Taranis Pfeil

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Taranis Pfeil
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Frans Diether

Taranis Pfeil

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Götteropfer

Heimkehr eines Propheten

Menschenopfer

Der Hohepriester

Taranis Tochter

Impressum neobooks

Götteropfer

Rhythmisches Klatschen erfüllte die Nacht. Der Herbstwind rauschte über die Hochebene. Wolken jagten am Himmel, ballten sich zusammen und rissen wieder auseinander, verdunkelten den vollen Mond und ließen ihn wieder auf den Kreis zuckender menschlicher Leiber scheinen, fast nackter menschlicher Leiber, bekleidet lediglich mit schwarzen Schurzen im Lendenbereich, bemalt mit magischen Zeichen, teils abstrakt in Form geometrischer Figuren, teils bildlich darstellend in Form von Äxten, Schwertern, Pfeilen, Flammen, Pferden, Wölfen. Inmitten des Kreises stand eine schwarz verhüllte Gestalt, das Gesicht hinter einer schwarzen Maske verborgen, allein wissend, was geschehen würde. Beide Arme nach oben gestreckt, gab sie den Takt des Klatschens vor. Plötzlich, genau in dem Moment, in dem ein greller Blitz aus dem Dunkel über ihr zuckte und weit entfernt die Erde zu berühren schien, hielt die schwarze Gestalt inne, wissend, was geschehen würde, drehte die Handflächen ihrer weiterhin nach oben gestreckten Arme in Richtung der vor ihr stehenden Leiber und begann mit donnernder, den Wind übertönender Stimme einen gleichförmigen Singsang, in den der sie umgebende Kreis menschlicher Leiber einfiel. Der Text bestand nur aus wenigen Worten, die Melodie nur aus einer kurzen, sich ständig wiederholenden Sequenz. Dumpf und kraftvoll hallte es über die Ebene.

"Taranis erhöre uns. Taranis nimm das Opfer an. Taranis, du unser Herr, führst uns zum Sieg."

Während die schwarze Gestalt im Zentrum regungslos verharrte, begann sich der Kreis aus fast nackten menschlichen Leibern zu drehen, um die schwarze Gestalt herumzuwandern, dabei wie diese die Arme schräg nach oben gestreckt, dabei wie diese den immer gleichen Singsang ausstoßend. Die Leiber waren wie ein Leib. Ihre Bewegungen verliefen absolut synchron, einer oft geübten Choreografie folgend, ein Ballett von Geistern. Doch es waren menschliche Leiber, die ihren Gott anriefen, in dieser Herbstnacht, unter den vom Wind gepeitschten Wolken, die im Angesicht des heranziehenden Gewitters einen magischen Tanz vollführten, zu Ehren des Gottes ihrer Väter und Vorväter, des mächtigen, des grausamen, nur durch absolute Hingabe, nur durch das größte Opfer, das Blutopfer, zu besänftigenden, des letztlich siegreichen und seine Anhänger mit dem absoluten Glück, mit der absoluten Macht belohnenden Gottes. Es waren Mitglieder höchster gesellschaftlicher Kreise, die sich auf dieser abgelegenen Hochfläche, fern aller Zivilisation, fern aller Beobachter, fern der ganzen verdorbenen, zum Untergang verurteilten Welt, versammelten, die Botschaft des Einen zu hören. Und so, als hätten sie dies schon tausendmal geübt, standen die Leiber wie ein Leib still, als die schwarze Gestalt, allein wissend, was geschehen würde, im Zentrum des Kreises ihre Arme sinken ließ. Auf einen Schlag verstummte der Gesang, war nichts außer dem Heulen des Windes zu hören. Die schwarze Gestalt warf ihren Umhang ab, stand nur noch in Maske und Schurz, in schwarzer Maske und im weißen, in den durch ein Wolkenloch fallenden Strahlen des vollen Mondes glitzernden, von einem breiten, ebenfalls weißen, ebenfalls mit glitzernden Steinen besetzten Gürtel gehaltenen Schurz. Mit der rechten Hand griff die Gestalt, deren in der Nacht fast schwarz erscheinende Haut über und über mit magischen Zeichen, teils abstrakt in Form geometrischer Figuren, teils bildlich darstellend in Form von Äxten, Schwertern, Pfeilen, Flammen, Pferden, Wölfen, bemalt war, an den weißen glitzernden Gürtel, zog aus einer weißen glitzernden Scheide ein kurzes, im Mondlicht glitzerndes Schwert, hob den rechten Arm und streckte das Schwert in die Höhe, wissend, was geschehen würde, während sich eine dunkle Wolkenfront vor den Mond schob, der weiße Schurz, der weiße Gürtel, die weiße Scheide, das kurze Schwert aufhörten zu glitzern. In diesem Moment, wie aus dem Nichts, wie die Erscheinung des Gottes selbst, schossen Flammen empor, umschlossen, einen roten Ring bildend, die in weißem Schurz und mit gen Himmel gerecktem Schwert stehende, über und über mit magischen Symbolen bemalte Gestalt, verbargen sie vor den Augen der Masse fast nackter, regungslos mit erhobenen Armen im Kreis stehender Leiber.

"Taranis nimm dieses Opfer an. Taranis erhöre uns. Nimm dieses Opfer an." Wie aus einer Kehle, wie aus dem Nichts, wie auf ein geheimes Zeichen, das Pfeifen des Windes, das Zischen des Feuers übertönend, sangen die im Kreis stehenden halbnackten Leiber. Noch einmal zuckte ein Blitz, diesmal den Ring aus Feuer treffend, der die Gestalt im weißen Schurz umschloss. Das Feuer erlosch. Die Gestalt lag regungslos am Boden. Ihr schwarzer Umhang bedeckte ihren bemalten Körper.

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