50 Dinge, die ein Steirer getan haben muss

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WO DER WILDBACH RAUSCHT

Ennstal, Gesäuse

Zwischen Admont und Hieflau gibt die Enns so richtig Gas. Im Gesäuse, dem einzigen steirischen Nationalpark, zeigt der obersteirische Fluss, was Wasser alles kann, wenn es einmal losgelassen ist.

Gesäuse – schon der Name ist Programm. Denn das Zischen, Sausen und Brausen, das die Enns knapp nach Admont im rund 16 Kilometer langen, teils extrem engen Tal namens Gesäuse aufnimmt und bis Hieflau nicht mehr bleiben lässt, wird mit der Lautmalerei bestens beschrieben. Da der Fluss auf den wenigen Kilometern beachtliche 150 Höhenmeter überwindet, tost er dementsprechend wild durch das eng eingeschnittene Tal, dessen Felswände links und rechts bis zu 1800 Meter in die Höhe ragen. Die Charakterisierungsversuche des Gesäuses sind reich an Superlativen und erstrecken sich von der „größten Felsschlucht Europas“ bis hin zur „tiefsten“; von urgewaltigen Felswänden ist auf den unzähligen Seiten, die dem Gesäuse gewidmet sind, die Rede, von wilden Bächen, aber auch von atemberaubender Schönheit, die mit unbändiger Natur einherzugehen pflegt.

Heute kann man die Schlucht auf einer Straße durchfahren, die – wie ein Schienenstrang – gerade noch neben dem Wasser Platz gefunden hat. Das Gesäuse ist also auch für Ausflügler und Wanderer, die es lieber gemütlich angehen, bestens geeignet. Zumindest bei schönem Wetter, das als Voraussetzung für einen Besuch anzuraten ist. Wenn nämlich die Elemente umschlagen, dann tun sie dies im Gesäuse doppelt stark, und es wird rasch ungemütlich.

Bis 2009 fuhr noch die Eisenbahn tagtäglich durchs Gesäuse, bevor der Betrieb eingestellt wurde. An schneereichen Wintertagen mussten wir früher des Öfteren erfahren: Nichts geht mehr. Lawinengefahr machte ein Weiterkommen unmöglich. Bergtourengeher können ebenfalls ein Lied von den Wetterkapriolen im Gesäuse singen. Und die Extremfolgen des Versuchs, die wilde Natur in den Gesäusebergen auf Biegen und Brechen bezwingen zu wollen, sind auf drastische Weise im Bergsteigerfriedhof in Johnsbach dokumentiert, wo viele verunglückte Bergfexe ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.

Oben rechts: Die Enns als Wildbach,

unten rechts: Gesäuseeingang

Zeitgleich mit der Entdeckung der Gesäuseberge für den Alpinismus begannen die zivilisatorischen Zähmungsversuche der Schlucht. Es war um die Mitte des 19. Jahrhunderts, als man sich in etlichen Regionen der k. u. k. Monarchie mit dem Gedanken trug, eine Erschließung mittels Eisenbahnstrecke zu versuchen. So auch im Gesäuse, das als schwierigster Abschnitt der Kronprinz-Rudolf-Bahn angesehen wurde, die als eine von mehreren Alpenüberquerungen von St. Valentin nach Tarvisio geführt werden sollte. Im Jahr 1872 war es so weit, die Bahnstrecke durch die wilde Gebirgsschlucht wurde eröffnet, und plötzlich war das Gesäuse auch von Wien aus relativ leicht zu erreichen. Nicht von ungefähr stammte einer der bedeutendsten Alpinisten, die sich an die bis dato mehr oder weniger unberührten Gesäuseberge heranwagten, aus Wien: Heinrich Heß. Ihm gelangen etliche Erstbesteigungen im Gesäuse, er verfasste einen Reiseführer zum Gebiet, und ihm zu Ehren hat man eine Hütte benannt: die Ende des 19. Jahrhunderts erbaute Heßhütte in der Hochtorgruppe.

