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Tahiti: Roman aus der Südsee. Dritter Band.

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Capitel 4.
Die Conferenz

So gleichgültig die Insulaner, wenigstens scheinbar, die im letzten Capitel beschriebenen Vorgänge aufgenommen hatten, und so theilnahmlos sie der Entehrung ihrer Flagge, als etwas höchst Unwesentlichem zugesehn, so viel gewaltigere Aufregung rief es im Lager der Missionaire hervor, die einen entscheidenden Schritt Frankreichs wohl schon lange gefürchtet, aber doch nicht so schroff auftretend erwartet haben mochten. Das Zurückziehn der Englischen Fregatten war zu gleicher Zeit eine ihnen wohl verständliche, und für sie höchst unglückselige Demonstration, denn es bewies etwas, das in geradem Widerspruch mit den freundlichen und ermuthigenden Versprechungen des Englischen Ministeriums stand, und wovon die Französischen Fregatten schon jedenfalls Kenntniß haben mußten: daß nämlich England keineswegs gewillt sei dieses kleinen Inselreichs wegen einen Krieg mit Frankreich zu beginnen, sondern Tahiti und seine Königin dem Protektorat – man konnte ihm nicht mehr gut den Namen einer Entdeckung geben und wünschte doch derselben Erfolg – des Nachbarstaates überließ.

Das aber hieß dem Protestantismus den Boden unter den Füßen fortnehmen, denn die Franzosen brauchten jetzt nur Gleiches mit Gleichem zu vergelten, so packten sie die evangelischen Geistlichen auf ihre oder andere Schiffe und schickten sie, gleichviel wohin, nur fort von ihren Besitzungen. Aber das nicht allein; schon der Gleichberechtigung der anderen Confession hatten sie von frühster Zeit an mit allen Kräften entgegengearbeitet. Die katholische Religion sprach weit mehr zu den Sinnen, als das kalte protestantische Wesen der Geistlichkeit, jene erregte die Phantasie, diese ertödtete Alles mit ihrer nackten Unerquicklichkeit, nur in starrer Strenge den Glauben fordernd für das Unbegreifliche. Auch mehr Freiheit ließen die Katholiken den fröhlichen Kindern dieser glücklichen Zone, die nun einmal das unglückselige Vorurtheil hatten, daß Gott ihnen diese wunderschöne Welt auch zum Genuß geboten, die nicht begreifen konnten oder wollten daß der Palmenhain ihnen nicht zum Tanzen und Lachen, sondern zum Büßen und Beten so prachtvoll aufgerichtet sei, und das Herz frevle, das auf andere Weise zu seinem Gott bete, als sie es lehrten.

Der Erfolg den die Katholiken dabei schon auf den Sandwichsinseln gehabt hatte sie lange vorsichtig gemacht, und mußte ihnen jetzt die schwersten und begründetsten Befürchtungen aufdringen. Mit dem »Dublin« waren deshalb auch schon die dringendsten Aufrufe und Nothschreie an die Missionsgesellschaften in England erlassen, zuerst beim Ministerium, dann aber auch bei dem Englischen Volk Hülfe für die »Prediger in der Wüste« und ihre Gemeinden zu fordern, während bei der jetzigen entschieden feindlichen Handlung der Papisten allerdings die Hoffnung da war, daß das schwankende Ministerium eine entschiedenere Handlung den Uebergriffen Französischer Seeleute gegenüber, einnehmen würde. Hinhalten mußten sie deshalb hier vor allen Dingen die Entscheidung, die unbedingte Unterwerfung der Insulaner, aber das nicht allein, sie mußten auch Beweise, sprechende schlagende Beweise bringen, daß die Eingeborenen der Südsee das Französische Joch so sehr verabscheuten, wie sie sich nach der Englischen Mutterkirche sehnten, und daß sie bereit und entschlossen wären, wenn England die ihnen durch die Missionaire im Vertrauen auf das Englische Volk versprochene Hülfe nicht senden sollte, ihr Gut und Blut und Leben einzusetzen, die Unabhängigkeit ihrer Nation sowohl wie ihrer Seelen, zu erhalten.

