Mündliche, schriftliche und theatrale Wege der Praxisreflexion (E-Book)

Text
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
Mündliche, schriftliche und theatrale Wege der Praxisreflexion (E-Book)
Font:Smaller АаLarger Aa


Eveline Christof, Julia Köhler, Katharina Rosenberger, Corinne Wyss

Mündliche, schriftliche und theatrale Wege der Praxisreflexion

Beiträge zur Professionalisierung pädagogischen Handelns

ISBN Print: 978-3-0355-0923-6

ISBN E-Book: 978-3-0355-1218-2

1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 hep verlag ag, Bern

www.hep-verlag.com

1Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Katharina Rosenberger, Eveline Christof, Julia Köhler, Corinne Wyss

Mündliche, kollegiale Reflexion von videografiertem Unterricht

Corinne Wyss

1Einleitung

2Reflexion in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung

3(Videografierten) Unterricht beobachten und reflektieren

4Kollegiale, videobasierte Unterrichtsreflexion – ein Einblick in die Praxis

5Fazit und Empfehlungen für die Praxis

Bearbeitung schulpraktischer Erfahrungen durch eine Rekonstruktion subjektiver Theorien: Peer-Interviews als mündliche Form der Praxisreflexion

Eveline Christof

1Einleitung

2Reflexionsfähigkeit als Kernkompetenz von (angehenden) Lehrerinnen und Lehrern

3Einfluss und Wirkmacht von berufsbezogenen Überzeugungen auf das Handeln von (angehenden) Lehrerinnen und Lehrern

4Hochschuldidaktisches Setting zur Anregung von Reflexionsprozessen bei Studierenden

5Fazit und Empfehlungen für die Praxis

Die schriftliche Aufarbeitung von Unterrichtserfahrungen im Lehramtsstudium

Katharina Rosenberger

1Einleitung

2Studieren und Reflektieren: Einübung in eine Praxis

3Praxistheoretische Auslegung der Reflexion von Unterrichtserfahrungen

4Schule und Unterricht im Studium erfahren, reflektieren, verstehen

5(Selbst-)Reflexives Schreiben als institutionalisierte Form der Auseinandersetzung mit Schule und Unterricht

