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Karl der Große im Norden

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Elena Brandenburg

Karl der Große im Norden

Rezeption französischer Heldenepik in den altostnordischen Handschriften

Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

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© 2019 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

www.narr.de • info@narr.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN 978-3-7720-8680-9 (Print)

ISBN 978-3-7720-0468-1 (ePub)

Inhalt

  Dank

 1. Einleitung1.1. Textkorpus1.2. Begriffe: chansons de geste, riddarasögur1.2.1. Chansons de geste1.2.2. Höfische Texte: Rittersagas, riddarasögur1.3. Forschungshistorische Kontextualisierung1.3.1. Ältere Forschung: Übersetzte riddarasögur1.3.2. Jüngere Forschung: „Kontexte statt nur Texte“1.3.3. Altostnordistik: Tendenzen älterer und jüngerer Forschung1.3.4. Karls- und Dietrichdichtung

 2. Theoretische Prämissen2.1. New Philology2.2. Translation Studies – Übersetzen im Mittelalter2.3. Polysystemtheorie2.3.1. Polysystem, Zentrum, Peripherie2.3.2. Übersetzungen2.3.3. Gideon Toury: a target-oriented approach2.3.4. Kritik, Applizierbarkeit und Fazit2.4. Kulturtransfer2.4.1. Kulturtransfer: Übertragung von Wissen2.4.2. Kulturbegriff2.4.3. Kulturtransferanalyse2.4.4. Kulturtransferkonzeption für mediävistische Räume2.4.5. Memory Studies – Transfer von kulturellen Texten2.5. Zusammenfassung der Vorgehensweise

  3. Historischer Kontext 3.1. Norwegen und norwegischer Hof 3.2. Karl Magnus und Schweden im 15. Jahrhundert 3.3. Universitas nobilium, regimen regale und regimen politicum 3.4. Die schwedische Elite und ihre Codices 3.5. Karl Magnus Krønike und das Børglum-Kloster 3.6. Historia de profectione Danorum in Hierosolymam

 4. Kontextstudien – Kontextualisierungen im Codex4.1. Cod. Holm. D44.1.1. Datierung4.1.2. Inhalt4.1.3. Nota Somnia Danielis und Karl Magnus4.1.4. Herrschervita – Alexander, Albrekt, Karl4.1.5. Fazit4.2. Cod. Holm. D4a (Fru Märtas bok, Codex Verelianus)4.2.1. Inhalt4.2.2. Historiographische Literatur: krönikor4.2.3. Namnlös och Valentin4.2.4. Herr abboten4.2.5. Julens und fastans träta4.2.6. Tungulus4.3. Cod. Holm. D3 (Fru Elins bok)4.3.1. Inhalt4.3.2. Von Fru Märta zu Fru Elin?4.3.3. Vergleich mit Cod. Holm. D4a4.3.4. Fazit4.4. AM 191 fol. (Codex Askabyensis)4.4.1. Inhalt4.4.2. Karl Magnus im Codex AM 191 fol.4.5. Fazit: Schwedische Sammelhandschriften4.6. Altdänische Karlsdichtung: Cod. Holm. Vu 824.6.1. Inhalt4.6.2. Interner Aufbau4.6.3. Mögliche Besitzer: Niels Stygge Rosenkrantz oder Jakob Friis4.7. Zusammenfassung

 5. Text- und Funktionsanalysen5.1. Struktur der Karlsdichtung: Kompilation und Zyklisierung5.2. Struktur der Karl Magnus Krønike5.3. Auf der Suche nach Aude und Bramimonde – Gendering Genre5.3.1. Kurze Einführung in die genderorientierte Mediävistik5.3.2. Monologische Maskulinität als Genre-Konvention5.3.3. Aude und Bramimonde5.3.4. Ostnordische Männlichkeiten – immer noch monologisch?

 6. Narrative Konstruktionen der Alterität6.1. Alterität in der Chanson de Roland6.2. Der Orient-Diskurs in Voyage de Charlemagne à Jerusalem et à Constantinople6.3. Alterität in der altschwedischen Roncesvalles-Episode6.4. Alterität in Karl Magnus Krønike6.4.1. Alterität im altdänischen Rolandslied: „flyn wndhen i hedhen hwnde …“6.4.2. Alternierende Alteritätsdiskurse in der Karl Magnus Krønike?6.5. Raum- und Orient-Diskurse in der altschwedischen Übertragung des Voyage6.5.1. Struktur und weitere Motive6.5.2. Fazit: Transfer der Alteritätsbilder: Strategien und Funktionen6.6. Exkurs: Weitere Aspekte der Alteritätsdarstellungen in den altschwedischen Handschriften6.6.1. Flores och Blanzeflor6.6.2. Konung Alexander

