Die letzte Schlacht

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Die letzte Schlacht
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Gerhard Kunit

Die letzte Schlacht

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Die letzte Schlacht

Leseprobe Portale, Priester und Dämonen 4: Uhrwerk Pandora

Impressum neobooks

Vorwort

Die Geschichte der Drachenstadt Wison übt auf mich eine anhaltende Faszination aus. Die Drachenpriester, die sich auf ihren flinken, grazilen Reitechsen immer wieder dem hoffnungslos überlegenen Feind entgegenwerfen sind für mich der Inbegriff klassischer Fantasy jenseits von Tolkiens Schöpfungen und waren Grund genug diese Geschichte zu schreiben, doch die eigentliche Magie entspringt dem Wesen der geheimnisumwitterten Schutzgottheiten der Stadt.

Die letzte Schlacht

Drachenpriester nannten uns die Bürger der Stadt Wison, obwohl die Ferale, die wir verehrten, gar keine Drachen waren. Aber wie sollten wir sie eines Besseren belehren, konnten wir doch selbst nicht benennen, woher sie stammten und welcher Art ihre Natur und Herkunft war. Die Präsenz dieser übernatürlichen Wesenheiten durchzog die Stadt wie ein allgegenwärtiger Hauch, dessen Intensität sich hier, in der Kathedrale, dem Zentrum ihrer Macht, zu einer fast greifbaren Energie verdichtete. Sie waren einfach, und keiner, der jemals hier gestanden hatte, bezweifelte dies.

Skrajagdar war der größte und mächtigste der Ferale. Ich sah zu seiner Statue auf, die drei Mannslängen hoch vor mir empor ragte. Ehrfurcht schlug mich in ihren Bann, wie jedes Mal, wenn ich in den Anblick dieses Meisterwerks aus Glauben und Schöpferkraft versank. Die muskulösen Beine endeten in etwas, das wie eine groteske Mischung aus Huf, Pfote und Tatze aussah und die Schenkel trugen den Körper eines kräftigen Mannes. Arme, die selbst bei gleicher Körpergröße noch doppelt so stark wären wie meine Oberschenkel, mündeten in krallenbewehrten Fäusten, die eine geflammte Schlachtenklinge und eine gewaltige Eisenkette umklammerten. Den mächtigen Schultern entsprossen Schwingen, welche die Breite und die Höhe der Kathedrale erfüllten. Kein Mensch wusste, wie der Künstler die aus einem Block gehauene Skulptur durch das Tor gebracht hatte. Ich vertrat die Meinung, die Halle wäre nachträglich um sie herum errichtet worden.

Gekrönt wurde die lebensecht getroffene Statue von einem Stierhaupt mit nach vorne geschwungenen Hörnern, so lang wie Zweihandschwerter – und dennoch war die Miene unzweifelhaft auch von den Zügen eines Wolfes geprägt. Dies mochte zum guten Teil an der langen Schnauze mit den blitzenden Zähnen liegen, doch für mich rührte der Eindruck eher von dem Blau der faustgroßen Saphire in den Augenhöhlen der Statue, ein Blau, das ich in meinen Augen wiederfand, sobald ich in den Spiegel sah.

Die Haut chargierte zwischen einem feurigen und einem dunklen Rot, die von dichtem, rostrotem Pelz bedeckt war, überall wo auch der männliche Körper Haare aufwies, und doch dichter, animalischer, ungezügelter. Unter dem fein herausgearbeiteten Lendenschurz, der ein Bärenfell darstellte, zeichnete sich ein Phallus ab, der den Hörnern auf dem beeindruckenden Schädel in Nichts nachstand – ein Anblick, der mehr als einmal meine Träume bereichert hatte.

Das also war Skrajagdar, der Patron unserer Stadt, der uns beschützte – beschützt hatte, merkte ich bitter an, ein Gedanke, für den ich mich zwei Tagen zuvor noch selbst gegeißelt hätte – doch für das Volk war er Skrag, der Drache und so nannten sie uns, seine Kriegspriester, Drachengarde.

