Seewölfe - Piraten der Weltmeere 572

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 572
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Impressum

© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-979-6

Internet:

www.vpm.de

 und E-Mail:

info@vpm.de









Fred McMason











In den Riffen gesunken







Sie wittern Beute, doch die ist mehr als gefährlich





Nördlich von Malta hatte die Jagd auf die französische Karavelle begonnen, als sie unvermutet aus einer Nebelbank aufgetaucht war. Zuerst war Hamrud Khefi verblüfft. Sie lagen zwar seit Tagen auf der Lauer nach Beute, doch daß diese Beute so überraschend aufkreuzte, damit hatte der Pirat nicht gerechnet

.



Die Karavelle segelte Nordnordostkurs hart am Wind. Der Kapitän schien die Piraten-Schebecke noch nicht gesehen zu haben, denn die Ausgucks starrten zu der nächsten Nebelbank, die sich weiter voraus auf ihrem Kurs befand

.





„Ein französisches Handelsschiff auf dem Weg nach Italien“, sagte Hamrud. „Und bis über die Ladelinie beladen. Ich glaube, das wird eine fette Beute.“







Die Kanonen auf der Schebecke waren feuerbereit und befanden sich in einem hervorragenden Zustand, denn gerade von diesen Geschützen hingen ihre Überlegenheit und ihr Leben ab …









Die Hauptpersonen des Romans:





Hamrud Khefi

 – der Tunesier räubert mit seiner Schebecke in den Gewässern des Mittelmeers, und das mit Erfolg.



Mustafa Khefi

 – sein Vater ist ein alter Schnapphahn, Sadist und Intrigenspinner, der dem Sohn ständig dreinredet.



Delmont

 – der französische Kapitän einer Handelskaravelle bleibt allein an Bord, als die tunesischen Piraten angreifen.



Cesare de Mauro

 – der italienische Kapitän einer Handelsgaleone glaubt an den Schutz seiner Madonnenstatue, wird von ihr aber bitter enttäuscht.



Edwin Carberry

 – als seine „Krachente“ Sir John gebraten werden soll, gerät er in heiligen Zorn.



Mac Pellew

 – verhilft einem halben Dutzend Arwenacks zu einer Art Ballett-Tanz auf dem Deck der Dubas.



Philip Hasard Killigrew

 – der Seewolf meint, daß eine Schebecke auch ein feines Schiff für die Arwenacks sei.




Inhalt





Kapitel 1







Kapitel 2







Kapitel 3







Kapitel 4







Kapitel 5







Kapitel 6







Kapitel 7









1.





Neben Hamrud stand ein steinaltes Männlein mit zerfurchtem Gesicht und einem spannenlangen dünnen weißen Bart, der ihm wie ein Seil bis zur Brust reichte. Das Männlein hieß Mustafa und war Hamruds Vater, der sich bei seiner Piraterie aufs „Altenteil“ zurückgezogen hatte.



Er verstand auch heute noch zu kämpfen, beschränkte sich aber meist darauf, die Kerle an Bord herumzukommandieren. Das steinalte Männlein war ein Tyrann der übelsten Sorte, ein unerschrockener alter Schnapphahn, dessen Körper unzählige Narben bedeckten. Dieses steinalte Männlein war aber auch ein Sadist, ein Intrigenspinner und Heimtücker. Sein Sohn stand ihm darin allerdings nicht nach.



Als der Alte etwas sagen wollte, hatte man sie entdeckt. Gesichter wandten sich ihnen zu, überrascht anfangs, dann erschrocken. Zwei Männer deuteten aufgeregt zur Schebecke hinüber.



Der Wind wehte nur mäßig, aber die Schebecke war nicht beladen und daher schneller.



Auf der Karavelle versuchten sie jetzt verzweifelt, die Nebelbank voraus zu erreichen, um darin zu verschwinden.



Als der alte Mustafa das sah, wurde er fuchtig.



„Laß ihnen eins ins Ruderblatt verpassen!“ keifte er. „Beeile dich, sonst sind sie weg.“



Hamrud nickte flüchtig und sah der Karavelle nach. Dort quirlten die Kerle jetzt wild durcheinander. Ein paar stürzten zu den Kanonen. Aber sie mußten erst die schützenden Planen entfernen.