Beides ließ sich zu gleicher Zeit durch augenblicklichen Widerstand – nicht allein mit machtlosen Protestationen eines Consuls, sondern durch Waffengewalt, erreichen, und war das Volk nur im Stand dem Feind so lange die Stirn zu bieten, bis die Berichte seiner Religionskämpfe nach England gelangen konnten, so zweifelten wenige der frommen Männer daran, daß England, gerührt durch solche Anhänglichkeit an den christlichen Glauben, auch ein Machtwort sprechen und schon dadurch die Feinde ihrer Flagge wie Spreu vor dem Winde zerstieben würde.

Hierbei hatten sie jedoch mit zwei nicht unbedeutenden Hindernissen zu kämpfen; zuerst mit der entsetzlichen Gleichgültigkeit der Indianer in allem was nicht zum täglichen Leben gehörte, und sie etwa gezwungen hätte irgend eine harte Arbeit zu thun, der sich ihre Theilnahmlosigkeit für die christliche Kirche paarte, und dann mit dem Mangel an Waffen, dem allerdings schon unter der Hand bedeutend abgeholfen war, aber doch jetzt nicht so ganz und auf einmal begegnet werden konnte.

Das erste mochte irgend eine glückliche Gelegenheit von selber heben; der Uebermuth der Franzosen, die nirgend Widerstand fanden, und das schöne Land schon fast in Händen zu haben glaubten, gab leicht die Gelegenheit dazu, aber dem zweiten Uebelstand mußte durch andere Mittel abgeholfen werden, und diese durfte man unter keiner Bedingung länger als nöthig hinausschieben.

Der nächste Ort Waffen zu bekommen war Valparaiso, nach ihm Sydney, und nach beiden Häfen hatten umsichtige Amerikaner schon vor längerer Zeit Fahrzeuge abgesandt, dort aufzukaufen was sie bekommen könnten, und so rasch als möglich damit zurückzukehren. Die Schiffe aber durfte man selbst mit dem günstigsten Winde noch nicht zurückerwarten, und es blieb dann noch immer die Frage, wie die Ladung unter den jetzigen Verhältnissen würde an Land zu bringen sein, wo die Franzosen sicherlich Alles thaten solche, und ihnen die gefährlichste, Zufuhr zu verhindern.

Mr. Noughton, der Amerikanische Kaufmann, hatte aber auch noch andere Verbindungen, und wenn er sich auch nicht gerade übergern mit solchen Sachen einließ, doch zu viel kaufmännischen und speculativen Geist sich ein gutes Geschäft durch die Finger schlüpfen zu lassen, wenn er es eben dazwischen halten konnte. Er selber stand mit den Protestantischen Geistlichen auf sehr vertrautem Fuß, und durch diese auch mit den Protestantischen Häuptlingen, wie ihm denn überhaupt nichts mehr verhaßt war, als das Französische und dadurch Katholische Regiment. Daß er mit den einzelnen dort angesiedelten Franzosen auf freundschaftlichem, wenigstens gesellschaftlichem Fuße stand, war die Schuld der Handelsinteressen, die er nie aus den Augen ließ – selbst nicht in der Kirche.

Mr. Noughton war in seinem Zimmer mit dem Consul Pritchard, und der letztere ging, mit auf dem Rücken gelegten Armen, rasch und finster auf und ab, und schien ein eben gehabtes, keinenfalls angenehmes Gespräch, zu überdenken.

»Und ich habe doch recht, Mr. Noughton,« sagte er endlich, vor dem Kaufmann stehn bleibend und ihm fest in's Auge sehend, »England kann und darf uns nicht in dieser Verlegenheit stecken lassen, denn nicht allein seine Interessen, nein seine Ehre steht hierbei auf dem Spiel und ich habe von dem Earl von Aberdeen das feste Versprechen schleuniger und entschiedener Hülfe, wenn ein gegen die bestehenden Verträge gerichteter Gewaltschritt der Franzosen ihnen nur die entfernteste Rechtfertigung vor den übrigen Staaten geben würde.«

Der protestantische Geistliche und jetzige Englische Consul war ein hochgewachsener, stattlicher Mann, mit freier offener Stirn und ein paar klaren, klugen grauen Augen, aus denen jetzt ein lebendiges, reges Feuer sprühte – sein volles Kinn war glatt rasirt und er trug nur einen halben aber starken, krausen Backenbart, und ging in Civil gekleidet, mit etwas langem, noch nach dem Geistlichen schmeckenden Rock und weißer Halsbinde und Weste.