Bis auf ein Dutzend Andächtige, die vereinzelt oder zu zweien im rückwärtigen Bereich des Langschiffs kauerten, war es still, zu still für diese Zeit, für jede Zeit des Tages. Hier herrschte die Ruhe der Hoffnungslosigkeit und des resignierenden Wartens auf den dräuenden Untergang. Gestern noch war es wie in einem Ameisenhaufen zugegangen, jeder Einzelne andächtig und beherrscht und doch wuselnd in ihrer Gesamtheit und Vielfalt. Gestern, als uns die Nachricht erreichte, König Jorik wäre an der Spitze seines Heeres eingetroffen um den Belagerungsring zu sprengen und die Stadt zu befreien. Unser guter König Jorik, der ….

„Aah!“ Mein Schrei hallte durch das Langschiff, als die Wut des Drachens die Fesseln meiner Selbstbeherrschung sprengte und sich Bahn brach. Mein Tritt schmetterte gegen einen meterhohen Opferkrug aus weißem Ton, der sich gemächlich neigte, fiel und an der Kante der Altarstufe zerschellte. Gesichter tauchten aus dem Halbdunkel, als der Eine oder Andere den Kopf hob, und verschwanden wieder in der dumpfen Lethargie leerer Anbetung. Fast wünschte ich, jemand möge aufspringen und mich empört in meine Schranken weisen, doch selbst dazu raffte sich niemand auf.

Doch halt, ich greife vor. Ich sollte meine Geschichte früher beginnen, drei Tage früher, um genau zu sein ….

* * *

„Vorwärts!“, schnitt Hieranis Befehl durch den Tumult. Sie reckte ihre geflammte Klinge in die Höhe und trieb ihre Saltuk rücksichtslos in die Massen aus hysterischen Zivilisten und zurückflutenden Wachen. Für mich wirkte es wie ein Wunder, als sich vor ihr tatsächlich eine Gasse öffnete, doch war dieser Umstand wohl eher den rasiermesserscharfen Schnäbeln und den handlangen Klauen unserer Laufechsen geschuldet, als dem plötzlichen Wirken eines unnahbaren Gottes.

Obwohl ich Chloes Präsenz hinter mir spürte, versicherte ich mich, dass auch Gart und die Anderen folgten und lenkte meinen treuen Irkan in die Schneise, die Hieranis Saltuk hinterließ. Wohl sah ich das eine oder andere Bein eines Gestürzten in die Bahn ragen und irgendwo auch Blut, doch konnte ich darauf keine Rücksicht nehmen, wenn ich nicht riskieren wollte, dass mein Saltuk auf dem abgetretenen Kopfsteinpflaster zu Fall käme.

Wir näherten uns der rechtwinkligen Biegung am Dungbrunnen mit rasender Geschwindigkeit, doch Hierani zügelte ihr Tier nur unmerklich, ehe sie zwischen den Zurückdrängenden nach rechts abdrehte. Meine Augen erfassten jede Unebenheit an den behauenen Bruchsteinen der Einfassung und jeden Riss in den Holzbalken der Überdachung und ebenso deutlich erkannte ich jede farbliche Nuance in der gelbbraunen Fassade hinter dem Brunnen, während die Menschen links und rechts zu einer gesichtslosen Masse verschwammen. Ich spürte eine feine Unsicherheit im Gang meines Saltuks, beugte ich mich auf seinen Hals hinab und legte meine Linke auf das blaugrüne Gefieder, das bei keinem so schön glänzte, wie bei ihm. „Los Irkan, du schaffst das, mein Guter!“

Er antwortete mit jenem Schrei, den ich mit einer Art wütender Zuversicht in Verbindung brachte, ähnlich dem Ruf eines verärgerten Adlers, nur deutlich lauter. Entsetzte Gesichter starrten mir entgegen, als ich den Saltuk nach rechts zog, während die Klauen seiner kräftigen Hinterbeine über die abgewetzten Steine glitten ohne Halt zu finden. Der Brunnen kam viel zu schnell näher, bis Irkan gegen die gemauerte Einfassung trat und uns so beinahe die richtige Richtung gab.

Ein Kind taumelte aus der Menge, ein Mädchen, das mich aus geweiteten Augen anstarrte. Instinktiv zog ich die Laufechse zum Sprung hoch und das treue Tier gehorchte blindlings. Der Satz führte uns viel zu nahe an das Obergeschoss eines Bürgerhauses, doch da traten die Hinterbeine seitlich aus und schlugen dabei ein Stück Putz aus der Fassade. Die Menschen duckten sich kreischend, doch Irkan hatte den Sprung so bemessen, dass wir, wenn auch schlitternd und rudernd, auf dem Pflaster landeten, ohne uns alle Knochen zu brechen.

