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Das Seegespenst

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Mit zwei Sätzen war ich dort.

"Da – da war sie wieder! Eveline! Und sie winkte mir – winkte mir!"

Ganz außer sich war er. Wieder wollte er sie ganz deutlich gesehen haben, hinten im Kielwasser, zwar nicht mit dem Kopfe herauskommend, aber doch ganz, ganz deutlich sichtbar, mit dem grünen Kleid, mit dem grünen, nachschwebenden Haare, immer ihm zuwinkend. Lange, lange wollte er sie so gesehen haben. Ein Zeitmaß fehlte freilich. Und diesmal im hellsten Sonnenscheine! Er ließ sich nicht davon abbringen.

"Vision soll es wieder gewesen sein? Bin ich denn ein wahnsinniger Narr?! Laßt euch doch nicht auslachen, Steuermann!"

Er ließ mich stehen.

Jetzt wurd mir die Sache doch bedenklich. Paul sah doch gerade jetzt so gesund aus, hatte auch sonst nicht die geringste Spur von Nervosität gezeigt. Was sollte man davon denken?

Er blieb den ganzen Tag unsichtbar, kam erst des Nachts wieder auf die Brücke.

"Ihr denkt natürlich immer, es wäre wieder nur eine Vision gewesen," begann er.

"Was soll denn -"

"Schon gut. Eine Erklärung kann ich nicht geben, aber gesehen habe ich sie doch."

Schon bei Sonnenaufgang stellte er sich am anderen Morgen wieder ein, als ich abermals Wache hatte. Jetzt sah er wieder recht schlecht aus, sehr hohläugig, mochte nicht geschlafen haben, sagte aber das Gegenteil.

"Heute Nacht," begann er von selbst, "ist sie mir im Traume erschienen. Nun käme sie nur noch einmal, erklärte sie, dann aber würde sie mich auch holen, ob ich nun wolle oder nicht. Glaubst du an solchen Unsinn, Robert?" Er lachte grimmig.

Dieses Lachen gefiel mir gar nicht, so wenig wie sein Aussehen, wie sein ganzes Benehmen.

Da brach etwas an der Maschine. Die Reparatur mußte einige Stunden in Anspruch nehmen.

"Da – da – da!" schrieen plötzlich einige Matrosen, über die Steuerbordreeling deutend. "Ein Seegespenst, eine Wassernixe!"

Ich sprang an die Bordwand.

Was soll ich sagen?

Da schwebt dort unten im Wasser ein Weib, von einem grünen Gewand umgaukelt, um den Kopf grüne Haare, sie blickt zu uns empor, den rechten Arm erhebend. Der Kopf ist vielleicht noch einen halben Meter unter dem Wasserspiegel, die ganze Gestalt aber bis zu den Füßen vollkommen sichtbar.

Wir waren an die zwanzig Mann, die den Spuk sahen.

Sie schien wieder zu verschwinden, immer winkend.

"Himmel und Hölle, jetzt mach' ich dem Teufelsspuk ein Ende – so oder so!" knirschte es da neben mir. Es war der Kapitän, und da sauste er auch schon im weiten Hechtsprunge über die Brüstung weg, direkt auf die Gestalt zu.

Und er hatte sie! Ich sah ganz deutlich, wie er die Arme um sie schlang und sie auch die ihren um ihn. Oder doch den einen. Dann aber waren die beiden auch gleich in die Tiefe gegangen, waren sofort verschwunden. Der Kapitän kam nicht wieder.

Lange dauerte unser entsetztes Starren freilich nicht.

Ein Boot wurde ausgesetzt, mit Stangen und mit Haken an langen Seilen gefischt.

Und wir brachten sie wirklich herauf – sie, das Meerweib.

Und was war es?

Eine hölzerne Gallionsfigur, wie eine solche noch heute fast jedes Segelschiff vorn am Bugsprit führt, meist den Schiffsnamen symbolisierend. Das hier war ein Weib von menschlicher Größe, oder noch etwas größer, hatte den rechten Arm ausgestreckt, der aber am Ellbogen gebrochen war, der Unterarm mit der Hand hing nur noch durch einen Holzspan mit dem Ganzen zusammen. Daher bei der leisesten Wasserbewegung die winkende Bewegung des Armes. Und mit unserem Schiffe war die Figur mit einem langen Strick verbunden, der sich wahrscheinlich am Kupferbeschlag des Kiels festgeklemmt hatte. Das Holz hatte sich vollgesaugt, schwebte eben noch im Wasser. Das grüne Gewand war Seetang, der sich auch in den Rillen der hölzernen Locken festgesetzt hatte.

Die abgebrochene Gallionsfigur hatte sich uns offenbar irgendwo angeheftet, vielleicht erst auf der Reede von Collare. Jedenfalls hatte der Kapitän schon dort beim Tauchen sie erblickt. Gestern hatte er die nachgeschleifte Figur hinten im Kielwasser gesehe, und heute tauchte sie vor unser aller Blicken auf.

Ja, nun war alles erklärt.

Und der Kapitän?

Der war weg. Er tauchte nicht von selber wieder auf, wir fischten ihn auch nicht auf.