Ein kunterbunter Streifzug durch den Jahreskreis

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WENN GÄRTNER IN DEN MOND GUCKEN

„Gertrud ist die erste Gärtnerin“, heißt eine alte Bauernregel. Sie besagt, dass am 17. März, dem Tag der heiligen Gertraud, früher die ersten Aussaaten im Garten erfolgten. Doch musste die heilige Gertraud mit dem Mond im Bunde stehen, denn dieser spielte im Aberglauben unserer Vorfahren eine wesentliche Rolle. So war der Mond nicht nur ein untrüglicher Wetterprophet, sondern auch verantwortlich für mancherlei Krankheiten. Schließlich gab der Mond unseren bäuerlichen Vorfahren Anweisungen zur Verrichtung ihrer Arbeiten im Garten, in Feld, Wiese und im Wald.

So sind im „Handbüchlein der Sympathie von 1858“ folgende Anweisungen niedergeschrieben: „Das Geschlecht des zu zeugenden Pferdes zu bestimmen: Stuten, bei zunehmendem Monde belegt, bringen Hengst-, bei abnehmendem Monde Stuten-Füllen.“ „Maulwurfshaufen sind in abnehmendem Monde zu zerstören.“ „Die beste Zeit, Weiden zu kappen und zu setzen ist das letzte Mondviertel im Februar.“ „Heusamen streut man im März bei zunehmendem Monde aus.“ „Die beste Zeit zum Heu- und Grummetmachen ist bei zunehmendem Monde, weil dann das Gras mehr Saft hat, folglich ein besseres Futter gibt.“ „Kein Getreide, mit Ausnahme der Erbsen und Wicken, darf bei Mondwechsel gesät werden.“ „Hafer sät man bei abnehmendem Monde im März; im April gesät, gibt er mehr Stroh und weniger Körner.“ „Gefüllte Blumen zu ziehen, säe man den Samen solcher, die genau bei Vollmond geblüht haben, und setze die Pflanzen zwei Tage vor – oder am Neumond.“ „Alle Wurzel- und Knollengewächse müssen bei abnehmendem – alle Krautpflanzen bei zunehmendem Monde gesät, gesteckt oder gepflanzt werden; Hülsenfrüchte im letzten Viertel.“

Wer in den Mond guckt, hat normalerweise das Nachsehen. Im biologischen Gartenbau aber ist das genau umgekehrt. Wenn Gärtner nach dem Mond Ausschau halten, lesen sie ganz bestimmte Tage der Aussaat, Pflege und Ernte ab, die das Wachstum und die Gesunderhaltung ihrer Pflanzen im Garten durch kosmische Kräfte des Erdtrabanten und der Planeten positiv beeinflussen: Die Sterne bringen auch dem Gärtner Glück.

Man mag dazu stehen wie man will: Erfahrungen der letzten sieben Jahrzehnte bestätigen die Gartenbaulehre der Anthroposophen, dass sich „Mond-Gärtner“ die kosmischen Kräfte für die Erde nutzbar machen. Wer genau zum Zeitpunkt der günstigsten Mond-Tierkreis-Konstellation sät oder pflanzt, der kann mit reichen Ernten rechnen.

Die Anthroposophin Maria Thun hat jahrzehntelang mit Aussaaten nach den verschiedenen Mondphasen experimentiert. Sie beobachtete dabei den Lauf des Mondes durch die Tierkreiszeichen. Sie stellte in zahlreichen Versuchsreihen fest, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Wachsen der Pflanzen und den zum Zeitpunkt der Aussaat wirksamen Planetenstellungen gibt.

Der Aussaatkalender, der jedes Jahr neu erstellt wird, unterscheidet zwischen Blattgewächsen, Fruchtpflanzen, Wurzelgewächsen und Blütengewächsen. Wenn der Mond im Sternbild der Fische, des Krebses und des Skorpions steht, sind die sogenannten Blatttage. An diesen Tagen sollten also Blattgewächse gesät oder gepflanzt werden. Sie gedeihen dann besonders gut, stehen sie doch im wahrsten Sinn des Wortes unter einem guten Stern. Da der Mond nur ein bis zwei Tage in einem Tierkreiszeichen verweilt, wechseln sich die Saattermine der vier Pflanzengruppen ständig ab.