„Schieß doch!“ keifte der Alte mit zitterndem Bart. Seine Augen schienen zu glühen, sein Gesicht war verkniffen. Der alte Schnapphahn witterte Beute, und dann rastete bei ihm immer etwas aus.



„Wir müssen erst näher heran“, sagte Barud. „Wir wollen sie ja nicht mit den größeren Kanonen versenken.“



„Die verschwinden gleich wieder im Nebel“, zeterte der Alte. Er gab dem buntgekleideten Kerl an einem Geschütz aufgeregte Zeichen mit der Hand, doch der tat so, als bemerke er sie nicht.



Hamrud Khefi ließ unter dem Gezeter seines Alten die Schebecke noch näher heransegeln. Sie holte merklich auf, was auf der Karavelle mit noch mehr Nervosität registriert wurde. Immer noch hatten sie die Planen nicht herunter und zerrten wie wild daran herum.



Der Alte keifte erneut los, daß sie jetzt endlich feuern sollten. Hamrud gab nach, um den Alten nicht weiter zu reizen, denn der wußte ja doch immer alles besser.



Das war der Zeitpunkt, an dem sich die französische Karavelle ganz dicht vor der Nebelbank befand. War sie darin erst einmal verschwunden, hatten die Schnapphähne das Nachsehen.



Der buntgekleidete Kerl an der Kanone feuerte jetzt. Er hatte das Ruderblatt der Karavelle anvisiert, um sie lahm zu schießen. Aus der Kanone löste sich ein heller Blitz. Ein dumpf rollendes Echo folgte, das jedoch von der Nebelbank verschluckt wurde.



Ein Erfolg war nicht zu sehen, der Kerl hatte vorbeigeschossen.



Der alte Giftzwerg begann zu toben und zu kreischen. Er belegte den Schützen mit den unflätigsten Ausdrücken und verwünschte ihn in die tiefsten Schlünde der ewigen Verdammnis.



Giafar, so hieß der Schütze, kroch vor Angst in sich zusammen, als er zu dem bösen Alten mit den verkniffenen Lippen und dem zerknitterten Gesicht blickte.



Eilig sprang er an die nächste Kanone und visierte erneut an.



Der zweite Schuß donnerte über das Wasser.



Diesmal traf Giafar. Die Eisenkugel fetzte in das achtere Schanzkleid der Backbordseite und riß ein paar Splitter aus dem Holz. Dabei geriet einer der Männer offensichtlich in Panik. Er warf sich neben der Einschlagstelle über das Schanzkleid, verlor den Halt und fiel ins Wasser.



Sein Hilferuf verhallte ungehört, denn in diesem Augenblick verschwand die vordere Hälfte der Karavelle in der Nebelwand, sie drehte etwas nach Steuerbord, und dann verschluckte der Nebel das ganze Schiff.



Auf dem Piratenschiff war die Hölle los.



Die Kerle brüllten ihre Wut hinaus, daß ihnen dieser fette Brocken entgangen war. Schuld daran war natürlich Giafar, der vorbeigeschossen und der Karavelle dadurch die Flucht ermöglich hatte. Auf ihn konzentrierten sich jetzt Wut und Enttäuschung der anderen.



Das steinalte Männlein verließ schnaubend und ergrimmt das Achterdeck und bewegte sich erstaunlich schnell nach vorn.



Dort sprang Mustafa dem Schützen mit einem schnellen Satz von hinten ins Kreuz, preßte ihm die Beine um die Hüften und drosch mit einem harten Stock wild auf ihn ein.



Giafar brüllte seine Angst laut hinaus und versuchte vergeblich, die Last, die ihm im Kreuz hing, abzuschütteln. Der Alte hatte sich in ihn regelrecht verbissen und prügelte weiter drauflos. Links und rechts prasselten die Hiebe an seinen Körper, bis er jaulend zusammenbrach und auf den Planken liegenblieb.



„Hundesohn!“ schrie der Alte erregt und erbost. „Dreimal verfluchter räudiger Hundesohn! Hamrud sollte dich auf der Stelle köpfen lassen!“



Bei jedem Wort, das der Alte ausstieß, prasselten weitere Hiebe auf den Mann ein. Er hatte schützend die Hände über seinen Kopf gelegt, doch der Alte kannte genügend andere, sehr empfindliche Stellen, auf die er nun in seiner Wut losdrosch.



