Der Hunsrück

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Der Hunsrück
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Für Martina, die mich die Liebe zur Kunst gelehrt hat.

Impressum

Der Hunsrück - Ein Erfahrungsbericht

Georg Schröder

published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Copyright: © 2012 Georg Schröder

ISBN 978-3-8442-3795-5

Prolog

Eine Woche lang nehme ich mir Zeit, um den Hunsrück mit dem Auto und zu Fuß zu erkunden. Im Jahre 2005 war ich schon einmal für längere Zeit dort, als Rettungsassistent im Praktikum. Damals wäre ich an der Masse menschlichen Leids mit der konfrontiert wurde, beinahe seelisch zerbrochen, wollte nie wieder dort hin.

Doch etwas scheint mich magisch anzuziehen. Ich will mehr wissen über diese Gegend, die ich vor sechs Jahren nur durch die Windschutzscheibe eines Rettungswagens gesehen habe.

Start im Morgengrauen

Langsam steigt die Sonne hinter den Bergen empor. Nebel hüllt das Rheintal ein und taucht die Umgebung in ein magisches Licht. Es verspricht ein sonniger Tag zu werden.

Ich beginne meine Reise in Koblenz, am Deutschen Eck. Hier am Zusammenfluss von Rhein und Mosel, befindet sich der nordöstlichste Zipfel des

Hunsrück. Kaum jemand kennt diese Gegend wirklich und nur ganz wenige wissen um seine landschaftlichen und architektonischen Schätze.

Den Kern des Hunsrück bilden die Hunsrückhochfläche und die Simmerner Mulde. Im Nordwesten wird er von der Mosel und im Osten vom Rhein eingegrenzt. Der Binger Wald, der Soonwald und der Lützelsoon grenzen nach Süden ab. Das untere Naheland, der Hochwald und der Wildenburger Kopf schließen nach Südwesten an.

Hier ist das obere Nahebergland dem Hunsrück vorgelagert. Osburger Hochwald, Schwarzwälder Hochwald, sowie Saar und Ruwer begrenzen nach Westen. Die südliche Verlängerung bilden der Westrich und das Nordpfälzer Bergland.

Vor 400 Millionen Jahren war das heutige Mitteleuropa von einem tropischen Meer bedeckt. Auf dessen Boden lagerten sich im Laufe sehr langer Zeiträume dicke Schichten von eingespülten Sandmassen und Schlämmen ab, die von den umliegenden Landmassen ins Meer erodiert wurden. Ihr Eigengewicht verfestigte sie zu Gesteinen. Aus den Sanden wurden die so genannten Diagonese Sandsteine, die durch Druck und Auflast weiter zu Quarzit umgewandelt wurden. Der eingespülte Schlamm, bzw, Ton wandelte sich zu Tongestein und durch Druck und Deformation, ausgelöst durch tektonische Prozesse, zu Schiefer um.

Nachdem kontinentale Hebungen das Meer zurückgedrängt und die so genannte Hunsrückinsel des Devonzeitalters zu einem Gebirge aufgewölbt hatten, setzte die Verwitterung ein. Niederschläge, Frost und Hitze präparierten die harten Quarzite aus den weicheren Tonschiefern der umliegenden Hochflächen heraus. So entstand das gegenwärtige Relief mit den quarzitenen Höhenzügen von Schwarzwälder und Osburger Hochwald, Idarwald, Soonwald und Binger Wald. Als höchster Punkt der Hunsrücklandschaft dominiert der 816 Meter hohe Erbeskopf und bildet zugleich die Wasserscheide zwischen Nahe und Mosel.

Der Erzabbau im Hunsrück war wenig ergiebig. Die letzten Bergwerke wurden in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts geschlossen. In Fischbach wurde Kupfer abgebaut. Im Raum Idar- Oberstein wurden Schmucksteine wie Achate, Amethyst, Japsis und Bergkristal gefördert.

