Versuchung

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Gela Bayer

Versuchung

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Versuchung

Gela Bayer

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de Copyright: © 2015 Gela Bayer ISBN 978-3-7375-7857-8 Konvertierung: Sabine Abels / www.e-book-erstellung.de

Die Hoffnung ist der Regenbogen über den herabstürzenden Bach des Lebens

Friedrich Nitzsche

Silvester !

Ich kam etwas spät nach noch schnellen Erledigungen heim. Ich bin Juliette, damals ca. Mitte 40. In der Tiefgarage stellte ich mein Auto auf die Duplex. Vom Kofferraum holte ich mir ein paar Einkäufe und machte mich auf zur Treppe.

Im diffusen Schein sah ich unter dem ersten schrägen Treppenabschnitt etwas, das sonst nicht da war.

Neugierig sah ich genauer hin. Beuge mich etwas vor. Zum Abgas-und Benzingeruch der TG mischte sich abgestandener Mief aus Alkohol und ungewaschenen Klamotten.

Da sagte eine eigenartig krächzende Stimme: „Hey Frau Audi, psst, sag nichts. Sonst fliegen wir noch auf, „ deutete auf noch zwei Gestalten, mit Pudelmützen und Decken vermummt. Da ging ich etwas näher hin und erkannte 3 Obdachlose.

Der Fitteste von denen sagte: „ Ich bin der Charly, er ist der Karli, deutete neben sich und der total Fertige ist Ottl, bekannt dafür daß er etwas wirr ist, spinnt.“

Ich lachte Charly an und meinte : „Keine Sorge, ich verrate Euch nicht. Bleibt ruhig da und versteckt Euch weiters.“ Meine Einkäufe halte ich beidhändig verteilt vor mich auf den Boden abgestützt.

Charly fragte: „Was hast'n da drinne ? Im besten Fall was zum Gurgeln hmm ?“

Er strich sich über seinen filzig-grauen Vollbart, streckte eine Hand aus.

Tatsächlich habe ich mich noch mit einem Sixpack Bier und einem Prosecco eingedeckt und 2 Packungen Zigaretten, die mir nie ausgehen dürfen.

Seine Augen gingen mir durch und durch als mich Charly mit Bettelblick anschaute.

Erstaunlich wache, sehr blaue Augen.

Ich kramte in einer meiner Tüten und zog dieses Sixpack Bier hervor, streckte ihm die Packung entgegen.

Da schoß seine zweite Hand aus dem alten Mantel, er grinste mich an, nahm das Bier und sagte gleichzeitig:

„Super Frau Audi, du hast wenigstens ein Herz für uns, laß mich dir danken, wir haben nämlich nichts mehr zum Feiern.“

„Ja feiern „ meinte ich, „ ist ja heute Silvester.“ „ Aber feiern unter einer Tiefgaragentreppe ist wohl doch nicht das Gelbe vom Ei.“

„Ja was denkst du, in 'ner Tiefgarage ist das für uns wie im Nobelhotel. Draußen ist es heut eisig, da haben wir uns reingeschmuggelt. Jetzt kommst noch du, das ist der Glücksfall für uns.“

Er schaute neben sich zu Karli, aber der schnarchte. Ich wollte gehen, da flüsterte Charly :“ Wo feierst du denn heute?“ Ich erwiderte, auch flüsternd.“ Ich bleib heute daheim, mach es mir gemütlich, sonst nix.“

„Na na Frau Audi, du mußt heut unter die Leut, hör auf mich. Weil, heute hast Glück.Wenn ich's dir sage. Hör auf einen alten Zausel, ich spürs, du erlebst heut Nacht was gaanz Besonderes.

Denk nur nicht wir sind bloß Ga Ga, denn auch wir haben Gefühle und ein Gespür, blöd sind wir auch nicht, also. Ja, gut, der Olli vielleicht , der ist komplett Plem Plem.“„Den schleppen wir aus Mitleid mit, aber er ist harmlos.“

Verschwörerisch zwinkert er mir zu. Mir tat der ' Zausel ' samt seinen Kumpels Leid. Wollte mich nun verabschieden: „ Viel Glück Dir und deinen Kumpanen, gutes Neues Jahr, bleibt so gelassen, bleibt gesund, machts gut ! Laßt euch nicht erwischen heut Nacht. Und Prost Charly.“ Heb die Hand zum Gruß.