Die akrobatischen Einlagen unserer Reittiere begeisterten mich jedes Mal aufs Neue, wobei die eigentliche Herausforderung darin bestand, dabei auf ihrem Rücken zu bleiben. „Danke Irkan!“, rief ich, und diesmal kam seine Antwort hoch und keckernd, dem Lachen spielender Kinder gleich.

„Wow!“, hörte ich Garts Stimme von hinten. „Das war ganz schön gewagt!“

Allmählich vernahm ich den Kampflärm vom nahen Tor, doch die Strecke vor uns war jetzt frei und so nutzte ich die Gelegenheit, wandte mich um und warf ihm eine Kusshand zu. „Danke, ich weiß, dass ich gut bin!“, rief ich, und er lachte lauthals. Keiner wusste, wer von uns den Tag überleben würde, und so war dies vielleicht die letzte unbeschwerte Geste, die ich mit Gart wechselte, dem Mann und Gefährten, der mich im Lauf des letzten Jahres so verzaubern konnte.

„Halt!“ Hierani zügelte ihre Saltuk und wartete, bis der letzte ihrer neun Echsenreiter aufschloss.

Ich nutzte die Atempause und verschaffte mir einen Überblick. Der Riegel des Tores war durchbrochen und einer der Flügel war den hastig angelegten Stützbalken zum Trotz auf, nicht viel mehr als einen Spalt breit, doch das genügte den Eroberern. Noch waren erst zwei ihrer Elitekämpfer mit ihren massiven Rüstungen eingedrungen, aber das verschob das Gleichgewicht zugunsten der Nachdrängenden und bald stünde ihnen das Tor gänzlich offen. Der Widerstand wankte und der Einbruch konnte sich sehr schnell zu einem entscheidenden Durchbruch ausweiten.

Die Menschen des Westens überragten uns um mehr als einen Kopf – also mich fast um zwei – und waren uns an schierer Kraft überlegen. Als Kriegspriester der Drachengarde konnten wir diesen Vorteil durch jahrelanges Training und mentale Stärke wettmachen, doch das Gros unserer Kämpfer bestand aus Bürgern und Bauern, einfachen Menschen, die im Umgang mit den Waffen ungeübt waren. Selbst die Miliz, die mit ihren Schwertern, Speeren und leichten Rüstungen leidlich umgehen konnte, war den schwer bewaffneten Aggressoren nicht gewachsen. Nach Jahrzehnten des Friedens herrschte Krieg und die Eroberer verstanden ihr Handwerk. So grenzte es an ein Wunder, dass wir solange standgehalten hatten, doch wenn das Westtor heute fiel, konnte es damit rasch vorbei sein.

 

„Das Gitter!“, rief ich, noch ehe Hierani den Befehl zum frontalen Angriff gab. „Wieso ist das Fallgitter oben?!“ Ich sah zum Torhaus hinauf, auf dessen Plattform ebenfalls gekämpft wurde.

„Schleicher!“, schrie Gart und deutete nach oben. Ein Mensch in der grünweißen Uniform unserer Miliz stürzte über die Brüstung und fiel in die Kämpfenden am Fuß des Tores.

Schleicher. Wie ich diese Biester hasse. Die meisten dieser rotbraunen, halbnackten Affen gingen selbst mir kaum einmal bis zur Brust, aber sie waren zähe Kämpfer, die mit ihren kurzen krummen Säbeln umzugehen wussten. Fehlende Reichweite und Kraft machten sie durch Geschicklichkeit und Heimtücke wett und so waren sie für unsere Soldaten eine ernstzunehmende Gefahr.

„Cora, Gart, Chloe!“, rief Hierani und zeigte mit ihrer Klinge zum Torhaus. „Ihr wisst, was zu tun ist!“

Sie nutzte jede Chance, die sich ihr bot und nahm sie ohne Zögern wahr, wobei ihr völlig gleich war, wer den Feind am Tor zuerst erkannt hatte oder von wem ein Plan stammte. Das schätzte ich an ihr, so wie ich es allein ihrem Geschick und Weitblick zuschrieb, dass unsere Schwadron auch schwierige Kämpfe wieder und wieder ohne ernsthafte Verluste überstand. Im Gegenzug ginge ich für Hierani durchs Feuer und das traf wohl auf Jeden von uns zu.

