TARZAN UND SEIN SOHN

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TARZAN UND SEIN SOHN
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EDGAR RICE BURROUGHS





Tarzan und sein Sohn



Vierter Band des TARZAN-Zyklus





Roman





Apex-Verlag




Impressum



Copyright 1915 © by Edgar Rice Burroughs.



Der Roman The Son Of Tarzan ist gemeinfrei.



Copyright dieser Ausgabe © by Apex-Verlag.



Übersetzung: Fritz Moeglich und Christian Dörge (OT: The Son Of Tarzan).



Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.



Cover: Christian Dörge/N. N./Apex-Graphixx.



Satz: Apex-Verlag.





Verlag: Apex-Verlag, Winthirstraße 11, 80639 München.



Verlags-Homepage: www.apex-verlag.de



E-Mail: webmaster@apex-verlag.de





Alle Rechte vorbehalten.




Inhaltsverzeichnis





Impressum













Das Buch







Der Autor













TARZAN UND SEIN SOHN







Erstes Kapitel







Zweites Kapitel







Drittes Kapitel







Viertes Kapitel







Fünftes Kapitel







Sechstes Kapitel







Siebtes Kapitel







Achtes Kapitel







Neuntes Kapitel







Zehntes Kapitel







Elftes Kapitel







Zwölftes Kapitel







Dreizehntes Kapitel







Vierzehntes Kapitel







Fünfzehntes Kapitel







Sechzehntes Kapitel







Siebzehntes Kapitel







Achtzehntes Kapitel







Neunzehntes Kapitel







Zwanzigstes Kapitel







Einundzwanzigstes Kapitel







Zweiundzwanzigstes Kapitel







Dreiundzwanzigstes Kapitel







Vierundzwanzigstes Kapitel







Fünfundzwanzigstes Kapitel







Sechsundzwanzigstes Kapitel







Siebenundzwanzigstes Kapitel






Das Buch










Freiheitsliebend und furchtlos ist Tarzans heranwachsender Sohn. Der künftige Lord Greystoke gibt seine bequeme Zukunft auf und geht in den Dschungel zu den Tieren. Er lernt von Akut, dem König der Affen, der Stimme seines Instinkts zu lauschen und den tausend Gefahren der Wildnis zu trotzen.



Tarzans Sohn erhält den Ehrennamen Korak, der Töter. Doch als er die verschleppte Meriem den Arabern und Schwarzen entreißt, sind nicht nur die großen Raubkatzen auf dem Boden und die heimtückischen Reptilien auf den Baumriesen seine Feinde: Die habgierigen Araber stellen ihm schreckliche Fallen, weil Meriem mehr als eine gewöhnliche Sklavin ist...





Der Roman Tarzan und sein Sohn erschien erstmals im Jahr 1915 (unter dem Titel The Son Of Tarzan) im All-Story-Weekly-Magazin.



Der Apex-Verlag veröffentlicht Tarzan und sein Sohn in der deutschen Übersetzung von Fritz Moeglich, bearbeitet von Christian Dörge.




 Der Autor








Edgar Rice Burroughs - * 01. September 1875, † 19. März 1950.





Edgar Rice Burroughs war ein US-amerikanischer Schriftsteller, der bekannt wurde als Erzähler diverser Abenteuergeschichten, die sich vor allem dem frühen Fantasy- und Science-Fiction-Genre zuordnen lassen. Die bekanntesten von ihm eingeführten - und in der Folge von anderen in zahlreichen Filmen und Comics etablierten - Heldencharaktere sind Tarzan, John Carter, Carson Napier.



Der Sohn des Fabrikanten und Bürgerkriegsveteranen Major George Tyler Burroughs (1833–1913) und der Lehrerin Mary Evaline Zieger (1840–1920) verlebte nach dem Besuch mehrerer Privatschulen den Großteil seiner Jugend auf der Ranch seiner Brüder in Idaho.



