Qumran

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From the series: Jüdische Studien
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6.2 Chronologie der Siedlungsphasen von Khirbet Qumran

Khirbet Qumran (khirbet = arab. „Ruine“)(khirbet = arab. „Ruine“) liegt auf einem gefingerten Mergelplateau, das sich in ca. 60–70 m Höhe über der Mündung des Wadi Qumran etwa 1,5 km nordwestlich der Küste des Toten Meeres erhebt und ca. 350 m unter dem Meeresspiegel liegt. Im Westen liegt das vom Wadi wie mit einem Messer durchschnittene 200 m hohe monumentale Kalksteinkliff. Nach Südosten schaut man über das Tote Meer auf die Bergkette auf der jordanischen Seite. Ca. zwölf km nördlich liegt Jericho, die wichtigste Stadt in der Umgebung. Die Festung Hyrkania liegt westlich in nur 5 km Entfernung, allerdings nach einem beschwerlichen Aufstieg auf das Plateau, dann folgt ein gutes Stück weiter Jerusalem (ca. 18 km). Im Süden trifft man nach nur 2 km auf die Oase Ein Feshkha mit einem verwandten Gebäudekomplex (s.u. S. 127f)

Khirbet Qumran besteht aus einem 30 m x 37 m großen Gebäudekomplex mit Anbauten im Westen und im Südosten, der im Norden und Osten von einer niedrigen Mauer umgeben ist und im Süden und Westen an den Plateaurand angrenzt. Innerhalb der Umfassungsmauern liegen auch die Zugänge zu den Höhlen 7, 8 und 9. Auf dem nächsten Finger des Mergelplateaus liegen die Höhlen 4a, 4b, 5 und 10. Außerhalb der Ostmauer befinden sich Friedhöfe mit über 1100 Gräbern. Alle drei – Mauer, Höhlen und Friedhof – sind für die Interpretation des Gebäudekomplexes essentiell.

Abb. 8:

Die unmittelbare Umgebung von Qumran

|96|Mit der Entdeckung von Höhle 1 sichteten Roland de Vaux und Gerald Lankester Harding oberflächlich auch die etwa 1,5 km südlich gelegene „Khirbet Qumran“. Von früheren westlichen Besuchern war sie für die Ruinen Gomorras (de Saulcy) oder für ein Fort (Dalman, Avi Yonah) gehalten worden und so tat es anfänglich auch de Vaux. 1951 kehrten de Vaux und Harding zu weiteren Nachprüfungen zurück. Bis 1956 führten sie insgesamt fünf Grabungskampagnen in Qumran durch. Aufgrund von drei Zerstörungshorizonten, Keramik, Münzen und Befundstruktur unterscheidet de Vaux sechs Siedlungsperiodende Vaux sechs Siedlungsperioden.


[0] – Eisenzeit II (achtes bis siebtes Jahrhundert v. Chr.) – Ca. 450 Jahre Besiedlungspause
Ia – Ib – Hasmonäische Zeit (Ende zweites Jahrhundert, ca. 134–104 v. Chr.) Hasmonäische Zeit (bis 31 v. Chr.) – Ca. 30 Jahre Besiedlungspause
II – Herodianische Zeit (4/1 v. Chr. – 68 n. Chr.)
III – römische Besatzung (68 n. Chr. – ca. 75 n. Chr.) – Ca. 60 Jahre Besiedlungspause
[IV] – Zweite jüdische Revolte (132–135)

[0] und [IV] werden von de Vaux nur unter ihrem Namen erwähnt; ihre Sigel wurden hier sinngemäß ergänzt. Auch wenn inzwischen neue Abkürzungen vorgeschlagen worden sind (z.B. von Hirschfeld), haben sich die von de Vaux zu stark eingebürgert, um sie radikal zu wechseln. Nehmen wir zunächst die Hauptargumente von de Vaux für diese Periodisierung unter die Lupe: Die Hauptperioden I, II und III sind im Allgemeinen durch je einen aus einer Ascheschicht bestehenden Zerstörungshorizont voneinander getrennt. Allerdings bleiben aufgrund der Veröffentlichungslage Unsicherheiten. Unter der untersten Ascheschicht hat das Team von de Vaux mehrere Tonscherben entdeckt. Sie stammen aus der späten EisenzeitEisenzeit, d.h. den letzten beiden Jahrhunderten des Königreichs Juda. Zwei dieser Scherben tragen das Siegel lamelekh („für den König“). Eine Scherbe ist in paläohebräischer Schrift beschrieben und kann nicht nur keramisch, sondern auch paläographisch datiert werden. Von den Befunden ordnet de Vaux dieser Periode („0“) die tiefe und einzige runde Zisterne (L110) und einen rechteckigen Bau um einen großen Hof in ihrem Osten zu, dessen Fundamente tiefer als die Ascheschicht liegen und dessen Struktur anderen judäischen Festungen der Eisenzeit ähnelt. Nach einer zerstörerischen Feuersbrunst lag der Ort fast ein halbes Jahrtausend lang brach. Weder der persischen |97|noch der frühen hellenistischen Zeit können irgendwelche Funde zugeordnet werden. Da es in diesen Perioden schon Münzen und Keramik gab, ist dies ein starkes Indiz dafür, dass die Siedlung in dieser Zeit unbewohnt war.

