Liebe im Exzess

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Liebe im Exzess
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Eliza Haywood, Horst Tran

Liebe im Exzess

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Inhaltsverzeichnis

Titel

ERSTER TEIL - Die Abenteuer des Count D´Elmont

Die Geschichte des Chevalier Brillian

ZWEITER TEIL - D´Elmonts große Liebe

Der intrigante Baron

Der Ball

DRITTER TEIL - D´Elmont in Rom

Ein neuer Gefährte

Die Geschichte des Monsieur Frankville

Ciamara

Liebe und Tod

Impressum neobooks

ERSTER TEIL - Die Abenteuer des Count D´Elmont

Während des jüngsten Krieges zwischen den französischen und den Vereinigten Armeen standen zwei Brüder, die einen besonderen Ruf erworben hatten, unter dem Kommando des großen und furchtlosen Luxembourgh. Da sie durch den Friedensabschluss keine Gelegenheit mehr hatten, ihre Tapferkeit unter Beweis zu stellen, kehrte der ältere von ihnen, mit Namen Count D´Elmont, nach Paris zurück, von wo er zwei Jahre lang abwesend gewesen war, während sein Bruder in St. Omer verblieb, bis seine leichten Verletzungen ausgeheilt waren.

Die Nachricht über die tapferen Taten des Count eilte ihm voraus, und er hatte die Genugtuung, vom König und vom Hof in einer Weise empfangen zu werden, die auch den Ehrgeiz der Stolzesten befriedigt. Seine schöne Erscheinung, seine heitere Ausstrahlung und der unvergleichliche Charme seiner Konversation erwarben ihm die Bewunderung beider Geschlechter. Während die von seinem eigenen Geschlecht bemüht waren, möglichst viel von seiner Freundschaft zu ergattern, ergingen sich die vom anderen Geschlecht in fruchtlosen Wünschen und verfluchten im Geheimen die Sitte, die Frauen verbietet, ihre Absichten offen zu erklären. Zu diesen Frauen gehörte Alovisa, die väterlicherseits von der edlen Familie der D´La Tours, ehemals Lord von Beujey, und mütterlicherseits von dem gleichermaßen illustren Haus von Montmorency abstammte. Der kürzliche Tod ihrer Eltern hatte ihr, zusammen mit ihrer Schwester, die Erbschaft eines riesigen Vermögens beschert.

Alovisa, deren Leidenschaft noch größer war als ihr Stolz und die hohe Meinung, die sie von sich selbst hatte, konnte das nicht ertragen; sie seufzte, sie schnaubte und sie tobte, als sie bemerkte, dass der bezaubernde D´Elmont ihr gegenüber keine Anzeichen einer besonderen Zuneigung zeigte.

„Tausend Verehrer“, sagte sie, „habe ich mir zu Füßen liegen sehen, ohne mir Mühe zu geben, und nun soll ich dem einzigen Mann, den ich jemals entflammen wollte, gleichgültig sein? Wozu haben meine Bewunderer sich mit meinem trügerischen Spiegel vereint, um mich in den eitlen Glauben zu wiegen, dass meine Reize unwiderstehlich sind? D´Elmont sieht sie nicht! D´Elmont ist für sie unempfänglich.“

Dann bekam sie Wutausbrüche und verfluchte einmal die eigene Ohnmacht und ein andermal die Kälte von D´Elmont. Viele Tage verbrachte sie in diesem aufgewühlten Zustand, und jedes Mal, wenn sie ihn sah, was häufig vorkam, entweder am Hof, in der Kirche oder bei gesellschaftlichen Anlässen, fand sie neue Nahrung für ihre düsteren Gedanken: Wenn er gelegentlich mit ihr sprach, geschah es mit dieser Sanftheit in seinem Blick und dieser teilnahmsvollen Zärtlichkeit in seiner Stimme, die sie beinahe glauben machten, dass Gott sein Herz gerührt hatte, welches das ihre so machtvoll in Bann hielt; wenn aber das Aufschimmern solcher Hoffnung ihr unvorstellbare Freude bereitete, wie groß war dann die anschließende Qual, wenn sie erkannte, dass diese Blicke und diese Stimme nur die Wirkung seiner angeborenen Freundlichkeit waren, und dass er jeden Mann und jede Frau mit der gleichen Art seines Verhaltens bedachte, woraus man ersieht, dass er noch nicht soweit war, die Schmerzen wahrnehmen zu können, die er anderen Menschen zufügte. Und falls die leidenden Schönen einen Trost fanden, dann im Gedanken, dass es keine triumphierende Rivalin gab, die sich mit einem Sieg hätte brüsten können, denn alle waren gleichermaßen verzweifelt und sieglos.

