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Philotas

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Alles, was ich werden können, muß ich durch das zeigen, was ich schon bin. Und was könnte ich, was wollte ich werden? Ein Held.—Wer ist ein Held?—O mein abwesender vortrefflicher Vater, itzt sei ganz in meiner Seele gegenwärtig!—Hast du mich nicht gelehrt, ein Held sei ein Mann, der höhere Güter kennt als das Leben? Ein Mann, der sein Leben dem Wohle des Staats geweihet; sich, den einzeln, dem Wohle vieler? Ein Held sei ein Mann—Ein Mann? Also kein Jüngling, mein Vater?—Seltsame Frage! Gut, daß sie mein Vater nicht gehöret hat! Er müßte glauben, ich sähe es gern, wenn er Nein darauf antwortete.– Wie alt muß die Fichte sein, die zum Maste dienen soll? Wie alt? Sie muß hoch genug, und muß stark genug sein.



Jedes Ding, sagte der Weltweise, der mich erzog, ist vollkommen, wenn es seinen Zweck erfüllen kann. Ich kann meinen Zweck erfüllen, ich kann zum Besten des Staats sterben: ich bin vollkommen also, ich bin ein Mann. Ein Mann, ob ich gleich noch vor wenig Tagen ein Knabe war.



Welch Feuer tobt in meinen Adern? Welche Begeisterung befällt mich?



Die Brust wird dem Herzen zu eng!—Geduld, mein Herz! Bald will ich



dir Luft machen! Bald will ich dich deines einförmigen langweiligen



Dienstes erlassen! Bald sollst du ruhen, und lange ruhen—



Wer kömmt? Es ist Parmenio.—Geschwind entschlossen!—Was muß ich zu ihm sagen? Was muß ich durch ihn meinem Vater sagen lassen?—Recht! das muß ich sagen, das muß ich sagen lassen.



Fünfter Auftritt

Parmenio. Philotas.



Philotas. Tritt näher, Parmenio.—Nun? warum so schüchtern? So voller Scham? Wessen schämst du dich? Deiner, oder meiner?



Parmenio: Unser beider, Prinz.



Philotas. Immer sprich, wie du denkst. Freilich, Parmenio, müssen wir beide nicht viel taugen, weil wir uns hier befinden. Hast du meine Geschichte bereits gehört?



Parmenio. Leider!



Philotas. Und als du sie hörtest?—



Parmenio. Ich bedauerte dich, ich bewunderte dich, ich verwünschte dich, ich weiß selbst nicht, was ich alles tat.



Philotas. Ja, ja! Nun aber, da du doch wohl auch erfahren, daß das



Unglück so groß nicht ist, weil gleich darauf Polytimet von den



Unserigen—



Parmenio. Ja nun; nun möchte ich fast lachen. Ich finde, daß das Glück zu einem kleinen Schlage, den es uns versetzen will, oft erschrecklich weit ausholt. Man sollte glauben, es wolle uns zerschmettern, und hat uns am Ende nichts, als eine Mücke auf der Stirne totgeschlagen.



Philotas. Zur Sache!—Ich soll dich mit dem Herolde des Königs zu meinem Vater schicken.



Parmenio. Gut! So wird deine Gefangenschaft der meinigen das Wort sprechen. Ohne die gute Nachricht, die ich ihm von dir bringen werde, und die eine freundliche Miene wohl wert ist, hätte ich mir eine ziemlich frostige von ihm versprechen müssen.



Philotas. Nein, ehrlicher Parmenio; nun im Ernst! Mein Vater weiß es, daß dich der Feind verblutet und schon halb erstarrt von der Walstatt aufgehoben. Laß prahlen, wer prahlen will; der ist leicht gefangen zu nehmen, den der nahende Tod schon entwaffnet hat.—Wie viele Wunden hast du nun, alter Knecht?—



Parmenio. O, davon konnte ich sonst eine lange Liste hersagen. Itzt aber habe ich sie um ein gut Teil verkürzt.



Philotas. Wie das?



Parmenio. Ha! Ich rechne nun nicht mehr die Glieder, an welchen ich verwundet bin; Zeit und Atem zu ersparen, zähle ich die, an welchen ich es nicht bin.—Kleinigkeiten bei dem allem! Wozu hat man die Knochen anders, als daß sich die feindlichen Eisen darauf schartig hauen sollen?



Philotas. Das ist wacker!—Aber nun—was willst du meinem Vater sagen?



Parmenio. Was ich sehe; daß du dich wohl befindest. Denn deine Wunde, wenn man mir anders die Wahrheit gesagt hat,—



Philotas. Ist so gut als keine.



