Zeitloch

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Zeitloch
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Ganna M

Zeitloch

Konfekt zwischen Einsamkeit und Katastrophe

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Zeitloch

Es regnet

Die Überschwemmung

Persimonen

Schweinebraten

Stille

Die Meditierende

Die Chipsesserin

Die Beugung

Giraffen

Der Spaziergang

Der Würfel

Chaos

Die Seifenblasengesellschaft

Mitten im Walde

Herbst

Die Puppe

Nebel

Schnee

Celine

Sonntag

Orkan

Das Fest

Freiheit

Gewitter

Katastrophe

Auflösung

Das Trommellied.

Wechsel

Impressum neobooks

Zeitloch

Das kann doch nicht sein, denkt sie, und setzt sich erst einmal auf den Stuhl. Sie schaut auf den Topf mit dem kochenden Huhn, dann wieder auf die Uhr, die im Küchenregal steht, dann wieder auf den Topf. Langsam steht sie auf, nimmt noch einmal die Gabel und piekst in das Huhn. Es ist weich, da bestehen keine Zweifel, butterweich, so dass das Fleisch fast von den Knochen fällt.

Der Wecker muss kaputt sein. Zehn nach sieben stand sie auf, daran erinnert sie sich genau, weil sie noch dachte, sie könnte heute länger liegen bleiben, da Sonntag ist und dann aber doch aufstand. Sie hat geduscht, sich die Zähne geputzt, sich angezogen, alles wie immer, dann das Bett aufgeschüttelt, einen Kaffee getrunken und schließlich damit begonnen, das Huhn vorzubereiten und es aufgesetzt. Während es kochte, räumte sie die Bierflaschen vom gestrigen Abend fort, säuberte den Tisch, saugte den Fußboden, wässerte die Grünpflanzen, nahm die Wäsche ab, die draußen im Hof hing und versorgte den Vogel. Immer sonntags reinigt sie seinen Käfig und erneuert das Wasser in seinem Badehäuschen, das hat sie sich so angewöhnt. Genügend Zeit war vergangen, um ein hübsches Hühnchen gar kochen zu können, denkt sie.

Sie schaut noch einmal nach dem Wecker, der unbeirrt auf sieben Uhr achtzehn steht, stellt sich dann auf die Zehenspitzen und langt nach ihm. Zuerst schüttelt sie ihn, so, als könnte das etwas klären und hält ihn an ihr Ohr. Er tickt völlig normal, vielleicht etwas langsamer als sonst. Irgendwo muss noch die Uhr von Gerhard sein, der sie hier vergaß, die hatte doch eine Batterie innen. Wenn sie Glück hat, geht sie noch. Man sollte eben immer zwei Uhren im Haus haben, denkt sie, dann ist man nicht so aufgeschmissen, wenn eine mal nicht geht. Gleich morgen wird sie eine besorgen, sie muss sowieso in den Supermarkt, Margarine, Bier und Spülmittel kaufen. Auf dem Weg ins Wohnzimmer schaltet sie im Vorbeigehen das Radio ein, die werden ja irgendwann die Nachrichten bringen.

Nacheinander zieht sie alle Schubfächer im Wohnzimmer auf und durchwühlt sie. Vielleicht hat sie die Uhr auch weggeworfen? Sie erinnert sich nicht, die Geschichte ist ja nun auch schon wieder zwei Jahre her, Gott sei Dank, nein, nein, sie will nie wieder einen Mann. Doch wo ist nur diese verdammte Uhr? Das Huhn ausstellen, das kocht sich sonst noch zu Tode. Schnell geht sie in die Küche zurück und stellt das Gas unter dem Huhn ab. Aus dem Radio dringt ohne Pause Musik, wenigstens irgendwas könnten die ja mal sagen, damit sie sich nicht so verloren vorkommt. Den Fernseher will sie jetzt nicht einschalten, der bleibt tagsüber aus, das hat sie sich geschworen, aber auf dem Computer könnte sie nachschauen. Die Knöpfe am Computer und am Monitor geben fast identische Geräusche von sich, als sie darauf drückt und so etwas wie ein Zischen aus dem Metallgehäuse dringt.

Während der Computer sich hochfährt, schiebt sie die Gardine vor dem Fenster beiseite. Der Himmel ist mit einer hellgrauen Decke bezogen. Es lässt sich beim besten Willen nicht sagen, welche Tageszeit vorherrschen könnte. Sie beugt sich vor und legt den Kopf etwas nach links, um auch hinter das Nachbarhaus schauen zu können, doch auch von dort erreicht sie keine Klarheit.