Es dauerte eine Ewigkeit, bis er von seinem wimmernden Opfer endlich abließ.



„Bastard“, sagte er verächtlich. „Vorbeigeschossen, obwohl das Ziel zum Greifen nahe lag. Jetzt sind die Giaurs weg.“



„Er war aufgeregt“, entgegnete Hamrud, „weil er Angst vor dir hatte. Wenn du ihm etwas sagst, dann ist er immer gehemmt. Er hat schon zu oft deine Fäuste zu spüren gekriegt. Sonst ist er ein guter und zuverlässiger Schütze.“



„Widersprich mir nicht!“ fuhr der Alte seinen Sohn an. „Er ist ein miserabler Hundling, der nichts kann. Du solltest ihn über Bord werfen lassen, damit die Haie ihn fressen.“



„Du hast ihn schon bestraft, aber er wird trotzdem noch ein paar Hiebe erhalten.“



Der Alte konnte sich kaum beruhigen. Obwohl er die meiste Zeit nur auf dem Achterdeck herumlungerte, ging er jetzt selbst an eine der Drehbassen und feuerte blindlings in den Nebel – dorthin, wo er die französische Karavelle vermutete.



Als der Schuß verhallt war, glaubte er, in weiter Ferne ein hohnvolles Lachen zu hören. Das brachte ihn noch mehr in Rage.



Wie ein wildgewordener Derwisch verteilte er wahllos kräftige Ohrfeigen an die Kerle, die an Deck standen und in den Nebel stierten.



Dann hörten sie eine Stimme aus dem Wasser.



Der Alte fuhr herum und starrte auf die feinen Schleiergespinste, die über das Meer zogen. Dann grinste er, als er den Mann im Wasser treiben sah. Es war ein böses und hinterhältiges Grinsen, das nichts Gutes versprach.

 



Der Mann im Meer schrie laut und gellend um Hilfe.



„Ja, wir werden dir helfen!“ schrie der alte Mustafa.



Jetzt hatte er endlich einen, an dem er seine Wut auslassen konnte.



Den anderen Kerlen kam der hilflose Mann ebenfalls recht. Auch sie konnten sich jetzt abreagieren. An den Alten selbst traute sich sowieso niemand heran, weil der völlig unberechenbar und hinterhältig war. So gaben sie das weiter, was sie meist von ihm empfingen, wenn er seine Wutanfälle hatte. Zudem war der Schiffbrüchige noch ein Giaur, ein ungläubiger Christenhund.



Auf der Schebecke wurden die Segel geborgen. Eine Verfolgung in der Nebelbank war ziemlich aussichtslos.



Der Mann trieb an die Bordwand heran und klammerte sich verzweifelt an einen Tampen, den man ihm grinsend zuwarf.



Als er die verschlagenen Galgenvogelvisagen aus der Nähe sah, kriegte er es mit der Angst zu tun. Er ließ den Tampen wieder los und blickte sich gehetzt um.



Aber da war niemand, der ihm helfen konnte. Sein Schiff war fort, und er wußte genau, daß sie nicht das Risiko eingingen, um nach ihm zu suchen. Sie hatten ihn abgeschrieben, als er über Bord gefallen war.



„Nur zu!“ rief der Alte höhnisch. „Wenn du nicht an Bord steigst, wirst du elend ersaufen. Such dir was aus!“



Der Franzose war ein schlechter Schwimmer und schon jetzt am Ende seiner körperlichen Kräfte. Vielleicht, so dachte er, hatten sie Mitleid mit ihm. Aber dann sah er wieder die Gesichter, die ihn böse anstarrten.



Dennoch griff er wieder nach dem Tampen wie nach einem Strohhalm, der seine letzte Rettung war.



Sie hievten ihn an Bord, wo er tropfnaß und erschöpft auf die Planken fiel. Sein Atem ging schwer und keuchend.



Die meisten Kerle hatten sich um den Franzosen versammelt und blickten ihn unverhohlen feindselig an.



Hamrud riß den Mann mit einem Ruck hoch.



„Verdammter Giaur!“ brüllte er. „Ihr wolltet uns zum Narren halten und versteckt euch in der Nebelbank.“



„Wir sind geflohen“, sagte der Franzose leise, „wir dachten …“



„Piraten, was?“ Der Schnapphahn lachte. „Da habt ihr richtig gedacht, ihr Bastarde. Aber wir erwischen euch noch.“



Offenbar hielt es der Tunesier für eine Unverschämtheit, daß ein Schiff vor angreifenden Piraten geflohen war.



