Behandlung von chronischen Schmerzen mit dem Biokinematik Therapiekonzept. Körperliche Fitness und Beweglichkeit zurückgewinnen – muskulär bedingte Fehlfunktionen und Arthrose vermeiden

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Behandlung von chronischen Schmerzen mit dem Biokinematik Therapiekonzept. Körperliche Fitness und Beweglichkeit zurückgewinnen – muskulär bedingte Fehlfunktionen und Arthrose vermeiden
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Behandlung von chronischen Schmerzen mit dem Biokinematik Therapiekonzept

Körperliche Fitness und Beweglichkeit zurückgewinnen – muskulär bedingte Fehlfunktionen und Arthrose vermeiden

Körperliche Fitness

und Beweglichkeit zurückgewinnen

– Arthrose vermeiden

von

Dirk Ohlsen

Heilpraktiker, München

Ohlsen, Dirk: Behandlung von chronischen Schmerzen mit dem Biokinematik Therapiekonzept

Körperliche Fitness und Beweglichkeit zurückgewinnen – muskulär bedingte Fehlfunktionen und Arthrose vermeiden

München, August 2020

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de München, August 2020

Wichtiger Hinweis für den Leser:

Zweck der in diesem Buch angebotenen Informationen ist unter anderem, bestimmte Behandlungsalternativen bei unerklärbaren oder chronischen Erkrankungen aufzuzeigen. Ziel ist es auch, bestehende medizinische Denkmodelle zu hinterfragen und diese um neue Erkenntnisse zu erweitern. Das Buch ist alleine zu Informationszwecken bestimmt und ersetzt daher keine Behandlung von Krankheiten durch Therapeuten und Ärzte. Es entbindet den Leser keinesfalls von der Verpflichtung, selbst die Verantwortung für seine Gesundheit zu übernehmen und diese Informationen konstruktiv kritisch zu prüfen. Viele der aufgezeigten Therapieoptionen beruhen auf Erfahrungen des Autors und sind im derzeitigen Medizinbetrieb noch relativ unbekannt.

Der Verfasser übernimmt keinerlei Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen. Haftungsansprüche gegen den Verfasser, die sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, welche durch die Nutzung oder Nichtnutzung der dargebotenen Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter oder unvollständiger Informationen verursacht wurden, sind grundsätzlich ausgeschlossen, sofern kein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden vorliegt. Für Schäden oder Unannehmlichkeiten, die durch eine Eigendiagnose, den Gebrauch oder Mißbrauch dieser Informationen entstehen, kann der Verfasser nicht zur Verantwortung gezogen werden. Die dargestellten Patientenfälle dienen der Verdeutlichung von Sachverhalten und stellen insofern keine eigenständige Werbeaussage dar.

Der Einfachheit halber wurde durchweg die männliche Form anstatt schwerfälliger Formulierungen wie „er/sie“ oder „man“ gewählt. Der Verfasser versichert an dieser Stelle, dass dieser Begriff jederzeit auch in seiner weiblichen Form gemeint ist. Frauen und Männer sind somit immer gleichrangig angesprochen.

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.

Umschlagbild: Jenko Ataman / Fotolia.com

ISBN 978-3-942594-59-2 (Print)

unter dem Titel "Schmerzfrei durch Biokinematik"

ISBN 9783752989717 (EPUB Version)

Vorwort

Ich stehe in absoluter Ehrfurcht vor dem Wunder des Lebens. Während Sie diesen Satz lesen, hat ihr Körper bereits schon wieder mehrere Millionen Zellen produziert – völlig autonom und ohne dass Sie bewusst etwas davon mitbekommen hätten.

Angesichts dieser Perfektion ist es doch verwunderlich, wenn heutzutage Millionen Menschen alleine in Deutschland an chronischen Schmerzproblemen leiden und von den konventionellen Therapieverfahren der Schulmedizin oft keine dauerhafte Hilfe erfahren. So zumindest meine Erfahrung in über 15 Jahren therapeutischer Tätigkeit als Heilpraktiker. Auch ein Blick in die Medizinstatistiken untermauert diese Einschätzung. Irgendetwas scheint im Körper vieler Menschen aus dem Gleichgewicht geraten zu sein und sie haben nicht gelernt, die Störung biologisch richtig zu interpretieren – um Abhilfe zu schaffen. Daher macht das Körperbewusstsein die Betroffenen schmerzhaft auf diese Dysbalance aufmerksam.