Seit dem Jahr 2002 ist das Gesäuse ein Nationalpark, wobei die Grenzen des Nationalparks Gesäuse weiter gefasst sind als das eigentliche Durchbruchstal des Flusses ausmachen würde. So gehören auch die Gesäuseberge zu dem mit über 11 000 Hektar drittgrößten österreichischen Nationalpark, übrigens der einzige der Steiermark. Naturschutz und die Erhaltung der landschaftlichen Urtümlichkeit sind Hauptgegenstand im Nationalpark, es gibt zudem etliche Attraktionen, in deren Rahmen den Besuchern der Reiz der unberührten Natur vermittelt wird. Zentrum diesbezüglicher Aktivitäten ist der sogenannte Weidendom, direkt an der Gesäusestraße bei der Abzweigung Richtung Johnsbach gelegen. Von dort aus erstrecken sich einige frei begehbare Themenwege, auf denen Aulandschaft, die Problematik der Bachregulierung und Besonderheiten der Gesäuse-Vegetation auf anschauliche Art und Weise nähergebracht werden. Dort lädt außerdem der begehbare ökologische Fußabdruck ein, etwas über das eigene Verhalten nachzudenken. Für individuelle Touren lassen sich Nationalpark-Ranger buchen, die seltene Tiere und Pflanzen gerne gemeinsam mit den Besuchern aufspüren.

Zurück zum Wildbach! Von einem äußerst ungewöhnlichen Versuch, die Enns im Gesäuse zu zähmen, berichtete Peter Rosegger in seiner Zeitschrift. Anfang des 20. Jahrhunderts habe es Bestrebungen gegeben, die Enns ab dem Gesäuseeingang unterirdisch durch den Buchstein bis nach St. Gallen zu führen, wo sie im Ortsteil Weißenbach wieder in ihr ursprüngliches Bett münden sollte. Dort würde sie in einem Wasserfall 200 Meter in die Tiefe stürzen (dieser rechnerische Wert dürfte sich aus den 150 Metern Höhenunterschied im Gesäuse sowie weiteren 50 Metern Höhenunterschied auf ihrer Fließstrecke von Hieflau bis Weißenbach ergeben haben). Mit dem Wasserfall wollte man ein Kraftwerk betreiben, das den Strom für die Eisenbahn liefern sollte. Roseggers prophetisch anmutende Einschätzung damals: „Ehe die Enns durch den Buchstein rinnt, wird noch viel Wasser durchs Gesäuse rinnen.“ Wie wahr, wie wahr, der abenteuerliche Plan wurde Gott sei Dank nie in die Tat umgesetzt, und mittlerweile fährt wie gesagt auch die Eisenbahn nicht mehr, für die man den Strom benötigt hätte …


Das Gesäuse erreicht man ab Admont bzw. Hieflau über die Gesäusestraße B146. Informationen zum Nationalpark und seinen Angeboten:

www.nationalpark.co.at

05

IM WASSERREICH

Krakau, Günster Wasserfall

Er ist der höchste Wasserfall der Steiermark. Grund genug, dieser unbekannten Perle einen erfrischenden Besuch abzustatten.

Bereits während des kurzen Anmarsches durch die schmale Birkenallee hin zum Günster Wasserfall hört man sein Rauschen, zuerst noch ohne ihn zu sehen. Nach ein paar Hundert Metern auf dem Schotterweg, der von der asphaltierten Straße zwischen Schöder und Krakaudorf abzweigt, geht es an einem stattlichen Gehöft mit kleinem Gehege vorbei, in dem sich Kaninchen, Ziegen und Enten tummeln – der Auftakt unseres Ausflugs in ein richtiges steirisches Wasserreich präsentiert sich also wildromantisch. Und dann steht man auch schon am Fuß des höchsten Wasserfalls der Steiermark, über den sich die zischenden und brausenden Wassermassen des Schöderbachs weißgischtig herunterstürzen. Mit einer Fallhöhe von 65 Metern stellt der Günster Wasserfall nicht nur den einschlägigen Höhenrekord in unserem Bundesland auf, sondern er könnte es auch locker mit so manchem Kirchturm aufnehmen. Zur weiteren Veranschaulichung: Die Türme der Admonter Stiftskirche beispielsweise sind mit 76 Metern nur unwesentlich höher.