Charly hebt zackig seine Hand an die struppige braune Mütze:„Mach's gut und viel Glück.“

Ich steige nachdenklich bis hoch zum 4. Stock, muß an den fast zahnlosen Charly denken.

Höre noch wie erneut das elektrische Tiefgaragentor aufschwingt, denke, hoffentlich werden die drei nicht entdeckt.

Unser Hausmeister war ein wirklich netter Kerl, kümmerte sich um alle mögliche Dinge. Aber diese Obdachlosen würde er nicht akzeptieren können wegen der vielen Hausinwohner. Es ist eine wirklich riesige Wohnanlage mit Park ringsum, samt Laternen und Parkbänken an den verschlungenen Wegen. Der Blick vom Balkon, nachts war äußerst romantisch.

Also, dieser Hausmeister war bestrebt es allen Mietern und Eigentümern recht zu machen. Ich hatte Sorge, er würde diese Penner weg scheuchen müssen.

In meiner Wohnung, endlich, war ich immer noch der Meinung, dass ich gemütlich zuhause bleibe.

Langsam wurde es dunkel. TV an, Couch räkeln, fernsehen.Fernsehen? Denkste.

Charly hat mir einen Floh ins Ohr gesetzt.

Nicht einen Floh den er möglicherweise in seinem fleckigen Schal und Klamotten herumgetragen hat, lachte so für mich.Obwohl, zu lachen gäbe es eigentlich nichts. Penner nennen wir sie. Sind wir nicht alle Arroganzlinge anderen gegenüber welche kein Glück haben im Leben ?Abfällig denken....

Es wird Zeit, wenn ich Charlys Rat folgen soll. Wie gesagt, der Floh saß mir im Ohr, auf der Couch, im Bad, in der Küche, wo ich hin ging war dieser Floh.

Es ist wie wenn man einer Wahrsagerin zuhört, welche irgendwelche Zukunftsvisionen orakelt.

Ist die Prognose gut, warten wir irgendwie auf Erfüllung, ist es schlecht, dann tun wir es ganz schnell ab als Hokuspokus.

Wenn ich mich style, samt Klamotten und Schminke, mich ok finde, dann gehe ich noch aus. So orakelte ich.

Wohin? Silvester-Events oder Bälle sind nur paarweise zu besuchen. Blitzidee, Spielcasino in Bad Wiessee. Warum nicht. Dort sind sowieso nur spielsüchtige Kerls. War schon manchmal da, mit meiner Münchener Clique, viele Jahre zurück.

Hatte tiefhängende Fransenlampen über den Spieltischen in Erinnerung. Dort könnest du sogar nackt am Spieltisch stehen, keiner würde es bemerken. Die Gewinngier schaltet fast alle sonstigen menschlichen Wahrnehmungen aus. So war mein Sinn.

Wählte eine dunkelgraue ¾ lange Leggins, mit Zöpfchenstrang an den Seiten, darunter schwarze seidige Nylons, schwarzes Paillettentop zu einem schwarzen hüftlangen Blazer mit raffiniertem Revers, Wildleder-Highheels. 1990 war das die Mode überhaupt.

Mein kritisches Auge im Spiegel sagte ok.

Gehe wieder abwärts zur Tiefgarage. Schaue vorsichtig unter die Treppe, sehe alle drei friedlich schlafen. Charly hatte zwei Bierflaschen geleert, sie stehen etwas versteckt neben ihm.

Die Autobahn Richtung Holzkirchen von meinem Wohnort aus, war ungewohnt leer. Diese Strecke ist sonst immer stark frequentiert. Irschenberg staubekannt, aber leer in dieser Nacht..Lenkte meinen Audi-Avant von links nach rechts, tanzte mehr oder weniger auf der sonst starkbefahrenen A8.

Bis Ausfahrt Wiessee. Schneefall wird dichter, die Wischerblätter im Stress. Kaum Sicht. Warum tue ich mir das an, dachte ich kurz. Wegen diesem Charly ? Oder wegen Silvester?

Fuhr angestrengt, von Flocken um taumelt. Begeisterung ließ deutlich nach. Sogar meine Winterreifen sind gefordert.Warum tue ich mir das an? Das war mehr und mehr meine Frage. Weil Silvester ist?

