Ich schlüpfe in deine Haut

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Und wie lautet deine Frage?

Ich musste lachen. Barney schaffte es immer wieder, mich aus meinen Träumereien zu reißen, indem er mich dazu brachte, über die tieferen Fragen von Leben und Tod nachzudenken.

»Was passiert eigentlich? Das ist wohl die Frage, die jeder hat, oder? Wohin gehen wir, wenn wir diese Welt verlassen? Haben wir dann immer noch ein Bewusstsein? Vergessen wir die anderen auf der Erde oder sind wir ihnen immer noch verbunden? Was passiert nach dem Tod?«

Die meisten wissen in ihrem Herzen und in ihrer Seele die Antworten auf diese Fragen. Die meisten Wesen haben schon viele Male die Reise in den Tod gemacht.

Lass uns zu dem Bild des Übergangs von einem Zimmer ins nächste zurückkehren. Nur weil man ein Zimmer verlässt, bedeutet das noch lange nicht, dass man es vergisst. Man ist bloß mit dem beschäftigt, was man jetzt gerade sieht und fühlt, auch wenn die Realität des verlassenen Raums und die Erinnerung daran weiter bestehen. So ist es in gewisser Weise auch mit dem Tod, zumindest in bestimmten Phasen.

Es gibt Menschen, die den Raum der Lebenden nicht verlassen wollen. Ihre emotionalen Bande sind zu stark, und sie haben das Gefühl – was meistens auf falschen Vorstellungen beruht –, dass sie nicht gehen können oder sollten. Das führt zu einem langsamen Übergang und ist oft nicht sehr produktiv. Die meisten Wesen verlassen ihren Körper jedoch relativ schnell und gehen weiter.

Es gibt viele außerkörperliche Wunder, viele verschiedene Dimensionen zu erforschen. Man könnte es mit einem Umzug ins Ausland vergleichen – sobald man dort ist, findet man das Neue und die Andersartigkeit der Menschen, ihre Marktplätze, ihre Kunst, Sprache und Kultur aufregend. Der Tod ist eine Reise in ein anderes Land – und dort gibt es vieles zu entdecken!

Es gibt ›Schulen‹, die man besuchen kann. Manche Wesen lernen dort, wie sie emotionale Verstrickungen heilen und alte Eigenschaften loslassen können. Andere schließen sich persönlichen Führern an – fast so wie bei einer Stadtbesichtigung oder Bergtour. In Wahrheit gibt es so viele Varianten der Erfahrung, wie es Wesen gibt – das heißt, eine unendliche Vielzahl. Deswegen will ich dir klarmachen, dass deine Beziehung zum Tod überaus wichtig ist. Schließlich ist es dein Film des Lebens!

Ich lächelte, während ich Barneys Worte aufschrieb. Seine Gedanken glitten durch mich hindurch, wie Wildvögel über einen wolkenfreien blauen Himmel schweben.

Hilft dir das, deine Frage zu beantworten?, erkundigte sich Barney.

»Ja, es passt zu dem, was ich selbst spüre.«

Du brauchst keine Angst zu haben, dass es sich nur um eine ›Projektion‹ von dir handelt. Du hattest schon viele Leben, in denen du anderen beim Sterbeprozess beigestanden hast, und deswegen ist es recht leicht, diese Informationen durch dich zu übermitteln. Wir werden aber nochmals auf Projektionen zu sprechen kommen und darauf, welche Rolle sie nicht nur in diesem Leben, sondern auch im Sterben spielen.

Am Ende unseres Gesprächs an diesem Vormittag kamen Barney und ich auf seine körperliche Gestalt zu sprechen, die weitere Symptome von Abbau aufwies. Seine Sehkraft wurde immer schwächer und seine Gelenke wurden gebrechlich, auch wenn er mir versicherte, dass er immer noch sehen konnte und die Massagen und Kräuteressenzen, mit denen ich sein Futter anreicherte, zu schätzen wusste.

