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Der Neffe als Onkel

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Fr. v. Dorsigny. Barmherziger Himmel! Was muß der Vater dabei gelitten haben!



Dorsigny. Das können Sie denken! Und die Mutter!



Fr. v. Dorsigny. Wie? Die Mutter! Die ist ja im letzten Winter gestorben, so viel ich weiß.



Dorsigny. Diesen Winter – ganz recht! Mein armer Freund Lormeuil! Den Winter stirbt ihm seine Frau, und jetzt im Sommer muß er den Sohn in einem Duell verlieren! – Es ist mir auch schwer angekommen, ihn in seinem Schmerz zu verlassen! Aber der Dienst ist jetzt so scharf! Auf den zwanzigsten müssen alle Offiziere – beim Regiment sein! Heut ist der neunzehnte, und ich habe nur einen Sprung nach Paris gethan und muß schon heute Abend wieder – nach meiner Garnison zurückreisen.



Fr. v. Dorsigny. Wie? So bald?



Dorsigny. Das ist einmal der Dienst! Was ist zu machen? Jetzt auf unsere Tochter zu kommen-Fr. v. Dorsigny. Das liebe Kind ist sehr niedergeschlagen und schwermüthig, seitdem Sie weg waren.



Dorsigny. Wissen Sie, was ich denke? Diese Partie, die wir ihr ausgesucht, war – nicht nach ihrem Geschmack.



Fr. v. Dorsigny. So? Wissen Sie?



Dorsigny. Ich weiß nichts – Aber sie ist fünfzehn Jahre alt – Kann sie nicht für sich selbst schon gewählt haben, eh wir es für sie thaten?



Fr. v. Dorsigny. Ach Gott ja! Das begegnet alle Tage.



Dorsigny. Zwingen möchte ich ihre Neigung nicht gern.



Fr. v. Dorsigny. Bewahre uns Gott davor!



Siebenter Auftritt.



Die Vorigen. Sophie.



Sophie (beim Anblick Dorsigny's stutzend). Ah! mein Vater-Fr. v. Dorsigny. Nun, was ist dir? Fürchtest du dich, deinen Vater zu umarmen?



Dorsigny (nachdem er sie umarmt, für sich). Sie haben's doch gar gut, diese Väter! Alles umarmt sie!



Fr. v. Dorsigny. Du weißt wohl noch nicht,. Sophie, daß ein unglücklicher Zufall deine Heirath getrennt hat?



Sophie. Welcher Zufall?



Fr. v. Dorsigny. Herr von Lormeuil ist todt.



Sophie. Mein Gott!



Dorsigny (hat sie mit den Augen fixiert). Ja, nun – was sagst du dazu, meine Sophie?



Sophie. Ich, mein Vater? – Ich beklage diesen unglücklichen Mann von Herzen – aber ich kann es nicht anders als für ein Glück ansehen, daß – daß sich der Tag verzögert, der mich von Ihnen trennt.



Dorsigny. Aber, liebes Kind! wenn du gegen diese Heirath – etwas einzuwenden hattest, warum sagtest du uns nichts davon? Wir denken ja nicht daran, deine Neigung zwingen zu wollen.



Sophie. Das weiß ich, lieber Vater – aber die Schüchternheit-Dorsigny.



Weg mit der Schüchternheit! Rede offen! Entdecke mir dein Herz.



Fr. v. Dorsigny. Ja, mein Kind! Höre deinen Vater! Er meint es gut, er wird dir gewiß das Beste rathen.



Dorsigny. Du haßtest also diesen Lormeuil zum Voraus – recht herzlich?



Sophie. Das nicht – aber ich liebte ihn nicht.



Dorsigny. Und du möchtest Keinen heirathen, als den du wirklich liebst?



Sophie. Das ist wohl natürlich.



Dorsigny. Du liebst also – einen Andern?



Sophie. Das habe ich nicht gesagt.



Dorsigny. Nun, nun, beinahe doch – Heraus mit der Sprache! Laß mich alles wissen.



Fr. v. Dorsigny. Fasse Muth, mein Kind! Vergiß, daß es dein Vater ist, mit dem du redest.



Dorsigny. Bilde dir ein, daß du mit deinem besten, deinem zärtlichsten Freunde sprächest – und Der, den du liebst. weiß er, daß er geliebt wird?



Sophie. Behüte der Himmel! Nein.



Dorsigny. Ist's noch ein junger Mensch?



Sophie. Ein sehr liebenswürdiger junger Mann, und der mir darum doppelt werth ist, weil Jedermann findet, daß er Ihnen gleicht – ein Verwandter von uns, der unsern Namen führt – Ach! Sie müssen ihn errathen.



Dorsigny. Noch nicht ganz, liebes Kind!



Fr. v. Dorsigny. Aber ich errathe ihn! Ich wette, es ist ihr



Vetter, Franz Dorsigny.