Im Radio auch kein Highlight, schob eine selbstgebrannte CD in den Radioschacht. Es ist ein Hobby von mir, selbst brennen von Musik, ich liebte es. Latino-musik, Cha Cha Cha, Rumba, Samba, Mambo u. Jazz, yeah. Oft, wenn ich kaputt von meinem Atelier heimfuhr, machte ich sogar Umwege, um eine neue CD im Autoradio ziemlich laut an zuhören.Denn in der Anlage zuhause mußte ich auf meine Nachbarn Rücksicht nehmen.

Energien kamen zurück. Dichtes Flockengestöber. Weit und breit kein Hinweisschild für Bad Wiessee, ertappte mich beim Gedanken zur Umkehr.

Wie auf Knopfdruck sah ich plötzlich das Schild für Richtung Bad Wiessee. Aha Effekt. Bist also doch bald da. Bog ab, Schilder wiesen den Weg. Parkplatz auch ok. Mußte sehr vorsichtig mit diesen Schuhen, auf verschneitem Weg, bis zum Casinoeingang tänzeln.

Nach Modalitäten, wie Ausweis und Formular zum Ausfüllen, steh ich am Podest zum Spielsaal.Wer denkt daß Silvester die Menschen etwas ganz anderes vorhaben als hierher zufahren, der irrt. Es war mehr als gut besucht, um nicht zusagen bumvoll. Das war zwar angenehm für mich, dort werde ich nicht so wahrgenommen, als Frau allein, so dachte ich.

Ernüchterung machte sich breit, große Ernüchterung. Modernisiert alles. Romantik? Null.

Wunschbilder sind Emotionen aus der Vergangenheit, die immer vergoldet werden.

Meine Jetztzeit ist ein Spielcasino ohne Schnörkel. Umgebaut, größer als in Erinnerung, geschäftsmäßig, unromantisch. Beleuchtung wie in der Schalterhalle einer Bank. Ich wechselte 100 DM in Spielchips.

Ja damals gab es den komischen Euro noch nicht. Komisch, weil er nur noch die Hälfte wert ist, für mich eine camouflierte Inflation.

Ging neugierig von einem Tisch zum nächsten, beobachtete die Digitalanzeigen welche es früher nicht gab, von gewonnenen Nummern und Farben, eine neue elektronische Erleichterung, zum Überblick der letzten 10 Spiele. Setzte auf einfache Chancen, wie Rouge, Noir, Pair oder Impair.

Dann schlenderte ich zur Bar, bestellte einen Espresso beim gutaussehenden Barkeeper. Der lachte charmant : „Einen Silvester-Espresso, Madam?“ Ich:„Ja, bitte, ich muß noch Autofahren“. Blickkontakt mit Flirtfaktor. Danach bestellte ich doch noch einen Ginfizz, ein kleiner Ginfizz hielte sich noch in Grenzen, wegen der Rückfahrt, war meine Meinung.

Der Mensch denkt und Gott lenkt !!!!! Es kommt immer anders.

 

Dann blieb ich an diversen Tischen stehen, beobachtete deren Spielverlauf. Spielte in Gedanken mit, indem ich mir entweder Pair oder Impair ausdachte, oder Noir u. Rouge. Die einfachen Chancen. Nach ein paar Treffern, die ich nur gedacht hatte, entschloß ich mich etwas zu setzten.Wenn ich verlor, setzte ich beim nächsten Spiel das Doppelte. Damit hatte ich auch etwas Glück. Der Cropier neben mir meinte, „ Madam Sie wissen wies geht ?“ Gebe lachend zurück:„Naja, wissen ist zuviel gesagt.

Wie geht’s denn wirklich, verraten Sie mir einen Tipp?“

Er hatte ein breites belustigtes Lächeln um den Mund und meinte . „ Bin ich Nostradamus ?“

„Nein, erwiderte ich, „denn der ist schon längst tot. Außerdem sehen Sie viel besser aus, ohne seinen Vollbart. „Wir lachten zusammen, es war eine nette, kleine Unterhaltung.