Unter der Oberfläche spürte ich, dass wir in einen heiligen Ort des Lernens vordrangen. Ich konnte ihn fühlen. Unser Gedankenaustausch hatte eine tiefere Dimension erreicht, ein deutliches Gefühl, dass das hier der Hauptgrund dafür war, warum Barney und ich in diesem Leben zusammengefunden hatten – damit ich seine Worte hörte, diese Gefühle spürte und für diese Erfahrungen offen wurde. Und so fragte ich mich wieder einmal: »Wer ist dieses erstaunliche Geschöpf, das im flauschigen weißen Fell meines Hunds Barney steckt?«

2
Der Angst ins Auge sehen

Als ich für die Vorstellung, mit Tieren zu sprechen, offen wurde, tat ich dies angstfrei. Schließlich machten andere Leute es auch – ich war nur eine Zuschauerin, eine Reporterin. Doch als ich immer mehr Fragen stellte und mir Gedanken darüber machte, wie dieses Ding mit der Tierkommunikation eigentlich funktioniert, spürte ich, wie mein Inneres darauf reagierte. Etwas in mir geriet in Bewegung und ich wurde nervös und zugleich aufgeregt. Irgendwas ganz tief in meiner Seele wurde angesprochen – eine uralte Erinnerung? Eine verschüttete Fähigkeit? – und dieses Etwas rief leise, doch beharrlich und verlockend nach mir. Na ja, das überrascht nicht weiter: Genauso beginnt meistens ein tieferes Erwachen. Denn wenn wir erkennen – und allmählich akzeptieren –, dass unsere Gedanken und Gefühle, Träume und unser Bewusstsein sich auf tieferen Ebenen abspielen, fängt unser oberflächliches Bewusstsein an aufzuwachen und sich für etwas zu öffnen, das wir zwar schon immer wussten, das uns jedoch irgendwie aus dem Gedächtnis verschwunden ist.

Das allererste Mal, als ich ein Tier in Gedanken reden hörte, lief ein Schauer durch meinen Körper. In einem seltsamen und ganz stillen, zeitlosen Moment spürte ich ein Kribbeln im Körper – eine Beschleunigung der Energie, die Auflösung meiner Gedanken. Draußen vor meinem Fenster versammelten sich Vögel auf einem Busch. Fenster, Vogel, Busch – es sind nicht so sehr die Dinge an der Oberfläche, die uns rufen, sondern die tiefere Energie der Lebenskraft, der tiefere Ruf der Verbundenheit. Es ist, als hätte man endlich die Einladung entdeckt, die schon immer da war. Und die man eines Tages annimmt.

An jenem Tag spürte ich, wie sich mir die tiefere Präsenz der Vögel erschloss. Und ich mich ihnen. Es war ganz einfach und erstaunlich offensichtlich: Das Zusammentreffen von Welten, die nie wirklich getrennt gewesen waren – die plötzliche klare Erkenntnis, dass wir nicht nur eine Frau und ein Schwarm Vögel waren, sondern Wesen, die in der Tiefe miteinander verbunden sind. Ein leiser Schauer lief durch meinen Körper, als ein Selbst, das zu lange zum Schweigen gebracht worden war, an die Oberfläche meines Bewusstseins tauchte. Ein Teil von mir war wieder da.

Erst der Gedanke an das Experiment machte mir Angst. Mein Verstand fing an, Widerspruch einzulegen, Zweifel zu erheben, sich Sorgen zu machen und Misstrauen zu schüren. Meine Gedanken wollten das ursprüngliche Gefühl der Einheit, der Verbindung, die mir das Herz aufgehen ließ, verdrängen. Eine Seite von mir versuchte, es wieder unwirklich zu machen. Aber warum? (Weil das sicherer ist.) Und wer war für die beunruhigten Gedanken zuständig? (Das schlaue Ich!).

Wie ich mit der Zeit feststellte, war eine meiner Lieblingsangewohnheiten, mich mit Äußerlichkeiten zu beschäftigen, um mich davon abzuhalten, für neue Vorstellungen und tiefere Schichten des Verstehens offen zu werden. Für viele von uns scheint das leichter zu sein: Es ist viel weniger anstrengend, Vorkommnisse und Begegnungen weg zu erklären, die nicht in die Wirklichkeit passen, wie wir sie kennen. Fast können wir nicht anders, denn wir sind dazu erzogen, uns auf logische, lineare Gedanken und Erklärungen zu verlassen, statt das Mysterium des Lebens hinter den Grenzen des Alltäglichen in seinem ganzen Reichtum zu erleben. Die Gesellschaft unterstützt dies sogar noch und drängt uns zum »Machen« (und zwar schnell!), statt uns die Zeit zum »Sein« zu lassen. Durch meine Gespräche mit Tieren (die eher Experten im Sein sind), fing ich an, immer klarer zu erkennen, dass der gesellschaftliche Druck zum Schnell-Schnell nichts als der überall verbreitete Zwang ist, der uns davon abhalten soll, tief in uns selbst hineinzusehen. (Wovor haben wir eigentlich so viel Angst?)