Fruchtgewächse wie Bohnen, Erbsen, Tomaten, Gurken und Kürbisse sind an den Fruchttagen zu säen oder zu pflanzen, wenn der Mond im Sternbild des Widders, des Löwen und des Schützen steht. Die Wurzelfrüchte wie Möhren, Sellerie, Radieschen, Rettich, Schwarzwurzeln aber auch Kartoffeln und Zwiebeln sind an den Wurzeltagen zu säen, wenn der Mond im Sternbild von Stier, Jungfrau und Steinbock steht. Die Blütengewächse stehen im Zeichen von Zwilling, Waage und Wassermann. Blumenkohl, Broccoli und alle Blumen werden an „ihren“ Blütentagen gesät. Übrigens: Wenn man Blumen für die Vase an Blütentagen schneidet, ist der Duft am intensivsten; sie bleiben lange frisch.

Auch für die Bodenbearbeitung, die Hackarbeit, das Unkrautjäten, die Hege und Pflege mit biologischen Spritzmitteln, für Ernte und Lagerung sind besondere „Mondtage“ vorzuziehen. Auch das Sammeln von bestimmten Blütenpflanzen zur Herstellung von Spritz- oder Kompostpräparaten geschieht am besten an bestimmten Tagen.

Soll der Rasen schnell wachsen, mäht man ihn an Blatttagen; dann wird er auch schön dicht. Möchte man nicht so oft mähen, bieten sich die Blütentage an.

DER FRÜHLING HÄLT SICH NICHT AN DEN KALENDER

Der Frühlingseinzug hält sich selten an die jahreszeitlich vorgegebenen Daten im Kalender, zumindest nicht bei uns in Mittel- und Westeuropa. Ein stabiles Hoch, eine verlässliche Wetterlage gibt es eigentlich nur im Herbst. Dauerhochs wie in den Sommern 1959, 1976, 1983 oder auch 1991 sind eine ungewöhnliche Ausnahme.

Zwar rechnen uns die Astronomen den Tag des Frühlings-, Sommer-, Herbst-und Winterbeginns auf die Sekunde genau aus, doch hält sich unser Wetter höchst selten daran. Wie oft setzt zum Beispiel das Frühlingswetter erst im Mai ein, wie oft beginnt der richtige Sommer erst Mitte Juli oder der Winter erst Mitte Januar. Der „Kalender der Natur“ geht eben andere Wege. Präziser sind da die Naturbeobachtungen, die wir mit mehr oder weniger wachem Auge machen. Uns allen sagen die ersten blühenden Schneeglöckchen, das Stäuben des Haselstrauches oder der Blühbeginn der Forsythie mehr als die Überquerung des Äquators durch die Sonne am 21. März.

Wer Garten, Feld und Wald beobachtet, weiß: Pflanzen zeigen die natürliche Jahreszeit an. Die Wissenschaft hat daraus eine sehr ernstzunehmende Disziplin entwickelt, bei der sich Pflanzen- und Wetterkunde überschneiden. Es ist die Phänologie, die sich Pflanzen als „natürliche Messstationen“ zunutze macht. Da die Vegetation äußerst fein auf alle Wettereinflüsse reagiert, ist sie stets ein genaues Spiegelbild des sie umgebenden Klimas. Bestimmt Wild- und Kulturpflanzen werden europaweit beobachtet. Diese „Zeiger- oder Signalpflanzen“ verhalten sich alle sehr eindeutig. So läuten die Schneeglöckchen den Vorfrühling ein, die Salweidenblüte zeigt den Beginn des Erstfrühlings an, die Apfelblüte kündet den Vollfrühling an und die Blüten des Holunders und der Heckenrose den Frühsommer. Beginn und Dauer der natürlichen Jahreszeiten schwanken aber von Jahr zu Jahr, im Frühjahr weitaus mehr als im Sommer.

Extreme Vegetationssprünge gibt es selten. Es waren beispielsweise die Frühjahre 1921, 1953, 1959, 1975, 1976, 1988, 1989 und 1990. Jahre mit vom Frühling bis zum Herbst verfrühter Entwicklung sind oft auch gute Wein- und Obstjahre.