Nach seinem Abschluss auf der Michigan Military Academy im Jahr 1895 trat Burroughs in die 7. US-Kavallerie ein. Als ein Armeearzt bei ihm einen Herzfehler diagnostizierte und er deshalb nicht Offizier werden konnte, verließ Burroughs die Armee vorzeitig im Jahr 1897 und arbeitete bis 1899 wieder auf der Ranch seines Bruders. Danach ging er zurück nach Chicago und arbeitete in der Firma seines Vaters.



Am 1. Januar 1900 heiratete Burroughs seine Jugendliebe Emma Centennia Hulbert. Das Paar bekam drei Kinder: Joan Burroughs Pierce (1908–1972), Hulbert Burroughs (1909–1991) und John Coleman Burroughs (1913–1979). Da die tägliche Routine in der Fabrik seines Vaters Burroughs nicht zufriedenstellte, verließ das Ehepaar 1904 Chicago, um abermals in Idaho zu leben. Mit seinen Brüdern, die inzwischen ihre Ranch aufgegeben hatten, versuchte er sich erfolglos als Goldgräber. Kurze Zeit später arbeitete er als Eisenbahnpolizist in Salt Lake City. Auch diesen Job gab Burroughs auf und zog mit seiner Frau wieder zurück nach Chicago, wo er eine Reihe Jobs annahm, unter anderem als Vertreter. 1911 investierte er sein letztes Geld in einer Handelsagentur für Bleistiftanspitzer und scheiterte.



Burroughs, der zu dieser Zeit an schweren Depressionen litt und, nach einigen seiner Biographen, an Selbstmord dachte, kam auf die Idee, eine Geschichte für ein Magazin zu schreiben, in dem er zuvor Anzeigen für seine Bleistiftanspitzer geschaltet hatte. Seine erste Erzählung Dejah Thoris, Princess of Mars (unter dem Pseudonym Normal Bean für das All-Story-Magazin von Thomas Metcalf geschrieben) wurde zwischen Februar und Juli 1912 als Fortsetzung veröffentlicht.



Metcalf hatte sein Pseudonym in Norman Bean geändert, und auch der Titel seiner Geschichte wurde zu Under the Moon of Mars abgewandelt. Auf Burroughs Beschwerde bezüglich der Änderungen, lenkte Metcalf ein und bot an, Burroughs nächste Geschichte unter seinem richtigen Namen zu drucken. Eine weitere Beschwerde Burroughs betraf den Zusatz For all Rights auf seinem Honorarscheck. Nach längerem Briefwechsel erreichte er, dass die 400 Dollar nur für den Erstabdruck galten.



Burroughs zweite Geschichte, The Outlaw of Torn, wurde jedoch von All-Story abgelehnt. Der große Erfolg kam mit Burroughs drittem Anlauf, Tarzan of the Apes.



Die Geschichte von Tarzan wurde ebenfalls 1912 von All-Story veröffentlicht. Burroughs schrieb in der Folgezeit immer wieder neue Tarzan-Geschichten und konnte sich - kaum zehn Jahre nach der Veröffentlichung von Tarzan of the Apes - ein riesiges Stück Land in der Nähe von Los Angeles kaufen. Selbst nach Burroughs Tod im Jahr 1950 erschienen weitere Tarzan-Geschichten. Das Landstück bei Los Angeles ist heute die Gemeinde Tarzana.



In den frühen 1930er Jahren wurde sein schriftstellerischer Erfolg allerdings immer mehr von privaten Problemen überschattet. 1934 ließ er sich scheiden und heiratete ein Jahr später Florence Dearholt. Doch schon 1942 wurde auch diese Ehe geschieden. Nach der Bombardierung von Pearl Harbor begab sich Burroughs 1941 als Kriegsreporter nach Hawaii. Nach dem Krieg kehrte er nach Kalifornien zurück, wo er, nach vielen gesundheitlichen Problemen, 1950 einem Herzanfall erlag.





In Burroughs Werk vermischen sich Science Fiction und Fantasy. Er etablierte Geschichten vor einem planetarischen Hintergrund in der Science Fiction. Dabei war Burroughs bewusst, dass seine Literatur bei den Kritikern nicht ankam. Er machte auch nie ein Hehl daraus, dass er schrieb, um Geld zu verdienen.