Wie Barney einmal bemerkte, ist das Verlangen, sich zu beeilen und etwas anderes zu machen, ein Selbstschutz, eine verzweifelte Methode, das tiefere Wesen des Selbst zu vermeiden, indem man sich an die Oberfläche klammert. Oder, wie er es ausdrückte: Es ist, als würdet ihr in tiefen Gewässern schwimmen, aber dauernd nach noch mehr Rettungsringen greifen, obwohl die eigentliche Lösung für euer Dilemma wäre, tief unter­zu­tauchen und die majestätische Größe der Unterwasserwelt wahrzunehmen. Ihr deckt euch mit Listen ein, was alles ›zu erledigen‹ ist, während alles, was ihr in Wahrheit tun müsst, nur loslassen, in euch und in die größere Wirklichkeit eintauchen, auf das Universum, die Schönheit und den Humor der Beziehungen untereinander vertrauen und euch den Luxus erlauben müsst, alles in einem tieferen Fluss der Zeit kennenzulernen.

Klingt ganz einfach, nicht wahr? Doch es umzusetzen bedeutet, zuerst dem ins Auge zu sehen, vor was wir am meisten Angst haben: die vielen dunklen Schichten unseres Selbst.

DIE ANGST VOR HASEN

Als Barney und ich unser Gespräch am nächsten Morgen fortsetzten, begann er es mit einer kurzen Zusammenfassung:

Eine einfache Metapher, die Menschen verwenden, ist die, dass die Welt der Lebenden wie der Teil eines Hauses ist, der durch eine Tür vom Rest des Hauses abgetrennt ist. Diese Tür ist der Tod. Ihr fürchtet euch vor der Tür, weil nur sehr wenige, die durch die Tür hindurchgehen, zurückkommen und den anderen berichten, was dahinter liegt. Was also hinter dieser Tür liegt, ist sicher zum Fürchten. Es gibt zahllose Fantasiegespinste. Um diese Tür und das, was sich dahinter verbirgt, ranken sich alle möglichen Mythen, Geschichten und Erzählungen.

Manchmal sagen die Menschen, das sei normal. Es mag zwar für die heutige menschliche Entwicklung normal sein, doch es ist nicht der einzige Weg, wie ihr die Tür und all das, was hinter ihr liegt, betrachten könnt. Es gibt außer Geschichten und Fantasigespinsten noch viele andere Wege, wie man herausfindet, was diese Tür tatsächlich ist und was sich dahinter verbirgt.

 

Nach meinen Erfahrungen besteht die Tür in Wirklichkeit aus euren eigenen Projektionen. Viele Zivilisationen, Kulturen und Gesellschaften haben es sich zur Gewohnheit gemacht, diesen Durchgang nicht als Tür zu sehen, sondern als eine Brücke, einen Tunnel oder eine Passage. Diese Sichtweise erlaubt es, vor- und zurückzugehen. Eine Passage ist offen und klar erkennbar; sie bedarf keiner Tür. Das ist also die erste Projektion. Verstehst du, was ich meine?

»Du willst sagen, dass es eine menschliche Projektion der westlichen Welt ist, den Tod als Einbahnstraße zu betrachten, und dass wir es sind, die der Kommunikation und Beziehung zu den Verstorbenen ›die Tür zuschlagen‹. Ist das richtig?«

Ja, das kommt der Sache schon näher. Du bist zwar relativ offen, Dawn, aber du bist zu sehr davon überzeugt, der Tod sei etwas, das vom Leben getrennt ist. Doch das ist er nicht.

Kannst du dich an unser Leben als Menschen erinnern, die sehr bodenständig waren? Es gab damals einen kleinen weißen Hasen, den du sehr gemocht hast – weißt du noch? Kannst du dich daran erinnern, wie ich dir damals beigebracht habe, wie man mit den Seelen der Verstorbenen spricht? Du trägst immer noch die Todesangst in dir, und sie zeigt sich jetzt zum Beispiel an deiner Angst vor Hasen.