Der „Kalender der Natur“ beginnt mit dem Vorfrühling. Dieser erste Frühlingsabschnitt ist eigentlich eine Übergangsphase vom Winter zum Frühling. Zwar setzt teilweise das Pflanzenwachstum ein, aber immer wieder ist mit Rückfällen zu rechnen. Die Temperatur steigt während des Vorfrühlings von ca. 2 Grad Celsius auf 5 Grad Celsius im Mittel an. Kennzeichen für den Beginn des Vorfrühlings ist die einsetzende Blüte des Schneeglöckchens. Ihr langjähriger Mittelwert für den Blühbeginn ist in Hamburg am 21. Februar, in Geisenheim am Rhein am 25. Februar, in Freising bei München erst am 3. März. An der Küste beginnt der Vorfrühling zuerst. Dort dauert er auch am längsten. Besonders kurz ist der Vorfrühling im süddeutschen Hochland. Die Huflattichblüte zeigt die Mitte des Vorfrühlings an. Er blüht in Geisenheim bereits am 8. März, in Würzburg am 11. März, in Bremen aber erst am 25. März; denn Mitte März hat der Süden und Südwesten Deutschlands den Norden im Blühbeginn bereits überholt. Kennzeichen für das Ende des Vorfrühlings ist die Salweidenblüte. Die männlichen Kätzchen sehen nicht mehr silbern, sondern bereits gelb aus und stäuben. In Hamburg blüht die Salweide erst am 4. April, in Geisenheim schon am 21. März, in München am 24. März.

Den Anfang des Erstfrühlings kennzeichnen eine ganze Reihe von Pflanzen. Im Garten ist die Blattentfaltung der Stachelbeeren ein wichtiges Kennzeichen, ferner der Blühbeginn der Forsythien und der Buschwindröschen. Der Erstfrühling nimmt im Südwesten seinen Anfang. Typisch sind die Städte Überlingen am Bodensee und Geisenheim bei Wiesbaden, wo am 27. März die Stachelbeer-Blattentfaltung beginnt, während sie in Bremen erst am 5. April losgeht. Von Südwesten aus „wandert“ der Erstfrühling in Richtung Nordosten und erreicht zuletzt Schleswig-Holstein. Der Blühbeginn von Schlehe, Stachelbeere, Löwenzahn, Süß- und Vogelkirsche und die Blattentfaltung der Rosskastanie und der Birke kennzeichnen die Mitte des Erstfrühlings. In Geisenheim blüht die Schlehe am 10. April („Je früher im April der Schlehdorn blüht, desto früher der Schnitter zur Ernte zieht.“), in Bremen erst am 18. April. Die Süßkirsche beginnt in Geisenheim am 15. April zu blühen, in München am 24. April und in Bremen erst am 26. April. Mit der Blattentfaltung der Johannisbeere, der Eschen, der Sauerkirschen und der Birnen naht das Ende des Erstfrühlings.

Mit dem Beginn der Apfelblüte setzt der Vollfrühling ein. Die Knospen brechen zuerst im Südwesten Deutschlands auf. Langjährigen Mittelwerten zufolge, werden sie etwa 16 Tage später im äußersten Nordosten blühen. Flusstäler schmücken sich zuerst mit den weißen Blüten, die Höhenlagen folgen später. Der mittlere Beginn ist in Geisenheim am 25. April, in Überlingen am 28. April, in Münster am 7. Mai, in Schleswig-Holstein erst am 15. Mai. Im mittleren Beginn der Apfelblüte kommt der Einfluss der geographischen Breite, der Seehöhe und der Gegensatz von Land- und Seeklima zum Ausdruck. So benötigt die Blüte in Mitteleuropa etwa drei bis vier Tage, um einen Breitengrad (111 km) und 100 Meter im Gebirge aufwärts zu wandern. Gleichzeitig verspätet sich die Blüte um etwa einen Tag pro km in Richtung West-Ost. Der Frühling wandert also eigentlich nicht von Süd nach Nord, sondern von Südsüdwest nach Nordnordost. In Teilen Spaniens setzt die Apfelblüte schon im März ein, erfasst die französische Riviera Anfang April und ist Anfang Mai in Hannover, aber erst Ende Mai in Stockholm. Der Einfluss des Meeres zeigt sich darin, dass die Apfelblüte in London schon Ende April auf dem gleichen Breitengrad, in Weißrussland aber erst nach dem 10. Mai einsetzt.