6Fazit und Empfehlungen für die Praxis

Reflexion als theatrale Erfahrung

Julia Köhler

1Einleitung

2Die Theaterpädagogik – eine kurze Standortbestimmung

3Theatrale Erfahrungen

4Aufbau pädagogischer Professionalität

5Pädagogische Professionalität im Kontext theaterpädagogischer Überlegungen

6Reflexionsfähigkeit als Zentrum pädagogischer Professionalität

7Theaterpädagogische Wege zur Reflexionsfähigkeit

8Beispiele aus der Praxis

9Fazit und Empfehlungen für die Praxis

Zusammenfassende Überlegungen

Corinne Wyss, Eveline Christof, Julia Köhler, Katharina Rosenberger

Die Autorinnen

Vorwort

Den heutigen Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer wohnt eine ungeheure Dynamik inne. Diese hängt vor allem mit der raschen Entwicklung relevanten Wissens, der Nutzungsmöglichkeiten unterschiedlicher Medien und nicht zuletzt mit den heterogenen Lernvoraussetzungen der Lernenden in den Schulklassen zusammen. Sowohl in der tertiären Bildung als auch in der Schule besteht für die Lehrenden eine Anpassungsnotwendigkeit an die gesellschaftlich geforderten Lehrinhalte, die zur Verfügung stehenden Lehrmethoden und an die sich stetig verändernde Gruppe der Lernenden. Die vielfältigen sozialen, organisatorischen und intellektuellen Aufgaben, denen Lehrerinnen und Lehrer im Schulalltag begegnen, sind daher ohne eine selbstreflexive Erkenntnishaltung schwer zu bewältigen. Vor diesem Hintergrund stellt die Bereitschaft und Fähigkeit, über eigenes professionelles Wissen und Handeln nachzudenken und dieses kontinuierlich weiterzuentwickeln, ein zentrales Merkmal der professionellen Handlungskompetenz von Lehrkräften dar.1 Reflexion ist ein wichtiges Element der Lehrerinnen- und Lehrerbildung und die Reflexionskompetenz ein zentrales Bildungsziel. Bereits in den Praxisphasen der Ausbildung von Lehrpersonen sollen das Hinterfragen des eigenen Unterrichtshandelns und die konstruktive Anpassung an die jeweiligen situativen Anforderungen in der Schule, sei es der Umgang mit den Lernenden, mit deren Eltern oder die Zusammenarbeit im Kollegium, eingeübt werden. Das Angebot von geeigneten und gezielten Reflexionsgelegenheiten ist daher bereits in diesen Phasen für die Ausbildung einer reflektierenden Grundhaltung wichtig, damit angehende Lehrpersonen diese in ihrer weiteren Berufspraxis ausbauen und adaptieren können.

Obwohl Reflexion für die Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern anerkanntermaßen eine zentrale Kompetenz darstellt, ist die spezifische Definition dessen, was unter Reflexion verstanden und wie diese gefördert werden kann, in der bildungs- bzw. erziehungswissenschaftlichen Diskussion zum Teil noch wenig bestimmt oder sie wird heterogen beschrieben. Die Autorinnen des vorliegenden Buches sind Expertinnen der Lehrerinnen- und Lehrerbildung der Schweiz und Österreichs und nehmen sich der Aufgabe der Förderung von Reflexionskompetenz in engagierter Weise an, indem sie Reflexionsansätze aus ihrer eigenen Lehrpraxis für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung aufbereiten, vorstellen und diskutieren. Ihre Ansätze umspannen die videogestützte kollegiale Unterrichtsreflexion, die Auseinandersetzung mit subjektiven Lehr- und Lerntheorien unter Nutzung des pädagogisch reflexiven Interviews, die Nutzung von Praxisportfolios und Reflexionsberichten sowie die theaterpädagogische Auseinandersetzung mit dem eigenen Unterricht. Da jeder der Ansätze reflexionstheoretisch unterschiedlich einzuordnen ist, wird die jeweilige Verortung des Reflexionsbegriffs vorangestellt. Das vorliegende Buch bietet Ausbildnerinnen und Ausbildnern von Lehrpersonen ein ausgesprochen praxisnahes Angebot für die systematische Konzeption und Implementation von Reflexionsangeboten in den Praxisphasen der Lehrerinnen- und Lehrerbildung.

Prof. Dr.in Kerstin Göbel, Fakultät für Bildungswissenschaften Universität Duisburg-Essen

Einleitung

Katharina Rosenberger, Eveline Christof, Julia Köhler, Corinne Wyss

Die Reflexion von Bildungsprozessen, insbesondere von Praxiserfahrungen, ist im Zusammenhang mit der professionellen Ausübung einer Lehrtätigkeit sowie anderen Tätigkeiten in (sozial-)pädagogischen Handlungsfeldern ein seit Langem unbestrittenes Grundkonzept. Dazu wird sie als Bedingung für lebenslanges, berufsbezogenes Lernen angesehen. Generell gilt eine «reflektierte Praxis» in der Ausbildung für (sozial-)pädagogische Berufe daher mittlerweile sowohl als Weg wie auch als Ziel und wird folglich in den jeweiligen Curricula in unterschiedlichen Zusammenhängen als anzustrebendes Bildungsziel formuliert. Auch in der Weiterbildung stellt sie eine zentrale, nicht wegzudenkende Säule dar. Reflexivität, hier kurz gefasst als das Zusammenspiel von Reflexionsbereitschaft und Reflexionsfähigkeit, gilt gemeinhin als Schlüsselkompetenz für diese Berufsgruppen und fungiert damit als unentbehrliches Richtmaß pädagogischer Professionalität. Im Bereich der Lehramtsstudien wird dabei etwa nicht nur eine abstrakt-intellektuelle Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Aspekten von Schule und Unterricht sowie mit den vielfältigen Dimensionen und Prozessen des Lehrens und Lernens angestrebt. Ziel ist es, ein Verständnis für die vielfältigen Dimensionen und Prozesse des Lehrens und Lernens aufzubauen. Dabei spielen die Nachvollziehbarkeit praktisch-pädagogischer Handlungsvollzüge und eine Vergrößerung des eigenen Handlungsrepertoires eine beträchtliche Rolle:

 

Gradmesser der professionellen Qualifikation ist die Fähigkeit, schulisches Geschehen allgemein sowie die eigene schulpraktische Erfahrung zu reflektieren, sie – teils mit wissenschaftlich geschärften Denkinstrumenten – zu analysieren, und das gekoppelt mit der Fähigkeit, gewonnene Erkenntnisse in ein nachhaltig wirksames Handlungswissen umzusetzen. (Reusser, Wyss 2000, S. 9)

Im Kontext der Ausbildung zielen Praxisreflexionen auf der einen Seite also auf ein Hinterfragen des Verhältnisses von Theorie und Praxis sowie auf eine Fokussierung auf die verschiedenen Wissensarten, auf die Anpassung an Traditionen und Erwartungen der Praxisgemeinschaft usw. ab. Auf der anderen Seite sollen eigene Erfahrungen, Wahrnehmungen, Vorannahmen und Haltungen, die das pädagogische Handeln beeinflussen, schon während des Studiums bewusst gemacht werden. Durch eine systematische und durch die Ausbildungsinstitution mit richtungslenkenden Impulsen angereicherte Reflexion – so die allgemeine Annahme – sollen wichtige Denk- und Lernprozesse angeregt werden, die die persönliche sowie professionelle Weiterentwicklung unterstützen können.

Die vier Autorinnen dieses Buches, die sich alle nicht nur als Bildungswissenschaftlerinnen, sondern auch als Lehrerinnen- und Lehrerbildnerinnen verstehen, widmeten sich im Zuge eines interinstitutionellen Fachaustausches gemeinsam der Frage nach traditionellen und neu entwickelten Ansätzen bzw. Formaten einer solchen Praxis des Reflektierens im Rahmen der Lehramtsausbildung. Ausgehend von eigenen langjährigen praktischen Erfahrungen in schulpraktikumsbegleitenden Lehrveranstaltungen an unterschiedlichen schweizerischen und österreichischen Institutionen der Lehrerinnen- und Lehrerbildung sowie von eigenen einschlägigen Forschungsarbeiten galt es, die Eigenarten unterschiedlicher Zugänge herauszuarbeiten. (Insofern beziehen sich die Beiträge dieser Publikation in erster Linie auf das Lehramtsstudium, können aber relativ leicht auch auf andere ähnlich gelagerte Ausbildungen bezogen werden.) Dass diese gemeinsame ‹Reflexion des Reflektierens› von Personen mit unterschiedlicher institutioneller Anbindung (Universität Innsbruck, Universität Wien, Kirchliche Pädagogische Hochschule Wien/Krems und Pädagogische Hochschule Zürich) und daher auch mit dem Wissen von je eigenen Traditionen und Vollzugspraktiken im Bereich der Schulpraktika unternommen wurde, machte das Vorhaben in besonderer Weise interessant und anregend. Die teils unterschiedlichen, oft aber auch sehr ähnlichen Erfahrungen konnten so als Ausgangspunkt für die gemeinsame Weiterentwicklung von Denkansätzen und praktischen Konzepten herangezogen werden.