Durch ein Ereignis in 2002, auf das ich später noch zurückkommen werde, durfte ich an meinem Körper Erfahrungen mit extrem starken Rückenschmerzen machen, die in ein tiefes Verständnis über die Zusammenhänge und Ursachen von chronischem Schmerz mündeten. Hierfür bin ich dem Freiburger Arzt Walter Packi sehr dankbar. Sein Therapiekonzept der Biokinematik hat mich damals in kurzer Zeit wieder gesund gemacht und mich so begeistert, dass ich heute in der Praxis ein überzeugter Anwender bin und diese Behandlungsmethode auf Seminaren weitergebe.

Mit diesem Buch soll das Verständnis beim Leser wachsen, wozu ein (zugegebenermaßen leidlicher) Schmerz sinnvoll ist und welche biologischen Gesetze seiner Entstehung bei einer Vielzahl von chronischen Schmerzen gelten. Hieraus ergeben sich neuartige Therapiemöglichkeiten für viele Beschwerdebilder, die als chronisch eingestuft werden, aber in Wirklichkeit oft bei entsprechender Mitarbeit des Patienten vollumfänglich heilbar sind. So lassen sich häufig dauerhafter Schmerzmittelkonsum und Operationen zur Schmerzbeeinflussung gänzlich vermeiden. Noch besser wäre es in der Zukunft, frühzeitig im Sinne einer Prophylaxe mit den sehr speziellen Körperübungen zur Erhaltung der Beweglichkeit zu beginnen. Dann entsteht ein Großteil der orthopädischen Krankheitsbilder bereits im Vorfeld nicht und der Betroffene kann sich seiner körperlichen Fitness bis ins hohe Alter erfreuen. Dies würde sicherlich auch eine deutliche Reduktion vieler Bandscheiben- oder Gelenk­ersatz-Operationen zur Folge haben.

Die angesprochenen Biokinematik Übungen lassen sich aus meiner Sicht über eine Bilddarstellung oder ein Video nicht zielführend schulen. Bei Schmerzpatienten sollten sie ausschließlich von einem erfahrenen Therapeuten, der diese selbst perfekt beherrscht, persönlich gelehrt werden. Nur so ist das maximale Potential dieses Behandlungskonzeptes erreichbar. Daher sind die Übungen in diesem Buch nicht ausgeführt. Hintergrund ist die Tatsache, dass durch die häufig langjährige Fehlnutzung und die muskuläre Fehlfunktion die Körperwahrnehmung gestört ist. Zum Verständnis soll dies bildhaft mit einem Golfschwung verglichen werden, der von einem Coach professionell angeleitet werden muss. Es wird kaum gelingen, das Golfen autodidaktisch ohne professionelle Anleitung zu erlernen bzw. am Ende mehr Mühe, Aufwand und Kosten nach sich ziehen.

Die Biokinematik hat in über 30 Jahren ihrer Anwendung bewiesen, dass sie eine sehr effiziente Therapieform zur Behandlung von Schmerzen und bestimmten anderen Erkrankungen, (vor allem im Bereich des Bewegungsapparates) ist. Darüber hinaus steigert sich die körperliche Fitness und Koordination. Grundsätzlich lassen sich mit dieser Methode auch eine gewisse Anzahl von Erkrankungen erklären, die bislang in der Medizinwissenschaft weitgehend „unklarer Ursache“ sind. Hier kann die Biokinematik helfen, das Verständnis von bestimmten Grundgesetzmäßigkeiten und Wirkprinzipien des Körpers zu erhöhen. Im Rahmen des Buches wird konkret auf einige häufige Krankheitsbilder (Rückenschmerz, Bandscheibenvorfall, Meniskusprobleme, Arthrose) und deren Therapie bzw. Prophylaxe eingegangen. Hier ist die Sichtweise oft sehr unterschiedlich zu den derzeit noch postulierten Erklärungsmodellen der aktuellen Leitlinien-Medizin – bei allerdings langjährig nachgewiesenen Erfolgen, wo konventionelle Therapien versagt hatten.

Um zu einer Selbsteinschätzung der Beweglichkeit des eigenen Körpers zu kommen, ist im letzten Kapitel eine Übersicht der wichtigsten Bereiche des unteren Körpers exemplarisch dargestellt. Hiermit kann der Leser selbst überprüfen, inwieweit bestehende körperliche Probleme vielleicht primär mit der Muskelfunktion und der Beweglichkeit zusammenhängen.