 

Tonangebend im Vollfrühling sind zwei Gartenziersträucher: der Flieder mit seinen köstlich duftenden Blüten und etwa eine Woche später der Goldregen. Der Vollfrühling geht zur Neige, wenn die ersten Gräser zu blühen beginnen. Schließlich künden die ersten Blüten des schwarzen Holunders und der Heckenrosen den Frühsommer an, in Geisenheim bereits am 21. Mai, in Überlingen am 30. Mai und in Bremen erst am 11. Juni. Die letzten gefährlichen Kälteeinbrüche fallen nach langjährigen Mittelwerten auf die Zeit um den 20. Mai (die Tage nach den Eisheiligen) und um den 5. Juni (Beginn der Schafskälte).

WAS DIE STUNDE GESCHLAGEN HAT

Im Reich der Natur gehen die Uhren anders. Manche Vögel und Blumen beginnen den Tag, wenn es noch ganz dunkel ist. Sie sind wahrhaftig Frühaufsteher. Die Nachtigall trägt ihren Namen zurecht. Der Deutschen Lieblingsvogel lässt sich als erster Sänger hören, bereits um zwei Uhr nachts beginnt er sein herrliches Lied. Allerdings kehrt die Nachtigall erst Ende April aus dem Süden zurück. Unter den Blumen ist der Wiesenbocksbart ein ausgesprochener Frühaufsteher, der seine Blüten im Hochsommer bereits um drei Uhr früh öffnet. Die Natur hält also für die warme Jahreszeit gleich zwei Chronometer parat, eine „Vogeluhr“ und eine „Blumenuhr“. Blüten und Vögel verraten uns, „was die Stunde geschlagen hat“.

Um vier Uhr früh öffnet der Wegerich seine Blüten. Ein Stündchen später ist dann der Löwenzahn an der Reihe, ihm leisten Mohn, Gänsedistel und Habichtskraut Gesellschaft. Die meisten Blüten aber haben im Sommer ihren Morgenappell zwischen sieben und acht Uhr, zu anderen Jahreszeiten entsprechend später. Das gilt für den Hahnenfuß, den Ackergauchheil, den Gartenlattich, das Steinkraut und sogar für die Kartoffel. Gäbe es die Langschläfer nicht, könnten uns die Blumen die weitere Zeit des Tages nicht verraten. Steinnelke und Ringelblume lassen sich bis neun Uhr Zeit. Weil sie prallen Sonnenschein brauchen, erwachen Lilien und Eisenkraut (Verbena) um zehn Uhr, die Küchenschelle und die Bibernelle um elf Uhr und die Herbstzeitlose erst um zwölf Uhr. Erst am Abend gegen zwanzig Uhr beginnt das Leimkraut zu blühen, gegen 21 Uhr die Kuckuckslichtnelke. Punkt acht Uhr am Abend öffnet der berühmteste, allerdings nur selten zu beobachtende Nachtschwärmer seine wunderschöne Blüten – die Königin der Nacht. Ebenfalls nachtblühend sind Taubenkropf und Storchenschnabel, die von Nachtfaltern aufgesucht werden.

Karl von Linné, der große schwedische Botaniker, auf den die Nomenklatur der Pflanzen zurückgeht, schuf in seinem Garten die „Blumenuhr“, die sich allerdings nach der Sonne richtet: Die Blumen, die sich zu verschiedenen Stunden öffnen und schließen, werden in der Reihenfolge und in der Form eines Zifferblattes gepflanzt. Nach ihrem Aufblühen kann man die Zeit ablesen.

Einen verlässlichen natürlichen Wecker, der sogar ohne Sonnenschein auskommen kann, liefern uns die Vögel. Ihr Gesang verrät frühmorgens die Zeit.