Weniger deutlich als die Informationen zur Höhe zeigen sich übrigens die Angaben zum Namen des Wasserfalls. Günster Wasserfall findet man in gleicher Weise wie Günstner Wasserfall, also mit einem „n“, und manchmal sogar unmittelbar nebeneinander. So weist ihn die Hinweistafel an der Abzweigung der Zufahrtsstraße auf der einen Straßenseite als Günster aus, jene auf der gegenüberliegenden Straßenseite hingegen jedoch als Günstner, die Bushaltestelle am selben Platz wird wiederum als Günster bezeichnet … Egal, Name ist laut Goethes „Faust“ sowieso nur Schall und Rauch. Und den Schall hört man am Günster Wasserfall ohnehin nicht, weil das ins Tal donnernde Wasser einen derartigen Höllenlärm verursacht, dass man nicht einmal das eigene Wort versteht.


Tosender Wasserfall

Über steile Stufen, teils „natürlich“ von den Wurzeln zahlreicher Bäume geschaffen, großteils aber künstlich in Form von hölzernen Leitern und Stegen, einmal auch als eine in den Wald betonierte Stiege, kann man den Wasserfall entlang in die Höhe steigen. Immer wieder spritzt uns die Gischt ins Gesicht, nachdem wir am Willkommensgruß vorbeimarschiert sind:

„Freudig tosend stürz ich zu Tal

Und grüße Euch alle viel tausendmal“

So steht es ein wenig holprig auf einer Tafel geschrieben, die an einem der mächtigen Felsen befestigt wurde, von denen das senkrechte Bachbett begrenzt wird. Mehr als 100 Jahre empfängt der Günster Wasserfall seine Besucher nun schon auf ausgesprochen freundliche Art und Weise – sprich mit den genannten künstlichen Aufstiegshilfen versehen, die es erst ermöglichen, in unmittelbarer Nähe des Wassers zu seinem Ursprung hinaufzusteigen. 1959 wurde ihm das Prädikat Naturdenkmal verliehen, auch um ihn vor der Nutzung zur Elektrizitätsgewinnung und damit wohl vor der Zerstörung zu schützen.

Wie findet man den längsten steirischen Wasserfall nun? Bester Ausgangspunkt ist der Hirschenwirt in Schöder, der im Zentrum der kleinen Gemeinde an der Südseite der Niederen Tauern nicht zu verfehlen ist. Von diesem traditionsreichen Gasthaus aus fährt man die Straße Richtung Krakaudorf entlang, um nach rund 3 Kilometern zur erwähnten Abzweigung mit den Hinweistafeln zu gelangen. Wer beim Marsch entlang des Günster Wasserfalls so richtig auf den Geschmack nach Abkühlung gekommen ist, der möge danach nochmals rund 3 Kilometer nach Krakaudorf weiterfahren, wo ein naturbelassener Badesee, eingebettet in das wunderschöne Hochplateau der Krakau, zu einem Sprung in die Fluten einlädt.

 

Der Hirschenwirt selbst verdient übrigens ebenfalls aus mehrerlei Sicht Erwähnung. Zum einen kam er zu TV-Ehren. In der Fernsehserie „Die Leute von St. Benedikt“, die im Jahr 1993 über die Bildschirme flimmerte, war der gemütliche Gasthof das gleichnamige Wirtshaus im Film. Noch heute erinnern daran eine Tafel an der Hauswand und das St.-Benedikt-Schnitzerl in der Speisekarte. Zum anderen schlägt sich der Hirschenwirt tapfer im inoffiziellen Wettbewerb um den Titel des ältesten steirischen Gasthauses. Bereits im Jahr 1423, so entnimmt man der Hauschronik, wurde er im Lehensbuch der Liechtensteiner, die damals Herren auf Burg Murau waren, als „taver gelegen ze Schedern“, also Taverne, gelegen in Schöder, erwähnt. Neben dieser offiziellen Lesart gibt es noch eine weitere, erklärte uns Wirt Anton Petzl: Bereits auf einer noch älteren Skizze sei an der Stelle des Hirschenwirts eine Taverne eingezeichnet, urkundliche Erwähnung sei das allerdings natürlich keine. Und so gebührt der Titel der „ältesten steirischen Gaststätte“ dem Gasthaus Winter in Bodendorf mit einer nachweisbaren Geschichte ab dem Jahr 1040 – vom Hirschenwirt in Schöder gerade einmal 20 Kilometer entfernt. Das obere Murtal war offensichtlich immer schon eine besonders gastliche Gegend …