Die ungeduldige Alovisa aber, die es verabscheute, mit denen auf einer Stufe zu stehen, die sie in ihrer Eitelkeit als unendlich unterlegen ansah, steigerte sich fast bis zum Wahnsinn in die beiden Extreme von Liebe und Empörung hinein; tausend Phantasien gingen ihr durch den Kopf und drängten sie zuweilen, ihm ihre Gefühle zu offenbaren, die sie für ihn hegte. Sie nahm diese Entschlüsse aber fast genauso schnell zurück, wie sie gefasst wurden, und konnte sich auf keinen für längere Zeit festlegen; bis endlich die Liebe, reich an erfinderischer Kraft, sie zu einer Idee inspirierte, die ihr wahrscheinlich Zugang zu den Geheimnissen seines Herzens ermöglichen würde, und das ohne die Schande, ihre eigenen Geheimnisse zu enthüllen.

Als die Feier des Geburtstags der Herzogin von Burgund bevorstand, die mit großer Pracht begangen werden würde, schrieb Alovisa am Abend davor dieses Billett an ihn:

´An den Count D´Elmont.

Unwiderstehlich wie Ihr im Krieg seid, seid Ihr noch viel mehr in der Liebe: Hier erobert Ihr, ohne anzugreifen, und wir ergeben uns, bevor Ihr uns dazu auffordert. Das Wappenrecht verpflichtet Euch, einem sich ergebenden Feind Gnade zu erweisen, und gewiss kann der Hof nicht weniger Großmut bei Euch erwecken als das Schlachtfeld. Der kleine Gott legt seine Pfeile Euch zu Füßen, gesteht Eure überlegene Macht ein und bittet um eine freundliche Behandlung; er wird Euch morgen Abend auf dem Fest begegnen, in den Augen seiner leidenschaftlichsten Priesterin; sucht Ihn darum in derjenigen, in welcher, inmitten dieser fröhlichen Gesellschaft, Ihr Ihn am liebsten finden würdet. Ich bin zuversichtlich, dass Euer Erkenntnisvermögen zu groß ist, um ihn zu verfehlen, falls Ihr nicht durch eine frühere Liebe befangen seid, und in dieser Hoffnung werde ich so geduldig, wie meine Erwartung es mir erlaubt, die öden Stunden bis dahin verbringen.

Lebt wohl.´

Dies gab sie einem vertrauenswürdigen Diener, der sich so verkleidete, dass er unmöglich zu erkennen war, und wies ihn streng an, die Nachricht dem Count persönlich auszuhändigen und sofort zurückzukehren, noch bevor dieser sie las. Der Bursche führte seinen Auftrag wie befohlen aus, und als der Count, nicht wenig überrascht beim Lesen der Nachricht, nach dem Boten fragte und befahl, dass er bleiben solle, sagte ihm sein Diener, der Bote sei im höchsten Tempo die Treppe hinabgerannt, gleich nachdem seine Lordschaft die Nachricht erhielt. D´Elmont, der an sich selbst die Macht der Liebe nie erfahren hatte, verstand nicht sofort, was ihm da geschah; zunächst glaubte er, einer seiner Freunde stecke hinter dem Brief, entweder um seine Vorlieben zu erkunden oder um ihm seine geringe Bereitschaft zur Galanterie unter die Nase zu reiben. Bald aber gingen seine Überlegungen in eine andere Richtung, und obwohl er nicht sonderlich eitel war, fiel es ihm nicht schwer, sich zu der Meinung durchzuringen, dass eine Dame ihn durchaus vor anderen Männern auszeichnen konnte. Er fand diesen Gedanken auch nicht so unangenehm, dass er versucht hätte, ihn abzuwehren; je mehr er über seine eigenen Vorzüge nachdachte, desto plausibler erschien ihm diese Annahme. Doch wer den Brief verfasst haben könnte, war ihm so rätselhaft wie zuvor. Also begann er, die Gespräche und kleinen Scherze Revue passieren zu lassen, die sich zwischen ihm und den Damen seit seiner Ankunft ergeben hatten, konnte aber nichts entdecken, was ihm einen Hinweis auf jene Person gäbe. Einen großen Teil des Abends verbrachte er mit Gedanken, die sich sehr von denen unterschieden, die ihn für gewöhnlich beschäftigten. Die Freude, die aus dem Wissen um die eigene Macht erwächst, Menschen Glück zu schenken, inspirierte ihn zu Ideen, die ihm bisher fremd waren; er begann eine Geliebte als einen angenehmen und erlesenen Zeitvertreib in Erwägung zu ziehen und beschloss, sich nicht herzlos zu geben.