 7. Narrative Heldenkonstruktionen7.1. Der (un-)dänische Held Holger Danske: literarische Quellen7.1.2. Ogier Le Danois in der schwedischen Karlsdichtung7.1.3. Wdger Danske in Dänemark7.1.4. Andere Quellen: mediäval und postmediäval7.1.5. Holger Danske in Södermanland7.1.6. „Paa Dannemarks gamle Dage …“7.2. Karl der Große – rex iustus oder heiliger Sündiger?7.2.1. Karl der Große in Schweden7.2.2. Karl der Große in Dänemark: „kamp og drab og afhuggede lemmer …“Die dänische Bearbeitung der ...7.3. Zusammenfassung: epische Helden, heroische Epen

 8. Karlsdichtung in den altostnordischen Handschriften8.1. Genre- und Diskurstransfer8.2. Karlsdichtung im altostnordischen Polysystem8.3. Ausblick

  Abstract

  Literaturverzeichnis

  Register

Dank

Das vorliegende Buch ist die leicht überarbeitete Version meiner Dissertation, die im März 2018 an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln eingereicht wurde. An dieser Stelle möchte ich mich bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Stephan Michael Schröder (Institut für Skandinavistik/ Fennistik, Universität zu Köln), mit dessen engagierter Betreuung dieses Promotionsprojekt vollendet werden konnte, ganz herzlich bedanken. In jeder Phase des Projektes konnte ich mir seiner Unterstützung sowie konstruktiver Kritik sicher sein. Für die jahrelange Förderung, seine verständnisvolle und zuversichtliche Art im Umgang mit den Widrigkeiten des Promovierens und nicht zuletzt die vielen Gespräche, auch über das Dissertationsthema hinaus, bin ich zutiefst dankbar.

Auch meinem Zweitbetreuer Prof. Dr. Massimiliano Bampi (Università Ca’Foscari, Venezia), der die Betreuung der Arbeit über die europäischen Grenzen hinweg enthusiastisch übernahm, bin ich zu Dank verpflichtet. Dass eine in Köln verfasste Arbeit über die französische Heldendichtung in den altostnordischen Handschriften von Venedig aus mitbetreut wird, offenbart die produktivste Form der in dieser Arbeit häufig thematisierten Ent-grenzung.

Mein Interesse am Altostnordischen verdanke ich in erster Linie Dr. Regina Jucknies. Für die jahrelange Unterstützung, die rege Anteilnahme am Projekt und die akribische Lektüre der Dissertation möchte ich ihr an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank aussprechen. Daran anschließend gilt mein Dank Anja Blode für die Hilfe bei der Übersetzung der zuweilen opaken altostnordischen Texte. Auch bei Prof. Dr. Marja Järventausta sowie allen MitarbeiterInnen des Instituts für Skandinavistik/ Fennistik möchte ich mich für den Rückhalt, stets offene Türen und die herzliche Atmosphäre am Institut bedanken.

Bei der Redaktion der Schriftenreihe Beiträge zur Nordischen Philologie, insbesondere Prof. em. Dr. Jürg Glauser, Prof. Dr. Lena Rohrbach und Dr. Anna Katharina Richter, möchte ich mich für die Aufnahme der Dissertation in ihre Reihe sowie die Hilfe bei der Überarbeitung bedanken. Für die professionelle und äußerst konstruktive Betreuung bei allen Fragen rund um die Publikation danke ich Herrn Tillmann Bub vom Narr Francke Attempto Verlag.

 

Ohne die finanzielle Förderung im Rahmen eines Promotionsstipendiums wäre diese Arbeit nicht zustande gekommen. Dafür spreche ich dem evangelischen Studienwerk Villigst e.V. meinen größten Dank aus. Die inspirierenden Begegnungen mit Menschen in Villigst, allen voran mit Dr. Julia Schmeer und Dr. Ingo Rekatzky, waren und sind von unschätzbarem Wert für mich.

Der Geschwister Ingelheim Boehringer-Stiftung für Geisteswissenschafen danke ich für die finanzielle Unterstützung bei der Pubikation der Dissertation.

Nicht zuletzt gilt mein Dank jenen Menschen, die mich jahrelang freundschaftlich unterstützt haben: Katharina Müller, Karolin Pohle, Dörthe Horstschäfer und Alina Wehrmeister haben mir in so manchen Stunden Aufmunterung, Trost, gute Ratschläge und Kaffee gespendet. Tusen takk!