Um einen Platz zu ergattern sah ich mich um. Dann fand ich ein Tischchen für 2 Personen, dort kam ich mit einer Frau mittleren Alters ins Gespräch, welche allein saß. Sie erzählte mir, ihr Mann sei spielsüchtig, sie wäre nur wegen ihm hier. Dachte bei mir, »diese Frau ist nicht allein, aber Spaß hat die trotzdem nicht...«

Es kam ein Angestellter vom Casino an diesen Mini-Tisch, mit Tablett, servierte mir ein Sektglas mit den Worten: “Das ist für Sie, Madam“. Entgegnete ihm: “Oh, ich hab meine Bestellung schon.“ Er: „Dieser Champagner ist für Sie.“ Lächelte..

Hab diesen Champagner ignoriert, bis ein Mann eine Weile später an den Tisch trat. Ein südländischer Typ, gute Figur, lachte mich an.“ Sind Sie zum erstenmal hier ? Habe Sie noch nie hier gesehen. Lassen Sie Ihr Getränk nicht warm werden.“

Ich meinte: „Nein , war schon mal hier, aber es ist so anders als damals und das ist wahrscheinlich ein Drink von einem alten Fettsack der imponieren will.“

Darauf er: „Der Fettsack bin ich.“

Er war absolut kein alter Fettsack, grob geschätzt etwa in meinem Alter, also ca.Mitte 40, drahtig, wir lachten. Ein nettes Gespräch über Musik und bekannten Bands in der Münchener Region waren der Einsteiger zu einem Smalltalk. Er liebt Jazz, ließ er mich wissen, ich ebenfalls und er kannte eine tolle Liveband auf die ich ihn hinwies.

Er bot mir eine Luky Strikes an, gab mir Feuer. Damals war Rauchen in Lokalitäten noch nicht verboten.

Dieses Rauchverbot wurde über Nacht in allen Medien DAS Thema. Früher kamen wir alle, Raucher und Nichraucher, blendend miteinander aus. Lange lange Zeit. Aber nun werden Rauchliebhaber vor die Türe verbannt, wie Schwerverbrecher oderAussätzige. In vielen Fällen heißt es bei älteren Semestern oft : Früher hat es das nicht gegeben, früher war manches besser. Früher war manches besser, schlechter aber auch. Dieses Rauchverbot wurde über Nacht aus dem Boden gestampft, von den Medien.

Die Gastronomie verzeichnet große Einbußen, wird so die Wirtschaft angekurbelt? Die Millionen an Tabaksteuer wird aber gern akzeptiert...

Also:

Ich sah ihm dabei zu, wie er mir Feuer gab.Gepflegte Hände, feingliedrige Finger, Gesicht braun gebrannt und das im Winter! Schöne weiße Zähne, er gefiel mir gut. Breite gerade Schultern, schmale Hüften. Der gutgeschnittene cognacfarbene Blazer, ich verfüge über ein geschultes Auge, berufsbedingt, mit schwarzer Hose, schwarzem Hemd und Seidenkrawatte ließ ihn lässig-elegant aussehen.

Im Lauf des Gespräches wollte er wissen ob ich Kinder hätte, er habe 2 erwachsene Mädchen und einen Sohn.

„Ich habe 1 Kind, einen Sohn, auch erwachsen “, ließ ich ihn wissen.

Dieser Mann meinte: „Warum nur 1 Kind, eine schöne Frau sollte sich öfter fortpflanzen..“

Entgegnung von mir :“ Danke, das Schicksal gab mir einen Sohn, außerdem bedeuten Kinder große Verantwortung.“

„ Stoßen wir auf unsere Kinder an „ hob das Glas, wir prosteten uns zu.

Das gefiel mir, auf unsere 'Kinder' zu trinken.

Alles war so ungezwungen, so leicht, die anfängliche Unterhaltung unglaublich locker.

Über Lautsprecher kam eine Ansage, es sei nun bald Mitternacht, die Casinodirektorin werde nun eine kleine Silvesterrede halten.

Nach kurzer Rede der Direktorin kamen livrierte Angestellte mit Silbertabletts und boten Sekt an: „Madame bitte“

„Monsieur?“

Wir tranken diesen Sekt, stießen an:

„Mein Name ist Nikolai,“ sagte er. Ich entgegnete:“ Ich heiße Juliette.“

Er darauf. „Das ist ein schöner französischer Name, woher kommen Sie?“. Entgegnete ihm,“ bin schon von hier, in München geboren, aber mein Vater war im Krieg in Frankreich, als Dolmetscher und der Name hat ihm so gut gefallen, daher wurde ich auf Juliette Simona getauft.“

Und Ihr Name klingt irgendwie russisch, Nikolai Rachmaninov?“ Lachte.