In der Zwischenzeit erging sich die arme Alovisa in den schlimmsten Befürchtungen; jede Stunde, die sie zählte, erschien ihr wie eine Ewigkeit, und beim ersten Dämmern des Tages erhob sie sich und rief nach ihren Dienerinnen, die überrascht waren, sie so verstört vorzufinden. Sie wies sie an, ihre Edelsteine möglichst wirkungsvoll auf ihren Kleidern anzubringen, während sie ihren Spiegel in der Frage zu Rate zog, wie sie sich kleiden solle, ob mit einer heiteren, einer schmachtenden, einer besonnenen, einer gebieterischen oder einer demütigen Note, und probierte und verwarf alles tausend Mal. Und kaum hatte sie sich für etwas entschieden, als ihr ein Page die Nachricht brachte, dass einige Damen, die zum Hof unterwegs waren, ihre Begleitung wünschten, und da sie zu ungeduldig war, um nicht zu den Ersten gehören zu wollen, schloss sie sich ihnen gleich an, gerüstet mit ihrer glitzernden Pracht, doch voller unruhiger Gedanken. Nicht lange nach ihrer Ankunft füllte sich der Salon mit Gästen; weil D´Elmont aber nicht unter ihnen war, heftete sie ihre Augen an den Eingang, wo sie ihn in jedem Moment zu erblicken erwartete.

 

Unmöglich ist aber ihre Verwirrung zu beschreiben, als er bei seinem Erscheinen die junge Amena hereinführte, die Tochter von Monsieur Sanseverin, eines Gentleman, der trotz eines sehr kleinen Vermögens und zahlreicher Kinder einer Schwärmerei verfallen war, wie sie unter Eltern allzu üblich ist, indem er unter Vernachlässigung aller anderen Kinder diesem Liebling seines Herzens ihren prächtigen Lebenswandel finanzierte. Für Alovisas Hoffnungen bedeutete die Schönheit und Anmut dieser Dame den Tod; sie erblickte, oder bildete sich das nur ein, eine ungewöhnliche Freude in ihren Augen und unsterbliche Liebe in denen von D´Elmont. Sofort ballten sich Verachtung, Verzweiflung und Eifersucht in ihrem Herzen und brachten es fast zum Bersten. Kein Wunder, dass die Wucht so furchtbarer Gefühle sie davon abhielt, die Gespräche der Umstehenden oder den höflichen Gruß von D´Elmont zu beachten, als er bei ihr vorbeikam, und schließlich fiel sie in Ohnmacht. Die Damen eilten ihr zu Hilfe, und ihre bezaubernde Rivalin, die zu ihren engeren Bekannten gehörte, war außerordentlich bemüht, sie wieder zu Sinnen zu bringen. Sie trugen Alovisa so schnell wie möglich in einen anderen Raum und lockerten ihr Kleid, doch es dauerte eine ganze Weile, bis sie aus der Ohnmacht erwachte. Danach wurde sie von der Scham darüber, in einer solchen Gesellschaft derart die Kontrolle verloren zu haben, und ihrer Angst, die Frauen könnten die Ursache dafür durchschaut haben, zusammen mit ihren vorherigen Qualen dermaßen gepeinigt, dass niemand noch Zweifel hatte, dass sie an den Vergnügungen dieses Festes nicht mehr teilhaben konnte. So wurde sie in ihre Kutsche gesetzt, um nach Hause gefahren zu werden.

Amena, die kaum ahnte, wie unerwünscht sie geworden war, begleitete sie dorthin, ohne die Bitten von D´Elmont zu beachten, der sie zu seiner Tanzpartnerin erkoren hatte; nicht dass er ihr in Liebe verfallen war oder zu dieser Zeit glaubte, er könnte von einer Leidenschaft gerührt sein, die er als solche für unbedeutend und eines vernünftigen Mannes unwürdig hielt. Doch das Schicksal, das von dieser Lady, die nicht minder verliebt war als Alovisa, aus dem gleichen Grund schon tausend Mal angerufen worden, schien ihr die Ehre zugewiesen zu haben, seine erste Wahl zu sein; sie war gerade aus ihrer Kutsche gestiegen, als er aus der seinen stieg und ihr seine Hand reichte; ihre Hand zitterte dabei, weshalb er sie aufmerksamer betrachtete als bei ihm üblich. Sofort glaubte er eine Spur jener Sehnsucht in ihren Augen zu erkennen, die der gefühlvolle Brief beschrieben hatte.