Aufgrund des Münz- und Keramikbefundes datiert de Vaux die Siedlungsphasen I–III ungefähr von Johannes Hyrkanos I. (ab 134 v. Chr.) bis zur Eroberung Masadas im Jahre 73/74. Unter den Datierungen ist die des obersten Stratums, Periode IIIPeriode III, relativ unumstritten. Nur über der zweiten Ascheschicht finden sich Münzen der römischen Besatzung Cäsareas und Doras, die ab 67/68 n. Chr. geprägt worden sind. Die jüngsten Münzen unter dieser Ascheschicht gehören hingegen noch zu den Prägungen der aufständischen Juden aus der ersten Revolte gegen Rom, geprägt nach dem Monat Nisan (März/April) im Jahr 68, dem dritten Jahr des Aufstands. Die Gebäude über der Ascheschicht weisen eine völlig andere Struktur auf als die Gebäude darunter. Die neuen Bewohner hatten offensichtlich andere Bedürfnisse und einen anderen Lebens- und Wohnstil. Bis auf zwei Zisternen wurden alle mit Trümmern aufgefüllt. Die alten Werkstätten wurden mit Ausnahme eines |98|Backofens nicht weiter genutzt. Die größeren Räume wurden in kleine Zimmer unterteilt (z.B. L4, L13, L30). Unter den Tonwaren finden sich nicht mehr die qumranspezifischen Krugtypen. Im Stratum unter der obersten Ascheschicht, also Periode II, türmen sich in mehreren Räumen Trümmer auf. Einige Pfeilspitzen sind Zeugen für eine Attacke, vielleicht mit Brandpfeilen. Wir haben oben (S. 71) gesehen, dass Vespasians Truppen im Juni 68 Jericho heimsuchten. Eine Zerstörung Qumrans durch einen römischen Angriff und eine darauf folgende Nutzung als Wachtposten bis zum Ende der Belagerung Masadas im Jahre 73/74 und vielleicht ein paar Jahre darüber hinaus würde genau zum numismatischen und archäologischen Befund passen (de Vaux, Archaeology, 36–41). Praktisch alle Archäologen stimmen dieser Interpretation zu (Ausnahme: Taylor).

Für die Perioden I und II und den Übergang von Periode I zu Periode II sieht das komplexe Erklärungsszenario von de Vaux nach einer Zerstörung durch einen Brand infolge eines Erdbebens eine längere Siedlungspause zwischen Perioden I und II?Siedlungspause vor. Was sind dazu die Argumente? Auch Periode I und II sind (im Allgemeinen) durch eine Ascheschicht voneinander getrennt. Sie findet sich hauptsächlich in den nicht überdachten Bereichen, aber auch der hölzerne Türrahmen zwischen Loci 1 und 4 wurde Opfer dieses Brandes. De Vaux’ Hypothese, dass die überdachten Räumlichkeiten beim Aufräumen sorgsamer ausgekehrt wurden als die Höfe, ist plausibel. Was hatte diesen Brand ausgelöst und wann?

Zur Ascheschicht als Zeichen für einen Brand am Ende von Periode I kommen vier weitere Beobachtungen, die eine Erklärung suchen: Erstens gibt es eine äußerst auffällige VerwerfungslinieVerwerfungslinie: der Teil einer Treppe in L48/L49 ist um einen halben Meter abgerutscht.

Abb. 9:

Verwerfungslinie in der Treppe von Locus 48

Nach neueren Untersuchungen setzt sich diese Verwerfungslinie auch nach Süden und Norden fort. Ein weiterer Spalt zieht sich vom Südwesten zum Nordosten durch L111, L115, L118 und L126. De Vaux interpretiert dies als Spuren eines Erdbebens, das dann den Brand ausgelöst habe. Tatsächlich berichtet Josephus von einem fürchterlichen Erdbeben mit tausenden Toten im Jahre 31 v. Chr. (Ant. Iud. 15,121–125; BJ 1,370–372).