Er darauf nein nicht Rachmaninov, aber Romanov.

Fragte ihn:“ Von irgendwie Russland ? „ Er erwiderte: „ Nein, auch in München geboren, aber meine Vorfahren kamen aus dem osteuropäischen Raum .„

Dachte noch daß der osteuropäische Raum groß wäre, aber gab mich zufrieden.

Wir sahen daß viele Besucher zur geöffneten Terrassentür strömten, das Silvesterfeuerwerk begann. Die Raketen zischten zum Himmel, Glitzersternchen spiegelten sich im See, der neben dem Casino lag, damals. Es war zauberhaft. Romantik pur. Und kalt, sehr kalt.

Wir flüchteten uns wieder in die Wärme.

Die Spieltische, welche zur Ansprache geschlossen wurden, waren nun wieder in Betrieb.Allein das Geräusch der Jetons ist unvergleichlich, wenn sie aneinander klickern. Auch liebte ich es zuzusehen wenn Berge von diesen unterschiedlichen Jetons vom Rechen des Croupiers weggezogen wurden, nach dem das Spiel vorbei war. Richtig kleine Vermögen wurden hin u. her geschoben. Magische Rechen, welche den Spielern ihre Einsätze wegzogen oder Gewinne austeilten. Die Minen der Gäste zu beobachten bei diesem grausamen Spiel, ich liebte es, seit meinem ersten Besuch vor vielen Jahren.

Genauso liebte ich es früher, in meinen jungen Jahren, auf der Leopoldstrasse, in einem Cafe sitzend, den bunten, verrückten Hippies nachzuschauen.Dort saß ich gern mit einer Kollegin, sie kam vom Norden Deutschlands, wir hatten solch guten Draht zueinander. Sie hieß Marga und war unglaublich lässig. Ihre Aussage war des öfteren : Issoch egal, bei ihr war vieles egal, ein Sonnenkind der anderen Art.

Zwei betagte Damen welche nebeneinander saßen, am Spieltisch, hatten plötzlich laute Meinungsverschiedenheiten. Jede mit teuerem Schmuck behangen, Juwelen an Händen und Armen, am faltigen Hals ebenso. Silbriggefärbte Haare, damit der Gelbstich im grauen Haar überdeckt wird. Ihre Stimmen wurden lauter, sie stritten sich um den Jetonberg der mit dem Rechen hingeschoben wurde, ausgezahlt vom Croupier. Mit großen Pupillen beobachtete ich dieses Szenario.

Der Chefcroupier auf seinem erhöhten Sitz schlichtete den Streit u. sagte mit bestimmten Tonfall:

Der Gewinn gehört dieser Dame und deutet auf eine der Ladies.

Spontan mußte ich an Charly denken, der hat andere Sorgen....

Nikolai stand hinter mir, flüsterte mir ins Ohr, „die hätten den Riesengewinn garnicht nötig, aber je mehr der Mensch hat, umso mehr wird er zum Raffzahn.“

Er nahm mich am Arm und meinte ob ich Lust hätte ins Restaurant zu gehen.Das kam mir sehr gelegen, denn erstens hatte ich fast nichts gegessen, abends, daheim, zweitens unvorhergesehen mehr getrunken als beabsichtigt. Und meine Konzentration zum Spielen war weg. Dankend nahm ich an, die Chips warf ich in mein Abendtäschchen. Am Ausgangspodest stand ein Casinoangestellter und verteilte diese obligatorischen Glücksschweinchen. Ich dachte kurz: ›Das ist ein gutes Omen‹ fürs kommende Jahr.

Gutes Omen?

Das Restaurant im Untergeschoß war ebenfalls gut besucht.Wir fanden einen Tisch in Nähe von einem Entertainer, welcher als Alleinunterhalter agierte. Nikolai wählte diese Mitternachtssuppe, ala „Bad Wiessee“, eine Gulaschsuppe, ich schloß mich gerne an. Dazu nahm er eine Flasche Champagner der Marke Röderer, natürlich fragte er mich vorher was ich bestellen möchte.Dabei zog ich mich aus der Entscheidung und antwortete, ich nehme einfach was Sie bevorzugen.Tiefer Blick aus seinen fast nachtschwarzen Augen. Dieser Mann hatte etwas, das schwer zu beschreiben ist. Magie,irgendwie.