„Irkan! Los!“, befahl ich und zeigte auf einen Treppenabsatz auf halber Höhe der Mauer. Der Saltuk schoss vorwärts, bewältigte die vier Höhenmeter im Sprung und stieß sich von dem hölzernen Handlauf ab, sodass der Balken unter seinen Klauen zersplitterte. Ein zweiter Satz trug uns auf die Mauerkrone, wo sich eine Soldatin erschrocken vor uns wegduckte. Dennoch erkannte ich Erleichterung in ihrer Miene. Dank uns würde sie weiterleben. Heute zumindest. Vielleicht.

Aus dem Augenwinkel sah ich Gart, der meinem gewagten Manöver folgte und auf Chloe konnte ich mich sowieso blind verlassen. Ich zog die Drachenklinge und nahm das umkämpfte Torhaus ins Visier, dessen Brüstung nur noch drei Meter über dem Wehrgang lag. Irkan stieß seinen Kampfschrei aus, sprang und wir segelten ins Getümmel. Der Aufprall fegte zwei der Schleicher beiseite und meine Klinge fuhr einem dritten tief in Schulter und Hals. Ich konnte nicht sehen, ob ihn das umbrachte, da mich ein weiterer von der Seite ansprang. Ich wirbelte die geflammte Klinge herum, parierte seinen Angriff und tötete ihn.

Zwei der Soldaten der Bürgerwehr ließen erleichtert ihre Waffen sinken, ein Fehler, den einer der beiden sofort mit seinem Leben bezahlte. Der andere erschrak und nahm den Kampf wieder auf, bis ihn Chloe endgültig aus seiner Bedrängnis befreite. Zwei Augenblicke später fiel der letzte Angreifer unter unseren Waffen und den Schnäbeln der Saltuks.

Nachdem die Plattform gesichert war, riskierte ich einen Blick nach unten. Die Eroberer hatten ihren Einbruch ausgeweitet und mehrere Krieger durch das Tor geschleust, doch Hieranis Gegenangriff gebot ihnen vorerst Einhalt. Dennoch durften wir keine Zeit verlieren. „Gart, halt die Stellung!“, rief ich, da ich weder die Plattform, noch unsere Tiere preisgeben wollte.

Als ich von Irkans Rücken glitt, verschwand Chloe bereits über die Brüstung. Sie nutzte die Haltestange des Kohlebeckens und der kühne Schwung trug sie gleich durch die Pforte, die vom Wehrgang ins Innere des Torhauses führte.

Während ich ihr auf demselben Weg folgte, warnte mich ihr Schrei. Schemen geschliffener Schneiden blitzten durch meine Gedanken und das Echo ihres Schmerzes durchzuckte mein Bein. Meine linke Schulter protestierte, als ich meiner Bewegung einen zusätzlichen Drall gab, doch so entging ich dem umgestürzten Waffenständer, der unmittelbar hinter der Türe lag.

Die drei Schleicher, die nach einem Augenblick des Zögerns auf uns eindrangen, ließen keinen Raum für Wehleidigkeit. Chloe war mit ihrem Bein zwischen die Klingen der Stangenwaffen geraten und lag rücklings am Boden. Einer der Gegner witterte seine Chance und drang auf sie ein, während mich die beiden anderen in die Zange nahmen. Sie waren geschickt. Nicht genug, um mich in Bedrängnis zu bringen, aber es reichte mich zu binden, vier Hiebe lang nur ehe sie starben, aber dennoch kam es mir wie eine Ewigkeit vor. „Chloe!“, rief ich verzweifelt, als auch der Zweite endlich fiel.

Meine Schwester grinste mir schief entgegen, während frisches Blut von ihrer Klinge troff. „Der war gut“, sagte sie mit einem Blick auf den leblosen Schleicher. „Aber ich war besser. Dachte wohl, er könnte mich tranchieren, nur weil ich am Boden liege.“

Ich durchschlug die Taue, die das Fallgitter mit den Gegengewichten verband. Das war nicht die eleganteste Methode, aber eindeutig die schnellste. Draußen erschollen wütende Schreie, die mühelos übertönt wurden vom Jubel, der in der Stadt aufbrandete.

„Geht’s?“, fragte ich mit einem Seitenblick auf Chloes bluttriefende Wade.