Der Günster Wasserfall liegt am Rande der Krakau. Dieses romantische Hochtal auf mehr als 1000 Metern Seehöhe erreicht man von der Murtalstraße B96 entweder über Schöder oder auch ab Murau. Circa auf halber Strecke zwischen Schöder und Krakaudorf befindet sich der Günster Wasserfall und dieser ist bereits ab Schöder gut ausgeschildert.

06

KLAMMHEIMLICH

Die Raabklamm

Dort, wo man es eigentlich nicht erwarten würde, am Übergang des Berglandes in die oststeirische Hügellandschaft, fließt die Raab durch die längste Klamm Österreichs.

Klammheimlich und von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat sich die Raabklamm einen beachtlichen Rekord gesichert: Sie ist die längste Klamm Österreichs. Und das an einer Stelle der Steiermark, wo das zerklüftete wilde Bergland bereits der sanfteren Hügellandschaft der Oststeiermark zu weichen beginnt. Der Längenrekord mag kaum jemandem in der Steiermark bekannt sein, man wird sich seiner allerdings bald bewusst, wenn man die gesamte Klamm durchschreiten will. Dies dauert allein für die sogenannte Große Raabklamm von Arzberg bis zum Gasthaus Jägerwirt in Mortantsch gute dreieinhalb Stunden oder auch mehr – in eine Richtung, ohne Rückmarsch wohlgemerkt. 10 Kilometer ist allein dieser Weg lang (für alle, die nicht hin und retour gehen wollen, wurden Rückholmöglichkeiten mittels Taxi eingerichtet).

Für die Große Raabklamm wird Trittsicherheit empfohlen, nicht ohne Grund, denn an manchen Stellen geht es über steiniges Terrain, gelegentlich helfen Seile zum Festhalten dabei, Engstellen zu passieren. Und wenn es kurz vorher geregnet hat, dann sind nicht nur die Steine glitschig, sondern laden auch die Wurzeln der unzähligen Bäume zur unfreiwilligen Rutschpartie ein. Schon in einem Reiseführer aus dem Jahr 1931 wurden vor allem die weiblichen Besucher der Klamm ausdrücklich gewarnt: „Für schreckhafte Damen ist der Weg nicht geeignet, denn wohl zehnmal muss man die junge, schäumende Raab auf hohen, schwankenden Brückenstegen überqueren.“ Ob heute die Damen weniger schreckhaft sind oder der Weg besucherfreundlicher gestaltet wurde, sei dahingestellt. Auf jeden Fall finden sich genug Damen und auch viele Kinder, die die Raabklamm mutig durchschreiten. Während der erste Teil der Klamm (aus Richtung Arzberg) eher felsiger Natur ist, präsentiert sich der untere Teil von au- und hochwaldähnlichem Charakter. Einmal geht es direkt die Raab entlang, dann steigt man wieder an den Abhängen der Klamm hoch hinauf und erahnt vom Weg aus die Raab nur mehr tief unten als ein im Waldesdunkel fast verborgenes Bächlein.


Einmal abgesehen von gelegentlichen Hochwässern, die in der Vergangenheit mehrmals das Zeug dazu hatten, die Klamm zu verwüsten und die Wege zu zerstören, zeigt sich die Große Raabklamm heute weitgehend friedlich, wenngleich wie gesagt ziemlich lang. Da es aber unterwegs einige Einstiegsmöglichkeiten in das enge Tal der Großen Raabklamm gibt, kann man sich die Leistung, in der längsten Klamm des Landes marschiert zu sein, auch in kürzerer Zeit auf die Fahnen heften. Man wählt einfach einen Teilabschnitt! Ab dem Jägerwirt erstreckt sich in weiterer Folge die Kleine Raabklamm bis Mitterdorf an der Raab. Sie ist um einiges kürzer, leistet mit 7 Kilometern aber immer noch einen beträchtlichen Beitrag zur Gesamtlänge der Raabklamm von insgesamt 17 Kilometern. Beide Varianten – ob Große oder Kleine Raabklamm – können in beide Richtungen gegangen werden. Beginnt man mit der Großen Raabklamm allerdings in Arzberg bzw. mit der Kleinen Raabklamm in Mortantsch, genießt man einen Startvorteil: man wandert flussabwärts …