»Bah, bah, bah« sagte der Amerikaner, eine lange hagere Gestalt, an der nur die Augen Feuer zu haben schienen, kopfschüttelnd – »wir kennen solche Redensarten – der Earl von Aberdeen steht überhaupt in dem Ruf als ob er ein etwas Indianisches Temperament habe, das nur heute Ruhe verlangt, und dem Morgen sich selber überläßt. Das sind Redensarten, mit denen wir hier nicht vom Fleck kommen, und Sie müssen bedenken daß zwischen jedem Brief von hier nach England, herüber und hinüber, immer zehn Monat Zeit liegen – ein unberechenbares Capital für den, der den Augenblick zu benützen versteht. Die Franzosen hier werden handeln und die Engländer werden protestiren, denn beide Theile wissen recht gut, daß zwei große Nationen, mit den Gefahren eines Europäischen Umsturzes vor sich, nicht eines solchen Fleckchens Erde wegen einen Krieg anfangen können; so lange sie nur im Stande sind den Anstand nach Außen zu bewahren, können Sie sich darauf verlassen daß nichts Ernstliches zu ihrem Vortheil hier geschieht.«

»England muß!« rief Mr. Pritchard.

»Ach was, England muß nie, wenn es nicht selber will, und wenn es überhaupt wollte, hätte es die Sache schon gar nicht so weit brauchen kommen zu lassen. Wenn Ihnen Ihr Earl Aberdeen, statt Privatversprechungen eine Depesche für den Talbot, oder irgend ein anderes Kriegsschiff Ihrer Majestät mitgab, und das dem Französischen Cabinet zu wissen that, so müßte ich mich sehr irren, oder Du Petit Thouars kreuzte jetzt noch an der Chilenischen Küste herum, oder läge ruhig im Hafen von Valparaiso, höchstens bei den Marquesas-Inseln vor Anker. Da das nicht geschehn ist, wollen die Leute auch so wenig von der Sache hören als angeht, und das Einzige was uns in dem Fall zu thun übrig bleibt, ist so viel Spektakel als möglich zu machen und sie nicht ruhen und rasten zu lassen – vielleicht bekommen sie's dann mit der Zeit satt und schlagen zu, nur um des Friedens, um der Ruhe willen.«

»Aber was können wir thun?« rief in Unmuth der Consul – »wenn ich nicht Consul und – Geistlicher wäre, beim Himmel, ich griffe selber zu den Waffen und stellte mich an die Spitze der Insulaner, ihnen ihr Vaterland vertheidigen zu helfen. Nie, so lange die Welt steht, so lange wir eine Geschichte haben, ist ein feigerer Einfall unter einem matteren Vorwand, auf ein friedliches, harmloses Volk geschehen und – geduldet worden.«

»Glauben Sie daß das Volk überhaupt kämpfen würde, wenn es Waffen hätte?« frug Mr. Noughton.

 

»Ich bin überzeugt davon« erwiederte der Consul, »übrigens sind Waffen auf der Insel, besonders haben die uns ergebenen Häuptlinge – einen solchen Fall gerade nicht für unmöglich haltend – eine ziemliche Quantität Munition, Pulver und Blei irgendwo in ihren Verstecken, in den verschiedenen Ansiedelungen – die anderen Inseln sind sogar reichlich damit versehen.«

»S – o – o« sagte Mr. Noughton, sich das Kinn streichend und die Lippen vorn etwas mehr als gewöhnlich zusammenziehend – »in den Kisten waren wohl nicht lauter Bibeln?«