Die Helden seiner Romane und Erzählungen haben keine Alltagsprobleme. Bei den Charakterzeichnungen schwach, sprudeln Burroughs Geschichten über vor Ideen und Action. Die Helden seiner Romane haben verschiedene Merkmale gemeinsam, beispielsweise das Geheimnis um ihre Herkunft. Entweder haben die Helden nie eine Kindheit erlebt, oder können sich nicht daran erinnern, oder aber sie sind wie Tarzan und The Cave Girl Waisen. Ein weiteres Merkmal von Burroughs Geschichten ist der, wie Brian W. Aldiss es nennt, ausgeprägte sexuelle Dimorphismus. Das jeweils dominante Geschlecht ist hässlich.

 



Obwohl es in den Romanen und Geschichten Burroughs von schönen, nackten Frauen nur so wimmelt, werden sexuelle Beziehungen weder angedeutet noch erwähnt. Burroughs Welt scheint eine präpubertäre zu sein. Doch ist die Jungfräulichkeit immer in Gefahr (vgl. Aldiss). Fast schon zwanghaft mutet an, dass es in den Geschichten Burroughs, die zwischen 1911 und 1915 geschrieben wurden, nicht weniger als 76 Mal zu Vergewaltigungsdrohungen kommt, die natürlich alle abgewendet werden können. Zu den Bedrohern der weiblichen Unschuld gehören verschiedene Marsianer, Sultane, Höhlenmenschen, japanische Kopfjäger und Affen.



E. F. Bleiler schreibt über Burroughs, seine Texte seien „Fantasien von Erotik und Macht.“





Der Apex-Verlag veröffentlicht Burroughs' Venus-Romane (in der deutschen Übersetzung von Thomas Schlück), Neu-Übersetzungen des Tarzan- und des John Carter-Zyklus sowie als deutsche Erstveröffentlichung die Pellucidar-Serie.




TARZAN UND SEIN SOHN




 Erstes Kapitel



Ebbe und Strömung trugen das Beiboot der Marjorie W. schnell auf dem breiten Ugambi der Mündung entgegen. Die Mannschaft genoss es, nach der harten Fahrt stromaufwärts die Hände im Schoß liegen zu haben. Drei Meilen weiter wartete die Marjorie W., klar zur Abfahrt.



Plötzlich verstummten die Gespräche der Männer, die ihre Aufmerksamkeit dem Nordufer des Flusses zuwandten. Dort stand, die dürren Arme emporgestreckt, eine seltsame Gestalt, die ihnen mit heiserer Stimme Unverständliches über das Wasser zurief.



»He, was ist das?«, entfuhr es einem der Matrosen.



»Ein weißer Mann«, stellte der Maat fest und fügte hinzu: »Legt euch in die Riemen, Jungens! Wollen feststellen, was es mit ihm für eine Bewandtnis hat.«



Als sich das Boot dem Ufer näherte, erkannten die Männer eine ausgemergelte Gestalt, das verfilzte weiße Haar wirr im Gesicht. Der hagere, verkrümmte Körper des Mannes war bis auf ein Lendentuch nackt. Tränen rannen über seine hohlen, pockennarbigen Wangen, während die bebenden Lippen unverständliche Worte hervorstießen.



»Ein Russe?«, mutmaßte der Maat. Er rief dem Mann zu: »Sprechen Sie Englisch?«



Der Fremde sprach Englisch, aber seine Worte kamen so zögernd und unbeholfen, als habe er sich seit Jahren dieser Sprache nicht mehr bedient. Er bat die Matrosen händeringend, ihn mitzunehmen, um endlich diesem unwirtlichen Lande zu entkommen.



Sobald die Gruppe sich an Bord der Marjorie W. befand, berichtete der Fremde von den schrecklichen Erlebnissen seiner letzten zehn Jahre, die er im Dschungel verbracht hatte. Über die Ereignisse, die ihn nach Afrika verschlagen hatten, schwieg er sich aus und erweckte so den Eindruck, als sei die Zeit vorm Dschungeldasein seiner Erinnerung entfallen. Er verschwieg auch seinen wahren Namen, so dass ihn die Besatzung fälschlicherweise Michael Sabrow nannte, während das menschliche Wrack in Wirklichkeit auf den Namen Alexis Paulvitsch hörte.