Amena war zu lieblich, um diesen Glauben als trügerisch erscheinen zu lassen, und so beschloss er, sich auf ein Liebesabenteuer einzulassen, ohne die Folgen zu bedenken. Da der Abend äußerst angenehm war, bat er sie um den Gefallen, mit ihm ein oder zwei Runden im Palastgarten zu spazieren. Da sie nichts sehnlicher begehrte als ein solches Gespräch, erfüllte sie ihm den Wunsch. So redete er mit ihr eine Zeitlang auf eine Weise, die sie nicht daran zweifeln ließ, dass er es sehr genoss; es war der Ausdruck, den diese Unterhaltung auf ihren Gesichtern hinterließ, der jene traurige Wirkung auf die eifersüchtige Alovisa hatte.

Kaum war sie in ihre Wohnung gebracht worden, wollte sie zu Bett gelegt werden. Die gutmütige Amena, die ihr wirklich sehr freundlich zugetan war, bot ihr an, selbst auf die Vergnügungen des Balls zu verzichten und die ganze Nacht über bei ihr zu bleiben. Die unglückliche Alovisa aber war nicht in der Verfassung, irgendjemandes Anwesenheit zu ertragen, und schon gar nicht ihre, also bat sie Amena so höflich, wie ihre Ängste es zuließen, zu gehen, denn lieber litt sie darunter, dass Amena zum Ball zurückkehrte, als dass sie ein dermaßen verhasstes Objekt, wie diese es nun geworden war, bei sich ließ. Wahrscheinlich war Amena ohnehin nicht übermäßig bekümmert über die Abweisung. Wie sich die erbarmungswürdige Alovisa, allein gelassen und dem Wirbelsturm ihrer Leidenschaft ausgeliefert, aber aufführte, können nur die erahnen, die wie sie in den Flammen der Verzweiflung geschmort haben, und auch die lebhafteste Beschreibung ihrer Gefühle würde diesen nicht gerecht werden; sie tobte und malträtierte ihr Haar und ihr Gesicht und stand auf dem Gipfel ihres Schmerzes kurz davor, Hand an ihr eigenes Leben zu legen. In diesem Aufruhr ihrer Seele verblieb sie für eine Weile, bis die Wut endlich in Tränen sich löste und ruhigeren Betrachtungen wich. Dass ihr natürlicher Hochmut sein Reich in ihrer Seele zurückeroberte, erwies ihr in dieser Lage einen guten Dienst.

„Warum rege ich mich so auf? Wie engstirnig ich doch bin!“, sagte sie sich. „D´Elmont weiß gar nicht um die Gefühle, die ich für ihn hege. Vielleicht liegt es nur an der fehlenden Ermutigung, dass mein Geliebter so lange von mir fern bleibt; mein Brief gibt keinen Hinweis auf ein Merkmal, an dem er mich von anderen unterscheiden könnte, und wer weiß, welche Künste dieses Biest anwendet, um ihn zu verführen. Ich will deshalb“, fuhr sie in besserer Stimmung fort, „seine wirre Suche lenken.“

Als ihr das durch den Kopf ging, kamen ihre Dienerinnen aus dem Nebenzimmer herein (zum Glück, weil sonst ihre gute Stimmung vielleicht wieder verflogen wäre) und erkundigten sich, ob sie irgendetwas brauche.

„Ja“, antwortete sie, und ihre Stimme und ihr Blick waren völlig verwandelt. „Ich stehe jetzt auf. Eine von euch wird mir in meine Kleider helfen, und die andere soll mir Charlo schicken, mit dem ich sofort etwas bereden muss.“

Vergeblich brachten die Dienerinnen den Gemeinplatz vor, es könnte ihrer Gesundheit schaden, ihr Bett zu einer so unpassenden Stunde zu verlassen, da es schon Mitternacht war. Sie wussten, sie war viel zu herrisch, als dass man ihr nicht gehorchen sollte, und führten ihre Befehle aus, ohne deren Vernünftigkeit in Frage zu stellen. Sie war gerade fertig, als Charlo hereingeführt wurde, der D´Elmont den Brief überbracht hatte; er ahnte bereits, um was es ging, und schloss die Tür hinter sich.

„Du solltest aufmerksam zuhören“, sagte seine Herrin, „denn was ich dir nun anvertraue, ist noch wichtiger als mein Leben.“

Der Bursche verbeugte sich mit tausend Beteuerungen seiner ergebenen Treue.