Dann schaut sie auf die rechte untere Ecke des Monitors. Die Uhrzeit ist verschwunden. Alle anderen Zeichen stehen wie gewohnt, nur die Uhrzeit fehlt an ihrem Platz. Das ist sehr merkwürdig. Aus dem Radio klingt unverändert diese nichtssagende Musik. Sie steht auf, geht hinüber und beginnt nach einem anderen Sender zu suchen. Wenn sie wenigstens so ungefähr wüsste, wie spät es sein könnte, dann fühlte sie sich wohler, doch so war es, als sei ihr mit der Zeit ein verlässlicher Halt genommen. Sie braucht die Uhrzeit einfach, schließlich war sie immer da!

Die Gedanken in ihrem Kopf suchen nach weiteren Möglichkeiten, die Uhrzeit zu erfahren, während sie vergebens auf gesprochene Worte aus dem Kasten lauscht. Überall Musik, manchmal knackt und zischt es, dann wieder diese schreckliche Musik. Obwohl sie Musik eigentlich mag, ärgert sie sich jetzt darüber. Das Kind von den Leuten unter ihr ist auch noch still. Sie versucht, sich zu erinnern, um welche Zeit es normalerweise zu weinen beginnt, war es um halb neun oder dreiviertel? Ein Blick auf den Wecker sagt ihr, dass inzwischen zwei Minuten vergangen sind. Der spinnt doch. Sie starrt auf den Sekundenzeiger, der sich im extremen Zeitlupentempo vorwärts schiebt. Es hat etwas Unheimliches an sich, so, wie er sich seiner normalen Geschwindigkeit widersetzt.

Na gut, jetzt heißt es, nicht die Nerven zu verlieren. Sie schiebt die Schubfächer wieder zu, Gerhards Uhr findet sie nicht, etwas später wird sie Jennifer anrufen. Aber erst einmal wird sie eine Ausnahme machen und den Fernseher einschalten, n-tv oder n24 werden ja wohl Nachrichten bringen. Auf n-tv biegen irgendwelche Radrennfahrer in beeindruckender Geschwindigkeit um Kurven. Wie können die nur Gefallen daran finden mit so einem Affenzahn durch die schöne Landschaft zu rasen? Sie sehen doch gar nichts, hören keine Vögel, riechen keine Blumen und nichts. Die Schnellsten bekommen auch noch Geld dafür! Wie wäre es, wenn Leistung nach Langsamkeit entlohnt würde? Aber war da nicht immer eine Uhrzeit eingeblendet? Sie hat nie so richtig darauf geachtet. Im Text steht die Uhrzeit, das ist sicher. Sie drückt auf Teletext und er erscheint wie gewohnt, doch keine Zeit kann sie entdecken, kein Datum, ja nicht einmal den Wochentag! Langsam lässt sie sich in ihren weichen Sessel sinken, den Blick auf den Bildschirm gerichtet. Irgendetwas stimmt da nicht. Ein blödes Gefühl macht sich unter ihrem Bauchnabel breit.

Auf n24 bereitet eine dicke, ukrainische Bäuerin das Mahl für ihre Familienfeier vor. Ja richtig, das Essen darf sie nicht vergessen. Sie lässt den Fernseher laufen, das Radio auch und begibt sich wieder in die Küche, das Huhn ist inzwischen abgekühlt. Sie holt es mit der Gabel aus dem Topf, legt es auf einen Teller und entfernt die Haut, pult das Fleisch von den Knochen, und schneidet es in Stücke. Dann schält sie den Spargel und gibt ihn in kochendes Salzwasser. Die Champignons sind diesmal sehr schön weiß und fest, denkt sie beim Putzen, gibt sie dann in eine Pfanne und dünstet sie. Von ganz unten aus dem Schrank holt sie den kleinen Topf und lässt frische Butter darin aufschäumen, fügt Mehl hinzu und von der Hühnerbrühe, rührt und rührt bis eine dicke Sauce entsteht. Danach schneidet sie die Spargelstangen in etwa 3cm lange Stücke und mischt sie mit dem Fleisch und den Champignons unter die Sauce. Irgendwann müsste es doch Zeit für die Nachrichten sein, die können sie doch nicht einfach ausfallen lassen.