Zu Beginn des Jahres 2009 sorgte der Hunsrückschiefer durch den spektakulären Fund eines Fossils für großes Aufsehen. Im Eschbach- Bocksberg Steinbruch in Bundenbach wurde das bisher einzige Exemplar des so genannten Schinderhannes Bartelsi gefunden. Die Entdeckung des 400 Millionen Jahre alten Fossils aus dem Unterdevon war völlig unerwartet, denn zuvor waren ähnliche Fossilien nur aus kambrischen Fossillagerstätten bekannt die etwa 100 Millionen Jahre älter sind als der Hunsrückschiefer. Schinderhannes Bartelsi ist ein entfernter Verwandter der Anomalocarieden, Organismen von denen man annimmt, dass sie mit den Gliederfüßlern verwandt sind. Sie waren etwa 10 Zentimeter lang, hatten ein segmentiertes Exoskelett mit seitlichen Loben zum Schwimmen und große Facettenaugen. Am auffälligsten ist ein Paar klauenähnliche Anhänge von denen man annimmt, dass sie die Nahrung dem Mund zugeführt haben.

Benannt wurde das Fossil nach dem Räuber Schinderhannes, der in der gleichen Gegend sein Unwesen trieb. Das Namensepithet Bartelsi ehrt Christoph Bartels, einen Experten für Fossilien aus dem Hunsrückschiefer. Das Exemplar befindet sich jetzt im Naturhistorischen Museum in Mainz.

Die Hunsrückhöhenstrasse

Seit es mich im Herbst 1989 ins Rheinland verschlagen hat, übt der Hunsrück eine große Faszination auf mich aus. Mit seinen Tälern, Hügeln und Wäldern, sowie den wie verwunschen da liegenden Fachwerkdörfern, erinnert er mich an meine thüringische Heimat.

Einen Moment lang schließe ich die Augen und sehe vor meinem geistigen Auge die Menschen, deren Schicksale mit dieser Gegend unmittelbar verknüpft sind.Ich sehe die Kelten, die diese Gegend bevölkerten, sehen die Heere der Römer, der Franzosen, Preussen und Amerikaner denen der Hunsrück als Durchzugs- und Aufmarschgebiet diente. Die Grafen von Sponheim, Namen wie Schinderhannes und Hildegard von Bingen kommen mir in den Sinn. Es scheint, als wolle mir der Hunsrück ein Geheimnis offenbaren. Also mache ich mich auf den Weg.

Trotz der frühen Morgenstunde herrscht bereits Hochbetrieb. Aus dem Umland strömen die Pendler in die Stadt, Reisebusse laden ihre Besuchergruppen aus, die ersten Cafes und Geschäfte öffnen. An der Ufermauer, nahe dem Deutschen Eck liegen drei große Flusskreuzfahrtschiffe vertäut.

Ich starte den Wagen und fädele mich ein in den dichten Verkehr. Zunächst folge ich der B- 9 in Richtung Boppard- Lahnstein, ehe mich die Hochtrasse des Zubringers auf die B- 327 in Richtung Hermeskeil führt. Ich fahre nun auf der Hunsrückhöhenstrasse, die im wesentlichen der B- 327 und der B- 407 folgt. Sie führt von Koblenz über Emmelshausen, Kastellaun, Kappel, Morbach, Thalfang, Hermeskeil, Reinsfeld, Kell am See bei Trier über Zerf nach Saarburg.

Die Hunsrückhöhenstrasse wurde in den Jahren 1938 und 1939 auf Befehl Herrmann Görings in kürzester Zeit durch die Organisation Todt, als militärisch- strategische Aufmarschstrasse zur deutsch- französischen Grenze und zum Westwall gebaut. Anschließend legte man in den Wäldern entlang der Strasse Nachschubdepods an. Im Bereich des Truppenübungsplatzes Kastelaun wurde ein Feldflugplatz angelegt. Dabei wurden viele keltische Hügelgräber entdeckt, die meisten jedoch zerstört.

Nach der Fertigstellung- 140 Kilometer in 100 Tagen- wurde die Strecke erst als Hunsrückstrasse, dann als Reichsstrasse 327 bezeichnet. Sie folgt zum Teil einer alten römischen Militärstrasse, die von Augusta Treverum (Trier) über Noviomagnus, (Neumagen- Drohn) nach Belginum (bei Wenderath) führte. Dort zweigte eine Trasse nach Osten ab, die über Dumnissus (Kirchberg) und Binginum (Bingen) nach Mogutraum (Mainz) verlief. Diese Strasse ist in der römischen Strassenkarte des 4. Jahrhunderts, der Tabula Peutigerinum, eingezeichnet. Geradeaus ging es weiter nach Bell. Von dort führte ein Weg über Beltheim, Sevenich und Schöneck in Richtung Koblenz, ein anderer nordöstlich nach Gamelshausen und Braunshorn nach Boppard. Der römische Dichter Decimus Magnus Ausonius erwähnte diese Strasse in seinem Gedicht Mosella, weshalb sie heute noch Ausoniusstrasse oder Ausoniusweg genannt wird.