Er klatschte dem Franzosen die Hand ins Gesicht.



„Was habt ihr Bastarde geladen?“



Die Angst des Franzosen wurde größer, als die Kerle näher zusammenrückten und fast einen Kreis um ihn bildeten.



„Nicht viel“, stammelte der Mann, „Spezereien, Duftwässer, Keramik und Stoffe. Etliche Fässer Rotwein und Alkohol.“



„Das nennt er nicht viel“, sagte Hamrud lachend. „Das ist doch eine lohnende Beute, die wir uns nicht entgehen lassen sollten. Was meinst du, verehrter Vater?“



„Natürlich lassen wir uns das nicht entgehen. Frage den Hundesohn, welchen Hafen die Giaurs anlaufen. Und sage ihm auch, daß ich ihm persönlich die Ohren abschneide, wenn er lügt.“



„Wir sind auf dem Weg nach Venedig“, murmelte der Franzose.



Die Kerle grinsten bis zu den Ohren. Hamruds steinalter Vater zog einen spitzen Dolch aus seinem Gewand und hielt ihn dem Franzosen unter das Kinn. Er drückte ein wenig, bis ein Blutstropfen austrat. Dabei grinste er diabolisch.



„Womit bezahlt ihr die Ware, die ihr in Venedig einkauft? Ihr habt doch sicher Silber oder Gold an Bord?“



Der Franzose hatte den Kopf in den Nacken gelegt und blickte in den Himmel, denn die Messerspitze begann wieder zu drücken. Als er sprach, war seine Stimme wie ein Hauch und kaum zu hören.



„Mit dem Erlös der Waren, die wir bringen.“



„Wein und Keramik nach Venedig“, höhnte Hamrud. „Dabei wird wohl nicht viel herausspringen. Aber du Bastard hast die Frage noch nicht beantwortet. Habt ihr Gold und Silber an Bord?“



„Das weiß nur der Kapitän“, stammelte der Franzose.



„Was sollen wir mit ihm tun, verehrter Vater?“ fragte Hamrud. „Seine Leute haben ihn schmählich im Stich gelassen und sich nicht mehr um ihn gekümmert. Aber an Bord will ich ihn auch nicht haben, diesen Christenhund, der unsere Planken beschmutzt.“



„Ganz richtig“, sagte der Alte. „Erst hatte ich vor, ihn aufzuhängen, aber ein Giaur am Mast bringt nur Unglück.“



„Wollen wir ihn als Geisel verwenden, wenn wir die Karavelle wieder sichten?“



Der Alte winkte verächtlich ab.



„Die haben ihn längst aufgegeben. Sie würden sich auf einen solchen Handel nicht einlassen. Als Geisel ist er nichts wert. Ich denke, wir werfen ihn wieder über Bord.“



„Bitte nicht“, sagte der Franzose entsetzt. „Ich bin ein schlechter Schwimmer und kann mich nicht lange über Wasser halten. Wenn ihr wollt, dann arbeite ich für euch.“



Die Kerle grinsten noch mehr. Selbst der Alte verzog für Augenblicke das zerfurchte Gesicht zu einer schrecklichen Grimasse, die ein Lachen andeuten sollte.



„Werft ihn über Bord!“ befahl er mit herrischer Stimme.



Er steckte den Dolch wieder ein und gab dem Franzosen einen Tritt.



Zwei andere Kerle packten ihn, drehten ihm die Arme auf den Rücken und schleuderten ihn über das Schanzkleid.



Mit einem Aufschrei verschwand der Franzose aufklatschend im Wasser. Als er auftauchte, begann er wieder um Hilfe zu rufen und wild um sich zu schlagen. Seine Blicke waren flehentlich auf die Piraten gerichtet, aber die kümmerten sich nicht um ihn. Sie schlossen untereinander Wetten ab, wie lange er sich wohl über Wasser halten würde.



Mitleidlos und unbeteiligt sahen sie ein paar Minuten später, wie der Franzose zum erstenmal unterging. Er ruderte immer noch wild mit den Armen, war aber schon am Ende seiner Kräfte.