Es sind Momente wie dieser, in denen ich bis in den Kern getroffen werde. Ich zuckte zusammen, während ich am PC saß, und schauderte vor Überraschung. Was Barney da sagte, stimmte genau, auch wenn es eine Wahrheit war, die mir bis zu diesem Augenblick nicht bewusst gewesen war. Es war außerdem eine merkwürdige Angst, mir selbst unbegreiflich, und weil sie so albern war, hatte ich das Gefühl oft verdrängt. Auch wenn ich an der Oberfläche keine Angst vor Hasen wahrnahm, zuckte ich meistens zurück, wenn ich einen Hasen auf den Arm nehmen sollte.

Diese Angst stammt aus einem ›früheren Leben‹, in dem du als kleines Mädchen sehr an einem weißen Hasen gehangen hast, beharrte Barney. Er wurde geschlachtet, und als du das gesehen hast, konntest du dich nicht dazu bringen, den Hasen anzufassen. (Erkennst du das Muster, das sich hier bildet?) Du hattest das Gefühl, dass der Hase sich verändert hatte, weil sein Körper auf brutale Weise getötet worden war. Also fingst du an zu glauben, der Tod sei etwas, das einen unwiderruflich verändert. Dieses Erlebnis führte zu deinem Rückzug – zu einem emotionalen Strudel der Trauer, der dich dazu brachte, sich auf den Körper statt auf die Seele zu konzentrieren. Sogar als du geistige Verbindung zu dem Hasen aufnahmst, hast du hinterfragt, ob sie ›real‹ war. Das ist noch so ein Muster, das dich in der Gegenwart beeinträchtigt. Beharrlich hältst du an deinen Zweifeln fest, ob deine Verbindung und Kommunikation echt sind. Auf der mentalen Ebene verstehst du zwar die Hintergründe, doch auf der emotionalen Ebene besteht immer noch diese Blockade. Spürst du sie in deinem Körper?

»Ja«, gab ich zu. Mir war bewusst, dass dies ein typisches Beispiel für Barneys Überzeugungskraft war, mich dazu zu bringen, meiner Angst ins Auge zu sehen. Um das zu schaffen, muss man ehrlich zu sich sein. Warum sollte man Schattenmaterial hinterherjagen, wenn man nicht ehrlich zu sich ist?1

»Ich spüre sie im Bereich des Oberbauchs«, bestätigte ich. »Es ist eine Verkrampfung, so als würde ich etwas zurückhalten. Und wenn ich hineinhorche, spüre ich eine Menge Trauer und Ärger, Verbitterung und Wut.«

Deshalb werden wir sie hinaus atmen und deiner Trauer Ausdruck verleihen und sie zu Wort kommen lassen.

Barney hielt inne, um mir eine kurze Erholungspause zu gönnen.

Lass uns für die Transformation offen werden. Wir wollen zu dem damaligen Zeitpunkt zurückkehren – das heißt, unsere Vision nach innen kehren, um den Augenblick, der so wichtig war, noch einmal zu sehen und umzuformen.

Fange damit an, indem du die Szene beschreibst und dich an die Persönlichkeit des Hasen und die Essenz deiner damaligen Gefühle erinnerst. Der Sinn ist es, sich das Ende noch einmal so vorzustellen, dass dadurch deine Verbindung mit der spirituellen Welt intakt bleibt. Sieh es als eine Mission an, bei der du es reparieren musst – und das meine ich in jeder Beziehung. Es soll das, was damals zerbrochen ist, zusammensetzen und auch dich mit anderen Aspekten deiner selbst wieder verbinden. Lass uns nun damit beginnen.

Als ich die Augen schloss und nach diesem vergessenen Selbst tastete, fand ich mich in einer anderen Zeit wieder: Das bin ich, aber nicht ich. Es ist eine seltsame Mischung aus zwei Teilen des Bewusstseins, denn ich bin gleichzeitig ich, die die Erinnerung betrachtet, und sie – ein junges Mädchen allein im Wald. Als das Mädchen suche ich meine Häsin und finde sie an einen Baum gehängt. Dort baumelt ihr schlaffer Körper, der mit einem Messer an den Baumstamm genagelt wurde. Das Messer wurde ihr in die Kehle gerammt. Aus ihrem Hals sickert dunkelrotes Blut durch das Fell. Ich will nicht glauben, dass es mein Hase ist, aber ich weiß es trotzdem. Wer würde so etwas tun? Ich fühle mich vollkommen verraten.

Lass uns mit deiner Häsin reden. Setz dich, beruhige dich und frage sie, wie das geschehen ist.