„Ich zweifle nicht daran“, sprach sie weiter. „Geh also sofort zum Hof; wenn du dich beeilst, gelangst du vielleicht noch in den Salon. Wenn nicht, bleibe unter einem Vorwand möglichst in der Nähe, bis der Ball vorbei ist. Lausche jedem Gespräch, in dem Count D´Elmont erwähnt wird; erkundige dich, mit wem er tanzt; und, vor allem, achte darauf, in wessen Gesellschaft er herauskommt, und erstatte mir einen genauen Bericht. Nun geh“, fügte sie eilig hinzu, „das sind alle Anweisungen, die ich für dich in dieser Nacht habe, aber morgen gebe ich dir einen weiteren Auftrag.“

Dann setzte sie sich an ihren Schreibtisch und begann mit einem zweiten Brief, dem, wie sie hoffte, mehr Glück beschieden wäre als dem ersten. Sie schrieb daran nicht lange, Liebe und Verstand beflügelten sie in einem Augenblick zu den leidenschaftlichsten und entzückendsten Worten; doch als sie diese Entdeckungsreise in ihr Herz beendet hatte und ihren Namen darunter setzen wollte, da waren weder die Leidenschaft, die sie zu dem Entschluss getrieben hatte, an nichts zu zweifeln, das der Erfüllung ihrer Wünsche diente, noch ihre Eitelkeit, die sie ihres Erfolges sicher wähnen ließ, mächtig genug, um dem Schock zu widerstehen, den sie ihrem Stolz versetzten.

„Nein, dann soll ich lieber sterben“, rief sie aufspringend und erschrocken über ihren eigenen Plan, „als einer Niedertracht schuldig werden, die mich des Lebens unwürdig macht, ach Gott! Liebe anzubieten, nur um Mitleid zu heischen! Das ist unerträglich! Was hat mich verhext, einen Gedanken zu hegen, der selbst die Verruchteste unter meinem Geschlecht erröten ließe? Zu Fetzen mit diesem schamlosen Zeugen meines Irrsinns..."

Sie zerriss das Papier.

"... meine zornigen Begierden mögen meinen Frieden, doch niemals meine Ehre zerstören, die noch mit meinem Namen verbunden ist, wenn die Liebe und das Leben längst geflohen sind.“

Sie fuhr in dieser Stimmung fort, ohne sich beruhigen zu können, bis der Tag anbrach und Charlo mit einer Nachricht zurückkehrte, die ihren schlimmsten Vermutungen bestätigte. Er berichtete, er hätte mehrmals zum Salon Zutritt erhalten unter dem Vorwand, Botschaften für einige der Damen zu überbringen, und dass alle Gespräche darüber gingen, wie empfänglich D´Elmont für Schönheit nun doch geworden sei, und dass er diesen Gentleman in einer sehr persönlichen Unterhaltung mit Amena beobachtet und dass dieser ihr mit seiner Kutsche zuhause seine Aufwartung gemacht habe.

„Ich ahnte es doch“, sagte Alovisa, die aufgeregt umherlief, „und zu meinem übrigen Elend kommt hinzu, dass ich meiner Rivalin zu ihrem Glück verholfen habe. Was auch immer sein Verlangen war, er hat es sorgfältig verborgen, bis mein verfluchter Brief es ans Licht brachte. Stur war ich und hatte viel zu viel Vertrauen in diesen kleinen Schönling!“

Hier hielt sie ein, wischte sich ein paar Tränen ab, die ihr über die Wangen liefen, und gestattete Charlo zu fragen, ob sie weitere Befehle für ihn hätte.

„Ja“, sagte sie. „Ich werde diesem unverständigen Mann nochmals einen Brief schreiben und lasse ihn wissen, dass es nicht Amena ist, die seine Liebe verdient. Damit schmälere ich meine Ehre nicht, und es wird mich zumindest erleichtern, wenn ich ihn über die falsche Vorstellung aufkläre, die er von ihrem Verstand hat, denn ich bin mir fast sicher, dass er sie für die Autorin jener Zeilen hält, die sich für mich als so verheerend erwiesen haben.“

Während sie so sprach, ergriff sie ohne weitere Überlegung erneut ihre Feder und schrieb diese Worte:

´An den Count D´‘Elmont.