Ein Aspekt trat bei der über mehrere Monate geführten Diskussion dabei wiederkehrend als sozusagen negativer Orientierungsrahmen in Erscheinung: Die sich wiederholende Erfahrung, dass einige Studierende das Reflektieren ihrer Praktikumserfahrungen bisweilen als Last empfinden, der sie wenig Sinn zusprechen können. Sie betrachten das Reflektieren als reine Pflicht, die im Rahmen des Studiums eben notgedrungen ‹irgendwie› zu erfüllen ist. Der im Beisein von Hochschullehrenden zwar selten so unverblümt, aber in informellen Kontexten dennoch wiederholt geäußerte studentische Ausspruch «Müssen wir schon wieder reflektieren?» ist dabei nicht nur den Autorinnen vertraut, sondern auch anderen praktikumsbetreuenden oder -begleitenden Hochschullehrkräften, wie in zahlreichen Fachgesprächen mit Kolleginnen und Kollegen im In- und Ausland festgestellt werden konnte. Als ‹Begleiterscheinung› dazu wird die oftmals mangelnde Qualität der Reflexionsgespräche und Reflexionsberichte moniert. Reflexionsangebote und -aufträge scheinen also nicht immer das zu bringen, was man sich von ihnen verspricht. Dass sie nicht einfach als Selbstläufer funktionieren, sondern vielmehr eines sensiblen und wohl bedachten Umgangs bedürfen, hängt in wesentlichen Grundzügen auch mit ihrer systemischen Einbettung zusammen, wie Gillie Bolton (2006, S.1) eindringlich mahnt: «Most training and post-experience courses include elements of reflective practice; the danger lies in undertaking it because it is just the thing to do. Such an attitude cannot support reflection and reflexivity. The paradox is that reflective practice is required by the masters, by the system.» Das Vorhaben der Autorinnen dieses Buches kann durchaus im Lichte dieser kritischen Einschätzung gesehen werden.

Wie kann das ‹Wundermittel Reflexion› im Rahmen des Studiums für angehende Lehrpersonen nun also möglichst optimal eingebracht werden? Auch die vorliegende Publikation kann dafür keine Patentrezepte liefern, weil es diese schlichtweg nicht gibt. Die Autorinnen verfolgen in ihren Beiträgen jedoch das Ziel, das Reflektieren von Praktikumserfahrungen auf zwei Ebenen zu erschließen, um für die Leserinnen und Leser damit weitere Anschlussmöglichkeiten zu eröffnen: Sie stellen auf der einen Seite praktische Ansätze vor bzw. diskutieren deren Einsatz in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung, widmen sich aber auf der anderen Seite ebenso systematisch dem Verständnis von Reflexion und den damit zusammenhängenden relevanten Grundbegriffen. Diese Begriffsarbeit erachten wir nicht nur im Sinne einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung, sondern auch für die konkrete Arbeit in Lehrveranstaltungen als essenziell, denn wenn wir von Studierenden erwarten, dass sie ‹reflektieren›, müssen wir eine genaue Vorstellung haben, was wir mit diesem vielschichtigen, und vielleicht auch schillernden, Begriff überhaupt meinen. Denn die institutionelle Verankerung von reflexivem Denken im Rahmen pädagogischer Professionalität kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es hier mit einem Grundbegriff zu tun haben, der vor allem als Leitkategorie für soziale Praktiken alles andere als geklärt ist. Vielmehr ist nach den diskursiven Kontexten zu fragen, in die er eingebettet ist und die seine Gebrauchsweise prägen. Der zur Tradition gewordene Reflexionsbegriff scheint im pädagogischen Kanon sehr heterogen verwendet zu werden oder mitunter auch nur mit vagen Vorstellungen darüber verbunden zu sein, was unter Reflexion genau verstanden wird. (vgl. Herzog 1995, S.253 f.). Dies wäre an sich nicht problematisch, denn ein soziales Konzept wie das des reflektierenden Denkens kann nie abgekoppelt von seiner konkreten Einbettung gesehen werden. Seine Bedeutung muss folglich aus einer Kontextualisierung seines Gebrauchs gewonnen werden. Wir sehen dieses Buch also auch als Impuls an Ausbildende, die Reflexionspraxis im Studium mit einer Auseinandersetzung mit dem (institutions-)eigenen Verständnis von Reflexion zu beginnen. Denn daraus ergeben sich die feinen Unterschiede, die zum eigenen Umgang in der Ausbildungspraxis führen – etwa die jeweiligen Erwartungen, die an Studierende und an ihre Reflexionstätigkeit gerichtet werden, die Ausrichtung von Lehrveranstaltungskonzeptionen, die konkrete Entwicklung von hochschuldidaktischen Methoden usw.