Steil windet sich die Straße bergauf, eingerahmt von dichtem Laub- und Mischwald. Über Waldesch, Pfaffenheck, vorbei an Udenhausen, Kratzenburg und Halsenbach, geht es nach Emmelshausen, meinem ersten Ziel.

Die Stadt Emmelshausen ist mit rund 4700 Einwohnern Verwaltungssitz der gleichnamigen Verbandsgemeinde und staatlich anerkannter Luftkurort. Bereits Ende des 13. Jahrhunderts befand sich auf dem Gebiet des heutigen Emmelshausen eine gleichnamige Siedlung. Im Jahre 1314 gelangte sie vom Reich als Pfand an Kurtrier und wurde nie mehr eingelöst. Mit der Besetzung des linken Rheinufers durch französische Revolutionstruppen in Jahre 1794, wurde der Ort französisch. Auf dem Wiener Kongress wurde er 1815 dem Königreich Preussen zugeordnet. Erst 1935 wurde Emmelshausen selbstständig. Die Gemeinden Liesenfeld und Bassenscheid wurden eingemeindet.

Ich verlasse die Hunsrückhöhenstrasse und biege nach Emmelshausen ab, nehme am Verkehrskreisel die dritte Ausfahrt und folge der Hauptstrasse für weitere 300 Meter. Wenig später habe ich mein Ziel, den historischen Bahnhof erreicht. 1908 erbaut, fast gänzlich aus Bruchstein gemauert, ist er heute Haltepunkt der Hunsrückbahn und wird außerdem als Kulturzentrum genutzt. So findet hier unter anderem alljährlich eine Ausstellung des Kunstkreises „Die Wiebelsborner“ statt.

Hier oben hat es merklich aufgefrischt. Ein kräftiger Wind biegt die Bäume und lässt das Herbstlaub tanzen. Am Gleisbett und am Bahnsteig finden Bauarbeiten statt. Ich begrüße die Arbeiter mit: „Moin, moin“. Sie grüßen zurück und einer ruft. „Fotografier bloß nicht meine Kollegen, sonst platzt die Linse!“ Lachend mache ich die Probe aufs Exempel und siehe da, die Kamera bleibt heil. Ich will die Männer nicht zu sehr von ihrer Arbeit abhalten und mache mich wieder auf den Weg.

Auf der B- 327 fahre ich weiter nach Kastellaun. Dichte Wälder und weite, offene Flächen die als Ackerland und Weideflächen genutzt werden, wechseln einander ab. Vorbei an Schwall, Schnellbach, Braunshorn und Gödenroth gelange ich nach Kastellaun. Bei strahlendem Sonnenschein gehe ich durch die verwinkelten Altstadtgassen hinauf zur Burg, von der heute nur noch Ruinen erhalten sind. Die im 13. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnte Anlage diente den Grafen von Sponheim lange Zeit als Machtzentrum. Im Jahre 1689 wurde sie von den Truppen Ludwigs des XIV. besetzt, geplündert und fast vollständig dem Erdboden gleich gemacht. Anklagend recken sich die Mauerreste von Palas und Pulverturm in die Höhe.

 

Vom Bergfried ist nur noch ein Mauerring von etwa sechs Metern Durchmesser erhalten. Trotzdem geben die Ruinen ein eindrucksvolles Bild von der einstigen Größe dieser Burg. Von hier oben hat man einen großartigen Ausblick auf die Stadt und die nähere Umgebung. Kein Wunder also, dass man ausgerechnet hier auf diesem Hügel eine Burg gebaut hat.