Wenn Ehrgeiz ein Makel ist, dann nur bei jenen, die nicht ausreichend Verdienst haben, um ihn zu rechtfertigen. Ein Übermaß an Bescheidenheit macht Euch noch größer, und Euer Charakter und Eure Eigenschaften sind zu bewunderungswürdig, als dass Ihr nötig hättet, Euch zu rechtfertigen oder mit Erfolgen zu schmücken. Der Himmel hat Euch, der Ihr von ihm in so besonderer Weise vom Rest der Menschheit ausgezeichnet wurdet, nicht dazu bestimmt, nach vulgären Eroberungen zu streben, und so könnt Ihr nicht, ohne augenscheinlich seinem Willen zu widersprechen und Euch selbst in nicht wiedergutzumachender Weise zu beschämen, Euer Herz an Amena verschenken, wenn eine andere, die mindestens genauso schön und ihr in jeder weiteren Hinsicht hoch überlegen ist, alles opfern würde, um in den Besitz der glorreichen Trophäe zu gelangen. Haltet ein in Eurem blinden Tun und strebt nach Höherem, so werdet Ihr ohne Schwierigkeit entdecken, wer sie ist, die nach Euch schmachtet und beinahe sterben würde für eine Gelegenheit, Euch folgendes zu bekennen, ohne allzu sehr gegen das Gebot der Bescheidenheit zu verstoßen: ihre Seele mit all ihren Fähigkeiten ist ohne Wenn und Aber

Auf ewig die Eure.´

Das gab sie dann Charlo, damit er es mit der gleichen Sorgfalt überbringe wie die erste Nachricht. Doch er war kaum aus dem Haus, als sie von einer neuen Angst befallen und von Reue über ihren Mangel an Umsicht erfasst wurde.

„Was habe ich getan?“, schrie sie. „Wer weiß denn, ob D´Elmont diese Briefe nicht Amena zeigt, der meine Handschrift ganz vertraut ist; dann wird keine Frau auf der Welt so bloßgestellt und so elend dran sein wie ich.“

So steigerte sie sich in Vorstellungen hinein, um sich selbst zu quälen; tatsächlich war diese Vermutung alles andere als unwahrscheinlich. Es gibt zu viele Menschen von geringem Format, die mit einem solchen Abenteuer prahlen würden.

D´Elmont aber, obwohl ihm die Befriedigung seiner Neugier einen Gutteil seines Vermögens wert wäre, zöge es eher vor, für immer über eine Angelegenheit im Dunkel zu bleiben, als zu Mitteln zu greifen, die den Ruf einer Lady gefährden könnten. Er erkannte nun seinen Irrtum und dass es nicht Amena war, die sich auf diese Weise um ihn bemüht hatte. Wahrscheinlich war es ihm nicht unangenehm, dass sie eine Rivalin von solcher Bedeutung hatte, wie der Brief es nahelegte; allerdings hatte er Amena schon zu viele schöne Dinge gesagt, als dass er sie verlieren wollte, und hielt es für unvereinbar mit seiner Ehre als auch mit seiner Neigung, einen Angriff abzublasen, bei dem er ohne Zweifel den Sieg davontragen würde.

Da die junge Amena (die nur wenig Geschick in der Kunst der Täuschung besaß, die für ihr Geschlecht so erforderlich ist) die Freude nicht verbergen konnte, die ihr seine Avancen bereiteten, und ohne jedes Zögern ihm versprochen hatte, ihn am nächsten Tag in den Tuilerien zu treffen, vermochte nichts von dem, was die unbekannte Lady ihm geschrieben hatte, ihn davon abzubringen, diese Verabredung zu einzuhalten und ihr eine weitere folgen zu lassen, und wieder eine weitere, und so fort, bis er anfing sich einzureden, er wäre von einer Leidenschaft gerührt, die er zunächst nur hatte vorgaukeln wollen. Es ist sicher dieser Selbstbetrug, der in ihm Begierden weckte, die kaum verschieden waren von dem, was man gemeinhin Liebe nennt, und ihn dazu verleitete, seine Attacken auf eine Weise zu verdoppeln, dass Amena all ihre Tugend aufbieten musste, um ihnen zu widerstehen. Doch wie sehr sie sich auch verpflichtet fühlte, solche Versuche zu verübeln, er verstand es, sich herauszureden, indem er die Schuld dafür, dass er sich ihr gegenüber allzu charmant und allzu liebevoll zeigte, dem Ungestüm seiner Leidenschaft anlastete, obwohl es da nichts zu verzeihen gab. Das brachte Amena mit ihrem großzügigen und offenen Gemüt an den Rand des Zusammenbruchs, und D´Elmont sann nach Mitteln, um seine Absicht verwirklichen, als ihr Page ihm diesen Brief überreichte:

 

´An den Count D´Elmont.