Während ich sehe, wie das Mädchen auf den Boden sinkt und sich hinhockt, höre ich ihre Stimme, die sich mit meiner eigenen vermischt. »Bun, was ist passiert? Was hat man mit dir gemacht, meine Süße?« Es entsteht eine Pause. Dann sehe ich – durch die Gedanken des Mädchens, die sich auf mich übertragen – den Hasen im Wald Gras fressen. Es ist eine friedliche Szene, in der die Häsin still unter den Bäumen sitzt, die das Sonnenlicht filtern, und Gras knabbert, als plötzlich jemand aus dem Nichts heraus auftaucht und ihr einen Schlag gegen den Hals versetzt. Ein Mann mit dunklen Stiefeln marschiert durch den Wald. Er sieht sie nicht, und sie hört ihn erst, als es schon zu spät ist. Mit einem dumpfen Geräusch tritt sein Stiefel hart auf sie – bricht ihr den Hals. Kurz darauf rollt eine Kutsche über sie hinweg und zermalmt ihren Körper. Es sind mehrere Leute, die da durch den Wald kommen. Erst der Mann, dann die Kutsche und hinter ihr noch ein Mann. Er bemerkt den leblosen Hasen, hebt ihn auf und nagelt ihn mit einem Messer an den Baum. Dann geht er weiter. Die Häsin sagt, sie weiß nicht genau, warum er das getan hat, aber er hätte aus Mitgefühl gehandelt.

Vielleicht hat er das getan, damit du sie findest?

»Das könnte sein«, antworten das Mädchen und ich gleichzeitig. Während wir diese Möglichkeit in Betracht ziehen, ist unser Bewusstsein immer noch vermischt.

Frag sie, ob es ein schmerzhafter Tod war. War sie bereit zu gehen?

»Es hat mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen«, sagt die Häsin. »Ich war hier – und eh ich mich versah, schlüpfte ich aus meinem Körper … und hoppelte quer über den Himmel.« Sie spürte keine Schmerzen und außerdem hatte sie nicht mehr viel, was sie auf der Erde noch erledigen musste. Wie sie uns sagt, wird sie nach Hause zurückkehren, was nicht unbedingt der Himmel, sondern eher ein anderer Planet ist. Sie sagt, sie sei gekommen, um uns eine Verbindung zu geben, eine Erinnerung, weil wir uns vorher gekannt hatten. Sie sagt, sie sei »nur ein kleiner Gast« gewesen, und jetzt erinnert sie uns daran. Sie zeigt, wer sie in Wirklichkeit ist: ein silbernes Licht, das über den Nachthimmel springt – wie ein Hase!

Ich spürte eine dumpfe Erinnerung am Rande meines Bewusstseins, die jedoch vage und verschwommen blieb. »Mir ist es immer noch nicht ganz klar, Barney«, sagte ich schließlich.

Solche Geschichten bieten den Energieschlüssel für alle, die emotionale Erleichterung suchen. Das heißt, du wirst von den Geschichten, die dich immer noch ›fesseln‹, angezogen – oder vielmehr in sie hineingezogen. Du hast das, was dich an diese Geschichte aus der ›Vergangenheit‹ fesselt, noch nicht völlig losgelassen; du hast den kostbaren Schatz, den deine Geschichte birgt, noch nicht vollständig aufgedeckt.

Bevor ich mich allzu sehr darüber wundern konnte, wie dieses Loslassen – oder Aufdecken – umgesetzt werden kann, fuhr Barney fort: Verbinde das Bild des getöteten Hasen mit dem des Hasen am Sternhimmel. Das ist ein Teil des Reparaturprozesses. Schaffst du das?

Die beiden Bilder verschmolzen: der kleine weiße Hase im Wald, der von den Sonnenstrahlen gesprenkelt war – eine Vision, die einer winzigen wunderschönen Blase glich –, und der Hase am Nachthimmel – eine riesige silbrige Essenz, die von der Erde hinauf an den Himmel sprang und die Sterne umhüllte. Auch wenn der spirituelle Hase viel mehr Energie offenbarte als der winzige Hasenkörper auf der Erde, unterschieden sie sich nicht. Beide waren miteinander verbunden. »Ahh!«, stieß ich erleichtert aus.

Warum hast du diese Verbindung aus den Augen verloren? Wenn sie dir damals tatsächlich bewusst war, warum hat die getötete Häsin dich dann so aus der Fassung gebracht?