Viel Freude mit der Lektüre,

Dirk Ohlsen

Hinweis zur Didaktik: Da zum Verständnis der Logik der Entstehung von Störungen am Bewegungsapparat ein gewisses Grundverständnis wichtig ist, sollten die einzelnen Kapitel nacheinander gelesen werden.

Die Bewegung des Körpers und die Bedeutung der Muskulatur

Zur Bewegung benötigt der Mensch Bausteine, die sich verkürzen und verlängern können – die Muskeln. Sie stellen als Struktur die größte Masse des Körpers dar und sind in Summe der größte Energieverbraucher. Der Anteil von Muskeln am Gesamtgewicht beträgt bei einer Frau etwa 27-43% und beim Mann etwa 37-57%. Knochen machen nur etwa 12-15% des Körpergewichts aus. Muskeln arbeiten in praktisch allen inneren Organen, wie Herz oder Darm. Lediglich die Milz ist hiervon ausgenommen.

Aus didaktischen Gründen wird nachfolgend von den „Muskeln“ gesprochen, obwohl es sich in Wirklichkeit um eine wesentlich komplexere Struktur aus Muskeln, umhüllendes und durchziehendes Bindegewebe sowie Sehnen handelt, die den Körper als Fasziennetz verbunden durchlaufen.

In diesem Buch werden etwas differenzierter aktiv bewegende und passiv bewegte Körperstrukturen unterschieden. Aktiv bewegend sind hier die Muskeln im eigentlichen Sinne, die stark durchblutet sind und die sich wie eine Art Teleskopstange unter Energieverbrauch entweder zusammen- oder auseinander bewegen können. Die von der Aktivität der Muskeln bewegten passiven Strukturen sind im Wesentlichen die Sehnen, Bänder und Knochen. Eine Sonderrolle nimmt das den ganzen Körper durchziehende fasziale Bindegewebe ein, das ebenfalls eine gewisse Eigenaktivität hat. Diese Aktivität ist im Vergleich zum Energieverbrauch der Muskulatur eher gering – sie spielt jedoch u.a. bei Unfallverletzungen und Überdehnungen eine überaus wichtige Rolle.

Grundsätzlich sollte bei inneren Erkrankungen oder chronischen Schmerzzuständen immer ein Zusammenhang mit der Muskulatur in Betracht gezogen werden. Übergroße Muskelverspannungen und Muskel-FUNKTIONSDEFIZITE können zahlreiche Probleme hervorbringen. Doch die Muskulatur ist vielleicht die von der Medizinwissenschaft und den Ärzten immer noch am meisten vernachlässigte Struktur im Körper. Ihr Zustand kann qualitativ hochwertig nur durch körperliche Untersuchung/Tastbefund und über die Prüfung der Beweglichkeit/Muskelfunktion analysiert werden. Dagegen liefern technische oder bildgebende Diagnoseverfahren, wie Kernspintomographie oder Ultraschall unzureichende Ergebnisse. Daher besteht die grundsätzliche Gefahr, dass mit Hilfe derartiger radiologischer Bilder vermeintliche Ursachen diagnostiziert werden, die entweder überhaupt nichts mit den Beschwerden zu tun haben oder die erst die Folge einer muskulären Funktionseinschränkung über längere Zeit hinweg sind. Wenn allein aufgrund eines bildgebenden Verfahrens am Ende dann die Notwendigkeit einer Operation abgeleitet wird, entstehen Gefahren für den Patienten. Selbst die deutschen Krankenkassen sind heute bereits der Meinung, dass am Bewegungsapparat zu viel unnütz operiert wird.

 

