Gartenpoesie

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Gartenpoesie

Träumereien

in

Vers und Prosa



von D.R. Raymer


Gartenpoesie

Träumereien in Vers und Prosa

Dr. Daniel Mayer

Copyright 2012 Dr. Daniel Mayer, Wir sind Garten GmbH, www.wirsindgarten.com

published at epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

ISBN 978-3-8442-2540-2




Prolog


Obwohl ich nun schon einige Zeit meine Spuren auf unserem wunderbaren Planeten ziehe wie ein rastloser Fluss seine gewundenen Mäander unaufhörlich in das Erdgestein gräbt und dabei jedes noch so große Hindernis überwindet - oder vielleicht gerade deshalb - liebe ich es, in meinen Mußestunden (die ich mir im Übrigen mit zunehmendem Alter immer häufiger gönne) in irgendwelchen dunklen Ecken im Dachboden oder Keller meines nicht mehr ganz so neuen Gehöfts, das schon vielen vorangegangenen Generationen meiner Familie ein Hort vor den Unbilden der rauen Wirklichkeit war, oder wo immer es sich zu lohnen scheint, nach alten Dingen zu stöbern, aus denen die mystische Vergangenheit mit zeitloser Langsamkeit aus jeder Pore tropft wie zäher Honig von einem silberziselierten Teelöffel, um hingebungsvoll in den scheinbar unendlich weit zurückliegenden Erinnerungen meiner frühen Jahre, mit all der Unbeschwertheit, Leichtigkeit und Freude meines damals so sorgenlosen Daseins zu schwelgen, von diesem und jenem köstlichen Streich zu träumen, den ich einem unliebsamen Nachbarn, Onkel oder Tante mit boshafter Hinterlist gespielt habe, manchmal unvermutet im Geist auch die eine oder andere schallende Ohrfeige von meiner Mutter (sie war in Wirklichkeit viel strenger als mein allseits gefürchteter Vater) zu verspüren, unter deren überirdischen Fittichen ich und meine sechs nicht minder quecksilbrigen Geschwister sonst aber eine grenzenlose Liebe genießen durften, wie sie nur wenigen jemals zuteil wird, wie wunderbar es war, im Frühling lustvoll mit nackten Füßen über feuchte Wiesen zu laufen, um einem nahezu luftleeren Plastikfußball hinterher zu jagen, der, einem tänzelnden Schmetterling gleich, unvorhersehbaren Bahnen folgte, wenn man ihn anstieß, den nahe gelegenen Wald nach einem lauwarmen Sommerregen zu atmen, oder das lähmende Schaudern über meinen Rücken kriechen zu verspüren, als ich nach dem Abspielen einer Hörplatte von Karl Mays „Old Shatterhand“ bei meinem besten Schulfreund in meiner kindlichen Wahrnehmung vermeinte, einen grimmigen Grizzly aus dem Unterholz hervorbrechen und mit erhobenen Pranken und weit aufgerissenem Maul auf mich zu trotten zu sehen, um mich zu zerfleischen, später meine erste große Liebe, die bis zum heutigen Tag mit ihrer fragilen Lieblichkeit und grenzenlosen Treue über mir schwebt, wie ein Seraphin über der goldenen Bundeslade, und mich in tausenden immer wieder neu erstehenden Bildern zu verlieren, um in diesen verklärten Erinnerungen und fontänenhaft aufbrausenden Gefühlskaskaden gleich einem in seiner Einzigartigkeit schaukelnd vom Himmel auf den frühlingswarmen Erdboden herab fallenden Schneestern für immer zu zerfließen……