Zweitens hat de Vaux über der mittleren Ascheschicht beachtliche SedimentablagerungenSedimentablagerungen (75 cm) in den an das Sickerbecken angrenzenden Gebäudeteilen festgestellt. De Vaux leitet daraus ab, dass die Wasseranlage mehrere Jahre nicht repariert wurde, und zwar nach dem Brand. Dies würde anzeigen, dass Qumran zwischen Brand und Reparatur über längere Zeit hinweg nicht bewohnt wurde.

|99|Zu einer Siedlungspause in der herodianischen Zeit nach dem Erdbeben 31 v. Chr. und zum Datum der Rückkehr gibt der numismatische Befund zwei weitere Indizien. Dabei unterscheidet man die ca. 600 Einzelmünzen, die einzeln über die gesamte Ausgrabung verstreut gefunden wurden, von einem Gruppenfund, einem Schatz von etwa ebensoviel Münzen. nur sechzehn Münzen aus der Zeit des HerodesNur sechzehn Münzen der Einzelfunde datieren in die lange Regierungszeit Herodes des Großen (40–4 v. Chr.) (Ariel und Fontanille, 153). Dies sind viel weniger als die fast 100 Münzen aus der kürzeren Regierungszeit des Alexander Jannai. Das andere Indiz kommt von einem Schatz tyrischer TetradrachmenSchatz tyrischer Tetradrachmen aus den Jahren 120 bis 9/8 v. Chr., der in drei Töpfen in Locus 120 unter dem Boden von Periode II und über dem Boden von Periode I vergraben worden war. Diese ausländischen Münzen, selten in Orten um das Tote Meer, wurden von Juden wegen ihrer hohen Silberqualität vor allem für die jährliche Tempelsteuer verwendet (mSheq 2,4; mBekh 8,7). Nun werden Schätze vor allem in Übergangs- oder Krisenmomenten versteckt. 9/8 v. Chr. war keine spezielle Krisenperiode, aber in de Vaux’ Zeit nahm man noch an, zwischen 9/8 und 1 v. Chr. wären keine tyrischen Silberdrachmen geprägt worden. Der Hort wäre also irgendwann zwischen 9/8 und 1 v. Chr. versteckt worden, als Sieder nach Qumran zurückkehrten, |100|am ehesten um 4 v. Chr., als der Tod Herodes des Großen Unruhen auslöste.

 

Schließlich beobachtete de Vaux, dass trotz gewisser Änderungen in der Struktur des Gesamtkomplexes zwischen den Perioden I und II die Nutzung im Großen und Ganzen den gleichen Notwendigkeiten folgte. Dazu passt, dass es nicht leicht ist, die Keramik der Perioden I und II zu unterscheiden (de Vaux, Archaeology, 17f). Eine Ausnahme sind Krüge. Ein bestimmter eiförmiger Krugtypeiförmiger Krugtyp („ovoid jars“) mit verstärktem Hals findet sich in Qumran nur in Periode I und anderswo nur in hellenistischer Zeit, während die (fast) nur in Qumran gefundenen zylindrische Krügezylindrischen Krüge ausschließlich aus Kontexten von Periode II stammen.

Abb. 10:

Qumranische Krugtypen nach Perioden

De Vaux hielt das folgende Szenario für die wahrscheinlichste ErklärungErklärung dieser Beobachtungen: das Erdbeben löste – wie damals häufig z.B. durch umgekippte Öllampen – eine Feuersbrunst aus, die die Siedlung zerstörte (Ende von Periode I, 31 v. Chr.); danach wurde die Siedlung mehrere Jahre nicht benutzt (wegen der Sedimentablagerung und der wenigen Münzen aus Herodes’ Zeit); das Jahr der Wiederbesiedlung ließe sich aus dem Silberschatz ableiten, der von den Rückkehrern am Anfang der Periode II versteckt worden sei, also nicht lange nach 9/8 v. Chr., am ehesten zur Zeit der Unruhen nach dem Tode Herodes des Großen (4 v. Chr.), also eine Generation später; die Bewohner in Periode II waren die gleichen (nicht unbedingt dieselben) wie in Periode I (wegen des gleichbleibenden Strukturplans).