Mr. Pritchard setzte seinen Weg durch das Zimmer wieder fort und entgegnete gleichgültig:

»Ich weiß nicht wann und auf welche Art sie hier gelandet sind – es ist, wie ich höre, während meiner Abwesenheit geschehen, aber verdenken kann ich's den Leuten nicht, daß sie sich mit den Mitteln versehen, ihr Haus, ihren Glauben vertheidigen, wenn Beides widerrechtlicher, ja widernatürlicher Weise nicht allein mehr bedroht, nein wirklich angegriffen und ihnen entrissen werden soll. Der schwache Vogel selbst vertheidigt sein Nest gegen Schlange und Marder, und wenn uns die christliche Religion gebietet Blutvergießen zu vermeiden und lieber ein geringes Unrecht geduldig zu ertragen, so verlangt sie nicht von uns, daß wir uns feige dem Schlimmsten unterwerfen sollen. »Und der Herr sprach zu Josua: Fürchte Dich nicht und zage nicht, nimm mit Dir alles Kriegsvolk und mache Dich auf und ziehe hinauf gen Ai – und die Bewohner von Ai fielen Alle durch die Schärfe des Schwertes, bis daß sie Alle umkamen.«

»Ja das ist Alles recht schön und gut« sagte Mr. Noughton, den Zeigefinger an der Nase und nachdenkend vor sich niederschauend; »ich habe auch nicht den mindesten Zweifel daß uns der liebe Gott eine Opposition gegen den großprahlerischen Franzmann mit dem größten Vergnügen vergeben wird – aber ich weiß nur noch nicht ob wir die Insulaner eben zum Zuschlagen bringen und – wer bezahlt nachher die Waffen?«

Mr. Pritchard biß seine Lippe und sagte nach kleiner Pause:

»So viel ich weiß sind die an Land befindlichen schon bezahlt, ich wüßte wenigstens nicht wie sie sonst in den Besitz der Häuptlinge kommen sollten, und weiter sind noch keine anderen da – warten wir bis sie kommen, das Uebrige findet sich.«

»Aber ich habe eine ziemliche Quantität aufgetrieben und gewissermaßen auch schon gekauft« erwiederte Mr. Noughton, »es fragt sich nur jetzt ob Sie dieselben übernehmen und weiter darüber verfügen wollen, denn aufrichtig gesagt möchte ich mit den Häuptlingen selber, die gar keine Idee von Geld und Geldeswerth haben, nicht gern ein solches Geschäft abschließen, da man überdies auch gar nicht weiß wie die ganze Sache abläuft und ob die guten Leute nachher noch überhaupt eine Cocosnuß übrig behalten, womit sie bezahlen könnten, selbst wenn sie ehrlich genug wären zu wollen.«

»Ich kann und will, ja darf mich mit der ganzen Sache nicht einlassen« sagte Mr. Pritchard nach kurzem Besinnen kopfschüttelnd, »aber es interessirt mich natürlich die Quelle zu kennen, aus der Sie hier zu schöpfen hoffen. Ist es ein Englisches Schiff?«

»Die Kitty Clover – «

»Ah der Wallfischfänger – diese Kitty hat auch Spirituosen an Land geschafft, aber ohne daß wir im Stande waren ihr auf die Finger zu klopfen, und wie ich höre waren alle Vorkehrungen dagegen getroffen; Sie müssen schlaue und mit der Küste hier sehr vertraute Leute an Bord haben.«

»Der eigentliche Unterhändler lebt hier an Land« entgegnete Mr. Noughton, »aber das ist Alles Nebensache, wenn ich nur erst die Gewißheit hätte, daß es hier zu einem wirklichen Kampf käme, und die Insulaner nicht ihren Regierungswechsel eben so ruhig und gleichgültig mit ansehen werden, als gestern den Flaggenwechsel, der sie, zu meinem Erstaunen, entsetzlich kalt ließ.«