Parmenio. Ein kleines liebes Andenken. Dergleichen uns ein inbrünstiges Mädchen in die Lippe beißt. Nicht wahr, Prinz?



Philotas. Was weiß ich davon?



Parmenio. Nu, nu; kömmt Zeit, kömmt Erfahrung.—Ferner will ich deinem Vater sagen, was ich glaube, daß du wünschest—



Philotas. Und was ist das?



Parmenio. Je eher, je lieber wieder bei ihm zu sein. Deine kindliche



Sehnsucht, deine bange Ungeduld—



Philotas. Mein Heimweh lieber gar. Schalk! warte, ich will dich anders denken lehren!



Parmenio. Bei dem Himmel, das mußt du nicht! Mein lieber frühzeitiger Held, laß dir das sagen: Du bist noch Kind! Gib nicht zu, daß der rauhe Soldat das zärtliche Kind so bald in dir ersticke. Man möchte sonst von deinem Herzen nicht zum besten denken; man möchte deine Tapferkeit für angeborne Wildheit halten. Ich bin auch Vater, Vater eines einzigen Sohnes, der nur wenig älter als du, mit gleicher Hitze—du kennst ihn ja.



Philotas. Ich kenne ihn. Er verspricht alles, was sein Vater geleistet hat.



Parmenio. Aber wüßte ich, daß sich der junge Wildfang nicht in allen Augenblicken, die ihm der Dienst frei läßt, nach seinem Vater sehnte, und sich nicht so nach ihm sehnte, wie sich ein Lamm nach seiner Mutter sehnet: so möchte ich ihn gleich—siehst du!—nicht erzeugt haben. Itzt muß er mich noch mehr lieben, als ehren. Mit dem Ehren werde ich mich so Zeit genug müssen begnügen lassen; wenn nämlich die Natur den Strom seiner Zärtlichkeit einen andern Weg leitet; wenn er selbst Vater wird.—Werde nicht ungehalten, Prinz.



Philotas. Wer kann auf dich ungehalten werden?—Du hast recht! Sage meinem Vater alles, was du glaubest, daß ihm ein zärtlicher Sohn bei dieser Gelegenheit muß sagen lassen. Entschuldige meine jugendliche Unbedachtsamkeit, die ihn und sein Reich fast ins Verderben gestürzt hätte. Bitte ihn, mir meinen Fehler zu vergeben. Versichere ihn, daß ich ihn nie durch einen ähnlichen Fehler wieder daran erinnern will; daß ich alles tun will, damit er ihn auch vergessen kann. Beschwöre ihn—



Parmenio. Laß mich nur machen! So etwas können wir Soldaten recht gut sagen.—Und besser als ein gelehrter Schwätzer; denn wir sagen es treuherziger.—Laß mich nur machen! Ich weiß schon alles.—Lebe wohl, Prinz; ich eile—



Philotas. Verzieh!



Parmenio. Nun?—Und welch feierliches Ansehen gibst du dir auf einmal?



Philotas. Der Sohn hat dich abgefertiget, aber noch nicht der Prinz.– Jener mußte fühlen; dieser muß überlegen. Wie gern wollte der Sohn gleich itzt, wie gern wollte er noch eher, als möglich, wieder um seinen Vater, um seinen geliebten Vater sein; aber der Prinz—der Prinz kann nicht.—Höre!



Parmenio. Der Prinz kann nicht?



Philotas. Und will nicht.



Parmenio. Will nicht?



Philotas. Höre!



Parmenio. Ich erstaune—



Philotas. Ich sage, du sollst hören und nicht erstaunen. Höre!



Parmenio. Ich erstaune, weil ich höre. Es hat geblitzt, und ich erwarte den Schlag.—Rede!—Aber, junger Prinz, keine zweite Übereilung!—



Philotas. Aber, Soldat, kein Vernünfteln!—Höre! Ich habe meine Ursachen, nicht eher ausgelöset zu sein, als morgen. Nicht eher als morgen! Hörst du?—Sage also unserm Könige, daß er sich an die Eilfertigkeit des feindlichen Herolds nicht kehre. Eine gewisse



Bedenklichkeit, ein gewisser Anschlag nötige den Philotas zu dieser Verzögerung.—Hast du mich verstanden?



Parmenio. Nein!



Philotas. Nicht? Verräter!—



Parmenio. Sachte, Prinz! Ein Papagei versteht nicht, aber er behält, was man ihm vorsagt. Sei unbesorgt. Ich will deinem Vater alles wieder herplapp