Ich versuche mir das Leben der einfachen Menschen auf solch einer Burg vorzustellen, dass so gar nichts vom Glanz ihrer Herren hatte. Es bestand hauptsächlich aus harter Arbeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang und meist war Schmalhans Küchenmeister. Der Begriff „dunkles Mittelalter“ ist durchaus wörtlich zu nehmen. Burgen waren reine Wehrbauten. Alles auf einer Burg diente der Verteidigung und dem Krieg, sodass für Komfort kein Platz war. Da die Herstellung von Fensterglas sehr aufwendig und teuer war, wurden die Fensteröffnungen im Winter mit hölzernen Läden verschlossen. Die kalten, stockdunklen Räume wurden entweder mit einem Kienspan oder Talglichtern spärlich erleuchtet. Da bin ich froh, dass ich in der heutigen Zeit lebe.

Ein weiteres Gerücht über das Mittelalter, das sich bis heute hartnäckig hält ist, dass die Menschen damals kleiner als wir waren. Das stimmt so nicht. Sicher gab es damals regionale und auch Standesunterschiede, was die Größe der Menschen angeht. Wer bessere und reichhaltigere Nehrung hat, kann sich auch körperlich besser entwickeln. Im Großen und Ganzen waren die Menschen des Mittelalters so groß wie wir heute auch. Übrigens gibt es Skelette aus der Jungsteinzeit, die über 1, 80 Meter groß sind.

Inzwischen ist es Mittag geworden. Ich steige den Burgberg hinab in die Stadt und komme an einem Gasthaus vorbei. Jetzt erst bemerke ich, dass ich großen Hunger habe. Ein Schild am Eingang verkündet „Wir bieten fades Essen, unfreundliche Bedienung und lauwarme Getränke“. Klingt doch verlockend, denke ich und gehe hinein. Ich bestelle einen Scheiterhaufen, eine geröstete Scheibe Brot, ein Hacksteak mit Käse und Bakon Strips, angerichtet mit Mayonaise, Ketchup und Senf, dekoriert mit vier Salzstangen. Es sieht tatsächlich aus, wie brennender Scheiterhaufen und schmeckt ausgezeichnet.

Die Raketenkuh

Ich setze meinen Weg fort. Kurz hinter Kastellaun verlasse ich die Hunsrückhöhenstrasse für einen Abstecher zum Kloster Engelport. In Bell fällt mir an der Stirnseite einer Feldscheune ein riesiges Gemälde auf. Es zeigt eine Kuh, die eine Cruise Missile auf die Hörner nimmt. Das Bild soll an den Widerstand der Menschen hier gegen die Stationierung von atomaren Kurz- und Mittelstreckenraketen im Hunsrück erinnern.

Nicht weit von hier befand sich die Raketenbasis „Pydna“. Der Name Pydna geht auf die Schlacht von Pydna, am 22. Juni 168 v.Chr zurück. Diese Schlacht wird als klassisches Beispiel für die Gegenüberstellung einer makkedonischen Phalanx und den römischen Legionen dargestellt, wobei sich die ältere Taktik als unterlegen erwies.

Am 18. Juni 1958 wurde die 38th Bomber Wing der US- Luftwaffe als Tactical Missile Wing neu aufgestellt und auf der Hahn Airbase stationiert. Diese Einheit operierte zusammen mit der Tactical Missile Unit 61, die ihre Matador Raketen auf dem Pydna Gelände aufstellte. Es waren acht Raketenstartanlagen, zwei Leitstände und andere Bedarfsgebäude.

Am 25. September 1966 wurde die Einheit aufgelöst und das Gelände von der US Air Force geräumt. 1967 bezog die US Army das Gelände. Eine mysteriöse Einheit mit der Bezeichnung B- Battery stellte dort ihre Nike- Hercules Raketen auf. Diese waren ursprünglich als konventionelle Luftabwehrraketen konzipiert und später für den atomaren Einsatz gegen feindliche Bomberverbände umgerüstet. Durch den Nuklearsprengkopf sollte die Rakete befähigt werden, feindliche Bomberpulks anzugreifen und den so genannten „dead man effect“ verhindern.