Es ist auch gar nichts zu hören von draußen. Müssten nicht die Glocken läuten, irgendwo wenigstens? Sie rührt im Topf und lauscht hinaus. Nichts, nur die Kommentare des Sprechers im Fernsehen fallen in ihr Ohr. Wenn sie 10 nach 7 aufgestanden ist, müsste es jetzt wenigstens halb 11 sein überlegt sie. Da müssten doch die Glocken längst läuten!

 

Sie nimmt den Topf vom Herd und holt Wein und Kapern zum Abschmecken aus dem Kühlschrank. Doch, sie trinkt ein Glas, denkt sie, das lässt sie sich jetzt nicht nehmen, vielleicht vertreibt es das komische Gefühl im Bauch. Mit dem Wein in der Hand geht sie hinüber und setzt sich wieder vor den Fernseher. Jetzt läuft ein Bericht über das Korallensterben in der Südsee. Das hilft auch nicht weiter. Wie spät es jetzt wohl sein würde? Sie trinkt ein Glas Wein, öffnet dann das Fenster und lehnt ihren Kopf hinaus. Komisch, so still draußen, kein Motorengeräusch, keine Stimmen und kein Hundegebell. Irgendwas müssen die Leute doch machen, etwas, was Geräusche verursacht. Ihre sonstigen Sonntage verlaufen ja auch nicht völlig geräuschlos. Wenn sie wüsste, dass es schon nach 11 ist, könnte sie Jennifer anrufen.

Hat denn der von Gegenüber seinen Hund schon ausgeführt? Sie versucht sich zu erinnern, doch es will ihr nicht einfallen. Sie könnte hinausgehen und auf die Uhr an der Apotheke schauen oder vor bis zur großen Kreuzung, wo auch eine Uhr steht. Erst trinkt sie noch einen Schluck, dann holt sie ihre warme Jacke und legt auch den Schal um, denn es sieht so ungemütlich aus vor dem Fenster. Computer, Fernseher und Radio lässt sie laufen, dann wird sie nicht so sehr die Leere ihrer Wohnung spüren, wenn sie wieder nach Hause kommt.

Sie geht die Treppenstufen bis nach unten, drückt von innen gegen die Haustür, schiebt sie langsam auf und späht hinaus. Stille. Vorsichtig schiebt sie sich durch die Tür. Ein leichter Wind weht feucht in ihr Gesicht. Sie sieht die Straße entlang. Weit entfernt rennt einer fort, zu weit, als dass sie ihn hätte rufen können. Auf der Digitalanzeige der Apotheke kann sie noch nichts erkennen, doch auch als sie näher kommt, wird nicht deutlich, was sie anzeigen will. Sie starrt so angestrengt darauf, dass sie schließlich nicht weiß, ob ihre Augen oder die Anzeige flimmert, doch eine Zeit kann sie nicht herausfinden. Wie menschenleer die Straße ist und wie seltsam, dass keine Autos fahren.

Sie geht bis an das Ende der Straße und schaut suchend nach der großen Uhr. Sie ist verschwunden. Der riesige Betonmast, an den die Leute ihre Fahrräder lehnten, wenn sie vor der Bude ihre Pommes aßen oder einen Kaffee tranken ist einfach weg. Dort müsste doch wenigstens ein Loch sein oder sonst irgendwelche Spuren von Bauarbeiten. Sie geht hinüber und schaut. Nein, es sieht aus, als hätte es niemals einen Masten mit einer Uhr darauf gegeben. Nicht die geringste Spur deutet darauf hin, dass etwas verändert wurde. Was soll sie nur tun?

Plötzlich durchfährt sie ein Schreck, was ist, wenn inzwischen ihr Haus verschwindet? Schnell dreht sie sich um und hastet zurück, über die Kreuzung, an der Apotheke vorbei, weiter, weiter, wo war es doch gleich, wo? Hätte sie nicht schon längst kommen müssen?

Es regnet

Es ist, wie wenn langsames Rauschen leise verebbt, sich in sich selbst noch kräuselnd in sich rollt. Stille ruht. Wind hat aufgehört zu sein, Regen schon lang, so dass kaum noch etwas daran erinnert. Gelbes Gras knistert, wenn meine Füße es betreten, zerbricht wie feines Glas in dünne Splitter, die die Füße kitzeln und die Haut meiner Waden ritzen.

Disteln, grau verdorrt, stechen stachlig in die Luft, die zitternd das Land bedeckt. Ich meide sie und setze meine Füße vorsichtig auf Erdinseln, die abgebrochen im Grasland treiben, auseinandergerissen und voneinander getrennt durch dunkle Erdspalten, in denen sich träge Wärme staut, hinabsinkt, bis sie sich tief im Erdinneren auf Magma legt.