»Vielleicht war es die Art und Weise, wie sie an den Baum genagelt worden war. Vielleicht der Mann hinter der Kutsche?«

Ja. Die äußere Gewalt. Das ist ein weiterer Faden für dich, und auch er knüpft an das Erlebnis dieser Geschichte aus der Vergangenheit an. Wer ist der Mann hinter der Kutsche? Warum bist du auf ihn wütend statt auf den ersten Mann, der aus Versehen auf den Hasen getreten ist?

»Eine gute Frage«, dachte ich. »Warum sollte der Mann, der die Häsin aufgehoben hat, von Bedeutung sein, wenn er mit ihrem Tod nichts zu tun hatte?« Aber sobald ich mir die Frage gestellt hatte, wurde es mir klar.

»Ich bin wütend auf ihn, weil er sie an den Baum genagelt hat. Das ist so brutal und merkwürdig und … Ach so!« Wie so oft, wenn wir von der logischen, linearen weltlichen Sichtweise, in der wir uns meistens bewegen, auf eine tiefere, reichere Ebene der synchronen Bezüge und vielschichtigen Bedeutungen begeben, wurde ich von einem plötzlichen Wissensstrom überflutet. »Der Mann kam von woanders her. Und auch wenn er sich kaum daran erinnern konnte, hatte er das Bedürfnis, den Hasen zu ehren – was bedeutete, ihn dem spirituellen Geist zu offerieren, so wie es in seiner Heimat Tradition war. Normalerweise nicht mit einem Messer in der Kehle, aber er hatte sonst nichts dabei. Und ich kannte den Mann von früher!«

Und es gab noch mehr: eine weitere Lawine von Assoziationen, visionären Puzzlestücken, Erinnerungsfetzen, Gefühlen – ein zweites Abtauchen in das riesige Universum eleganter, unerwarteter Verbindungen.

Wie eine Geschichte in einer Geschichte in einer Geschichte erkannte ich, dass der Mann zu einer kriegerischen Gesellschaft gehörte, einem Volk mit starren Vorstellungen über das, was richtig und was falsch ist, doch auch voller Leidenschaft. Ich sah noch eine weitere Version von uns (dem Mädchen und mir) an einen Pfahl gefesselt: Eine Frau neben zwei anderen, die auch festgebunden waren. Wir drei waren von zornigen Kriegern umringt. »Sie bewerfen uns mit Speeren; so töten sie ihre Angehörigen, die die Gesellschaft verraten hatten. In diesem Leben war ich die Frau des Mannes, der die Häsin an den Baum genagelt hatte. Ich sehe ihn. Er ist dabei. Er wirft zwar keinen Speer und empfindet noch Liebe zu mir, aber er verhindert meinen Tod auch nicht.«

Die Vision war so vielschichtig, dass meine Worte wie spitze Steine klangen, die das Gesamtbild, das ich fühlte, nicht annähernd ausdrücken konnten.

»Der Hase war also eine Erinnerung daran?«, fragte ich schließlich. »Der Mann hat den Hasen an den Baum genagelt, weil mich das an das noch frühere Leben erinnern würde?« Auch wenn ich darüber staunte, wie gut die Bezüge interagierten – wie Bausteine aufeinanderpassten –, sträubte sich irgendwas in mir dagegen. »Ich glaube nicht, dass ihm das bewusst war«, sagte ich zu Barney.

Interessant, wie alles miteinander verbunden ist, nicht wahr?

Bevor ich widersprechen konnte, wurde ich von einer neuen Erkenntnis gepackt, die mich noch einmal in die Geschichte zurückholte. »Die Kehle hat auch eine Bedeutung: das Messer in der Kehle der Häsin – nicht in ihrem Herzen oder Körper, sondern ausgerechnet in der Kehle. Warum hat der Mann das gemacht? Es bedeutet ›die Wahrheit sagen‹. Ich habe in der kriegerischen Gesellschaft die Wahrheit geäußert und deswegen wurde ich hingerichtet. Und sogar im Sterben war ich eher wütend als ängstlich, weil ich mit dem Mann noch länger zusammenleben wollte. Ich hatte gewisse Vorstellungen darüber, wie unser Leben hätte aussehen können, aber er war zu sehr auf die Traditionen unseres Volkes fixiert. Und ich fühle, dass dieses Leben als Krieger nur eine von vielen Wahrheiten war, die ich ausgesprochen habe.«

 

