Mut zum Risiko: Rut

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Mut zum Risiko: Rut
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Rut: Mut zum Risiko

Rut

Mut zum Risiko

Heilige, Helden, Hasenfüße

MENSCHEN DER BIBEL

von Dorothee Boss echter

Dorothee Boss, geboren 1961, studierte Theologie an der Universität Bonn und Mediation an der Fernuniversität Hagen, arbeitet als freie Autorin und Publizistin und lebt in Aachen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.

© 2014 Echter Verlag GmbH, Würzburg

www.echter-verlag.de

ISBN 978-3-429-04723-8 (PDF)

ISBN 978-3-429-06137-1 (ePub)

Inhalt

Jerusalem, 515 v. Chr.

Das Rutbuch

Rut in Gottesdiensten von Juden und Christen

Rut in Kunst, Literatur und Musik

Mut zum Risiko: Rut

Literatur

Jerusalem, 515 v. Chr.

„Gepriesen sei der Herr für die ruhmreichen Frauen Israels!“ Mit diesen begeisterten Worten begrüßte mich eines Morgens der Oberschreiber Jochanan in der Schreibstube nahe am Tempel. Hier schrieben wir, eine kleine Gruppe von gelehrten Männern, die Geschichte unseres Volkes Israel und seines Glaubens an den einzigen Gott nieder.

Ich, Mattatias, seit vielen Jahren Schreiber in Jerusalem, zuckte zusammen. Frauen kamen in der Bibel zwar vor, aber Männer hatten doch bei den meisten Erzählungen die Nase vorn. Meine Frau hatte sich noch gestern darüber beschwert: „Denke nur an alle diese Frauen, Sara, Rachel, Mirjam, Debora. Viel zu selten werden ihre Geschichten erzählt oder vorgelesen. Die Priester haben sie vergessen. Schreibe doch eine Frauengeschichte auf.“ – „Schreibe sie doch selbst auf“, dachte ich. Aber Esther war des Schreibens nicht mächtig.

Jochanan konnte dagegen offensichtlich Gedanken lesen. „Eine Geschichte über eine Frau in Israel? Haben wir nicht schon genug davon?“, meinte ich zweifelnd. Er ging zu seinem Schreibpult und holte schwungvoll seinen Schreibgriffel aus dem Kästchen. „Wieso nicht, Mattatias? Hast Du etwas gegen die Erzählungen über Frauen in den Schriften unseres Volkes Israel?“ – „Natürlich nicht, aber ich weiß nun wirklich nicht, wieso du heute damit kommst.“ Ich ging etwas verärgert zu meinem Schreibpult und räumte erst einmal die Tontäfelchen von gestern weg. „Nun“, meldete sich der Kollege Schimon an der Tür, indem er den Staub von seinen Kleidern klopfte und in unseren Raum eintrat, „das wäre doch eine gute Idee!“

„Kennt Ihr die Geschichte von Rut, der Moabiterin?“, kam Jochanan gleich zur Sache. „Nicht schon wieder“, sagte ich erbost. „Ihre Geschichte geht doch in Jerusalem seit Längerem um“, schaute er mich erstaunt an. „Gestern hat mich noch der Rechtsgelehrte Avi darauf aufmerksam gemacht. Immer mehr Menschen aus anderen Völkern und Stämmen wollen zum Volk Gottes gehören und leben hier in Israel. Fromm, treu den Gesetzen JHWHs, sogar beschneiden lassen sich die fremden Männer …“

„Davon halte ich nichts“, protestierte ich: „Rut war nach der Überlieferung eine Fremde, mit Gottes Volk hatte sie nichts zu tun. Wie kann aus Moab etwas Gutes kommen? Abgesehen davon, Moabiter huldigten doch damals dem Baal, diesem seltsamen Wettergott mit seiner Gefährtin. Den einzigen und wahren Gott zu verehren, darauf sind die Moabiter nicht gekommen, ungebildet wie sie waren und sind.“ – „Na, hör mal“, meinte Schimon säuerlich, “meine Urgroßmutter kam auch aus Moab und sie war sehr fromm. Gehöre ich etwa nicht zu Israel?“ – „Selbstverständlich, aber diese Rutgeschichte aufzuschreiben, das finde ich übertrieben, ehrlich. Dann können wir gleich aufschreiben, wie toll der unkeusche Lot war, wie fromm der Pharao, der unser Volk jagte, wie gottergeben …“

„Also ich finde das prima“, nickte Schimon: „Wir können nicht daran vorbeischauen und so tun, als wären die Fremden nicht da. Als die Priester und Edlen mit ihren Familien vor einigen Jahren aus Persien wiederkamen, da lebten doch nicht nur Hebräer in Israel. Das stimmt einfach nicht. Und diese Rutgeschichte zeigt doch bemerkenswert, wie eine Ausländerin sich zu Gott und Israel bekehrt.“ Jochanan sah mich an: „Genau, das sollten wir tun; eine Geschichte aufschreiben: Die Fremden in Israel, die sich zu Gott bekehren, gehören doch längst zu uns und unserem Glauben. Der Rutstoff passt hervorragend. Lasst uns anfangen.“

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