Gottesanbeterinnen verharren wie braun geröstet, ihre Vorderfüße zum Gebet gefaltet, den Kopf schielend zur Seite gesenkt. Auch sie sind auf sich beschränkt und ihrem Schicksal voll ergeben, so wie nichts mehr aufbegehrt. Vertrocknete Brombeeren kleben im Gesträuch, Hagebuttenhüllen leuchten rot. Den Pilzen fehlt die Feuchte, sie stauben. Ich zerdrücke Beeren, in denen die Süße des Weines sitzt, mit der Zunge und spucke Schale und Kerne aus. Sie fallen hart auf die Erde.

Der Sommer weigert sich zu gehen. Erschöpft hat er Sträucher, Wiesenblumen, Gras und Beeren. Trocken welken sie dahin. Es fehlt ihnen die üppige Fülle überreifer Früchte. Durst hat sie schmal gemacht und widerstandslos, sie rascheln und brechen.

Nur früh, wenn Tau die Spitzen benetzt und auf den Weben der Spinnen sich Glitzerperlen reihen, duftet es feucht. Es seufzen die Halme sehnsuchtsvoll. Regungslos stehen die mächtigen Bäume, deren Wurzeln in der Tiefe noch an Wasser reichen, doch müde stöhnen auch sie. Der alles in den Regen taucht lässt auf sich warten. Äste hängen schwer vom Eichelgewicht, das sie nach unten biegt. Kastanien rollen auf den Weg und wollen Schweine fett machen.

Quellen trockneten vor Wochen schon aus, Bäche laufen nicht mehr, Steine hüten Staub in den Flussbetten. Jede Äußerung in Zeit und Raum ist verstummt, wie hinter einer gelblichen Dunstglasscheibe scheinen Flussbett und Landschaft zu liegen, ich mich selber zu bewegen im mattigen Schein des trüben Lichtes. Gleich werde ich einhalten, um mich ihnen anzupassen, die Starre um mich nicht zu stören und keine Aufmerksamkeit zu erregen. Da beginnt es.

Da bedeckt sich der Himmel mit einer dunklen Decke. Wolken ziehen heran. Blätter und Halme beginnen zu hoffen und der erste Tropfen fällt. Es zischt. Tropfen auf Tropfen erreicht die Erde, Steine, gelbes Gras und Baumblätter. Sie weichen Staub und bilden eine lose Schmiere. Rinnsale, dann Bäche brechen sich ihre Bahn in den alten Betten, graue Blätter werden wieder grün. Nun können sie sich füllen und pralle Früchte reifen. Nun ist es nicht mehr zu spät.

Ein Mädchen läuft barfuß durch den Regen. Ihre Füße sinken zwischen Grasbüschel in den weichen Boden. Alles an ihr ist nass, läuft hinab und tropft. Ihr Kleid klebt faltig wie eine durchsichtige Haut auf ihrem Körper, ihr Haar mischt sich dazwischen. Langsam kommt sie auf mich zu und lächelt durch das Fließen des Wassers hindurch. „Es regnet“, sagt sie.

Die Überschwemmung

Wasser. Ringsum plätschert Wasser bis zum Horizont, wo ein diffuses Licht leicht aufhellt und sich unauffällig mit dem Himmel vereint. Überall schwappen graue Wellen unermüdlich vor sich hin. Ringsum. Nirgendwo gibt es klare Grenzen. Irgendwo, weit hinten, hat das Grau die Sonne verschluckt. Es will sie nicht mehr hergeben, nie mehr. Und gleichgültig dümpelt das Wasser.

Sie dreht sich in alle Richtungen und ihre Augen treffen keinen festen Gegenstand. Nirgends, nur Wasser, Luft und schwammige Wolken. Doch! Von rechts kommt langsam ein Haus geschwommen! Es ist ein hübsches Haus, weiß getüncht mit einem roten Ziegeldach in dessen Mitte ein Schornstein steht. Sie sieht feinen, weißen Rauch aufsteigen. Zu beiden Seiten der blau gestrichenen Tür befinden sich Fenster mit ebenso blauen Fensterläden. Davor wachsen rote Geranien in Blumenkästen. Ein einfacher Holzzaun umgibt das Haus, zwischen dessen Latten grünes Gras sprießt. So malte sie als Kind Häuser. In solch einem Haus ist es gemütlich. Dort kann nur Gutes geschehen. Es riecht nach Geborgenheit, Liebe und Freude. Dieses Haus schwimmt auf einer Schilfmatte. Wie merkwürdig, dass eine einfache Schilfmatte ein ganzes Haus tragen kann, denkt sie.

