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Wallensteins Lager

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7. Auftritt

Vorige. Ein Rekrut. Ein Bürger. Dragoner.

Rekrut (tritt aus dem Zelt, eine Blechhaube auf dem Kopfe, eine Weinflasche in der Hand)
 
Grüß den Vater und Vaters Brüder!
Bin Soldat, komme nimmer wieder.
 
Erster Jäger
 
Sieh, da bringen sie einen Neuen!
 
Bürger
 
O, gib acht, Franz! es wird dich reuen.
 
Rekrut (singt)
 
Trommeln und Pfeifen,
Kriegrischer Klang!
Wandern und streifen
Die Welt entlang,
Rosse gelenkt,
Mutig geschwenkt,
Schwert an der Seite,
Frisch in die Weite,
Flüchtig und flink,
Frei, wie der Fink
Auf Sträuchern und Bäumen,
In Himmels Räumen!
Heisa! ich folge des Friedländers Fahn!
 
Zweiter Jäger
 
Seht mir, das ist ein wackrer Kumpan!
 
(Sie begrüßen ihn.)
Bürger
 
O, laßt ihn. Er ist guter Leute Kind.
 
Erster Jäger
 
Wir auch nicht auf der Straße gefunden sind.
 
Bürger
 
Ich sag' euch, er hat Vermögen und Mittel.
Fühlt her, das feine Tüchlein am Kittel.
 
Trompeter
 
Des Kaisers Rock ist der höchste Titel.
 
Bürger
 
Er erbt eine kleine Mützenfabrik.
 
Zweiter Jäger
 
Des Menschen Wille, das ist sein Glück.
 
Bürger
 
Von der Großmutter einen Kram und Laden.
 
Erster Jäger
 
Pfui, wer handelt mit Schwefelfaden!
 
Bürger
 
Einen Weinschank dazu von seiner Paten,
Ein Gewölbe mit zwanzig Stückfaß Wein.
 
Trompeter
 
Den teilt er mit seinen Kameraden.
 
Zweiter Jäger
 
Hör du! wir müssen Zeltbrüder sein.
 
Bürger
 
Eine Braut läßt er sitzen in Tränen und Schmerz.
 
Erster Jäger
 
Recht so, da zeigt er ein eisernes Herz.
 
Bürger
 
Die Großmutter wird für Kummer sterben.
 
Zweiter Jäger
 
Desto besser, so kann er sie gleich beerben.
 
Wachtmeister (tritt gravitätisch herzu, dem Rekruten die Hand auf die Blechhaube legend)
 
Sieht Er! das hat Er wohl erwogen.
Einen neuen Menschen hat Er angezogen;
Mit dem Helm da und Wehrgehäng
Schließt Er sich an eine würdige Meng.
Muß ein fürnehmer Geist jetzt in Ihn fahren –
 
Erster Jäger
 
Muß besonders das Geld nicht sparen.
 
Wachtmeister
 
Auf der Fortuna ihrem Schiff
Ist Er zu segeln im Begriff;
Die Weltkugel liegt vor Ihm offen,
Wer nichts waget, der darf nichts hoffen.
Es treibt sich der Bürgersmann, träg und dumm,
Wie des Färbers Gaul, nur im Ring herum.
Aus dem Soldaten kann alles werden,
Denn Krieg ist jetzt die Losung auf Erden.
Seh' Er mal mich an! In diesem Rock
Führ' ich, sieht Er, des Kaisers Stock.
Alles Weltregiment, muß Er wissen,
Von dem Stock hat ausgehen müssen;
Und das Zepter in Königs Hand
Ist ein Stock nur, das ist bekannt.
Und wer's zum Korporal erst hat gebracht,
Der steht auf der Leiter zur höchsten Macht,
Und so weit kann Er's auch noch treiben.
 
Erster Jäger
 
Wenn Er nur lesen kann und schreiben.
 
Wachtmeister
 
Da will ich Ihm gleich ein Exempel geben;
Ich tät's vor kurzem selbst erleben.
Da ist der Schef vom Dragonerkorps,
Heißt Buttler, wir standen als Gemeine
Noch vor dreißig Jahren bei Köln am Rheine,
Jetzt nennt man ihn Generalmajor.
Das macht, er tät sich baß hervor,
Tät die Welt mit seinem Kriegsruhm füllen;
Doch meine Verdienste, die blieben im stillen.
Ja, und der Friedländer selbst, sieht Er,
Unser Hauptmann und hochgebietender Herr,
Der jetzt alles vermag und kann,
War erst nur ein schlichter Edelmann,
Und weil er der Kriegsgöttin sich vertraut,
Hat er sich diese Größ' erbaut,
Ist nach dem Kaiser der nächste Mann,
Und wer weiß, was er noch erreicht und ermißt,
(pfiffig) Denn noch nicht aller Tage Abend ist.
 