Neben der Nachtigall können auch andere Vögel den Tag nicht erwarten und lassen sich schon lange vor Morgengrauen vernehmen. Dazu gehören der Gartenrotschwanz (4 Uhr), der Hausrotschwanz (4.30 Uhr) und die Lerche (4.40 Uhr9. Wenn es dann richtig dämmert, singen Kuckuck und Amsel (4.50 Uhr), Buchfink und Kohlmeise (5.00 Uhr), Goldammer, Zaunkönig und Singdrossel (5.10 Uhr), Blaumeise, Rotkehlchen, Zilpzalp und Fitislaubsänger (5.20 Uhr). Mit Beginn der Helligkeit fangen Girlitz und Mönchsgrasmücke (5.30 Uhr), Zaungrasmücke (5.40 Uhr) und Grünfink (5.50 Uhr) an zu singen. Zeigt sich die Sonne, stimmen Spatz und Distelfink (6.00 Uhr) in den Gesang ein.

Der Hahn war für unsere Vorfahren nicht nur Wetterprophet, er war auch der pünktliche Wecker, nach dem der Bauer sein Tagewerk einteilte. Frühmorgens um drei Uhr kündet der Hahn den nahenden Tag an. Dann kräht er jede Stunde so pünktlich und zuverlässig, dass man annehmen könnte, schon seit Jahrtausenden wäre die Tageszeit nach seinem Krähen eingeteilt worden. Beim zweiten Hahnenschrei im Hochsommer stand der Bauer auf, beim ersten schon der Großknecht auf dem Hof. Der Hahn war auf dem Dorf der beliebteste Begleiter der Frühaufsteher, und die Wanderer zogen in die Welt hinaus: „Frühmorgens, wenn die Hähne krähn, ziehn wir zum Tor hinaus.“

Als Regenkünder zeigte sich der Hahn, wenn er „zu ungewöhnlicher Zeit“ krähte: „Wenn der Hahn nicht zur rechten Stund kräht, weint Petrus.“

WENN FRÖSCHE QUAKEN

Alljährlich im Frühjahr wiederholt sich das gleiche traurige Schauspiel, wenn die zu ihren angestammten Laichplätzen wandernden Kröten und Grasfrösche beim Überqueren der Straßen totgefahren werden. Die Wanderung findet fast ausschließlich nachts statt. Ein bestimmter Dämmerungsgrad – Ende März erst um 19.20 Uhr, Anfang März eine halbe Stunde später – löst die Wanderung aus. Wenn es um diese Zeit über fünf Grad Celsius warm ist und es noch regnet, wagen sich viele Kröten und Frösche gleichzeitig aus dem Wald ins offene Gelände hinaus, und wenn sie dabei eine Autostraße überqueren müssen, werden sie – jedes Jahr an der gleichen Stelle – zu Hunderten Opfer des Straßenverkehrs. Der bestimmte Laichplatz ist für die Erdkröte der wichtigste Punkt ihrer Existenz.

Erinnerungen werden wach, wenn wir an das „Märchen vom Froschkönig“ denken. Im richtigen Leben können Frösche und Kröten sich nicht wie im Märchen in Prinzen verwandeln, um die Sympathie der Menschen zu gewinnen. Im Mittelalter wurden sie als Teufelswesen verdammt und zu geheimnisvollen Salben und Tinkturen verarbeitet. Vor allem die Kröte galt in den volkstümlichen Vorstellungen unserer Vorfahren als Unglücksbringer. Sie war das verfluchte Tier schlechthin, das Tier der Schatten, das Tier des Satans, der sich den Menschen häufig in dieser „hässlichen“ Gestalt präsentierte. Das Bild von der „hässlichen Kröte“, vor der man sich „ekelte“, ist zum Teil bis in unsere heutige Zeit erhalten geblieben.

Die Kröte war zum einen wichtiger Bestandteil der unheilvollen Absude und Tränke der Hexen, zum anderen aber auch – und das seit frühesten Zeiten bis nach der Jahrhundertwende um 1900 – bedeutsam für die Behandlung von Rheuma oder Geschwüren. Man band sie lebend auf das erkrankte Körperteil. Zur Fieberbekämpfung schloss man sie in einem kleinen Säckchen ein, das man um den Hals trug.