Für mich jedenfalls. Zudem duftete er traumhaft.

Es gibt ja Männer welche diese sogenannten Herrendüfte verwenden, die mich eher abschrecken, männlich sagt die Werbung dazu. Die duften nicht, sondern riechen nur. Oftmals sehr streng, hart irgendwie spitz oder scharf. Die Parfümhersteller nennen das dann rassig-sexy. Sie werden im Übermass vernebelt um eventuell die Wäsche-und Sockenwechsel zu sparen :-) sexy ist anders.

Die Suppe war eine Wohltat in meinem Magen, exzellent. Dieser sündteure Champagner rann wie flüssiges Gold durch meine Kehle. Dabei sind wir beim DU angelangt. Wir schlangen unsere Arme ineinander, tiefer Blick beiderseits, er sagte : „ Auf Du, liebe Juliette und auf das was wir lieben“

Diese Aussage ist zwar auf alles anzuwenden, aber ich liebte es in diesem Augenblick. Nicht mehr, nicht weniger.

Nikolai sagte, „ Ich fühl mich mit und bei dir so unglaublich wohl, nur diese Musik könnte besser sein.“

„Ja“, stimmte ich ihm zu, „aber heute stört mich glaube ich garnichts mehr. Bloß ein bisschen Jazz wäre der Hammer. Du kennst ja auch diese Jazzband Fredie Brocksieper, die wäre hier der Clou.“

Diese bekannte Band war vor langen Jahren in einer exzellenten Location engagiert, namens 'Jagdhof ' nahe München, mitten im Wald.

Dort war ich mit meiner damaligen Clique, mit meinem ersten Mann, aus München. Von weichen Sitzgruppen aus sah man durch bodentiefe Fenster die Rehe kommen und konnte zuschauen bei deren Äsung, an extra aufgestellten Krippen, am frühen Abend. Wir waren beim Tanztee dort und anschließend hatten wir die Nacht zum Tag gemacht.

Darauf , meinte er daß er schon mal in dieser Band sang.“ Neiiiin, echt jetzt,“ war meine Antwort, „nimmst mich vielleicht auf den Arm? Wenn nicht, dann möchte ich jetzt aber nen Song von dir.“ Er wehrte ab, ich war zu diesem Zeitpunkt so offensiv, wunderte mich über mich selbst und setzte nach,“ so kommst du mir nun nicht davon. Bitte, bitte sing.“

Ein feines Lächeln umspielte seinen Mund, „weil heute Silvester ist, schlag ich dir die Bitte nicht ab.“

Ich bin mir sicher, auch an einem xbeliebigen Tag hätte er meiner Bitte entsprochen.

Er ging zu diesem Musiker, sie verhandelten eine Weile, dann nahm Nikolai das Mikrophon. Ich war unglaublich gespannt was mich erwartete. Im Repertoir dieses Musikers war ein Song, den ich immer schon liebte, kannte diesen von Ella Fitzgerald & Duke Ellington Orchestra.

Der Synthesizer begann, Nikolai sang mit einer Hingabe den Song : I cant`t give you anything but Love, mit einem Schmelz in der Stimme, ähnlich wie King Cole. Das hatte ich wirklich nicht erwartet, vielmehr eher gedacht: Ja ja, jeder denkt er könnte singen. Ich wurde eines bessern belehrt.

Am Ende vom Song stand ich auf und klatschte begeistert. Die anderen Gäste taten es mir gleich.

Er, Nikolai, bekam Standing Ovations vom gesamten Restaurant.Als er zu unserem Tisch zurück kam umarmte ich ihn spontan. Mein sonstiges Wesen ist eher zurückhaltend bei Männern, aber der Kerl warf mich um. Er strahlte mich an u. meinte: „Das freut mich,wenn es dir gefallen hat.“

Gefallen? Pure Untertreibung, bin hin und weg, dachte ich.

Nikolai bat den Entertainer später an unseren Tisch, lud ihn zum Champagner ein, sagte lässig:“ Bitte sehr, bevor der Tropfen noch warm wird“. Ha ha dachte ich, dieser steht im Eiskübel. Wir prosteten uns zu, nochmal Glückwünsche zum Neuen Jahr.

***

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