Erster Jäger
 
Ja, er fing's klein an und ist jetzt so groß.
Denn zu Altorf im Studentenkragen
Trieb er's, mit Permiß zu sagen,
Ein wenig locker und burschikos,
Hätte seinen Famulus bald erschlagen.
Wollten ihn drauf die Nürnberger Herren
Mir nichts, dir nichts ins Karzer sperren;
's war just ein neugebautes Nest,
Der erste Bewohner sollt' es taufen.
Aber wie fängt er's an? Er läßt
Weislich den Pudel voran erst laufen.
Nach dem Hunde nennt sich's bis diesen Tag;
Ein rechter Kerl sich dran spiegeln mag.
Unter des Herrn großen Taten allen
Hat mir das Stückchen besonders gefallen.
 
(Das Mädchen hat unterdessen aufgewartet; der zweite Jäger schäkert mit ihr.)
Dragoner (tritt dazwischen)
 
Kamerad, laß Er das unterwegen!
 
Zweiter Jäger
 
Wer, Henker! hat sich da drein zu legen!
 
Dragoner
 
Ich will's Ihm nur sagen, die Dirn ist mein.
 
Erster Jäger
 
Der will ein Schätzchen für sich allein!
Dragoner, ist Er bei Troste? sag' Er!
 
Zweiter Jäger
 
Will was Apartes haben im Lager.
Einer Dirne schön Gesicht
Muß allgemein sein, wie's Sonnenlicht! (Küßt sie.)
 
Dragoner (reißt sie weg)
 
Ich sag's noch einmal, das leid' ich nicht.
 
Erster Jäger
 
Lustig, lustig! da kommen die Prager!
 
Zweiter Jäger
 
Sucht Er Händel? Ich bin dabei.
 
Wachtmeister
 
Fried', ihr Herren! Ein Kuß ist frei!
 

8. Auftritt

Bergknappen treten auf und spielen einen Walzer, erst langsam und dann immer geschwinder. Der erste Jäger tanzt mit der Aufwärterin, die Marketenderin mit dem Rekruten; das Mädchen entspringt, der Jäger hinter ihr her und bekommt den Kapuziner zu fassen, der eben hereintritt.