»Wenn die Franzosen Ernst mit ihrer Drohung machen« entgegnete Mr. Pritchard rasch, »und nicht eben nach dieser einfachen Demonstration wieder in See gehn, Pomare wie ihre Häuptlinge in sonst ungestörtem Besitz der Insel zu lassen, so läuft auch die förmliche Besitzergreifung, wo sie dann ja die Zügel der Regierung in die Hand nehmen und das Pabstthum proklamiren werden, nicht unblutig ab, und ein Leben genommen und die ganze Insel greift mit einem Schlag zu den Waffen.«

»Sie glauben also wirklich – «

»Ich bin fest überzeugt davon.« —

»Nun dann kommt da unten Freund Mac Rally, der Master des Wallfischfängers draußen, gerad' apropos die Straße nieder – he Sir!« – und an's Fenster klopfend winkte er dem Schotten, der überdies schon die Richtung gerade nach dem Hause zu hatte, und dessen rascher Schritt bald auf der hölzernen Treppe gehört wurde. Wenige Secunden später betrat Mac Rally das Gemach und wollte sich eben nach kurzem Gruß an den Kaufmann wenden, als er die dritte Person im Zimmer sah, still schwieg und sich mit einem fragenden Blick nach dem Amerikaner umschaute.

»Es ist ein Freund von mir, ein Geistlicher« sagte Mr. Noughton und winkte Mac Rally Platz zu nehmen.

»Ein Missionair, so?« sagte der Seemann, Mr. Pritchard etwas mißtrauisch betrachtend, bei seinem Branntweinschmuggeln hatte er die Leute nicht eben als Freunde kennen gelernt, und er wußte nicht wie weit der anwesende gerade mit seiner nicht unbedeutenden Thätigkeit in diesem Geschäftszweig bekannt sein mochte; außerdem haßte er Missionaire. Hier galt es übrigens eine Geschäftssache, in der er wußte daß ihm der geistliche Mann nicht entgegen sein würde, und er sagte rasch:

»Mit unserem Handel wird es wohl Nichts werden, Mr. Noughton – es ist zu spät.«

»Wie so?« frug der Kaufmann rasch und erschreckt – »Sie dürfen jetzt kein höheres Gebot mehr machen, denn ich habe die Bestellung fest gemacht, wie Sie recht gut wissen – die Waffen sind mein.«

»Und sollen die Ihrigen bleiben, mit dem größten Vergnügen,« lachte der Seemann, »wenn Sie nur wissen sie an Land zu schaffen.«

»Und geht das nicht mehr auf dem gewöhnlichen Weg?«

»Was für Einer ist das?« frug Mr. Pritchard – der Seemann glaubte aber nicht eine Antwort darauf schuldig zu sein, sondern sagte achselzuckend:

»Die Franzosen haben in der That Besitz von Tahiti genommen; Posten sind ausgestellt an allen Plätzen wo es nur einigermaßen möglich ist zu landen, und eben wird eine Proclamation in Tahitischer, Französischer und Englischer Sprache angeklebt, nach der, unter anderem, Boote nicht einmal mehr nach Dunkelwerden in der Bai fahren, viel weniger an Land kommen dürfen.«

»Den Teufel auch« sagte Mr. Noughton, »und das müssen Sie sich hier von einem Anderen erzählen lassen?«

Mr. Pritchard zuckte mit den Achseln und sagte leise:

»Gegen rohe Gewalt hab' ich keine Macht und keine Aufträge anzustürmen; das muß der Zeit überlassen bleiben.«

»Zeit« brummte der Seemann ungeduldig – »die wird Einem dabei auch nicht gerade im Uebermaß zugemessen – morgen muß ich in See sein.«

»Und was haben Sie so zu eilen?« sagte Mr. Noughton.

»Das fragen Sie den Französischen Admiral« brummte der Engländer – »ob sie mich hier in Verdacht haben, oder ob ihnen irgend etwas verrathen ist, ich weiß es nicht, aber so viel ist gewiß, daß ich den Befehl bekommen habe was ich an Wasser und Provisionen brauche heute in Ordnung zu bringen, und morgen mit dem Landwind also etwa um neun Uhr, in See zu gehn. Das ist »kurz und süß« wie sie bei uns sagen.«

»Die Franzosen thun wirklich, als ob sie hier schon die Herren wären« sagte Mr. Pritchard.