Für viele Ärzte sind die Muskeln leider etwas mehr oder weniger Unwichtiges, zumindest was Therapieoptionen anbelangt. Orthopäden schauen beispielsweise nur wenig auf die Muskulatur, sondern nehmen vor allem Knochen, Knorpel und Bandapparate ins Visier und sehen diese als Ursache von Problemen an. Die hier sichtbaren Effekte sind oftmals nicht Ursache der Erkrankungen, sondern ein nachfolgendes Ereignis – ausgelöst durch körperliche Anpassungsvorgänge. Die im Bereich der Behandlung von Schmerzen ebenfalls häufig konsultierten Neurologen betrachten besonders Nerven als Ursache und berücksichtigen Muskeln ebenfalls kaum. Die Sportmedizin betrachtet Muskeln genauer, legt den Schwerpunkt jedoch auf die Erzielung sportlicher Höchstleistungen und weitaus weniger auf chronische Erkrankungen des Bewegungsapparates. Ganz generell wird in der Medizinwissenschaft derzeit mehr die Kraft als die Beweglichkeit der Muskeln in Augenschein genommen. Im weiteren Verlauf dieses Buch wird daher auch der Nutzen von isolierter Kräftigung von Muskeln in Frage gestellt werden. Kräftigungs- oder Stärkungsprogramme sind bei chronischen Schmerzproblemen mit muskulärer Ursache nur in wenigen Fällen wirklich sinnvoll, da sie die meist bereits stark eingeschränkte Beweglichkeit noch weiter reduzieren. Ein Betroffener bleibt daher oft Dauerpatient und die Statistiken zum Wachstum von chronischen Schmerzzuständen (+3-5% pro Jahr) untermauern diese Sichtweise.

Leider scheint weltweit die überwiegende Anzahl der Menschen unter Verspannungen oder muskulären Schmerzproblemen zu leiden, ohne dass von medizinischer Seite die wirkliche Ursache gefunden werden kann. Oftmals kommt es deshalb zu langwierigen Therapieversuchen an der falschen Stelle. Manchmal werden Betroffene auch mit der Diagnose „eingebildeter Schmerz“ und der Empfehlung von Psychopharmaka nach Hause geschickt. Häufig wird es auch als „altersbedingtes Leiden“ eingestuft, bei dem therapeutisch nichts mehr unternommen werden kann.

In derartigen Fällen wäre ein fürsorglicheres Vorgehen, welches kreativ andere, auch muskuläre Ursachen in Erwägung zieht, sicherlich zu befürworten. Da der Körper permanent auf die Aufrechterhaltung seiner Gesundheit achtet, muss in Wirklichkeit eine tieferliegende Ursache für das Bestehen der Schmerzprobleme vorliegen. Diese sollte gesucht und gefunden werden, anstatt lediglich die Symptome beispielsweise mit Medikamenten oder Operationen zu bekämpfen. Derartige Interventionen zur Behandlung von chronischem Schmerz haben nur selten auf Dauer ihre Berechtigung.

Das Zusammenspiel von Muskeln

Sofern im Körper eine Bewegung durchgeführt wird, sind daran immer mindestens zwei Muskeln involviert. Die meisten Muskeln sind über Sehnen mit jeweils zwei Knochen verbunden. Zusammen mit einem Gelenk bildet sich so die kleinste funktionierende Bewegungseinheit des Körpers. Während der eine Muskel sich nun zusammenzieht, muss der andere Muskel im gleichen Umfang und genauso gleichmäßig nachlassen. Diese Synchronizität ist von entscheidender Bedeutung, um eine harmonische Bewegung, bei der ein Gelenk nicht überbelastet wird, überhaupt erst zu ermöglichen.

Diese zwei Muskeln werden jeweils als Spieler (Agonist) und Gegenspieler (Antagonist) bezeichnet. Vom Aufbau her betrachtet besteht jeder dieser Muskeln aus vielen einzelnen Muskelfaserbündeln. Während einer Bewegung werden abwechselnd bestimmte Muskelfasern des Spielers zusammengezogen, während die genau entgegen stehenden Muskelfasern des Gegenspielers gleichzeitig nachlassen müssen. So ergibt sich eine hochkomplexe Bewegungsbahn, die geometrisch genau definiert ist. Beide Muskelgruppen – sowohl der Agonist als auch der Antagonist – verbrauchen während der Bewegung Energie (ATP). Hierbei kommen in der Natur sowohl einfache lineare, als auch genau kreisförmige Bewegungen niemals vor. Dreidimensional betrachtet handelt es sich bei Lebewesen immer um spiralförmige Bewegungsmuster, die praktisch ohne Wirkungsgradverluste arbeiten. Dies steht im Gegensatz zur Ingenieurskunst, in der meist auf lineare und kreisförmige Bahnen zurückgegriffen wird. Hier treten immer Wirkungsgradverluste und Reibungskräfte auf. Die Natur des Menschen ist daher weitaus perfekter. Ein wichtiger Aspekt, warum der Körper nicht einfach mit einer Maschine verglichen werden darf.