Der größte Dank gebührt aber meiner Familie: Meiner Mutter und meinen Schwiegereltern für die liebevolle Betreuung unserer Kinder. Schließlich möchte ich Frédéric danken, ohne dessen unerschütterlichen Glauben die Dissertation in dieser Form nie zustande gekommen wäre. Ihm und unseren Söhnen Emil und Nikita ist diese Arbeit gewidmet – merci für alles, wofür es keine Worte gibt.

1. Einleitung

„Før skall ieg hugge swa store hug […] ath thet skall spøryes i meden werden stor“1 – solange die Welt steht, soll die Kunde von den großen Kämpfen Rolands und anderer Kämpen unter der Anführung des fränkischen Kaisers Karl des Großen bekannt sein, so das Diktum der französischen Heldenepik auch in der dänischen Überlieferung. Als historische Gestalt ist Karl der Große wie kein anderer Herrscher bis heute im kulturellen Gedächtnis Europas präsent. Diese Tatsache ist nicht nur auf die kulturellen und religiösen Impulse während seiner Regierungszeit sowie auf seine politischen und militärischen Erfolge zurückzuführen. Es sind vor allem die schriftlichen Quellen in verschiedenen europäischen Volkssprachen, die das Bild von Karl dem Großen und seinen Taten prägten.2 Dass die literarischen Helden wie RolandRoland, Oliver, Ogier und Erzbischof Turpin die nördliche Hemisphäre betraten, ist ebenfalls in der volkssprachigen Vermittlung der Stoffe und Motive der französischen Heldenepik, der sog. chansons de gestechansons de geste, begründet. Nicht nur im frankophonen Kulturraum und den benachbarten Regionen wie den deutschen Staaten und den Niederlanden wurden die chansons rezipiert: Auch die europäischen Peripherien, das heutige Wales und der gesamte skandinavische Raum, weisen mittelalterliche Adaptionen der chansons de geste vor.Karlamagnús saga ok kappa hans3

Die vorliegende Abhandlung konzentriert sich auf die ostnordischen, d.h. schwedischen und dänischen mittelalterlichen Adaptionen der Karlsdichtung, den schwedischen Text Karl Magnus sowie die dänische Karl Magnus Krønike, und untersucht das vielschichtige Phänomen des Gattungstransfers der chansons de gestechansons de geste in den zeitlich und geographisch entfernten ostnordischen Sprach- und Literaturraum. Als Übersetzungen und Bearbeitungen kontinentaleuropäischer, vor allem französischer und anglonormannischer Quellen sind die ostnordischen Texte Zeugen eines interkulturellen Kulturtransfers, der das Wissen von den Taten Karls und seiner Helden nach Skandinavien transportiert, wenngleich vermutlich nicht i meden werden stor, so doch bis ins späte 15. Jahrhundert hinein.

Im Prozess der Übertragung entfernte sich dabei nicht nur der historische Kontext, in dem die altfranzösischen und anglonormannischen Handschriften entstanden, auch das unmittelbare intertextuelle Bezugsfeld innerhalb der Handschriftenverbünde, das bestimmte Lesarten und somit ein neues Textverständnis produziert, wurde im Transmissions- und Übersetzungsprozess nicht mitüberliefert. Die Texte wurden somit ent-kontextualisiert. Ihre Re-Kontextualisierungen in neuen intertextuellen Umgebungen, die neue aktualisierende Lesarten begünstigen, sind der Gegenstand dieser Studie.