Zehn Jahre waren vergangen, seit der Russe jenem Schicksal seines Freundes Rokoff entging; und in den zehn Jahren hatte er unzählige Male eben dieses Schicksal verflucht, das ihn endlos leiden ließ, während es seinem Freund ein schnelles schmerzloses Ende bereitet hatte.



Paulvitsch vergaß nie das Bild, als Tarzans Tiere das Deck der Kincaid stürmten, um dort ein Blutbad anzurichten. Aus Furcht vor Verfolgung war er tief in den Dschungel geflohen, bis er in die Hände eines wilden Kannibalen-Stammes fiel, der sich jedoch an die Grausamkeit Rokoffs erinnerte. Paulvitsch erfuhr nie, was den Häuptling veranlasst hatte, ihm das Leben zu schenken; dieses Leben war für ihn eine endlose Kette von Erniedrigungen und Martern geworden. Zehn Jahre lang musste er den Prügelknaben für den Stamm abgeben, selbst Frauen und Kinder konnten ihn bespeien und mit Steinen bewerfen, wenn es ihnen gefiel. Wiederholt hatte ihn schwerstes Fieber niedergeworfen. Aber er starb nicht, wenn auch die Pocken ihre unverkennbaren Spuren in sein Gesicht gruben, so dass seine eigene Mutter ihn nicht wiedererkannt hätte. Die Peinigungen seitens der Krieger des Stammes verkrümmten seine Glieder, das dichte schwarze Haar, das seinen Schädel bedeckt hatte, war bleichen Strähnen gewichen. Jetzt ging er gebeugt wie ein uralter Mann.



Die Mannschaft pflegte und nährte ihn an Bord der Marjorie W.. Er gewann ein wenig Kraft zurück, wusste aber, dass er bis an sein Lebensende ein menschliches Wrack bleiben würde. Wer ihn sah, mochte ihn für achtzig halten, obwohl er die Dreißig gerade erst überschritten hatte.



Alexis Paulvitschs Gedanken waren nicht mehr auf Rache gerichtet. Nur dumpfer Hass wohnte noch in ihm. Hass gegen den Mann, den er zusammen mit Rokoff nicht hatte bezwingen können, Hass selbst gegen Rokoff, dem er es verdankte, dass er in diese Situation geraten war. Er hasste die Polizei vieler Städte, aus denen er fliehen musste, er hasste Recht und Ordnung.



Mit den Männern, die ihn gerettet hatten, verband ihn nichts. Er war zu schwach, um zu arbeiten, und zu mürrisch, um als Gesellschafter geschätzt zu werden. So überließ man ihn bald sich selbst.



Die Marjorie W. war von einem Syndikat wohlhabender Fabrikanten gechartert worden. Sie führte einen Stab von Wissenschaftlern und ein gut eingerichtetes Laboratorium mit sich, denn sie sollte ein Naturprodukt suchen, das die Fabrikanten bisher zu hohen Kosten aus Südamerika bezogen. Diese Suche führte das Schiff, nachdem Alexis Paulvitsch an Bord genommen worden war, zu einer bestimmten Insel vor der afrikanischen Küste. Hier lag die Marjorie W. mehrere Wochen vor Anker, und die Eintönigkeit des Tagesablaufes legte sich drückend auf die Besatzung. Die Mannschaft ging oft an Land, und schließlich bat Paulvitsch, der des ewigen Anbordbleibens müde wurde, sie begleiten zu dürfen.