Heute wird dieses Szenario zu Recht in Frage gestellt. Vor allem die eine ganze Generation währende Besiedlungspause nicht unproblematischBesiedlungspause ist nicht unproblematisch. Die gleiche Sedimentmenge kann bei Springfluten durchaus in nur ein oder zwei Jahren angetragen werden. Mehrere Archäologen haben festgestellt, dass in anderen Ausgrabungen, z.B. in Qalandiya, Herodes’ Münzen ebenfalls relativ dünn gesät sind. Wenn sie in Qumran auch wenig vorkommen, ist das nicht weiter auffällig. Damit fallen die beiden Hauptargumente für die lange Siedlungspause. Broshi lässt daher Periode II schon kurz nach dem Ende von Periode I beginnen, spätestens 26 v. Chr.

Hirschfeld und Magness trennen Erdbeben und Brand ganz. Ersterer dreht darüber hinaus die Reihenfolge um: Die Zerstörung durch Feuer stamme aus der Zeit der Perserangriffe 40–37 v. Chr.; und die Verwerfungsfalte sei erst durch eines der großen bekannten Erdbeben im vierten oder achten Jahrhundert verursacht worden. Auch Magen und Peleg schlagen vor, dieser Spalt sei die Folge eines viel späteren Erdbebens. Dies ist unwahrscheinlich, denn in der „GeschirrkammerGeschirrkammer“ (L86/L89) wurden immense Mengen an sorgfältig gestapeltem, aber zerbrochenem Essgeschirr aus Periode I |101|gefunden, die durch eine Mauer zugemauert worden war (s. Abb. 12, S. 109). Bei einer Zerstörung in Periode II (z.B. 48 n. Chr.) hätte die Keramik ein anderes Profil gehabt. Hätten noch spätere Erdbeben diese verursacht, hätte niemand mehr das Geschirr einmauern können. Wenn man nicht mehrere Erdbeben annehmen will, von denen das eine das Geschirr zerschlug und das andere das Wassersystem lädierte, ist und bleibt die einfachste Erklärung ein Erdbeben in Periode I, also 31 v. Chr.

Nach Magness beschädigte das Erdbeben zwar Gebäude, Geschirr und Wasserinstallationen, verursachte jedoch keinen Brand. Dazu passt, dass de Vaux tatsächlich keine Ascheschicht über der Keramik aus der Geschirrkammer erwähnt. Die Bewohner reparierten die Siedlung sogleich. Die Siedlungspause aber muss mit dem Brand zusammenhängen, denn die Sedimente finden sich erst über einer Ascheschicht, also nach einem Brand. Magness ordnet den Silberhort nicht dem Anfang von Periode II, sondern dem Ende von Periode I zu. Er wurde nicht bei der Ankunft der Rückkehrer versteckt, sondern, weitaus üblicher, vor einer Gefahrensituation um 9/8 v. Chr., die dann tatsächlich zum Brand und zur Zerstörung der Siedlung führte. Die Siedlungspause schrumpft auf wenige Jahre zusammen. Es ist jedoch nicht klar, wie in Periode I ein Schatz zwar unter dem Fußboden von Periode II, aber auf oder über dem |102|Fußboden von Periode I versteckt worden sein soll. Auch wenn die Datierungen des Endes von Periode I und des Anfangs von Periode II differieren, hat sich doch ein KonsensKonsens herausgebildet, dass die Siedlungspause nicht 30 Jahre betrug. Entweder endete Periode I später (Magness, Taylor) oder Periode II begann früher (Broshi, Humbert, Hirschfeld).