Beim Angriff mit konventionellen Sprengköpfen wurde meist nur das angreifende Flugzeug zerstört, nicht aber die Atombomben, die es im Falle einer Ost- West- Konfrontation getragen hätte. Die Bomben wären nach der Zerstörung des Flugzeuges durch eine Standardmäßige Kopplung des Zündmechanismus an die integrierten Höhenmessgeräte, die beim Überfliegen der Grenze aktiviert wurden, zur Zündung gebracht worden. Der W- 31 Sprengkopf der Nike- Hercules, der durch die Unterdrückung der „boosted reaction“ wahlweise Sprengkraftäquivalente von 2 bis 40 Kilotonnen TNT entfalten konnte, sollte alle gegnerischen Flugzeuge, nebst Atombomben, im näheren Trefferumkreis vollständig vernichten, Flugzeuge in größerer Entfernung zum Absturz bringen.

Die B- Battery bestand aus Verwaltungs- und Unterkunftsgebäuden, sowie einem abgeschlossenen Bereich. In diesem Hochsicherheitstrakt waren ein Beobachtungsturm, sowie drei Startanlagen, Schutz- und Wartungsbauten untergebracht. 1981 wurden diese Raketen abgezogen und die Anlage geschlossen. Als Folge des NATO- Doppelbeschlusses sollten auf der Pydna, richtige Bezeichnung Winschheim Airstation, 96 abschussbereite Cruise Missiles gelagert werden, die mit Atomsprengköpfen ausgerüstet waren. Für die Marschflugkörper mussten 6 gehärtete. atomsichere Bunker gebaut werden.

In jedem Bunker waren zwei Feuerleitstellen und vier Werferfahrzeuge untergebracht. Alle Bedarfsgebäude zur Versorgung und Lagerung der Atomwaffen befanden ebenfalls sich im Hochsicherheitstrakt. Die verschiedenen Batterien übten laufend den Ernstfall, das heißt, sie fuhren mit Übungsfahrzeugen zu den über ganz Rheinland- Pfalz verstreuten Abschussstellen, um sich mit dem Gelände vertraut zu machen.

1984 begannen die Arbeiten zum Bau der Bunker. Vor der Bevölkerung wurden diese Pläne zunächst geheim gehalten. Militärisches Kalkül ließ diese Anlagen zu möglichen Zielen des Warschauer Paktes werden. Aus dieser Befürchtung heraus formierte sich eine Friedensbewegung, an deren Spitze neben anderen auch der evangelische Pfarrer August Dahl, genannt Raketen- August, stand.

Ab Mai 1985 wurde eine Dauermahnwache an der Hunsrückhöhenstrasse bei der Abfahrt zur Pydna eingerichtet. Täglich von 16:00 Uhr bis 17:30 Uhr demonstrierten Aktivisten mit einem Transparent auf dem zu lesen war: „Hier wird Krieg vorbereitet“. Am 11. Oktober 1986 fand auf dem Beller Marktplatzgelände die wohl größte bekannte Demonstration in der Hunsrückgeschichte statt. Rund 200 000 Menschen, davon etwa 10 000 aus dem Hunsrück, protestierten gegen die Stationierung der Marschflugkörper. Bei der Abschlusskundgebung waren neben zahlreichen Rednern auch bekannte Künstler wie Udo Lindenberg und Hannes Wader zu hören. Zum Ende des Tages wurde die“ Hunsrücker Erklärung“ verlesen, die sich für eine Umkehr in der Sicherheitspolitik aussprach. Die Demonstrationsteilnehmer wiesen eine besondere Friedfertigkeit auf, sodass es keine Krawalle, Verletzten oder Festnehmen gab.

Noch heute stehen drei Holzkreuze, als Rest der ehemals 96 dort aufgestellten Kreuze, eines für jede Rakete, westlich des Geländes auf dem so genannten Friedensacker, der zur Gemeinde Bell gehört. Auch die große Wandmalerei an der Feldscheune, die Raketenkuh- eine Kuh stellvertretend für den ländlichen Hunsrück die eine Cruise Missile auf die Hörner nimmt, erinnert an diese bewegte Zeit.

Mit dem Ende des kalten Krieges wurde auch das Gelände der Pydna aufgegeben und die 38. taktische Flugkörperstaffel am 22. August 1990 offiziell aufgelöst. Die Raketenzeit auf dem Hunsrück endete am 31. August 1993 mit der Übernehme der Liegenschaften durch die Standortverwaltung Kastellaun. Die zivile Nutzung beschränkt sich auf das Techno- Festival der Nature One, das seit 1996 auf dem Gelände stattfindet und jährlich bis zu 60 000 Besucher anzieht.

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