Hmm. Ich saß da und überlegte laut. »Es geht also um versteckte Zeichen? Um verborgene Erinnerungen, die ein Wesen mit dem anderen verbinden – ein Selbst mit dem nächsten und zurück? Schicken wir uns etwa codierte Botschaften über die Leben hinaus? Ist es das, was du mir sagen willst? Dass wir Teile von uns selbst in den Geschichten unserer Leben aufbewahren? Dass unser Leben eine Art verborgene Geheimsprache enthält? Wir versehen einander mit Codes, erzählen Geschichten in anderen Geschichten, um uns an unser früheres Selbst zu erinnern?«

Doch Barney gab darauf keine Antwort. Hast du immer noch Angst vor dem Hasen?, wollte er stattdessen wissen.

»Ich kann ihren Körper jetzt herunter nehmen und sauber machen. Ich kann sie im Arm halten. Ich könnte mir vorstellen, ihr Fleisch für die Tiere im Wald auszulegen und ihr Fell als Erinnerung zu behalten, das Hasenfell als einen Tribut zu tragen. Vielleicht hilft es mir ja, mich an den Hasen am Nachthimmel zu erinnern – wie ein Maskottchen, ein wirksamer Zugang zu dieser Erinnerung?«

Was ist mit dem Mann?

»Ich kann ihm dafür danken, dass er mich auf den Hasen aufmerksam gemacht hat – dass er mich dadurch dazu gebracht hat, mich zu erinnern. Und ich sehe jetzt, dass der Hase Recht hatte: Der Mann hat es aus Liebe getan.«

Empfindest du genug Liebe, um auch ihm Zeichen zu setzen?, wollte Barney wissen. Viele Wesen haben dir Zeichen hinterlassen, so wie auch du anderen Zeichen hinterlassen hast. Jetzt ist die Zeit gekommen, um sich dessen bewusster zu werden – ihre Zeichen klarer zu erkennen, Erinnerungen, die von und für andere Aspekte des Selbst hinterlassen wurden, von und für andere Beziehungen aus der ›Vergangenheit‹ und der ›Zukunft‹. Es ist wahrhaftig an der Zeit, sich auf einer bewussteren Ebene zu ›ent-sinnen‹.

Wie so oft bei unseren gemeinsamen Erlebnissen war mein Verstand verwirrt, doch mein Selbst erweitert.

Und aus diesem Grund, sagte Barney voller Zufriedenheit und Begeisterung, wollen wir mit dem Tod beginnen. Lass uns die Passagen säubern, die Durchgänge auskehren, die Brücke herunterlassen – und die Türen aufmachen!

Zu meiner eigenen Verwunderung musste ich lächeln.

Das reicht für den Augenblick, meinte Barney. Eine lange Sitzung, aber du hast dieses Puzzlestück der Erfahrung gebraucht, um zu sehen, wie es funktioniert. In gewisser Weise sind wir immer noch dabei, deine Sehkraft zu schärfen. Je schärfer sie wird, umso leichter wird es für dich, in die Haut anderer Wesen zu schlüpfen und andere Sichtweisen zu erleben. Und wenn du das kontinuierlich auf allen Ebenen tust, werden wir für noch mehr interessante Reisen bereit sein.

DURCH SHAPESHIFTING ANGST ÜBERWINDEN

Je mehr ich über die Geschichte mit der Häsin und die damit verbundenen Puzzleteile nachdachte, umso mehr Hasen kamen mir in den Sinn. Ich sah Hasen im Fernsehen, in Zeitschriften, als schwebende Wolken am Himmel. Die Energie der Hasen neckte mich, während mein Verstand sich bemühte, die Dinge zu begreifen.

Die Vorstellung, anderen Wesen Zeichen zu senden, gefiel mir. Vielleicht spielen wir ja Verstecken mit unseren vielen Teilen des Selbst. Vielleicht speichern wir unsere Geschichten in einem Kontinuum aus verschiedenen Leben, hinterlassen zu verschiedenen Zeitpunkten Erinnerungen für uns und andere, hinterlegen Spuren in verschiedenen Ländern und Kulturen?

Und könnte es nicht auch sein, dass unsere alte Freundin, die Angst, diese Schätze hütet? Sie prüft uns ständig, vergewissert sich, dass wir bereit sind, Schlosser unseres eigenen Bewusstseins zu werden, fordert uns heraus, uns zu ›reparieren‹ – uns mit all den vielen vergessenen Formen des Selbst zu ›re-paaren‹ –, den Formen des Selbst, die wir noch nicht vollständig in unser größeres Gesamtwesen entsinnt haben.