Kann sie ja nicht! Die Schilfmatte kann kein ganzes Haus tragen! Immer mehr Wasser tritt durch das Schilf. Das hübsche Haus schaukelt. Die Matte sinkt, neigt sich leicht, dann schneller und mit ihr rutscht das Haus gurgelnd hinein in das Nass, tiefer und tiefer, die Fensterläden verschluckend. Glucksend zieht das Dach Strudel nach. Kurz zischt noch die Hitze im Schornstein, dann schimmern die Dachziegel wie Erinnerung rötlich unter der welligen Oberfläche. Bis alles wieder grau ist, still. Totenstill.

Sie sieht nur Wasser, das in der Ferne an den Himmel reicht, dort, wo längst vergessene Sehnsüchte umhertreiben und unaufhörlich vergebens nach Erfüllung suchen. In dieser Ferne scheint die Hoffnung zu liegen. Ihre Hoffnung sucht nach einem Halt, braucht einen Halt. Langsam dreht sie sich im Kreis. Wasser, leise vor sich hin schwappend. Nichts als Wasser. Langweiliges Wasser und sie ist allein. In ihrem Inneren wohnt Fassungslosigkeit, nur eine grenzenlose Fassungslosigkeit, mit Unverständnis gemischt. Nichts als Wasser.

Nein! Da kommt noch einmal ein Haus von rechts. Es ist wieder ein nettes Haus mit einem roten Ziegeldach mit einem Schornstein in der Mitte, weiß getüncht. Zu beiden Seiten der blauen Tür befinden sich Fenster mit blauen Fensterläden und Geranien blühen in Blumenkästen. So ein Haus wollte sie immer haben und mit Mann und Kind darin wohnen. Sie stellt sich vor, sie wartet mit dem spielenden Kind auf ihren Mann, der von seiner Arbeit heim kommt. Es kann sehr angenehm sein, so zu warten. Ein einfacher Zaun aus Holz umgibt das Haus, das auf einer Schilfmatte steht. Aber eine Schilfmatte kann kein ganzes Haus tragen! Sie weiß es doch! Sie hatte es doch eben schon gesehen!

Die Schilfmatte schaukelt leicht, dann stärker, bis etwas Wasser hindurch tritt. Wasser quillt stärker herauf, als mehre es sich in der Tiefe, unten, tief unten. Es macht ihr Angst. Da! Sie sieht es deutlich, das Haus sinkt. Es sinkt tiefer und tiefer hinab, neigt sich schräg, gluckert und gluckst, dann schneller bis es fort ist. Es war ein hübsches Haus, das noch rötlich zu ihren Füßen herauf schimmert. Nun ist es fort.

Doch wieder kommt ein Haus von rechts. Sein rotes Ziegeldach leuchtet zwischen all dem Grau. Seine blauen Fensterläden sehen freundlich aus, als habe das Haus sich geschmückt, festlich geschmückt mit seinen Blumen. Es schwimmt auf einer Schilfmatte. Wieder kommt ein Haus von rechts geschwommen. Aber eine Schilfmatte kann kein ganzes Haus tragen! Leicht schaukelt das Haus mit den Wellen. Es sinkt. Langsam sinkt es tiefer, weiter, bis sie nur noch das rote Dach schimmern sieht.

Und wieder kommt ein Haus geschwommen. Der aufsteigende Rauch aus seinem Schornstein lässt eine feine Spur in der Luft zurück. Aber eine Schilfmatte kann kein ganzes Haus tragen! Wasser tritt schon hindurch. Und wieder kommt ein Haus von rechts. Es ist ein hübsches Haus. Ein hübsches Haus. Langsam sinkt es unter Wasser. Und wieder kommt ein Haus und eines nach dem anderen sinkt…

Sie steht und schaut und zählt die Häuser. Sie blickt in die Ferne, fort zum Horizont, der sich an den Himmel anschließt und bemerkt dort einen hellen Schimmer. Vorsichtig zieht sie ihren Blick zurück und schaut auf die Schilfmatte zu ihren Füßen. Wasser tritt schon hindurch, graues Wasser, als mehre es sich in der Tiefe…

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