»Thun so, Sirrah?« rief Mac Rally – »und verdammt gute Ursache dazu, denn sie sind's, so lange Sie nicht die Indianer dazu bringen können mit Macht über sie hereinzubrechen – und damit sieht's windig aus. Hätten Sie die Leute ein Bischen weniger beten und ein Bischen mehr ihre gesunden Glieder brauchen und ihre Waffenübungen nicht ganz vernachlässigen lassen, so wären die heidnischen Spiele dem lieben Gott jetzt selber zu Hülfe gekommen; jetzt können sie weiter Nichts wie mit Bibeln drein werfen, und daran stirbt Keiner – die Langeweile müßte sie denn wieder forttreiben.«

Mr. Pritchard legte den Kopf zurück und drehte ihn zur Seite, aber er erwiederte kein Wort; Mr. Noughton ging mit ineinandergeschlagenen Armen im Zimmer auf und ab, und murmelte leise etwas vor sich hin, endlich blieb er vor Mac Rally stehn, und frug, ihn finster dabei ansehend:

»Und was sagt Jim dazu?«

»Jim ist ein Tollkopf« brummte der Engländer – »ein richtiger Ire, dem nicht wohl ist wenn ihm nicht Jemand den Schädel zerschlägt, oder wenn er nicht denselben Liebesdienst Jemand Anderem erweisen kann.«

»Also er meint es sei wirklich möglich sie heute Abend an Land zu schaffen?« frug Mr. Noughton schnell.

»Der sagt zu Allem ja« knurrte Mac Rally.

»Nun also, was haben wir denn da noch außerdem für Hindernisse?«

»Er verlangt daß ich ihm die Gewehre und was dazu gehört, in wasserdichten Fässern an eine gewisse Stelle in Matawai Bai liefere und das ginge allenfalls; aber dorthin haben die verdammten Franzosen wahrhaftig auch heute Morgen eine Schildwacht gestellt, wie überhaupt an jeden Corallengang durch den mehr als ein Canoe einfahren könnte, und ich kann meine Leute nicht dazu riskiren. Wenn sie entdeckt werden, und das ist kaum anders möglich, so wird jedenfalls auf sie geschossen, oder doch der Alarm gegeben, und sie stecken mir nicht allein die Leute ein, und der ganze Transport ist verloren sondern sie – visitiren mir auch am Ende noch das Schiff und – das wäre mir unangenehm.«

»Posten schon überall ausgestellt?« rief Noughton erstaunt, »ei dann zeigen sich die Monsieurs schon allerdings als Herren der Insel und es hat keine Gefahr mehr, daß mir die Gewehre auf dem Lager blieben – Mac Rally Sie müssen wahrhaftig Rath schaffen; mit einer einzelnen Schildwache läßt sich am Ende auch noch sprechen.«

»Sprechen, ja, aber nichts durchbringen« brummte der Wallfischfänger – »Sie haben auch Nichts dabei zu riskiren, ich aber desto mehr, und nehme da lieber die paar hundert Stück Gewehre wieder mit in See; in Huaheina oder Bola Bola find' ich, wenn auch nicht so gute Preise doch mehr Sicherheit.«

»Wo müßten sie denn gelandet werden?« frug der Geistliche.

»Der einzig mögliche Platz wäre Matawai Bai und zwar in der Einfahrt, in der früher ein alter Missionair wohnte, der leider Gottes gestorben ist – jetzt sitzt ein Franzose drin – ja zwei eigentlich, denn dicht daneben wohnt noch Einer, und außerdem hat sich der Posten gerade überhalb der beiden Häuser in eine alte, nicht mehr benutzte Hütte placirt, der, wie ich gehört habe, alle zwei Stunden von Papetee aus abgelöst werden soll, während die weiter unten befindlichen mit einem anderen, dorthin gelegten Detachement in Verbindung stehn.«

»Und könnten wir nicht unter oder über der Vorposten-Grenze landen?« frug Mr. Noughton.