Als Basis der Untersuchung der altostnordischen Karlsdichtung wird zunächst in aller nötigen Kürze der literaturhistorische Kontext der Gattung chansons de gestechansons de geste ermittelt: Die von der Forschung kontrovers diskutierten Fragen nach der mündlichen und schriftlichen Vermittlung der Geschichten, ihre Funktionen im altfranzösischen literarischen Umfeld sowie gattungsspezifische Merkmale werden kursorisch herausgearbeitet und im Verlaufe der Arbeit im Hinblick auf die diskursive Verortung der chansons im neuen kulturellen Milieu hinterfragt. Dabei ist von einer wandelnden Funktionalisierung der Texte auszugehen. Um dies nachzeichnen zu können, ist der theoretische und methodische Rahmen zugunsten eines Theoriepluralismus erweitert worden: Neben dem für diese Arbeit zentralen, kulturwissenschaftlich ausgerichteten, methodologisch offenen Konzept des Kulturtransfers werden weitere theoretische Ansätze zur Beantwortung einzelner Fragen herangezogen werden. Mithilfe literaturwissenschaftlicher Konzepte der Translation Studies sowie der semiotisch orientierten PolysystemtheoriePolysystemtheorie können die wandelnden Funktionen der übersetzten Texte im heimischen literarischen Milieu bzw. System bestimmt werden. Ansätze aus den Cultural Studies dienen der Annäherung an die Texte im Sinne von Inhalten und Medien der kollektiven Erinnerung,Kulturelles Gedächtnis4 die zur Konstruktion einer kollektiven Vergangenheit beitragen. Forschungen der Gender- und Masculinity Studies sind bei der Analyse der Geschlechtskonstruktionen in den übersetzten Texten, vor allem im Hinblick auf den Transfer der sog. hegemonialen Männlichkeit, gewinnbringend, während Edward Saids Konzept des Orientalismus einen Rahmen für die Analyse der Alteritätsdiskurse in den Texten der ostnordischen Karlsdichtung bildet.

Die oben genannten Konzepte und Theorien sollen hinsichtlich der Besonderheiten der mittelalterlichen Handschriften- und Textgenese kritisch geprüft werden. In den Textstudien der beiden vorliegenden Texte, der altdänischen Karl Magnus Krønike sowie des altschwedischen Karl Magnus, wird den Fragen nach den Übersetzungstendenzen und somit auch nach dem Übersetzungsinteresse der skandinavischen Übersetzer/ Bearbeiter, den narrativen Identitätskonstruktionen Karls des Großen, dem Verhältnis zwischen Christentum und Islam sowie der besonderen Rolle von HolgerHolger Danske Danske nachgegangen.

Diese kulturwissenschaftlich ausgerichtete Herangehensweise soll zur Klärung der Frage nach den Formen des Transfers französischer Heldenepik in den ostnordischen Kulturraum des 15. Jahrhunderts beitragen.

1.1. Textkorpus

Geste de France, devenue geste européenne.Karlamagnús saga ok kappa hans1

Im Gegensatz zu der weitaus reicher überlieferten altwestnordischen, d.h. altnorwegischen und altisländischen Literatur mit ihren drei Hauptgattungen Skaldik, Edda-Dichtung und Saga gehören die altostnordischen Literaturen zu einem eher marginalisierten Bereich der skandinavistischen Literaturwissenschaft. Es sind jedoch nicht nur die territorialen oder sprachlichen Aspekte, die eine Marginalisierung der altostnordischen Texte bewirken, gattungsspezifische Momente tragen gleichermaßen dazu bei: Die als weniger indigen angesehene Übersetzungsliteratur mit ihrer Vielfalt an kontinentalen Stoffen, Figuren und narrativen Formen trat erst in jüngster Vergangenheit in den Fokus der Forschung.2 Dass eine der zentralen Figuren des europäischen Mittelalters, der fränkische Kaiser Karl der Große, auf literarischem Wege auch skandinavische Gebiete betreten konnte, ist auf die folgenden übersetzten Texte, die altnorwegische Karlamagnús saga ok kappa hansKarlamagnús saga ok kappa hans, die altdänische Chronik Karl Magnus Krønike sowie den altschwedischen Karl Magnus zurückzuführen.

Die Textauswahl für diese Untersuchung ist dabei durch mehrere Kriterien begründet: Zum einen sollten die zu untersuchenden Texte als Rezeptionszeugnisse der chansons de gestechansons de geste direkte oder indirekte Bearbeitungen der Stoffe und Motive der altfranzösischen Heldendichtung darstellen. Weiterhin sollen sie in den beiden altostnordischen Sprachen, dem Altschwedischen und dem Altdänischen, vertreten sein. Auf diese Weise lässt sich ermitteln, inwiefern man von gemeinsamen ostnordischen Übersetzungsinteressen und -idealen ausgehen kann. Ein weiteres Kriterium ist die Integration der Texte in SammelhandschriftenSammelhandschrift: Durch eine Annäherung an die historischen, politischen und sozialen Kontexte, in deren zeitlichen Rahmen die Entstehung der Handschriften zu datiert ist, lassen sich mögliche Intentionen der Kompilatoren und Übersetzer erkennen.