Im Jahr 1970 wurde die Raabklamm zum Naturschutzgebiet erklärt. In ihr fühlen sich nämlich nicht nur Menschen wohl, sie stellt auch so etwas wie eines der letzten Paradiese für allerlei vom Aussterben bedrohtes Getier dar. Genauso haben einige seltene Pflanzen hier ein Rückzugsgebiet gefunden. Und die unzähligen Höhlen entlang des Weges schätzen die ebenfalls selten gewordenen Fledermäuse. Die Höhlen nicht zu betreten ist also nicht nur eine Frage von Anstand und Vernunft, sondern auch verboten. Für Höhlenforscher gibt es allerdings im Umfeld der Raabklamm dennoch viel zu tun: Mit Grasslhöhle und Katerloch warten zwei Tropfsteinhöhlen auf Entdecker. Diese beiden sind ebenfalls Rekordhalter: Österreichs tropfsteinreichste Schauhöhle angeblich die eine, die andere die älteste Schauhöhle des Landes.


Ab Gasthaus Jägerwirt in Mortantsch oder ab Arzberg dem Weg 765 folgen, der direkt durch die Große Raabklamm führt.

www.raabklamm.at

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STEIRISCHE FORMEL MIT SELTENHEITSWERT: OSTERZEIT = BLÜMCHEN2

Großsteinbach, Schachblumenwiese

Die Schachblume, ein äußerst selten gewordenes Pflänzchen, behauptet sich in der Steiermark nur mehr auf einer einzigen Wiese.

Sie wächst in der gesamten Steiermark nur auf einer einzigen Wiese, blüht für knappe zwei Wochen im Jahr und zieht sich dann nahezu unsichtbar für den Rest des Jahres ins grüne Wiesenbett zurück. Solche Starallüren entwickelt Fritillaria meleagris, auf Deutsch die Schachblume. Ihr markantes Kennzeichen: die schön geformte, im Verhältnis zur restlichen Pflanze ziemlich große Glocke, die wie ein Schachbrett abwechselnd mit zart und kräftig violetten Quadraten übersät ist. Wenn man die rare Blume sehen will, und das sollte man, wenn man sich schon im gleichen Bundesland befindet wie das Pflänzchen selbst, dann gilt es, die Zeit rund um Ostern zu nutzen. Da geruht die Primadonna nämlich ihre Blüte zu zeigen.

Dabei ist die Schachblume gar nicht so verwöhnt, wie man angesichts ihrer Seltenheit glauben könnte. Eine feuchte Wiese, wo man sie in Ruhe lässt, genügt ihr nämlich. Und feuchte Wiesen sollte es hierzulande wohl genug geben … Noch gut in Erinnerung ist der Ausspruch eines ehemaligen österreichischen Bundespräsidenten von den Sümpfen und sauren Wiesen in unserem Land. Rudolf Kirchschläger meinte damit freilich nicht den Lebensraum der Schachblume, sondern politische Sümpfe rund um den damaligen AKH-Skandal und forderte deren Trockenlegung im Jahr 1980 ein.

Damit wären wir genau beim Problem, vor dem auch die Schachblume steht. Weil immer mehr und öfter die Feuchtwiesen – sei es für die Landwirtschaft, sei es als Bauland – umgewandelt und trockengelegt wurden und ihren ursprünglichen natürlich-feuchten Charakter verloren haben, hat zeitgleich die Schachblume ihren Lebensraum immer stärker eingebüßt. Auch in der Umgebung der einzigen steirischen Wiese, wo sie noch wächst, gedieh sie früher in viel größerem Ausmaß als heute. Büschelweise soll man sie in der Nachkriegszeit gepflückt haben, während sie gegenwärtig unter strengstem Naturschutz steht. Trotzdem – ein wenig muss auch die altrömische Blumengöttin Flora ihre zartgliedrigen Blütenblätterfinger im Spiel gehabt haben, dass ausgerechnet die oststeirische Gemeinde Großsteinbach, rund 20 Kilometer südwestlich von Hartberg gelegen, das große Los gezogen hat und heute Heimat der Schachblume ist.