Dorsigny. Nun, Sophie, du antwortest nichts?



Sophie. Billigen Sie meine Wahl?



Dorsigny (seine Freude unterdrückend, für sich). Wir müssen den



Vater spielen – Aber mein Kind – das müssen wir denn doch bedenken.



Sophie. Warum bedenken? Mein Vetter ist der beste, verständigste-Dorsigny. Der? Ein Schwindelkopf ist er, ein Wildfang, der in den zwei Jahren, daß er weg ist, nicht zweimal an seinen Onkel geschrieben hat.



Sophie. Aber mir hat er desto fleißiger geschrieben, mein Vater!



Dorsigny. So? hat er das? Und du hast ihm wohl – frischweg geantwortet? Hast du? Nicht?



Sophie. Nein, ob ich gleich große Lust dazu hatte. – Nun, Sie versprachen mir ja diesen Augenblick, daß Sie meiner Neigung nicht entgegen sein wollten – Liebe Mutter, reden Sie doch für mich.



Fr. v. Dorsigny. Nun, nun, gib nach, lieber Dorsigny – Es ist da weiter nichts zu machen – und gesteh nur, sie hätte nicht besser wählen können.



Dorsigny. Es ist wahr, es läßt sich Manches dafür sagen – Das Vermögen ist von beiden Seiten gleich, und gesetzt, der Vetter hätte auch ein bißchen leichtsinnig gewirthschaftet, so weiß man ja, die Heirath bringt einen jungen Menschen – schon in Ordnung – Wenn sie ihn nun überdies lieb hat-Sophie. O recht sehr, lieber Vater! – Erst in dem Augenblicke, da man mir den Herrn von Lormeuil zum Gemahl vorschlug, merkte ich, daß ich dem Vetter gut sei – so was man gut sein nennt – Und wenn mir der Vetter nun auch wieder gut wäre-Dorsigny. (feurig). Und warum sollte er das nicht, meine theuerste – (sich besinnend) meine gute Tochter! – Nun wohl! Ich bin ein guter Vater und ergebe mich.



Sophie. Ich darf also jetzt an den Vetter schreiben?



Dorsigny. Was du willst – (Für sich.) Wie hübsch spielt sich's den



Vater, wenn man so allerliebste Geständnisse zu hören bekommt.



Achter Auftritt.



Vorige. Frau von Mirville. Champagne, als Postillon mit der



Peitsche klatschend.



Champagne. He, holla!



Fr. v. Mirville. Platz! da kommt ein Courier.



Fr. v. Dorsigny. Es ist Champagne.



Sophie. Meines Vetters Bedienter!



Champagne. Gnädiger Herr – gnädige Frau! reißen Sie mich aus meiner



Unruhe! – Das Fräulein ist doch nicht schon Frau von Lormeuil?



Fr. v. Dorsigny. Nein, guter Freund, noch nicht.



Champagne. Noch nicht? Dem Himmel sei Dank, ich bin doch noch zeitig genug gekommen. meinem armen Herrn das Leben zu retten.



Sophie. Wie! Dem Vetter ist doch kein Unglück begegnet?



Fr. v. Dorsigny. Mein Neffe ist doch nicht krank?



Fr. v. Mirville. Du machst mir Angst, was ist meinem Bruder?



Champagne. Beruhigen Sie sich, gnädige Frau! Mein Herr befindet sich ganz wohl, aber wir sind in einer grausamen Lage – Wenn Sie wüßten – doch Sie werden alles erfahren. Mein Herr hat sich zusammen genommen, der gnädigen Frau, die er seine gute Tante nennt, sein Herz auszuschütten; Ihnen verdankt er alles, was er ist; zu Ihnen hat er das größte Vertrauen – Hier schreibt er Ihnen, lesen Sie und beklagen ihn!



Dorsigny. Mein Gott, was ist das?



Fr. v. Dorsigny (liest). "Beste Tante! Ich erfahre so eben, daß Sie im Begriff sind, meine Cousine zu verheirathen. Es ist nicht mehr Zeit, zurückzuhalten: ich liebe Sophien. – Ich flehe Sie an, beste Tante, wenn sie nicht eine heftige Neigung zu ihrem bestimmten Bräutigam hat, so schenken Sie sie mir! Ich liebe sie so innig, daß ich gewiß noch ihre Liebe gewinne. Ich folge dem Champagne auf dem Fuße nach; er wird Ihnen diesen Brief überbringen, Ihnen erzählen, was ich seit jener schrecklichen Nachricht ausgestanden habe."



Sophie. Der gute Vetter!



Fr. v. Mirville. Armer Dorsigny!



Champagne. Nein, es läßt sich gar nicht beschreiben, was mein armer Herr gelitten hat! Aber lieber Herr, sagte ich zu ihm, vielleicht ist noch nicht alles verloren – Geh, Schurke, sagte er zu mir, ich schneide dir die Kehle ab, wenn du zu spät kommst – Er kann zuweilen derb sein, Ihr lieber Neffe.