Die Insel war stark bewaldet. Dichter Dschungel erstreckte sich fast bis an das Ufer. Die Wissenschaftler waren weit ins Innere vorgedrungen, wo sie, wenn die Gerüchte sich bewahrheiteten, das gesuchte Produkt in Mengen, die eine planmäßige Ausbeutung lohnten, finden würden. Die Matrosen gaben sich dem Fischfang hin, jagten und unternahmen kleinere Streifzüge. Paulvitsch wunderte am Ufer umher oder lag schlafend im Schatten der hohen Bäume, die das Ufer säumten. Eines Tages, als die Matrosen sich in einiger Entfernung gesammelt hatten, um den Panther zu inspizieren, den einer von ihnen erlegt hatte, erwachte Paulvitsch davon, dass eine Hand seine Schulter berührte. Er fuhr aus dem Schlaf auf und sah einen großen Menschenaffen, der neben ihm kauerte und ihn neugierig musterte. Eisiger Schreck durchfuhr den Russen. Sein Blick wanderte zu den Matrosen - sie waren zumindest zweihundert Meter entfernt. Wieder griff der Affe nach seiner Schulter und schnatterte aufgeregt dabei. Weder in dem forschenden Blick noch in der Haltung des Tieres erkannte Paulvitsch eine Bedrohung. Langsam kam er auf die Beine. Neben ihm erhob sich der Affe.



Gebeugt bewegte sich der Mann langsam auf die Matrosen zu. Der Affe hielt Schritt mit ihm und griff nach einem Arm Paulvitschs. Die Matrosen bemerkten die beiden erst, als sie hinter ihnen standen. Inzwischen hatte der Russe festgestellt, dass ihm von seinem Begleiter keine Gefahr drohte. Das Tier war offensichtlich an den Umgang mit Menschen gewöhnt. Paulvitsch kam der Gedanke, dass der Affe einen nicht unbeträchtlichen Wert darstellte. Er entschloss sich, Kapital aus ihm zu schlagen.



Die Männer blickten auf und starrten verwundert auf das seltsame Paar. Der Affe zeigte keine Furcht. Er griff nach den Schultern der Matrosen und blickte jedem lange und eindringlich ins Gesicht. Enttäuschung malte sich auf seinen Zügen, als er nach beendeter Besichtigung zu Paulvitsch zurückkehrte.



Die Matrosen hatten ihre helle Freude an dem Tier. Sie umringten Paulvitsch und bestürmten ihn mit Fragen, auf die der Russe immer wieder mit monotonem: »Der Affe gehört mir«, antwortete. Einer der Matrosen erlaubte sich einen Scherz und stach dem Affen eine Nadel in den Rücken. Blitzartig wandte sich das Tier seinem Quälgeist zu, der gutmütige Gesichtsausdruck war teuflischer Wut gewichen. Das breite Grinsen des Matrosen erlosch, als er merkte, dass er den langen Armen des Affen nicht entkommen konnte. Er zog das Messer, das er im Gürtel trug. Mit einem einzigen Griff entwand der Affe es ihm und schleuderte es in den Dschungel. Gleich darauf gruben sich seine Zähne in die Schulter des Mannes.



Mit Knüppeln und Messern fielen seine Kameraden über das Tier her, während Paulvitsch wie ein Verrückter umhertanzte, weil er fürchtete, der Quelle zukünftigen Reichtums beraubt zu werden. Doch der Affe schien kein leichtes Opfer für die zahlenmäßig überlegenen Matrosen. Er stieß den Mann, der den Kampf begonnen hatte, von sich, schüttelte seine mächtigen Schultern, um die beiden Matrosen loszuwerden, die ihn von hinten umklammerten, und fällte mit mächtigen Hieben einen Angreifer nach dem anderen.



Der Kampf war vom Kapitän und dem Maat, deren Boot gerade angelegt hatte, beobachtet worden. Paulvitsch sah die beiden Männer, gefolgt von den Matrosen, die sie gerudert hatten, mit gezogenen Revolvern nähereilen. Trotz seines verwirrten Geisteszustandes begriff der Russe, dass es um seinen Affen geschehen sein würde, sobald die Männer nur auf Schussweite heran waren. Das durfte nicht geschehen. Paulvitsch sah sich bereits in London, wo klingende Münze ihm für das Ausstellen des Tieres die Taschen füllen sollte. Er zögerte Sekunden, dann stellte er sich schützend vor das Tier, das keine Anstalten traf, ihn anzugreifen.



Der Kapitän war auf wenige Schritte herangekommen und rief ihm zu, zur Seite zu treten, damit er das Tier mit einem gezielten Schuss niederstrecken könne. Statt der Aufforderung zu folgen, griff der Russe nach dem Arm des Affen.