„Ja.“ Sie nickte tapfer, trat auf – und knickte weg. „Au! Nein.“

In diesem Moment stürmte ein weiterer Schleicher ins Torhaus. Er wog seine Chancen ab, machte kehrt und sprang über die äußere Wehr in die Tiefe. Im nächsten Augenblick erschien der Kopf eines Milizionärs im Rahmen. „Alles in Ordnung?“, erkundigte er sich.

„Ja“, antwortete ich. „Aber wir könnten Hilfe gebrauchen und eine rasche Ablöse.“

„Geht klar“, erwiderte er und verschwand. „Tor ist gesichert!“, hörte ich ihn draußen rufen. „Zwei Gruppen zu mir nach oben!“

Ich trat an eine der inneren Scharten und sah hinab. Noch wurde heftig gekämpft, aber die Eindringlinge waren abgeschnitten und hoffnungslos in der Unterzahl. Nichts, womit Hierani und die Übrigen nicht alleine fertig würden, dachte ich und riskierte einen Blick durch die äußere Scharte.

Direkt vor dem Tor drängte sich eine Horde der eisengerüsteten Krieger, sechzig vielleicht oder siebzig, jeder einzelne davon stark genug, zehn der Unseren zu erschlagen und die Äxte, Hämmer und Kettensterne die sie trugen, waren genau dafür geschmiedet worden. Die Wut darüber, von ihrer sicher geglaubten Beute abgeschnitten zu sein, ließen sie an dem Fallgitter aus, das ihren wuchtigen Schlägen allerdings mehr als gewachsen war.

Links und rechts dieser Schwerbewaffneten fluteten die Schleicher zurück, als wimmelnde Masse, die schon begriffen hatte, dass der Festschmaus an unseren Gefallenen nicht heute stattfände. Sie sammelten sich hinter ihren Schanzen, tief gestaffelten Feldbefestigungen, deren nächste bis fünfzig Meter an unsere Mauern heranreichten.

Dominiert wurde die Szenerie jedoch von fünf Bantans. So nannten wir die riesigen Reittiere der Fremden, behäbige Echsen, so hoch und breit, dass sie gerade noch durch unser Haupttor passten sofern sie ihre Köpfe absenkten, und länger als ein Ochsengespann. Auf dem Rücken trugen diese wandelnden Festungen Kampftürme, die fast bis an unsere Mauerkrone heranreichten und so den Schleuderern ermöglichte, unseren Bogenschützen auf Augenhöhe Paroli zu bieten. An einem dieser Türme erkannte ich die ausladenden Armen eines schweren Werfers, eines Geschützes, das mit einem Schlag tausende und abertausende Steinchen mit vernichtender Wucht verschoss. Diese Waffe war so schwerfällig, dass sie für das Laden mehr als einer Stunde benötigte. Die Fremden machten diesen Nachteil aber wett, indem sie nicht feuerten. So primitiv ihr Geschütz auch war, hielten sie damit doch eine potentielle Bedrohung aufrecht, die jegliche Truppenkonzentration an einem Mauerabschnitt verhinderte. Zudem konnte der Beobachter auf dem Kopf unsere Bewegungen auf der Mauer im Auge behalten, sofern die Echse ihren langen Hals in die Höhe reckte.

Weit im Hintergrund, in einer Entfernung, die uns in Sicherheit wiegen sollte und sie gleichzeitig vor unseren Ballisten schützte, lauerten Panzerreiter. Für den Sturm auf die Stadt waren sie ungeeignet, doch ihre Anwesenheit genügte, uns von jeglichem Ausfall abzuhalten, wenn wir nicht von ihren schweren Rössern zermalmt werden wollten. Der Gedanken, mich einem Pferd anzuvertrauen, ließ mich schaudern. Ich dachte an die klugen Augen unserer Saltuks, an ihre feinen Bewegungen, die von einem allzeit wachen Geist zeugten und an die Treue, mit der sie ihren Reiter in die Schlacht trugen und – so der Drache mit uns war – auch wieder nach Hause. Um nichts in der Welt wollte ich Irkan gegen ein so primitives Vieh wie ein Pferd eintauschen.

* * *

Gart bot sich an, die Saltuks von der Plattform zu schaffen, damit ich mich um meine Schwester kümmern konnte. Dankbar nahm ich an.

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