Dorsigny. Unverschämter!



Champagne. Nun, nun, Sie werden ja ordentlich böse, als wenn ich von Ihnen spräche; was ich sage, geschieht aus lauter Freundschaft für ihn, damit Sie ihn bessern, weil Sie sein Onkel sind.



Fr. v. Mirville. Der gute, redliche Diener! Er will nichts als das



Beste seines Herrn!



Fr. v. Dorsigny. Geh, guter Freund, ruhe dich aus, du wirst es nöthig haben.



Champagne. Ja, Ihr Gnaden, ich will mich ausruhen in der Küche. (Ab.)



Neunter Auftritt.



Vorige ohne Champagne.



Dorsigny. Nun, Sophie! was sagst du dazu?



Sophie. Ich erwarte Ihre Befehle, mein Vater!



Dorsigny. Ja, was ist da zu thun?



Fr. v. Dorsigny. Es ist da weiter nichts zu thun; wir müssen sie ihm ohne Zeitverlust zur Frau geben.



Fr. v. Mirville. Aber der Vetter ist ja noch nicht hier.



Fr. v. Dorsigny. Seinem Briefe nach kann er nicht lang ausbleiben.



Dorsigny. Nun – wenn es denn nicht anders ist – und wenn Sie so meinen, meine Liebe – so sei's! Ich bin' s zufrieden und will mich so einrichten, daß der Lärm der Hochzeit – vorbei ist, wenn ich zurückkomme – He da! Bediente!



Zehnter Auftritt.



Zwei Bediente treten ein und warten im Hintergrunde. Vorige.



Fr. v. Dorsigny. Noch Eins! Ihr Pachter hat mir während Ihrer Abwesenheit zweitausend Thaler in Wechseln ausbezahlt – ich habe ihm eine Quittung darüber gegeben – Es ist Ihnen doch recht?



Dorsigny. Mir ist alles recht, was Sie thun, meine Liebe! (Während sie die Wechsel aus einer Schreibtafel hervorholt, zu Frau von Mirville.) Darf ich das Geld wohl nehmen?



Fr. v. Mirville. Nimm es ja, sonst machst du dich verdächtig.



Dorsigny (heimlich zu ihr). In Gottes Namen! Ich will meine Schulden damit bezahlen! (Laut, indem er die Wechsel der Frau von Dorsigny in Empfang nimmt.) Das Geld erinnert mich, daß ein verwünschter Schelm von Wucherer mich schon seit lange um hundert Pistolen plagt, die – mein Neffe von ihm geborgt hat – Wie ist's? Soll ich den Posten bezahlen?



Fr. v. Mirville. Ei, das versteht sich! Sie werden doch meine Base keinem Bruder Liederlich zur Frau geben wollen, der bis an die Ohren in Schulden steckt?

 



Fr. v. Dorsigny. Meine Nichte hat Recht, und was übrig bleibe kann man zu Hochzeitgeschenken anwenden.



Fr. v. Mirville. Ja, ja, zu Hochzeitgeschenken!



Ein dritter Bedienter (kommt). Die Modehändlerin der Frau von



Mirville.



Fr. v. Mirville. Sie kommt wie gerufen. Ich will gleich den



Brautanzug bei ihr bestellen. (Ab.)



Eilfter Auftritt.



Vorige ohne Frau von Mirville.



Dorsigny (zu den Bedienten). Kommt her! – (Zur Frau von Dorsigny) Man wird nach dem Herrn Gaspar, unserm Notar, schicken müssen-Fr. v. Dorsigny. Lassen Sie ihn lieber gleich zum Nachtessen einladen; dann können wir alles nach Bequemlichkeit abmachen.



Dorsigny. Das ist wahr! (Zu einem von den Bedienten.) Du, geh zum Juwelier und laß ihn das Neuste herbringen, was er hat – (Zu einem andern.) Du gehst zum Herrn Gaspar, unserm Notar, ich lass' ihn bitten, heute mit mir zu Nacht zu essen. – Dann bestellest du vier Postpferde; Punkt eilf Uhr müssen sie vor dem Hause sein, denn ich muß in der Nacht noch fort. – (Zu einem dritten.) Für dich, Jasmin, hab' ich einen kitzlichen Auftrag – du hast Kopf, dir kann man was anvertrauen.



Jasmin. Gnädiger Herr, das beliebt Ihnen so zu sagen.



Dorsigny. Du weißt, wo Herr Simon wohnt, der Geldmäkler, der sonst meine Geschäfte machte – der meinem Neffen immer mein eignes Geld borgte.



Jasmin. Ei ja wohl! Warum sollt' ich ihn nicht kennen! Ich war ja immer der Postillon des gn