Botanisch zählt die Schachblume zu den Liliengewächsen. Sie hat eine lange Geschichte – zurück bis in die Eiszeit –, die in der „Schachblumengemeinde“ Großsteinbach hoffentlich noch lange fortgesetzt wird. Die Chancen stehen gut, denn inzwischen wurde alles Menschenmögliche unternommen, um den Schutz der Pflanze zu gewährleisten: Ihre Wiese bleibt unangetastet. Außerdem stellt das Blümchen mittlerweile einen entsprechenden Tourismusfaktor dar, der unzählige Pflanzenfreunde zur Blütezeit nach Großsteinbach lockt. Sogar eine eigene Wanderung gibt es rund um die Blume inzwischen. Kein Wunder also, dass eine stilisierte Schachblume seit dem Jahr 1966 das Gemeindewappen von Großsteinbach ziert.


Die Schachblumenwiese westlich des Ortszentrums von Großsteinbach ist zur Blütezeit der Blume gut ausgeschildert.

www.gemeinde-grosssteinbach.at

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SAH EIN KNAB’ EIN RÖSLEIN STEH’N

Graz, Schloss Eggenberg

Im Park des UNESCO-Weltkulturerbes Schloss Eggenberg erhebt sich ein unscheinbarer Hügel. Unscheinbar? Ja, aber nur so lange, bis die Rosen in voller Blüte stehen …

Einer der sehenswertesten Hügel von Graz ist wieder da. Und wie! Wir reden hier nicht vom Schloßberg oder vom Kalvarienberg, nein, der Hügel, den wir meinen, ist viel kleiner. Er besteht auch nicht aus uraltem Felsgestein, sondern wurde künstlich aufgeschüttet. Trotzdem sollte man ihn gesehen haben. Im Nordwesten der Stadt konnte nämlich ein Juwel, das eine bewegte Historie aufweist und noch vor Kurzem völlig verwildert war, wiederhergestellt werden: der Rosenhügel im Park von Schloss Eggenberg. Für uns eindeutig das botanische „Comeback des Jahrzehnts“.

Bis es aber so weit war, sind langjährige Vorbereitungsarbeiten vorangegangen. Im Jahr 2008 fiel sozusagen der Startschuss: Man begann zunächst einmal, den wild bewachsenen Hügel freizulegen, dann erfolgten die konkrete Planung und Umsetzung des Projekts. Die Auswahl fiel auf Rosen, die es vor 1835 – zur ersten Blütezeit des Hügels – gegeben hatte, man kehrte also zu den „alten Rosen“ zurück. Und so kann man heute wie damals auf dem Parapluieberg, der nach historischem Vorbild mit alten Rosen und Gehölzen wiederbepflanzt wurde, lustwandeln und den betörenden Duft der Rosen, die im Juni ihre Hochblüte haben, genießen.

 

Dieser Parapluieberg im chinesischen Stil ist als kleiner Aussichtshügel zu verstehen, wo man auf einem kurvig angelegten Weg zum Ziel gelangt. Der kurze Pfad führt von der Schlossseite her, bepflanzt mit Rosen und dunklen Koniferen, hinauf „zum Gipfel“, dazwischen gibt es verschiedene Blumen zu bewundern. Oben angelangt, kann man sich auf einer Bank unter einem Schirm ausruhen und dann auf der Rückseite des Hügels, wo ebenfalls verschiedene Gehölze und Sträucher wachsen, wieder hinunterpromenieren. Natürlich funktioniert das Ganze umgekehrt genauso.

Von diesem Aussichtshügel lässt sich nicht nur Schloss Eggenberg, das 2010 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurde, bestaunen, sondern auch die gesamte Parkanlage sowie die schönen Alleebäume. Vom Rosenduft umhüllt und vom Lustwandeln im Park ermüdet, besteht die Möglichkeit, sich im kleinen Pavillon, der ebenfalls in die Parkanlagen eingebettet ist, bei Kaffee und Kuchen zu laben.