Schließlich gibt es die grundlegende Frage nach dem Beginn von Periode I, der Neubesiedlung Qumrans nach der Eisenzeit. De Vaux unterteilt Periode I noch weiter in zwei Periode IaPhasen Ia und Ib. (Man sollte sich hierbei nicht durch die Nomenklatur irreführen lassen. Die Unterschiede in der Gebäudestruktur zwischen Ia und Ib sind weitaus größer als zwischen Ib und II. Was zwischen Ia und Ib fehlt, ist ein Zerstörungshorizont). Zu Periode Ia zählt er den Wiederaufbau der Ruinen aus der Eisenzeit sowie die Konstruktion des Aquädukts mit einem Klärbecken und zwei Wasserinstallationen (L117 und L118), den Bau zweier Keramikbrennöfen und einiger Räume im Norden der Zisternen. De Vaux’ Gründe für die Unterscheidung zwischen Ia und Ib sind allerdings weder stratigraphisch, noch numismatisch oder keramisch, sondern bautechnisch. Die Wände einiger Räume wurden nach ihrer Konstruktion durchstochen, um einen Abfluss herzustellen. Erst Periode Ib ist für de Vaux die Phase, in der der Gebäudekomplex seine durch die beiden Hauptperioden I und II konstante Struktur erhält. Periode IbPeriode Ib beginnt für de Vaux mit Alexander Jannai, ohne dass er einen genaueren Zeitpunkt angeben mag. Zu ihr gehört das ungefähr rechteckige Hauptgebäude mit dem Turm (L8–L11, noch ohne sein Glacis), fast alle Mikven und Zisternen der ausgedehnten Wasserinstallationen, die Töpferei im Südosten und die Werkstätten im Westen. Periode Ia hingegen datiert de Vaux aufgrund des numismatischen Befundes mit elf Münzen aus dem zweiten Jahrhundert – darunter fünf Bronzemünzen – in die Zeit des Johannes Hyrkanos (134–104 v. Chr.).

Eine Datierung des Anfangs von Periode I vor Alexander Jannai wird heute zumeist bezweifelt. Die wenigen älteren Münzen können auch noch im ersten Jahrhundert v. Chr. im Umlauf gewesen sein. Zwar weist Hirschfeld darauf hin, dass dies nicht unbedingt für die Bronzemünzen gelte, aber das Grabungstagebuch zeigt, dass praktisch alle aus dem zweiten Jahrhundert stammenden Münzen in späten Kontexten gefunden wurden. Sie sagen also nichts über die Datierung aus – ähnlich wie ein antiquiertes Wort in einem modernen Text. Broshi und Magness stellen darüber hinaus die Existenz von Periode Ia in Frage. Weder Münzen noch eigene Keramik können diesem Stratum zugewiesen werden. Schließlich kommt noch ein architekturgeschichtliches Argument hinzu. Stammten |103|die beiden Wasserinstallationen L117 und L118 (heute als Mikven interpretiert), die de Vaux der Periode Ia zuordnete, wirklich aus der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts v. Chr., wären es die ältesten Mikven dieser Art und hätten alle anderen ähnlichen Mikven von Jerusalem bis Galiläa beeinflusst. Datiert man sie hingegen ins erste Jahrhundert, löst sich diese Schwierigkeit (Reich).

Ein völlig anderer Ansatz wird in den Arbeiten von Jean-Baptiste HumbertJean-Baptiste Humbert vertreten. Er lehnt de Vaux’ Stratigraphie als ungenügend dokumentiert und nicht nachprüfbar ab. Seine Methode basiert hauptsächlich auf einer Analyse der Baufugen und dem, was er als logische Evolution aus einem ursprünglich perfekt quadratischen Bau ansieht, an den die Wasserinstallationen und die Werkstätten im Westen und Süden erst in einer zweiten Phase angebaut wurden. Im Gegensatz zu de Vaux und Magness ist Humbert der Meinung, die strukturellen Unterschiede zwischen der ersten und der zweiten Phase seien substantiell: Es handle sich um den Übergang von einer Villa zu einem Religionszentrum der Essener anlässlich eines der Kriege in der Region (Gabinius 56 v. Chr., Parther 40 v. Chr. oder Herodes 31 v. Chr.). Auch wenn Humberts quadratischer Grundplan ästhetisch ansprechend ist, ist er doch ohne Veröffentlichung aller Daten historisch nur schwer nachzuvollziehen.

Andere haben eine derartige Zweiphaseninterpretation mit ihren eigenen Thesen gefüllt. Hirschfeld, Taylor, Cargill sowie Magen und Peleg nehmen an, Qumran hätte in hellenistischer Zeit als eine Festung begonnen, um dann Landgut, Töpferei oder Siedlung des Jachad zu werden. Gegen diese Umnutzungstheorie spricht u.a., dass die Keramik von einem Fort sich wohl von der einer Villa stärker unterschieden hätte. Auch stammen einige Wasserinstallationen aus der ältesten Phase. Merkwürdige Tierknochen-Deposite und der Friedhof wurden sowohl in Phase I als auch in Phase II genutzt. Wir kommen darauf zurück, wenn wir die Interpretationsthese von Qumran als Villa besprechen.

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|104|Chronologie und Funktion Qumrans im Vergleich

|105|7 Leben in und um Qumran: Gebäude und Objekte

s.o. Kapitel 6, speziell Humbert/Gunneweg, Magness, Archaeology.

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