Einige böswillige Personen haben versucht, die kleine Konversation, die ich mit Euch führte, als frevelhaft hinzustellen. Um solchen Verleumdungen einen Riegel vorzuschieben, muss ich mir zukünftig die Ehre Eurer Besuche versagen, außer mein Vater befiehlt mir, sie entgegenzunehmen, denn nur er hat die Verfügungsgewalt über

Amena.´

Die Bestürzung, in die er beim Lesen dieser Zeilen geriet, die sich so sehr von ihrem früheren Verhalten unterschieden, kann man sich leichter vorstellen als mit Worten ausdrücken. Dann aber fiel sein Blick auf etwas am Boden, er entdeckte einen kleinen Zettel, der beim Öffnen des Briefes herausgefallen war, und hob ihn hastig auf. Er enthielt diese Worte:

´Ich kann erahnen, wie überrascht mein liebenswerter Freund ist, habe aber nicht die Zeit, um das Geheimnis zu enträtseln: Ich bitte Euch, am Abend in Eurer Wohnung zu sein, und ich werde einen Weg finden, Euch etwas zu schicken.´

Das war der Augenblick, in dem D´Elmont dämmerte, dass eine Liebschaft von dieser Art Verwirrungen mit sich brachte, die er nicht vorausgesehen hatte. So blieb er den ganzen Tag zuhause und erwartete ungeduldig die Aufklärung einer Angelegenheit, aus der er im Moment nicht schlau wurde. Als die Dämmerung heraufzog, führte sein Diener eine junge Frau herein, die er sofort als Anaret erkannte, eine Dienerin von Amena. Er ließ sie Platz nehmen und drückte seine Hoffnung aus, sie sei gekommen, um Licht in die Angelegenheit zu bringen, wofür er ihr sehr dankbar sei, und sie möge mit ihren Ausführungen gleich beginnen.

„Mein Lord“, sagte sie, „ich erfülle diesen Auftrag mit unaussprechlichem Bedauern. Meine Herrin hat mich angewiesen, Euch einen Bericht von ihrem Unglück zu geben; um Euch aber nicht länger im Ungewissen zu lassen, was Euch augenscheinlich unangenehm ist, teile ich Euch mit, dass meine Herrin, bald nachdem Ihr gegangen wart, in ihr Gemach heraufkam, wo wir, als ich mit ihrem Auskleiden beginnen wollte, Monsieur Sanseverin in wütendem Ton nach dem Aufenthalt seiner Tochter fragen hörten, und als er erfuhr, dass sie oben sei, sahen wir ihn augenblicklich mit einem so wutentbrannten Gesichtsausdruck hereinkommen, dass wir in Todesangst verfielen.

´Missbraucht hast du meine Milde´, rief er, ´und die Freiheit, die ich dir gewährte! Konnte dich der Gedanke an unsere Familienehre oder deinen Ruf oder meinen ewigen Seelenfrieden von solch unanständigen Handlungen nicht abhalten? Du solltest wissen, dass sie all das unvermeidlich zugrunde richten!´

Meine arme Herrin war über diese grausamen Worte zu erschrocken, um irgendetwas entgegnen zu können, und stand nur zitternd und der Ohnmacht nahe da, während er seine Rede fortsetzte.

´Ist es vereinbar mit der Zartheit deines Geschlechts´, rief er, ´oder der Pflicht, die du mir schuldest, sich mit einem Mann zu treffen, um dessen Absichten ich nicht weiß? Wären sie beim Count D´Elmont von ehrenhafter Art, warum hält er sie geheim?´

´Der Count D´Elmont´, rief meine Herrin noch erschrockener als zuvor, ´hat mir nie irgendwelche Erklärungen gemacht, um die Ihr hättet wissen müssen, und ich bin mit ihm nie auf andere Weise umgegangen als so, wie es Eurer Tochter geziemt.´

´Das stimmt nicht´, unterbrach er sie wütend. ´Ich bin über das Gegenteil zu gut informiert. Keines eurer Treffen, auch nicht das vertraulichste, ist mir verborgen geblieben!´

Nun urteilt selbst, Sir, wie verwirrt meine Herrin von dieser Rede gewesen sein muss. Vergeblich nahm sie all ihren Mut zusammen, um ihn zu überzeugen, dass er solch ehrenrührigen Nachrichten keinen Glauben schenken sollte; er wurde davon nur noch erboster und stürzte nach tausend weiteren Vorwürfen mit allen Zeichen der erbittertsten Entrüstung aus dem Zimmer. Doch obwohl Eure Lordschaft zu vertraut ist mit Amenas sanftem Wesen, um zu glauben, dass sie die Verärgerung eines Vaters, der sie immer auf das Zärtlichste geliebt hat, mit Gleichmut ertragen würde, so könnt Ihr Euch doch unmöglich das Ausmaß ihres Seelenschmerzes vorstellen; sie erfuhr, dass jedes Detail ihres schlechten Benehmens, wie sie es nannte, verraten worden war, und bezweifelte nicht, dass wer immer ihr diesen üblen Dienst bei ihrem Vater erwiesen hatte, auch anderen Leuten als ihm die Geheimnisse enthüllen würde. Kummer, Furcht, Reue und Scham ergriffen sie nacheinander und machten es unmöglich, ihr Trost zuzusprechen. Selbst das liebevollste Zureden verstummte unter ihren verstörten Schreien, und eine Zeitlang sah sie Eure Lordschaft nur im Lichte ihres Verderbers.“