Die gesamte Struktur von über 600 Muskeln ist von Bindegewebsfasern umgeben und durchzogen, deren wichtige Bedeutung erst langsam erforscht wird. Zahlreiche Wissenschaftler gehen mittlerweile davon aus, dass dieses System über eigenständige Kommunikationswege verfügt, die noch nicht einmal auf Nervenbahnen angewiesen sind. Dieses Faszien-Gewebe, das den ganzen Körper durchzieht, wird ausschließlich vom Unterbewusstsein gesteuert. Es kann als ein eigenständiges Organsystem im Körper angesehen werden, dass die Bewegung und Steuerung des Körpers unterstützt. Auch bei Unfällen wird es relevant, denn es kann sich beispielsweise blitzschnell reflexartig verhärten, um die Verletzung von Knochen oder anderen Geweben zu vermeiden. Ein Mensch könnte im Notfall mit dem logischen Verstand und anschließender, zeitverzögerter Reaktion niemals blitzartig eine Entscheidung treffen, um Schaden von seinem Körper abzuwenden.

So nützlich dieser Schutzreflex des Bindegewebes ist – bei chronischen Schmerzzuständen spielt er oft eine Hauptrolle und sollte deshalb intensiv in eine Behandlung miteinbezogen werden. In vielen Fällen sind sogar ein früherer Unfallschock und heutige, fasziale Gewebespannung in diesem Körperbereich miteinander „verknüpft“.

Darüber hinaus kann die Betrachtung der Muskeln und des Fasziengewebes als ein untrennbar miteinander verbundenes Bewegungssystem erklären, warum viele Schmerzen und Beschwerden weit ab von der eigentlichen Problemstelle entfernt liegen können. In der Schmerztherapie kann dieser Zusammenhang, der oft auch als Muskelketten-Denken bezeichnet wird, sehr zielführend sein.

So kann beispielsweise ein Knieschmerz seine wirkliche Ursache in den Muskelstrukturen der Fußsohle haben. Funktional sind Muskeln also miteinander verbundene Strukturen (Muskelketten), die den Körper von unten bis oben durchziehen und wo ähnlich wie im Staffellauf permanent Kräfte von einem Muskelfaserbündel auf das nächste übergeben werden. Hierbei beginnt jede Bewegungsbahn prinzipiell am ersten Halswirbel (Atlas) als Aufhängepunkt und endet in den Händen bzw. den Füßen. Die Knochen sind Teil dieser Bewegungsbahn, was sich über ihre Spannungslinien (Spongiosa Struktur) leicht nachvollziehen lässt.

Dieses komplexe Zusammenspiel geschieht unmerklich und wird vom Unterbewusstsein gesteuert. Grundsätzlich spürt man eine funktionsfähige Muskulatur nicht – erst die Auswirkungen von Störungen können als Grobmotorigkeit, Schmerz, Kribbeln, Taubheit, Missempfindungen oder auch Lähmungen bewusst werden. Derartige Symptome können daher grundsätzlich eine muskuläre Ursache haben und dürfen daher medizinisch nicht pauschal einer Nervenstörung zugeschrieben werden.

Für das synchrone Zusammenspiel der Muskulatur ist es erforderlich, dass der Körper in den jeweiligen Einzelfasern Signalgeber (Rezeptoren) hat, die dem Unterbewusstsein permanent mitteilen, wie der jeweilige Spannungszustand eines Muskelfaserbündels zu einem bestimmten Zeitpunkt ist. Die hierbei an das Gehirn zu übertragende Datenmenge pro Sekunde ist unbeschreiblich hoch – die Anzahl derartiger Messfühler wird auf über 10.000 geschätzt. Die Wissenschaftler nennen diese Sensoren u.a. „Propriozeptoren“ (u.a. Golgi, Ruffini, Pacini). Deren Informationen sind beispielsweise notwendig, um überhaupt das Gleichgewicht halten zu können. Denn das Gehirn verknüpft diese Daten mit den Informationen aus den Gleichgewichtsorganen des Innenohrs und berechnet so die Lage des Körpers im Raum. Anschließend steuert es dann blitzschnell alle jeweiligen Muskeln so an, dass der Mensch in der Balance bleibt. Bei jedem Ein- und Ausatmen oder mit jeder Kopfbewegung ist eine Anpassung in der Fußmuskulatur nötig. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es weniger um die Betrachtung einzelner Muskelfasern geht, sondern um die Steuerung der gesamten Muskelketten durchgehend vom Kopf bis zum Fuß. Dies zeigt, warum es einige Zeit dauert, bis das Laufen gelernt wurde und welche Perfektion sich hinter artistischen Höchstleistungen auf unterbewusster Steuerungsebene verbirgt.