Eines Nachts träumte ich, durch ein sehr großes und ungewöhnliches Haus zu gehen. Es machte mir Spaß, die vielen Zimmer zu erkunden. Da hörte ich, dass in der Küche im ersten Stock eine Party stattfand. Als die Partygäste mich riefen und ich über die Türschwelle ging, spürte ich ein Knacken unter den Füßen. Auf dem Boden lag die lebensgroße Skulptur eines Hasen, die aus Eis geformt war. Der Hals des Hasen war zerbrochen.


Dawn und Zak

Als ich aufwachte, gaben die tieferen Bedeutungen des Traums und des Hasen mir ein unbehagliches Gefühl. Auch wenn ich nicht wusste, was der Traum mir sagen wollte, spürte ich eine erneute Welle des Widerstands.

Es war Zak, der einen anderen Weg vorschlug, wie ich der Angst ins Auge sehen könnte. Statt mir anzusehen, wovor ich mich zu fürchten glaubte, schlug er vor, ich sollte das eigentliche Gefühl der Angst beschreiben.

»Im Augenblick kann ich es im Mund fühlen, fast so, als würde ich ersticken oder müsste mich übergeben«, schilderte ich. »Es ist so, als wolle ich etwas zurückhalten und es nicht aufgeben.«

Könnte es sich womöglich um dein altes Festklammern an die Realität handeln?, fragte er auf eine Weise, die mich zum Lachen brachte – nicht nur vor Vergnügen über Zaks Gesellschaft, sondern auch über die offensichtliche Antwort auf seine Frage.

»Laut lachen hilft«, stellte ich kurz darauf fest. Zak lachte mit, wie es gute alte Hundefreunde so oft tun.

Ja, bestätigte er. Es ist eine Bewegung nach außen und nach vorne – eine Welle der sich ausdehnenden Energie. Lachen ist für dich ein Schlüssel zum Loslassen. Für andere können Tränen oder körperliche Bewegungen besser funktionieren. Es gibt viele verschiedene Wege, um loszulassen und sich zu öffnen. Für dich sind es jedoch meistens Gelächter und Humor, vor allem, wenn du gleichzeitig über dich und die Situation lachst. Spürst du, wie die alte Angst – oder das alte Du – sich umwandelt?

»Tatsächlich!«, stieß ich überrascht aus. »Es ist, als würde die innere Schwere zu etwas Leichtem werden – als wäre die Angst eine Mauer aus Stein, und als würde das Lachen sie in etwas Leichtes, Schmales und Weiches verwandeln, wie ein Leintuch, das man im Wind trocknet. Es ist, wie wenn man verfaulte Eier in sich trägt und dann eine luftige Meringue hinaus lacht!«

Ich blieb eine ganze Weile bei diesem Bild. Dann kam mir ein Gedanke: »Vielleicht hat die Eigenschaft der Angst – oder welche Überzeugung oder Meinung sich wie die Steinmauer gehalten hat – sich auch verwandelt?«

Eine gute Frage, sagte Zak. Hat sich die tatsächliche Eigenschaft verwandelt – oder deine Wahrnehmung?

»Eigentlich fühlt es sich so an, als hätte sich beides verändert.«

Genau, und das zu erkennen ist wichtig. Auf der Verstandesebene hättest du antworten können, dass alles eine Frage der Wahrnehmung ist. Und aus einem bestimmten Sichtwinkel stimmt das auch: Es ist nur die Perspektive, die ändert, wie wir die Realität sehen. Doch in Wirklichkeit – in der Wirklichkeit, in der wir uns in dieser Zeit und diesem Raum befinden – hat sich beides verwandelt. Was du festgehalten hast, war alt und schwer und wahrscheinlich verfault. Was du losgelassen hast, hat sich verwandelt, weil ›du‹ die Gestalt des ›Du‹ verändert hast. Und damit kommen wir zu einer anderen Lehre über das Shapeshifting.

Für manche ist das nicht einfach zu verstehen, weil es beim Shapeshifting auf einem Level darum geht, die Form in einer bestimmten Realität zu verändern. Doch der tatsächliche Akt der Umwandlung der Form verändert auch die eigene Realität. Daher verwandelt sich nicht nur die Form, sondern auch die Realität, wenn das geschieht.