugeben, auf dem die Indianischen Mädchen den Europäern gegenüber stehen; Sie müssen den geringen moralischen Zwang kennen, den sich beide Theile hier auferlegen, und Monsieur Rodolphe konnte keine Ahnung haben, daß Eine von Tausen den eine solche Ausnahme ihres Geschlechts hier machte.«

»Er ist vollkommen gerechtfertigt Genugthuung zu verlangen,« erwiederte René, dem es weh that das Geschlecht der Indianer so herabgewürdigt zu sehen; doppelt weh vielleicht weil er fühlte wie viel Wahrheit das Gesagte enthalte.

»Tollköpfiges Geschlecht,« murmelte der Capitain, den Kopf ärgerlich herüber und hinüber werfend, »aber Ihr sollt Euch nicht schießen, Mann, Ihr sollt Euch mit einander vertragen, und einsehen daß Euch Gott Euere gesunden Glieder gegeben hat, sie zur Ehre Eueres Vaterlandes einzusetzen, wenn's Noth thut, aber nicht da in die Schanze zu schlagen, wo es nur eines offenen Wortes zwischen beiden Theilen bedarf, sich zu überzeugen daß Beide unrecht hatten.«

»Monsieur Rodolphe wird schwerlich, nach dem Vorhergegangenen, das erste Wort zum Frieden bieten,« sagte René vor sich hin.

»So thun Sie es, Delavigne,« rief der Capitain.

»Ich? – nie« – zischte René zwischen den zusammengebissenen Zähnen durch – »er hat mein Weib beleidigt und jeder Andere hätte wie ich gehandelt. Aber trotzdem will ich die Hand zur Versöhnung reichen,« setzte er finster hinzu, »wenn Monsieur Rodolphe mit mir zu Madame Delavigne geht, und die Dame dort, der begangenen Rohheit wegen, um Entschuldigung bittet. Sie wissen selber Capitain, daß nach unseren Begriffen von Ehre keine weitere Wahl mir oder ihm bleibt.«

»Aber Delavigne, das würde bei – das würde bei – das würde in Europa nöthig sein, aber hier – «

»Und sind unsere Gesetze der Ehre hier anderer Art?« frug René ihm scharf dabei in's Auge schauend.

Capitain Sinclair biß sich auf die Lippen – er konnte Nichts darauf erwiedern wenn er René nicht kränken und einen zarten, höchst schwierigen Punkt berühren wollte; aber er wußte auch daß sich Rodolphe gerade wieder seinen Begriffen von Ehre nach, einer Insulanerin gegenüber, deren Ehen mit den Weißen als viel zu leicht und zu wenig bindend angenommen wurden, nie dazu verstehen würde.

Es blieb da weiter keine Wahl, und tief aufseufzend und ärgerlich sich abdrehend sagte der Capitain, der gern das Aeußerste vermieden hätte, aber die Unmöglichkeit auch einsah:

»So macht was Ihr wollt; schießt Euch beide ein paar Kugeln durch die Jacken – so sind ein paar Tollköpfe weniger auf der Welt – aber ich will mit der ganzen Sache Nichts weiter zu thun haben – Nichts davon wissen – die Folgen über Euch!«

Er kehrte raschen Schrittes in das Haus zurück, von der anderen Seite aber näherte sich dem jungen Mann ein Marineofficier und sagte höflich:

»Monsieur Delavigne, wenn ich recht bin?«

»So ist mein Name.«

»Sie wissen, was – «

»Ich stehe Ihnen mit Vergnügen zu Diensten.«

»An wen wünschen Sie daß ich mich wende?«

»Lieutenant Bertrand wird so freundlich sein – «

»Ah – besten Dank, Monsieur, und guten Abend.«

Mit höflichem Gruß trennten sich die beiden Männer, und René folgte dem vorangegangenen Capitain, Bertrand in Kenntniß zu setzen und um seinen Beistand zu bitten, und seine Frau nach Hause abzuholen. Der Abend war ihm verleidet worden gegen weitere Lust und Freude. Unbemerkt, wenigstens unbeachtet hatte er dabei gehofft den Saal wieder betreten zu können, Madame Belard schien ihn aber schon in Angst und Sorge erwartet zu haben, und seinen Arm ergreifend führte sie ihn den Saal entlang.

»Was haben Sie gethan?« flüsterte sie dabei, »Sie wilder Mann; und die arme Frau sitzt da drin und weint und sorgt und grämt sich, und weiß – ahnt noch nicht einmal das Schlimmste.«

»Wo ist Sadie?« frug René leise, sich im ganzen Saal vergebens nach ihr umschauend.

»Auf meinem eigenen Zimmer – ich führe Sie dorthin.«

»Nur einen Augenblick, Madame,« bat René, »ich habe nur einem Herrn da drüben zwei Worte zu sagen; entschuldigen Sie mich nur einen Moment, ich bin gleich wieder bei Ihnen.«

»Und so soll es doch zum Aeußersten getrieben werden?« flüsterte erbleichend Madame Belard.

René zuckte die Achseln – aber Bertrand, ebenfalls im Begriff den Saal zu verlassen, stand nur wenige Schritte von ihm entfernt – wenige Worte leise geflüstert, genügten – sie drückten einander die Hand, und René eilte rasch zu seiner ihn ängstlich erwartenden Führerin zurück.

»Was Ihr für entsetzliche Männer seid,« sagte sie dabei, als sie den Saal verlassen hatten und die Treppe hinaufstiegen, der höher gelegenen Wohnung zu – »mit kaltem Blut verabreden sie da einander zu morden oder zu verstümmeln, und machen sich weiß dabei daß es nöthig, unumgänglich nöthig wäre. Guter Gott wie wird das jetzt enden. – Aber da gehen Sie hinein, und gehen Sie zu Haus mit ihr, so rasch Sie können – sie sehnt sich zu ihrem Kind, und ich möchte mich selber hinsetzen und weinen, wenn ich daran denke wie das arme süße Wesen, das hier Kummer und Sorge trägt unverschuldet, von mir eingeladen war sich zu amüsiren, und jetzt zu Hause geht, das Herz voll zum Ueberlaufen von Wehmuth und Leid. Sie dürfen mit ihr hier auf Papetee nicht mehr unter weiße Männer gehen, René, oder Sie können der armen Frau noch selber das Grab hier graben auf der fremden Insel.«

Und damit, ohne weiter eine Antwort von ihm abzuwarten, öffnete sie die Thür ihres Zimmers, ließ René eintreten und kehrte dann selbst zu ihren Gästen zurück, dort keinen Verdacht zu erwecken daß irgend etwas Außerordentliches vorgefallen sei, was den Frohsinn hätte stören dürfen.