Schmerz ist ein

Bewusstseinsprozess

Für gewöhnlich arbeitet das muskuläre System in den ersten Lebensjahrzehnten einwandfrei – ohne dass ein Mensch im Alltagsbewusstsein Kenntnis davon nimmt. Meistens wird die Bedeutung dieses Systems erst viel später bewusst, wenn plötzlich Schmerzen auftreten.

Um was handelt es sich bei Schmerz?

Die derzeit allgemein medizinisch verwendete Definition lautet: „Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit tatsächlicher oder potenzieller Gewebeschädigung einhergeht oder von betroffenen Personen so beschrieben wird, als wäre eine solche Gewebeschädigung die Ursache.“

Schon diese Definition zeigt, dass es sich um einen Bewusstseinsprozess handelt. Weiterhin wird explizit darauf hingewiesen, dass eine Schädigung eines Körpergewebes nicht zwingend stattgefunden hat, falls es zu Schmerzen kommt.

Alle Menschen kennen Schmerzen, aber warum und wieso Schmerzen wirklich auftreten, ist nach meinen Recherchen bis heute wissenschaftlich weitgehend ungeklärt. Die Schmerzforschung teilt Schmerzen heute weitgehend isoliert nach anatomischen Strukturen ein, z.B. nach der Art der Gewebe oder dem Schmerzort. Beispiele hierfür sind Nervenschmerz (Neuralgie), Meniskusschmerz, Bandscheibenschmerz oder aber auch somatischer bzw. psychosomatischer Schmerz. Je nach Qualität des Schmerzes (bohrend, stechend, dumpf . .) erfolgen weitere Einteilungen und es werden hieraus vermeintliche Schmerzursachen abgeleitet.

Viele dieser Einteilungen sind therapeutisch wenig zweckmäßig und verwirren die betroffenen Schmerzpatienten oftmals noch weiter.

Besser wäre es, die Tatsache anzuerkennen, dass Schmerz erst durch die Verarbeitung von Signalinformationen im Bewusstsein entsteht. Diese Sichtweise und ihre therapeutische Bewertung scheint aber in der Schmerzforschung weitgehend ausgeklammert zu werden – obwohl hier die Lösung zur Vereinheitlichung vieler Schmerztheorien liegen würde.

Selbstverständlich wurden viele verschiedene Erklärungsmodelle hervorgebracht und einige sehr wirksame Schmerzmedikamente erfunden. Eine einheitliche Herleitung, welche alle oder zumindest viele Schmerzen und ihren biologischen Sinn auf einen gemeinsamen Nenner bringen würde, scheint in der medizinischen Lehre aber bis heute nicht gefunden zu sein.

Hierzu einige Zahlen zum Konsum von Schmerzmedikamenten: Nach Angaben des BKK Gesundheitsreports 2015 nimmt jeder Deutsche jährlich durchschnittlich 50 Kopfschmerztabletten ein. Von 2006 bis 2015 stieg der Absatz der extrem starken Schmerzmittel (Opiate) um 31 % an, obwohl die potentiellen Nebenwirkungen ganz erheblich sind. 300.000 Deutsche gelten als opiatabhängig.

In den meisten medizinischen Erklärungsmodellen wird Schmerz mit irgendeinem Schaden oder einer Entzündung in Verbindung gebracht. Vor allem die bei chronischen Schmerzproblemen so häufig aufgesuchte Fachärzteschaft der Orthopädie spricht hiervon regelmäßig – selbst wenn im Blut sogenannte Entzündungsparameter überhaupt nicht festgestellt werden können und sich der Patient ansonsten bester Gesundheit erfreut.