„Ich habe gewonnen“, sagte Babur, ein fetter glatzköpfiger Kerl mit einem Hängebauch. „Er schafft es nicht mehr.“



Der Franzose ging noch einmal unter, schluckte Wasser und geriet in Panik, als er zum zweiten Male auftauchte. Diesmal war sein Kopf noch halb unter Wasser. Seine Augen waren vor Angst weit aufgerissen.



„Helft mir doch“, gurgelte er noch einmal.



Danach ging er endgültig unter. Nur ein paar Luftblasen waren noch zu sehen, dann war er verschwunden.



Der alte Mustafa blickte hämisch auf jene Stelle, wo der Franzose den Tod gefunden hatte.



„Man sollte sie alle ersäufen, diese Christenhunde“, murmelte er.



Das war die ganze Reaktion auf den Tod eines Mannes.







2.





Die Insel Kefallinia lag schon so weit achteraus, daß sie nicht einmal mehr ein dunstiger Strich an der Kimm war.



Weit voraus an Steuerbord, tauchten erneut winzige Eilande auf. Es waren nur kleine Punkte in der See, einige bergig, andere so flach wie ein Pfannkuchen. Es schien sich um jene kleinen Inseln zu handeln, die der großen Insel Kerkira vorgelagert waren.



„Schon wieder Inseln“, murrte Old O’Flynn, als er die Hand vor die Augen hielt, um sie gegen das gleißende Wasser zu schützen. „Mir langt die andere Insel noch. Ich habe überhaupt von Inseln die Nase voll.“



„Auf jeder sitzen ja auch nicht Hexen oder Dämonen“, meinte Ferris Tucker. „Aber du wirst dich wohl damit abfinden müssen, daß es nun einmal Inseln gibt.“



Der Alte nickte widerwillig und entsann sich nur höchst ungern an sein letztes Erlebnis auf der Insel Kefallinia. Dort hatte er die Bekanntschaft mit der Hexe Morena geschlossen. Angeblich hatte er auf dieser Insel sein früheres Leben gelebt, und so war er ganz versessen darauf gewesen, es zu erforschen.



Er hatte eine üble Pleite erlebt, denn die Hexe Morena hatte ihn mit ihrem Blick „behext“ und wollte ihn ihrem „Satan“ opfern.



Dem beherzten Eingreifen der Arwenacks hatte Old O’Flynn es schließlich zu verdanken, daß der „Satan“ auf ihn verzichten mußte. Jetzt, nachdem die Hexe zu Tode gestürzt war, war das alles schon wieder Vergangenheit, aber Old O’Flynn dachte immer noch mit leisem Schaudern daran.



Er dachte auch daran, daß heute der Dreizehnte war, und bei dem Gedanken wurde ihm wieder mal ganz mulmig zumute, denn mit dem Dreizehnten war das immer so eine Sache.



„Was ist denn mit dir los?“ fragte Ferris. „Du bist der Hexe doch noch mit heiler Haut entwischt. Denkst du immer noch daran?“



„Ich denke daran, daß heute der Dreizehnte ist, und ein solcher Tag bringt erfahrungsgemäß immer Unglück. Für mich dürfte es wohl das beste sein, in die Koje zu verholen und den Tag ganz einfach zu verpennen. Morgen sieht dann alles anders aus.“



„Quatsch, Donegal“, sagte Ferris gemütlich. „Du redest dir so etwas nur ein, und je stärker du es dir einredest, desto größer wird die Möglichkeit, daß etwas passiert, weil du nämlich von dem Gedanken nicht mehr loskommst. Du wirst sehen, daß dieser Tag ganz normal verläuft. Wir segeln in Sichtweite von ein paar Inseln vorbei, dann geht es weiter in das Adriatische Meer. Es sieht nicht mal nach einem Sturm oder einem Wetterumschwung aus.“



„Ich werde das Gefühl trotzdem nicht los.“



Ferris Tucker irrte sich allerdings gewaltig, denn dieser Tag verlief ganz und gar nicht ruhig und normal.



Die See dünte leicht, der Himmel hatte jene schwache Bläue, die den Winter ahnen ließ. Genaugenommen war es auch Winter, jetzt im Dezember des Jahres 1597, aber trotzdem war es immer noch angenehm warm.



Nachdem das Frühstück beendet war, wusch Mac Pellew in der Kombüse das Geschirr, und weil sich in der Pütz Seifenlauge befand, ging er gleich daran, auch die Schapps einer Reinigung zu unterziehen.