»Komm!«, sagte er und zerrte an dem behaarten Arm, um den Affen aus dem Kreis der zu Boden geschlagenen Matrosen zu ziehen. Langsam ließ das Tier sich zur Seite ziehen. Wenige Schritte vor dem seltsamen Paar machte der Kapitän halt.



»Aus dem Weg, Sabrow!«, befahl er. »Ich werde diesem Biest eine Kugel verpassen, so dass ihm die Lust vergeht, noch einmal anständige Seeleute anzufallen.«



»Das Tier hat keine Schuld, Kapitän«, sagte Paulvitsch. »Bitte, erschießen Sie es nicht. Die Männer haben angefangen, sie haben den Affen zuerst angegriffen. Sie sehen doch, dass er völlig zahm ist - und er gehört mir - er gehört mir. Ich werde nicht dulden, dass Sie ihn töten!«



Der Kapitän senkte die Waffe. »Die Männer haben angefangen?«, wiederholte er fragend. »Ist das so?« Er wandte sich jenen Matrosen zu, die wieder aufgestanden waren, sah sie Auskunft heischend an.



»Simpson hat es getan«, sagte einer. »Er hat dem Affen hinterrücks eine Nadel ins Fell gestochen, und das Tier rächte sich, was ihm niemand verdenken kann. Als wir dann alle mit Messern und Knüppeln über ihn herfielen...« Er verstummte und zuckte vielsagend die Achseln.



Der Kapitän trat vor den Affen, als wollte er sich selbst davon überzeugen, wie das Temperament des Tieres geartet sei. Das Tier richtete sich auf und tastete mit forschendem Blick das Gesicht des Kapitäns ab, wobei es eine Hand auf dessen Schulter legte. Nach einer Weile stieß es einen fast menschlich klingenden Seufzer aus, und seine Miene zeigte den gleichen Ausdruck von Enttäuschung wie vorher. Achselzuckend willigte der Kapitän ein, dass der Affe bei Paulvitsch bleibe. Die Gesellschaft kehrte an Bord zurück. Hier studierte das Tier jedes neue Gesicht, das irgendwo auftauchte, mit größtem Interesse, aber immer wieder nahm seine Miene jenen unverkennbaren Ausdruck von Enttäuschung an.



Die Offiziere und Wissenschaftler diskutierten über das seltsame Benehmen des Affen, ohne eine Erklärung dafür zu finden. Wäre das Tier auf dem Festland oder auf einem anderen bewohnten Platz entdeckt worden, nicht ausgerechnet auf der unbewohnten Insel, so hätte man den Schluss ziehen können, es sei ständiger Begleiter eines Menschen gewesen, nach dem es nun Ausschau hielt. Aber die Abgeschiedenheit der Insel sowie der Umstand, dass sie unbewohnt war, schlossen eine solche Möglichkeit aus.



Dennoch schien der Affe jemanden zu suchen. Während der ersten Tage der Fahrt stöberte er in allen Räumen des Schiffes. Nachdem er jedes Gesicht geprüft hatte, gab er seine Suche auf und verfiel in einen Zustand völliger Gleichgültigkeit, auch dem Russen gegenüber, aus dessen Händen er seine Nahrung empfing. Nie zeigte er Zuneigung zu Paulvitsch noch zu einem anderen von der Besatzung. Den größten Teil der Zeit verbrachte er im Ausguck des Schiffes und blickte über das Meer, als wisse er, dass die Marjorie W. eines Tages einen Hafen erreichen würde, in dem es neue Gesichter zu mustern gab. An Bord sah jedermann Ajax, wie man das Tier getauft hatte, als das bemerkenswerteste und intelligenteste Affentier an. Aber die Intelligenz war nicht sein einziges hervorstechendes Merkmal. Auch sein körperlicher Zustand war, trotz offensichtlich hohen Alters, hervorragend. Niemand hätte behaupten können, die Jahre hätten an seinen körperlichen oder geistigen Kräften gezehrt.

 



So gelangte die Marjor