Grundsätzlich bleibt in der derzeit noch gängigen medizinischen Lehrmeinung die Frage unbeantwortet, warum manche (angeblichen) Entzündungen bei ansonsten intaktem Immunsystem jahrelang bestehen können und der Grund für chronische Schmerzen sein sollen. Die Biokinematik geht grundsätzlich davon aus, dass tatsächliche Entzündungen gleichzeitig von den fünf klassischen Entzündungszeichen begleitet sind. Diese sind: Rötung, Schwellung, Übererwärmung, eingeschränkte Funktion und Schmerz. Zudem sind Entzündungen im Regelfall in Blutuntersuchungsparametern nachweisbar (Leukozyten, Blutsenkung, C-reaktives Protein, Procalcitonin...). Fehlt nur eines der Entzündungszeichen oder ist im Blut keine Entzündung nachweisbar, so geht die Biokinematik therapeutisch nicht von einer primären Entzündungproblematik aus. Viele dieser genannten Symptome lassen sich über die Muskelfunktion und deren schon länger eingeschränkte Funktion erklären.

 

Diese Sichtweise unterscheidet sich klar von der Vorgehensweise der klassischen Schulmedizin, insbesondere im Bereich der Orthopädie. Ich kenne den Leidensdruck von chronischen Schmerzpatienten und er wird dann besonders deutlich, wenn einem Betroffenen am Ende einer langen, erfolglosen Behandlung von Ärzten als Alternative mitgeteilt wird, seine Probleme wären rein psychischer Natur oder lediglich eingebildet, obwohl es sich tatsächlich lediglich um größere muskuläre Fehlfunktionen handelt. Offensichtlich bestehen bezüglich des Schmerzphänomens noch große Defizite in den Theorien der Schulmedizin.

Ich möchte darauf hinweisen, dass Schmerz auch nur in den seltensten Fällen ein Hinweis auf wirklich lebensbedrohliche Erkrankungen ist. Viele Immunerkrankungen oder auch Krebs sind bis zum Endstadium nicht oder nur kaum schmerzhaft. Oftmals werden diese Erkrankungen erst dann sehr schmerzhaft, wenn durch eine Raumforderung oder die Gewebezerstörung die freie Beweglichkeit von Muskelstrukturen beeinträchtigt wird.

Um die Entstehung von Schmerz tiefgreifend zu verstehen, ist es unabdingbar, sich gedanklich von der Stelle wegzubewegen, an der es weh tut.

Es ist erforderlich, die lokale Dimension des Schmerz­ortes zu verlassen und eine Ebene höher zu gehen – in das menschliche Bewusstsein. Denn die Schmerzwahrnehmung ist in erster Linie ein Bewusstseinsprozess. Daher spüren bewusstlose Menschen keinen Schmerz. Diesen Effekt macht sich die Medizin nach schweren Unfällen zu Nutze, wenn Verletzte in ein künstliches Koma versetzt werden. Das Spüren von Schmerz ist eine Empfindung, welche erst im Bewusstsein hervorgebracht wird. Es ist immer eine individuelle Bewertung von Informationen aus dem Körper und der Psyche des Betroffenen. Diese Bewertung erfolgt im (Unter-)Bewusstsein, das alarmiert reagiert, wenn bestimmte Normparameter größere Abweichungen aufweisen. Dies erklärt auch, warum Menschen Schmerz in seiner Ausprägung subjektiv so unterschiedlich empfinden.

Aus eigener Erfahrung sind mir starke Schmerzen aus der Vergangenheit sehr gut bekannt. Doch für mich besteht kein Zweifel, dass Schmerz durch das (Unter-)Bewusstsein lediglich in eine bestimmte Region projiziert wird. Er entsteht erst durch die Verarbeitung von verschiedenen Informationen und nicht bereits an der Stelle, wo es schmerzt. Aus diesem Grund darf man sich nicht täuschen lassen, dass genau an der Schmerzstelle ein Schaden sein muss. Das kann der Fall sein, muss aber nicht. Insbesondere bei chronischen Schmerzen wird häufig am Schmerzort kein Schaden vorhanden sein – auch wenn in der derzeit noch herrschenden Lehrmeinung der Medizin oft Gegenteiliges behauptet wird. So kommt es zur Interpretation vermeintlicher „Normabweichungen“ bestimmter Körperteile, die beim Schmerzgeschehen oftmals überhaupt nicht relevant sind. So geschieht es, dass häufig unnötig oder an der falschen Stelle therapiert wird. Der immer weiter zunehmende Anteil chronisch schmerzkranker Menschen in der Bevölkerung belegt deutlich, dass es offensichtlich große Behandlungsdefizite in der Schmerztherapie gibt.