Den Fröschen ging es bei uns ganz besonders „an den Kragen“: Sie galten als Delikatesse in der Landbevölkerung. Noch vor etwa fünf/​sechs Jahrzehnten hat man die Teich – und Wasserfrösche im Frühjahr zur Zeit der Laichwanderungen massenhaft gefangen, ihnen bei lebendigem Leibe die Schenkel ausgerissen, um sie zu verspeisen. Der obligatorische Feuerlöschteich im Dorf war immer der Froschteich. Hier vor allem trieb man das grausame Spiel.

Heute stehen alle Frösche und Kröten unter Schutz; trotzdem werden die Froschlurche immer seltener, und manche Arten verschwinden sang- und klanglos: „Froschkonzerte“ gehören der Vergangenheit an. „Wo Frösche sind, da sind auch Störche“, heißt es in einem alten Sprichwort. Das war einmal! Und da im Volksglauben „der Storch die kleinen Kinder bringt“, muss man sich nicht wundern, dass die Geburtsrate bei uns so niedrig ist.

Seiner leuchtend smaragdgrünen Hautfarbe und seines „netten“ Gesichtsausdrucks wegen war der Laubfrosch früher der Liebling unter den Fröschen. Der Klettermaxe rutscht auch auf glatten Fensterscheiben nicht ab und springt mit einzigartiger Geschicklichkeit durchs Blättergewirr. Als Wetterpropheten siechten früher unzählige Laubfrösche in Einweckgläsern vor sich hin. Ein Leiterchen war die einzige Ausstattung. Das Geheimnis ihrer Wetterfühligkeit ist einfach zu lüften: Sie stiegen in die Höhe, wenn es ihnen im engen Behälter zu heiß wurde und sie unten keine Luft mehr bekamen. Dann sollte „schönes“ Wetter kommen. Blieben sie im Glas unten sitzen, sollte Regen im Anmarsch sein. Und eine alte Bauernregel besagt: „Wenn im Mai Laubfrösche knarren, magst du wohl auf Regen harren.“

Das Verhalten der Frösche und Kröten spielte bei unseren Vorfahren als Wetterprophezeiung eine große Rolle. Besonders im Frühjahr, wenn Frösche und Kröten als „Frühaufsteher“ aus ihrer Winterstarre erwachten, wurden diese Amphibien als Wetterkünder angesehen, wobei häufig zwischen Fröschen und Kröten kein Unterschied gemacht wurde. Dies beweist auch die Redensart „einen Frosch im Hals haben“, vielfach bei uns abgewandelt „eine Kröte (Krott) im Hals haben“, wenn einer heiser spricht und nur noch „quaken“ kann.

Unsere Vorfahren aber bauten auf die „Wetterfühligkeit“ der Kröten und Frösche ihre Wetterregeln auf: „Wenn die Frösche des Morgens und die Laubfrösche des Nachts sehr quaken, wenn die Kröten hervorkriechen, so deutet dies auf Regen und Ungewitter.“ Auch soll es Regen geben, „wenn Salamander, Kröten und Frösche eine trockene Haut haben“. Die „Regenregeln“ werden fortgesetzt: „Wenn die Kröten fleißig laufen, wollen sie bald Wasser saufen“. „Sieht man Molche beim Mähen, so gibt es Regen.“ „Frösche auf Stegen und Wegen, deuten auf baldigen Regen.“

Schönes Wetter aber wird angesagt, wenn die Frösche nachts quaken: „Quaken die Wasserfrösche bis tief in die Nacht, so folgt trockenes Wetter danach.“ „Wenn die Frösche im Frühling gegen den Abend quaken und schreien, so verkünden sie ein warm und trocken Wetter.“

Auf alle Fälle ist „der Frösche Lied himmlisch“, denn „Frösche sprechen vom Frühling“. Und Frösche können auch das Wetter des Sommers voraussagen: „Viele Frösche im Frühling, nasser Sommer; wenig Frösche, trockener Sommer.“ Demnach müsste es heute nur noch trockene Sommer geben. Auch der Froschlaich war ein Wetterkünder für den Sommer: „Wenn der Froschlaich zu Anfang des Frühlings tief im Wasser liegt, so zeigt dies auf einen trockenen und warmen Sommer; liegt er im flachen Wasser des Ufers, so folgt ein nasser Sommer.“

„Sich wie ein Frosch aufblasen“ können viele; das Wetter voraussagen aber kann keiner.