Kapuziner
 
Heisa, juchheia! Dudeldumdei!
Das geht ja hoch her. Bin auch dabei!
Ist das eine Armee von Christen?
Sind wir Türken? sind wir Antibaptisten?
Treibt man so mit dem Sonntag Spott,
Als hätte der allmächtige Gott
Das Chiragra, könnte nicht drein schlagen?
Ist's jetzt Zeit zu Saufgelagen?
Zu Banketten und Feiertagen?
Quid hic statis otiosi?
Was steht ihr und legt die Hände in Schoß?
Die Kriegsfuri ist an der Donau los,
Das Bollwerk des Bayerlands ist gefallen,
Regensburg ist in des Feindes Krallen,
Und die Armee liegt hier in Böhmen,
Pflegt den Bauch, läßt sich's wenig grämen,
Kümmert sich mehr um den Krug als den Krieg,
Wetzt lieber den Schnabel als den Sabel,
Hetzt sich lieber herum mit der Dirn,
Frißt den Ochsen lieber als den Oxenstirn.
Die Christenheit trauert in Sack und Asche,
Der Soldat füllt sich nur die Tasche.
Es ist eine Zeit der Tränen und Not,
Am Himmel geschehen Zeichen und Wunder,
Und aus den Wolken, blutigrot,
Hängt der Herrgott den Kriegsmantel 'runter.
Den Kometen steckt er, wie eine Rute,
Drohend am Himmelsfenster aus,
Die ganze Welt ist ein Klagehaus,
Die Arche der Kirche schwimmt in Blute,
Und das römische Reich – daß Gott erbarm!
Sollte jetzt heißen römisch Arm;
Der Rheinstrom ist worden zu einem Peinstrom,
Die Klöster sind ausgenommene Nester,
Die Bistümer sind verwandelt in Wüsttümer,
Die Abteien und die Stifter
Sind nun Raubteien und Diebesklüfter,
Und alle die gesegneten deutschen Länder
Sind verkehrt worden in Elender
Woher kommt das? Das will ich euch verkünden:
Das schreibt sich her von euern Lastern und Sünden,
Von dem Greuel und Heidenleben,
Dem sich Offizier und Soldaten ergeben.
Denn die Sünd' ist der Magnetenstein,
Der das Eisen ziehet ins Land herein.
Auf das Unrecht, da folgt das Übel,
Wie die Trän' auf den herben Zwiebel,
Hinter dem U kömmt gleich das Weh,
Das ist die Ordnung im ABC.
Ubi erit victoriae spes,
Si offenditur Deus? Wie soll man siegen,
Wenn man die Predigt schwänzt und die Meß,
Nichts tut, als in den Weinhäusern liegen?
Die Frau in dem Evangelium
Fand den verlornen Groschen wieder,
Der Gaul seines Vaters Esel wieder,
Der Joseph seine saubern Brüder;
Aber wer bei den Soldaten sucht
Die Furcht Gottes und die gute Zucht
Und die Scham, der wird nicht viel finden,
Tät' er auch hundert Laternen anzünden.
Zu dem Prediger in der Wüsten,
Wie wir lesen im Evangelisten,
Kamen auch die Soldaten gelaufen,
Taten Buß und ließen sich taufen,
Fragten ihn: Quid faciemus nos?
Wie machen wir's, daß wir kommen in Abrahams Schoß?
Et ait illis, und er sagt:
Neminem concutiatis,
Wenn ihr niemanden schindet und plackt;
Neque calumniam faciatis,
Niemand verlästert, auf niemand lügt.
Contenti estote, euch begnügt,
Stipendiis vestris, mit eurer Löhnung
Und verflucht jede böse Angewöhnung.
Es ist ein Gebot: Du sollst den Namen
Deines Herrgotts nicht eitel auskramen!
Und wo hört man mehr blasphemieren,
Als hier in den Friedländischen Kriegsquartieren?
Wenn man für jeden Donner und Blitz,
Den ihr losbrennt mit eurer Zungenspitz,
Die Glocken müßt' läuten im Land umher,
Es wär' bald kein Mesner zu finden mehr.
Und wenn euch für jedes böse Gebet,
Das aus eurem ungewaschnen Munde geht,
Ein Härlein ausging aus eurem Schopf,
Über Nacht wär' er geschoren glatt,
Und wär' er so dick wie Absalons Zopf.
Der Josua war doch auch ein Soldat,
König David erschlug den Goliath,
Und wo steht denn geschrieben zu lesen,
Daß sie solche Fluchmäuler sind gewesen?
Muß man den Mund doch, ich sollte meinen,
Nicht weiter aufmachen zu einem Helf Gott!
Als zu einem Kreuz Sackerlot!
Aber wessen das Gefäß ist gefüllt,
Davon es sprudelt und überquillt.
Wieder ein Gebot ist: Du sollst nicht stehlen.
Ja, das befolgt ihr nach dem Wort,
Denn ihr tragt alles offen fort.
Vor euren Klauen und Geiersgriffen,
Vor euren Praktiken und bösen Kniffen
Ist das Geld nicht geborgen in der Truh,
Das Kalb nicht sicher in der Kuh,
Ihr nehmt das Ei und das Huhn dazu.
Was sagt der Prediger? contenti estote,
Begnügt euch mit eurem Kommißbrote.
Aber wie soll man die Knechte loben,
Kömmt doch das Ärgernis von oben!
Wie die Glieder, so auch das Haupt!
Weiß doch niemand, an wen der glaubt!
 
Erster Jäger
 
Herr Pfaff! uns Soldaten mag Er schimpfen,
Den Feldherrn soll Er uns nicht verunglimpfen.
 
Kapuziner
 
Ne custodias gregem meam!
Das ist so ein Ahab und Jerobeam,
Der die Völker von der wahren Lehren
Zu falschen Götzen tut verkehren.
 
Trompeter und Rekrut
 
Laß Er uns das nicht zweimal hören!
 
Kapuziner
 
So ein Bramarbas und Eisenfresser,
Will einnehmen alle festen Schlösser.
Rühmte sich mit seinem gottlosen Mund,
Er müsse haben die Stadt Stralsund,
Und wär' sie mit Ketten an den Himmel geschlossen.
Hat aber sein Pulver umsonst verschossen!
 
Trompeter
 
Stopft ihm keiner sein Lästermaul?
 
Kapuziner
 
So ein Teufelsbeschwörer und König Saul,
So ein Jehu und Holofern,
Verleugnet, wie Petrus, seinen Meister und Herrn,
Drum kann er den Hahn nicht hören krähn –
 
Beide Jäger
 
Pfaffe! Jetzt ist's um dich geschehn!
 
Kapuziner
 
So ein listiger Fuchs Herodes –
 
Trompeter und beide Jäger (auf ihn eindringend)
 
Schweig stille! Du bist des Todes!
 
Kroaten (legen sich drein)
 
Bleib da, Pfäfflein, fürcht' dich nit,
Sag dein Sprüchel und teil's uns mit.
 
Kapuziner (schreit lauter)
 
So ein hochmütiger Nebukadnezer,
So ein Sündenvater und muffiger Ketzer,
Läßt sich nennen den Wallenstein;
Ja freilich ist er uns allen ein Stein
Des Anstoßes und Ärgernisses,
Und solang der Kaiser diesen Friedeland
Läßt walten, so wird nicht Fried' im Land.
 
(Er hat nach und nach bei den letzten Worten, die er mit erhobener Stimme spricht, seinen Rückzug genommen, indem die Kroaten die übrigen Soldaten von ihm abwehren.)