Wie weit dies die Lebensqualität und die Produktivität von Betroffenen einschränkt, kann nur gemutmaßt werden.

Derartige Schmerzen werden in der Mehrzahl der ärztlichen Diagnosen als unspezifisch bezeichnet. Dies bedeutet, dass die Ursache des Schmerzes aufgrund einer unvollständigen Schmerztheorie unbekannt erscheint. Grundsätzlich möchte ich auch davor warnen, jeden Menschen im Sinne einer einheitlichen Norm optimieren zu wollen, wie dies in zahlreichen Therapien immer wieder geschieht. Es gibt keinen Normmenschen, sondern rund sieben Milliarden Menschen mit variantenreichen Körpern und unterschiedlichen psychischen Prägungen.

Schmerzphänomene sind deshalb höchst individuell, und insofern auch meist unterschiedlich zu therapieren. So häufig Parallelen der Ursachen zu finden sind – ich habe noch keine zwei identischen Patienten in meiner Praxis gehabt. Von einem weit verbreiteten Denken in „Standardschubladen“ sollte sich die Medizinwissenschaft deshalb besser hüten. Sicher spielen häufig auch psychisch-emotionale Probleme eine Rolle, auf die in diesem Buch nicht tiefer eingegangen werden kann. Doch selbst diese müssen zur Entstehung von chronischem Schmerz nicht zwingend vorhanden sein. Es ist also zu kurz gegriffen, wenn Mediziner ohne Nachweis einer körperlichen Schädigung den Schmerz am Ende als psychisch verursacht (psychosomatisch) ansehen.


Schmerz kann ohne einen körperlichen Schaden, ohne äußerliche Fremdeinwirkung und ohne einen Ent­zündungsprozess entstehen. Nervenbeeinträchtigungen müssen ebenfalls keine ­Rolle spielen.Die meisten chronischen Schmerzen fallen in diese Kategorie und werden bislang nicht ursachengerecht therapiert.

Nutzwert von Schmerz

Es mag erstaunen, doch aus Sicht des Körpers hat Schmerz sicher einen großen Nutzen. Nur so lässt sich erklären, dass im Rahmen der menschlichen Evolution die Schmerzwahrnehmung nicht verschwunden ist. Geschätzte 70 Billionen Körperzellen arbeiten im Körper laufend harmonisch und synchron zusammen. Die Medizinwissenschaft ist derzeit nicht in der Lage, die Steuerung einer solchen Komplexität auch nur annähernd zu erklären. Es ist sicher zu kurz gedacht, wenn nun davon ausgegangen wird, dass bestimmte Schmerzphänomene eine Laune der Natur oder ein Fehler seien. Es gibt einen überaus großen Nutzen von Schmerz, und dieser lässt sich aus der Regulationslogik des Körpers heraus erklären. Bei den nachfolgenden Überlegungen zu einem Erklärungsmodell steht deshalb nicht ein „Fehler“ im System Körper im Vordergrund, sondern die Suche nach der „Sinnhaftigkeit des Schmerzes“ im Rahmen der Regulationslogik für den Betroffenen.

Zur Verdeutlichung des Schmerzphänomens werden an dieser Stelle zwei grundsätzliche Arten von Schmerzen unterschieden. Im Gegensatz zu der Einteilung der Schulmedizin, welche Schmerzen gewöhnlich nach dem Ort des Geschehens einteilt, erfolgt hier eine Differenzierung nach der Sinnhaftigkeit bzw. der Logik des Schmerzes:

1) Akutschmerz / Verletzungsschmerz

Hier handelt es sich um einen Schmerz, der seine Ursache in einer (akuten) Verletzung hat. Hier ist ein echter Schaden am Körper eingetreten. Das kann beispielsweise eine Verbrennung, eine Schnittwunde, oder ein Fremdkörper sein. Die Ursache des Schmerzes ist ein von außen zugefügtes Ereignis. Genau in diesem Fall ist es sinnvoll, dass das Bewusstsein über eine Empfindung direkt am Schmerzort mitteilt, an welcher Stelle genau es ein Problem gibt. Der Betroffene kann anschließend bewusst eine logisch-rationale Handlung dagegen unternehmen, wie einen Splitter zu entfernen oder einen Arzt aufzusuchen, der beispielsweise eine Wundverletzung nähen kann. Dies dürfte die Art von Schmerz sein, mit der ein Kind im Leben als Erstes konfrontiert wird.