»Nein« sagte der Seemann, kopfschüttelnd, »erstlich nimmt das zu lange Zeit weg, und selbst das nicht einmal gerechnet, müßte ein Boot auf dem Binnenwasser und dicht am Strande hin völlig Spießruthen bei den Posten laufen, und es wäre rein unmöglich es unentdeckt an den Ort seiner Bestimmung zu bringen, während dorthin gerade die Ladung im Schatten der Riffe und später der Palmen die größte Wahrscheinlichkeit sicherer Landung für sich hat.«

»Das ist das Haus wo Monsieur Delavigne wohnt« sagte Mr. Noughton – »und sein Nachbar heißt Lefévre.«

»Ich glaube das sind die Namen« brummte der Alte, »kommt aber nicht d'rauf an wie, sondern wo sie getauft sind.«

»Hm, hm, hm« sagte der Amerikaner, nachdenkend im Zimmer auf- und abgehend – »ich glaube – lassen Sie mich einmal sehn – ich glaube Bruder Rowe hat Zutritt da im Haus – «

»Wird ihm wenig helfen« meinte Mac Rally.

»Kann ich einmal mit Jim sprechen?« frug Noughton, vor dem Seemann stehen bleibend.

»Ich wollte selber ich könnte seiner habhaft werden« erwiederte dieser, »aber wie mir Bob, mein Zimmermann sagt, hat er alle Ursache sich nicht bei Sonnenschein zwischen den Franzosen blicken zu lassen – es müssen alte Geschichten sein. In den Guiaven drin steht aber ein Haus, wo er zu finden sein soll.«

»Bei der alten Irischen Hexe?« frug der Amerikaner.

»Nein, da kommt er seit jenem Abend, wo sie ihn beinah einmal abfaßten nicht mehr hin – 's ist nicht so weit draußen und ich kenne die Stelle – und was sagen Sie dazu, Mr. Pritchard?«

Bei Nennung des Namens drehte sich der Wallfischfänger rasch nach diesem um, der Consul aber sagte achselzuckend:

»Ich kann in meiner Stellung Nichts dabei thun, Mr. Noughton, obgleich ich den Insulanern jeden Erfolg gegen ihre Feinde wünsche.«

»Sie sind Consul hier in Papetee?« sagte Mac Rally.

Mr. Pritchard machte eine bejahende Bewegung mit dem Kopf.

 

»Dann werd' ich Sie bitten mir heute Nachmittag meine Papiere in Ordnung zu bringen« bat der Engländer – »'s ist jedenfalls besser ich habe die regulirt.«

»Kommen Sie nachher zu mir, ich werde es Ihnen besorgen.«

»Mac Rally,« sagte Mr. Noughton, »thun Sie mir einmal den Gefallen, zu Mr. Rowe zu gehn und ihn zu bitten, mich heute Morgen, sobald er möglicher Weise kann, auf einen Augenblick zu besuchen; ich hätte etwas sehr Wichtiges mit ihm zu besprechen; wollen Sie?«

»Ich will gleich von hier zu ihm gehn – und unser Geschäft?«

»Sein Sie nachher um elf Uhr hier wieder im Haus. Sie können mich zu dem Haus führen, wo wir Jim O'Flannagan treffen mögen?«

»Gewiß kann ich« brummte dieser, »aber es wird dann die höchste Zeit daß etwas geschieht, wenn wir's überhaupt noch ausführen wollen.«

»Haben Sie Alles gepackt und in Ordnung?«

»Schon seit heute Morgen um sechs Uhr.«

»Gut – überlassen Sie dann das andere mir – und Mr. Rowe?«

»Schicke ich Ihnen unter Adresse und Frachtbrief augenblicklich ins Haus – guten Morgen Gentlemen,« und sich langsam auf seinen Hacken umdrehend, drückte er die Thür hinter sich ins Schloß, und ließ die beiden Männer allein, die sich bald darauf in eine sehr lebhafte aber mit leiser Stimme geführte Unterhaltung vertieften, in der sie erst wieder gestört wurden, als sich der ehrwürdige Mr. Rowe unten anmelden ließ.