Das nahm etwa eine halbe Stunde in Anspruch, dann glänzte in der kleinen Kombüse wieder alles.



Der Kutscher nickte anerkennend, als er vom Achterdeck zurückkehrte.



„Sehr gut, Mac, es blitzt und blinkt geradezu.“



So ein Lob ging Mac Pellew runter wie Öl, und er grinste auch ein bißchen. Ein Uneingeweihter hätte dieses Grinsen allerdings zum Anlaß nehmen können, um Mac sein Beileid auszusprechen, denn er verzog das Gesicht so, als würde gerade ein Sarg mit seinem besten Freund in die Grube gelassen.



Aber der Kutscher wußte schon, daß Mac sich von Herzen freute.



Mac drückte das Kreuz durch, schnappte sich die Pütz und stieg an Deck, um die Brühe außenbords zu befördern.



Dabei wiederholte sich die Prozedur, die die Arwenacks längst kannten, über die aber immer wieder gegrinst wurde. Obwohl Mac genau spürte, woher der Wind wehte, hielt er prüfend den angefeuchteten Daumen hoch und peilte Luv an.



Smoky grinste bis an beide Ohren.



„Habe meine Wette gewonnen, Gary“, sagte er. „Er hat den Daumen hochgehalten. Also her mit dem Goldstück.“



Gary Andrews rückte das Goldstück raus, das sofort in Smokys Hosentasche verschwand.



„Letztes Mal hat er den Daumen nicht hochgehalten“, sagte er.



„Vielleicht hat er es nur vergessen, oder er war schon ein paarmal an Deck. Jedenfalls hast du verloren.“



„Sehe ich auch ein.“



Nach der Windpeilung marschierte Mac nach Lee.



Als er die Pütz anhob, ritt die Dubas gerade eine leichte Dünung ab und holte ein wenig über. Entweder war Mac dösig, oder er hatte nicht damit gerechnet. Jedenfalls entglitt ihm die Pütz und polterte an Deck. Die Seifenlauge, glatt und tückisch, floß über die Planken.



Mac Pellew ähnelte in diesem Augenblick dem Schlagmann einer Galeere und fuchtelte mit den Händen herum, als trommele er.



Er glitt aus, fing sich wieder, rannte immer schneller auf der Stelle und bewegte sich wie ein rasender Dreschflegel.



Die anderen, die nichts von der Seifenlauge wußten, stierten ihn verblüfft an, denn Mac Pellew legte ein Tänzchen auf die Planken, das es in sich hatte.



„Na, so was“, sagte der Profos erstaunt, „so schnell ist er doch sonst nicht. Was soll das denn bedeuten, Frühsport, oder was? Oder ist der heimlich unter die Derwische gegangen?“



Macs Versuche, diesem tückischen Zeug zu entgehen, scheiterten kläglich. Sein Lauf auf der Stelle wurde noch schneller, obwohl er sich keine Handbreite weiter bewegte. Immer wieder griff er verzweifelt nach dem Schanzkleid, um sich festzuhalten, doch das Schanzkleid war für ihn unerreichbar und so weit weg wie der Mond.



Der Profos wollte sich gerade in Bewegung setzen, um Macs seltsame Tanzstunden aus der Nähe zu begutachten, aber da hatte der Ire Mac O’Higgins bereits gemerkt, daß da etwas nicht stimmte, denn das Gesicht von seinem Namensvetter drückte echte Angst und Verzweiflung aus.

 



Er lief auf Mac zu – und rannte weiter wie ein abgefeuerter Brandsatz. Völlig verdattert begab sich Higgy, wie er an Bord genannt wurde, auf eine teuflische Reise. Er schien auf einer glatten Eisfläche dahinzurasen und fand selbst keinen Halt. Ausgerechnet tauchte auch noch das Heck der Dubas tief in die See, wodurch Higgy zusätzlichen Schwung erhielt.



In der riesigen Seifenlache schlitterte er weiter, streckte abwehrend und entsetzt die Hände aus und landete, den Kopf voran, mit einem dumpfen Knall am achteren Schott. Das Schott war nur angelehnt, aber jetzt knallte es zu, als donnere es jemand mit einem riesigen Hammer zu.



Higgy landete fluchend und halb benommen schließlich auf den Planken.