„Wie kann meine Amena“, rief D´Elmont sie unterbrechend, „die ich für so lieblich hielt, so hart über mich urteilen?“

„Ach, mein Herr“, sprach Anaret weiter, „Ihr müsst ihr diese ersten Aufwallungen vergeben, die trotz ihrer Gewalt in Eurer Gegenwart in einem Augenblick vergehen würden; und obwohl der Gedanke an Euch im Moment nicht diese Wirkung hat, so entwürdigt es ihn doch nicht, wenn er sich mit einem Feind herumschlagen muss, denn am Ende wird er ihn in die Flucht schlagen und einen so vollständigen Sieg erringen, dass vor Morgengrauen von all ihrem Kummer nur noch die Angst bleibt, Euch zu verlieren. Ich bin auch so frei, Eurer Lordschaft zu versichern, dass meine Worte nicht den Eindruck erwecken sollen, sie habe sich nun entschlossen, auf die Liebe und auf Euch mit Verachtung zu blicken.

Doch um meine Erzählung möglichst kurz zu halten: Kaum war die Nacht vorüber, als Monsieur ihr Vater das Gemach betrat und seine Miene, wenngleich beherrschter als jene, mit der er uns verlassen hatte, einen solchen Ernst verriet, dass meine eingeschüchterte Herrin fast wieder den Mut verlor, den sie für diese Begegnung gefasst hatte.

´Ich komme jetzt nicht, Amena´, sagte er, ´um dich zu tadeln oder für deinen Ungehorsam zu bestrafen; wenn dich deine Vernunft nicht völlig verlassen hat, dann plagen dich deine eigenen Gedanken zur Genüge. Der erste Schritt aber sollte sein – wenn schon nicht, um deinen Ruf wiederherzustellen, sondern um zukünftigen Verleumdungen vorzubeugen –, dass du an Count D´Elmont schreibst.´

Als sie etwas sagen wollte, fügte er hinzu: ´Ich wünsche keine Widerworte´; dann führte er sie zu ihrem Schreibtisch und befahl ihr niederzuschreiben, was er ihr diktierte und was Ihr erhalten habt. Gerade als sie den Brief versiegeln wollte, brachte ein Diener die Nachricht, dass ein Gentleman mit Monsieur Sanseverin zu sprechen wünsche, also musste er das Zimmer verlassen, was ihr die Gelegenheit gab, einen Zettel zu schreiben, den sie mit Geschick in den Brief hineinschob, ohne dass ihr Vater es bei seiner Rückkehr bemerkte. Er ließ den Brief unverzüglich überbringen, ohne von ihrem Trick zu ahnen.

´Jetzt´, sagte er, ´werden wir uns ein Urteil über die Redlichkeit der Gefühle des Count bilden können, aber bis dahin werde ich mich als jemand erweisen, dem die Ehre seiner Familie nicht gleichgültig ist.´

Mit diesen Worten nahm er sie bei der Hand, führte sie durch sein eigenes Gemach in ein kleines Zimmer, das er für diesen Anlass in Ordnung zu bringen befohlen hatte, und sperrte sie dort ein. Ich folgte ihnen bis zur Tür und unterstützte meine Herrin bei ihrem Wunsch, mir möge gestattet sein, bei ihr zu bleiben. Aber es war vergeblich, er sagte mir, er zweifle nicht daran, dass ich in dieser Angelegenheit ihre Vertraute wäre, und befahl mir, sein Haus für ein paar Tage zu verlassen. Sobald er gegangen war, begab ich mich zum Garten und spazierte eine Weile auf und ab in der Hoffnung, eine Gelegenheit zu finden, um mit meiner Herrin durch das Fenster zu sprechen, denn ich wusste, dass jene Kammer eines hat. Ich konnte sie aber nicht erblicken, also suchte ich einen kleinen Stock, mit dem ich leise gegen die Fensterscheibe klopfte, woraufhin sie das Fenster öffnete. Als sie mich sah, strahlten ihre Augen vor Freude, obwohl sie voller Tränen waren.