Kurzum, als ich wieder einmal in meinem halb verfallenen, wackeligen Gartenhäuschen nach eben solchen Kostbarkeiten Ausschau hielt, entdeckte ich ganz hinten in der obersten Lade eines schweren, rachitischen Eichenschrankes, den ich eigentlich schon viele Male - wie ich vermeinte - akribisch durchsucht hatte, eine kleine eisenbeschlagene Truhe aus irgendeinem undefinierbaren grünlichen Material, die von einer fingerdicken Staubdecke zugedeckt war, wie eine Oase in der Sahara nach einem ausgiebigen Wüstensturm von gelbem Sand. Mit aufgeregt zitternden Fingern befreite ich sie vorsichtig von dieser Ehrfurcht gebietenden, Jahrzehnte alten Hülle, die sie bis zu diesem schicksalsschweren Augenblick vor den ungebührlichen Begehrlichkeiten mehr oder weniger unwürdiger Zeitgenossen verborgen hatte, und öffnete den überraschend schweren Deckel, der sich mit einem leisen Ächzen, das mich frappant an das Knarren eines dürren Astes im Sommerwind erinnerte, um vom Rost zerfressene Scharnierkegel drehte, um schließlich weit aufzuklappen, wie das aufgerissene Maul eines ausgehungerten weißen Hais.


Während das Herz in meinen Schläfen schlug, wie ein ausgewachsener Schmiedehammer auf ein rot glühendes Eisenstück, bemächtigte sich meiner alsbald eine tiefe Enttäuschung bis zur Trübsinnigkeit, denn mein forschender Blick fiel nicht auf den sehnlich erwarteten Schatz aus längst vergangenen Tagen, sondern vielmehr auf einen Haufen wertlosen Plunder: zerschlissene Nähseide, ein paar alte Stoffreste, ein völlig zerzaustes geflochtenes Weidenkörbchen, in dem ein Stapel ausgefranster klebriger Spielkarten überhaupt keine Lust auf ein Spiel machte, und einen flachgedrückten Schuhkarton, auf dem das ganze Zeug verstreut war. Bei näherer Betrachtung stellte ich jedoch unter Fieberschüben fest, dass sich unter dem Karton noch etwas verbergen musste, da er ganz offensichtlich so in dem Kästchen festgeklemmt war, um genau dieses Etwas vor allzu neugierigen Blicken zu verstecken. Sogleich räumte ich den Deckel samt dem wertlosen Kram beiseite und vor mir lag eine abgegriffene Mappe mit einem vergilbten, fett glänzenden Ledereinband, der mich an eine beinahe bis zur Unkenntlichkeit abgelegene Speckschwarte gemahnte.


Darauf geschrieben standen in einer blassen Frauenschrift die schlichten Worte „Gedichte und Sinnsprüche von Fanny R.“, Worte, die in meinem Inneren eine diabolische Vorfreude von den Zehenspitzen bis in die letzten Haarwurzeln hoch kriechen ließen, handelte es sich doch bei besagter Fanny R. um meine selige Großmutter, später „Oma-Ur“, eine begnadete Geschichtenerzählerin, die, wie mir scheint, noch als wir auf allen Vieren krochen, vor unseren Augen - ganz ohne Harry Potter - eine phantastische Welt erstehen ließ, in der es nur so wimmelte von giftigen Gnomen, dreisten Trollen, eleganten Elfen, gigantischen Riesen, zerzausten Zwergen, guten oder bösen - aber immer mächtigen und prächtigen - Königen, schönen Prinzen und noch schöneren Prinzessinnen, hässlichen, hinterlistigen Zauberern und Hexen, guten Feen, stampfenden Einhörnen, keuchenden Klushunden, sprechenden Füchsen, Feuer spuckenden Basilisken und Drachen, unerschrockenen Helden und einem unerschöpflichen Kaleidoskop von schillernden Fabelwesen in unvorstellbar fernen, geheimnisvollen Ländern, und uns in dieser Traumwelt, in der, wie im wirklichen Leben auch, nicht immer nur das Gute das Böse besiegte, ganz zwanglos und ohne erhobenen Zeigefinger Moral lehrte und dem gebannten kindlichen Zuhörer eine unbeugsame Liebe zur Natur und Ehrfurcht vor dem Leben tief ins Herz pflanzte, die mich wie eine zentnerschwere Bleipunze geprägt und mein Tun und Lassen bis zum heutigen Tag auf wundersame und unerklärliche Weise bestimmt hat.

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