„Das sind vielleicht zwei Salzmänner“, staunte der Profos, der der Szene kopfschüttelnd zusah. „Ja, sind denn den Kerlen immer noch keine Seebeine gewachsen, was, wie?“



Die Arwenacks konnte man in diesem Moment wirklich nur als Gaffer bezeichnen. Und sie gafften noch mehr, als sich der Profos jetzt doch in Bewegung setzte, denn er begriff nicht, daß man sich in einer Wasserlache so ausgesprochen dämlich anstellte.



Allerdings begriff er es dann doch ziemlich rasch, denn ihm widerfuhr das gleiche Schicksal.



Er hatte seine Riesenstiefel kaum in die Brühe gesetzt, als er urplötzlich das Gefühl hatte, Ballett zu tanzen. So leicht ging das also!



Der Profos zischte ab, mit einem Affenzahn. Er flitzte an dem herumhampelnden Mac vorbei und donnerte auf den zweiten Mac, der sich gerade mühsam erhoben hatte und immerhin schon auf den Knien war.



Die schwere Masse des Profos begrub Higgy, der nur noch einen ächzenden Laut zustande brachte. Dann donnerte er erneut an das Schott, daß es im ganzen Schiff dröhnte.



Da lagen die beiden nun, während sich die anderen die Augen aus den Köpfen stierten.



Drei Mann hatte die Seifenlauge nun geschafft, der vierte war Paddy Rogers, der sich das sowieso nicht erklären konnte. Auch er latschte in die Brühe und landete mit einem dumpfen Laut auf dem Hosenboden.



Old O’Flynn aber stand am Mast und sah dem seltsamen Schauspiel zu. Er hatte ja gleich so fürchterliche Ahnungen gehabt, daß heute etwas schieflaufen würde. Na und – da ging es ja auch schon los.



Als Paddy sich erschrocken auf die Hände aufstützte, beförderte ihn der nächste Roller zum Profos, der mit Higgy einen wilden Kampf ausfocht. Die beiden umarmten sich, glitten aus, kamen auf die Knie und landeten wieder auf den Planken.



Dabei fluchten beide ganz entsetzlich.



Angelockt von dem Lärm und dem Radau, steckte der Kutscher den Kopf aus dem Kombüsenschott. Er sah Mac wie einen Hampelmann herumzappeln und hörte ihn keifen. Dicht vor der Kombüse rutschte Paddy Rogers auf allen vieren herum, und etwas weiter achtern umarmten sich Edwin Carberry und Mac O’Higgins in scheinbar wilder Freude.



Dem Kutscher kam gar nicht in den Sinn, daß die Hampeleien mit der Seifenlauge zusammenhingen, obwohl er die nassen und schillernden Planken ganz deutlich sah.



Seine erste Reaktion war, zu helfen, wo er helfen konnte, und so ging er zunächst auf Mac Pellew zu.



Damit war der fünfte Mann vorerst „gefechtsunfähig“.



Der Kutscher raste zu seiner eigenen Verwunderung in Längsrichtung blitzschnell nach achtern. Er registrierte kaum, was mit ihm geschah. Erst als seine Schlitterfahrt zwischen Carberry und dem Iren endete, und alle drei erneut auf den Planken landeten, dämmerte ihm das Licht der Erkenntnis.



Es mußte mit dieser verdammten Seifenlauge zusammenhängen. Aber leider erfolgte diese Erkenntnis jetzt reichlich spät, denn ein weiterer Arwenack war schon unterwegs, um das mysteriöse Geheimnis zu lüften.



Es war der Decksälteste Smoky, der sich grinsend näherte.



„Habt ihr das untereinander abgesprochen?“ wollte er wissen. „Oder was soll der Quatsch? Ihr tut so, als …“



Ein erschrockener Ausruf folgte. Smoky übte sich im Spagat, obwohl er nicht die geringste Ahnung davon hatte.



Auf den Planken suchte er schließlich mit den Händen nach Halt, aber dabei glitt er ab und landete wieder. Wie ein strampelnder Riesenkäfer blieb er auf dem Rücken liegen.



„Die Morena hat das Schiff verhext“, behauptete Old O’Flynn. „Das weiß ich genau. Ihr Fluch ist auch nach ihrem Tode immer noch wirksam. Außerdem ist heute der Dreizehnte.“



Niem

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