Diese Kriterien treffen auf die einzigen Zeugnisse der Karlsdichtung im altostnordischen Raum zu: Der altschwedische Text Karl Magnus sowie die altdänische Adaption Karl Magnus Krønike sind beide in den SammelhandschriftenSammelhandschrift des 15. Jahrhunderts enthalten. Diese repräsentieren ein breites Spektrum an heterogenen Inhalten in teilweise unterschiedlichen Sprachen und ermöglichen so die Verortung der Karlsdichtung in einem breiteren intertextuellen Umfeld der jeweiligen Handschrift. Darüber hinaus können die Texte in Beziehung zu anderen Genres gesetzt werden, was für ein holistisches Verständnis der synchronen wie der diachronen Überlieferung der Karlsepik im östlichen Skandinavien hilfreich ist. Die Ausgangslage bilden fünf Sammelhandschriften, dabei liegt der altschwedische Text Karl Magnus in vier Sammelhandschriften vor:

 Cod. Holm. D4,Cod. Holm. D4 erste Hälfte des 15. Jahrhunderts

 Cod. D4a (Fru Märtas Bok), 1449–1463

 Cod. Holm. D3Cod. Holm. D3 (Fru Elins Bok), 1448

 AM 191 fol.AM 191 fol. (Codex Askabyensis), das Jahr 1492 kommt als terminus ante quem in Frage.3

Der dänische Text der sog. Karl Magnus Krønike ist in der SammelhandschriftSammelhandschrift Cod. Holm. Vu 82Cod. Holm. Vu 82 enthalten, auch BørglumBørglum-Handschrift genannt, nach dem Entstehungsort Kloster Børglum in Dänemark. Der ältere Teil der Handschrift, welcher die Krønike enthält, wird auf 1480 datiert.

Als Vorlage der ostnordischen Texte gilt die aus dem benachbarten altwestnordischen Literaturumfeld stammende Karlamagnús sagaKarlamagnús saga ok kappa hans og kappa hans, der eine Reihe französischer heldenepischer Gedichte zu Grunde liegt. Obgleich ein umfassender Vergleich der Karlamagnús saga mit den ostnordischen Versionen im Rahmen dieser Arbeit nicht intendiert ist, so wird sie doch als Referenz punktuell herangezogen, wann immer es für die Fragestellung konstruktiv ist.

Die Studie konzentriert sich vor allem auf zwei chansons de gestechansons de geste: Chanson de RolandRoland sowie Voyage de Charlemagne à Jerusalem et à Constantinople, in der romanistischen Forschung auch als Pèlerinage de Charlemagne bekannt, sind in allen drei skandinavischen Adaptionen überliefert. Weitere chansons, u.a. Chanson d’Aspremont sowie Chevalerie Ogier le Danemarche sind vor allem hinsichtlich der dänischen Überlieferung relevant und werden im Kapitel 6 und 7 herangezogen. Aufgrund der umfangreichen, zum Teil nicht mehr rekonstruierbaren Handschriftenlage altfranzösischer und anglonormannischer Vorlagen der ostnordischen Texte, wird im Rahmen dieser Arbeit auf bereits erarbeitete Ergebnisse der romanistischen chansons de geste-Forschung zurückgegriffen, welche sich als relevant und konstruktiv für die Analyse skandinavischer, speziell ostskandinavischer Rezeption altfranzösischer Heldenepik erweisen.

Für die Verortung der übersetzten chansons de gestechansons de geste im ostnordischen Literatursystem werden die im gleichen Entstehungszusammenhang zu betrachtenden Texte berücksichtigt: Für das schwedische höfische Literaturmilieu werden vor allem die im Knittelvers verfassten Übertragungen kontinentaleuropäischer höfischer Dichtung, die sog. EufemiavisorEufemiavisor, als Pioniere einer literarischen Übersetzungsaktivität herangezogen. Dieses auf den ersten Blick überschaubare Quellenkorpus soll verdeutlichen, wie aus der „geste de France“ – laut Paul Aebischer – „geste européenne“Karlamagnús saga ok kappa hans4 wurde. Sowohl in sprachlicher als auch in territorialer und literaturgeschichtlicher Hinsicht handelt es sich bei den ausgewählten Texten um ‚Grenzgänger‘.

 

1.2. Begriffe: chansons de geste, riddarasögur

chansons de gesteriddarasögurDie oben genannten Texte lassen sich in ihrer Überlieferungsgeschichte nicht nur verschiedenen historischen und sozialen Kontexten zuordnen, sondern vertreten unterschiedliche Genres, die an dieser Stelle einer näheren Erläuterung bedürfen. Neben zentralen Charakteristika wird im Folgenden in erster Linie auf die von der Forschung als relevant angesehenen Funktionen der jeweiligen Gattung eingegangen.