Die Gärten von Schloss Eggenberg unterliegen bis heute ständigen Veränderungen und Umgestaltungen. Dies bestätigt ein Blick in die Geschichte des Gartens. Den Grundstein für den Rosenhügel legte im Jahr 1833 Johann Hieronymus Herberstein, der sich weltmännisch-französisch auch Jérôme nannte – unser im Titel genannter „Knabe mit dem Röslein“. Zu ihm erzählt Barbara Kaiser, Leiterin von Schloss Eggenberg und der Alten Galerie, in ihrem Buch „Schloss Eggenberg – Park und Gärten“ eine bezeichnende Anekdote: Jérôme wollte einen künstlichen Hügel, eben den späteren Rosenhügel, errichten lassen, um von dort aus über seine neu geschaffene Gartenwelt blicken zu können. Dafür ließ er erhebliche Umgestaltungen im bestehenden Schlosspark vornehmen, unter anderem den Abbruch einer bis dato vorhandenen Gartenterrasse. Mit schwerwiegenden Folgen: Die Grazer, die schon damals gerne in den Garten strömten, protestierten vehement gegen diese Umgestaltung, sehr zum Missfallen des Bauherrn. Da die Österreicher leidenschaftliche „Prozesshansln“ sind, kam es auch bei der Klärung der Frage, ob der Park öffentlich zugänglich bleiben sollte oder nicht, zu heftigen Auseinandersetzungen vor Gericht – Jérôme wünschte nämlich keine öffentlichen Besuche mehr, zog aber letztlich den Kürzeren.

So ist es uns heute nach der Wiederherstellung zu Beginn des 21. Jahrhunderts möglich, nicht nur den Rosenhügel mit seinen historischen Rosen zu bewundern und deren Duft zu riechen, sondern auch durch die verschiedenen Gärten samt Teich im Schlosspark zu wandeln. Nicht zu vergessen die Pfaue, die es dort gibt und die frei herumlaufen. Manchmal ist es nicht einfach mit den Tieren, so versperrten sie uns bei unserem Besuch gleich zu Anbeginn den Weg zum Rosenhügel, was wir uns als g’standene Steirer natürlich nicht gefallen ließen – wir kämpften uns den Weg frei, allerdings ohne ein Gericht zu bemühen, sondern indem wir warteten, bis die stolzen Tiere ihren Standplatz zu wechseln gedachten …

Auch die Rosen allgemein blicken auf eine lange Geschichte zurück. Die ältesten Rosen sind seit der Antike bekannt, die Römer ließen Rosenblätter vom Himmel fallen, um ihre Feste besonders blumig zu gestalten, und von Ägypten aus gelangte die Königin der Blumen mit dem Schiff nicht nur zu uns, sondern in viele, viele andere Länder. Schon in China soll es 2000 Jahre vor Christus Rosen gegeben haben. Die angeblich älteste bildliche Darstellung von Rosen findet man übrigens im Palast von Knossos auf Kreta.


Schloss Eggenberg

So alt sind die Eggenberger Rosen nicht. Nichtsdestotrotz findet man auf dem Rosenhügel verschiedene Arten von „alten Rosen“, Strauch-, Beet- und Hochstammrosen, unter anderem mit „gekrönten“ Namen wie „Königin von Dänemark“. Besonders elegant: die Damaszener Rosen, die dort ebenfalls bewundert und beschnuppert werden können.

Unsere Empfehlung an alle Garten- und Rosenfreunde und jene, die es werden möchten: Besuchen Sie den Rosenhügel zur Blütezeit ab Juni!


Schloss Eggenberg mit dem Schlosspark und dem Rosenhügel kann man bequem mit der Grazer Straßenbahn-Linie 1 erreichen. Bei Anreise mit dem Auto gibt es genügend Parkplätze: Eggenberger Allee 90, 8020 Graz.

www.museum-joanneum.at/​schloss-eggenberg-prunkraeume-und-gaerten