Dass genau eine solche Auseinandersetzung mitunter im Alltagsgeschäft von Modulabstimmungen und Lehrveranstaltungsplanungen allerdings oft zu kurz kommt, nahmen die Autorinnen dieses Buches also zum Anlass, sich einerseits theoretisch näher mit dem Thema «Praxisreflexion in pädagogischen Ausbildungen» zu beschäftigen und dieses dann andererseits mit konkreten Umsetzungsmöglichkeiten zu verbinden. Ausgehend von dem Versuch, den Reflexionsbegriff ein Stück weit fassbarer und für die Reflexionsarbeit mit Studierenden damit klarer zu machen, werden daran anschließend in den verschiedenen Beiträgen konkrete Zugänge dargestellt, mit denen das Reflektieren von Praktikumserfahrungen sinnhaft umgesetzt werden kann. Die vorliegende Publikation beleuchtet das Themenfeld Praxisreflexion dabei aus teilweise ähnlichen, manchmal aber auch nicht immer kompatiblen Perspektiven. Die damit entstandene Vielfalt ist beabsichtigt und soll auf die Bandbreite möglicher Denk- und Umsetzungswege hinweisen, die dem umfassenden Thema der Reflexion inhärent ist. In den einzelnen Beiträgen wird der Fokus dabei auf jeweils unterschiedliche Modalitäten der Bearbeitung von Praxiserfahrungen gesetzt: Die Autorinnen diskutieren die Thematik vor dem Hintergrund mündlicher, schriftlicher und theatraler Formen institutionalisierter Reflexionsmöglichkeiten.

Corinne Wyss beschäftigt sich mit der mündlichen, kollegialen Reflexion von (videografiertem) Unterricht. Dem Beitrag liegt die Annahme zugrunde, dass der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen sowie die Arbeit mit eigenen Unterrichtsaufnahmen die Reflexion anregen und fruchtbar machen können und persönliche, berufliche Entwicklungsprozesse dadurch positiv beeinflusst werden. Diese Annahme wird theoretisch ergründet und es wird erörtert, welche Anforderungen und Kompetenzen hierzu erforderlich sind. Ferner wird auf der Grundlage von exemplarischen Beispielen aus der Praxis auf Herausforderungen hingewiesen, die erkannt und bei der Umsetzung in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen beachtet werden sollten.

Der Beitrag von Eveline Christof präsentiert einen Ansatz für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung, der Reflexionsfähigkeit bei Studierenden anregen, entwickeln und schulen soll, um Praxiserfahrungen sinnvoll und theoriegeleitet reflektieren zu können. Es wird die Erprobung eines hochschuldidaktischen Settings als ein Modell vorgestellt, in dem Lehramtsstudierende an der Universität Innsbruck krisenhafte Situationen aus ihrer eigenen pädagogischen Praxis mithilfe eines mehrstufigen (Peer-)Interviewprozesses (das pädagogisch reflexive Interview, Christof 2009) reflektieren. Das Modell nimmt Bezug auf den theoretischen Hintergrund von Rolle und Wirkmächtigkeit berufsbezogener Überzeugungen, die Lehramtsstudierende in die Ausbildung mitbringen.

Katharina Rosenberger widmet sich dem Verschriftlichen von Praxiserfahrungen (wie etwa Reflexionsberichten oder Praxisportfolios). Sie diskutiert dies aus dem Blickwinkel eines praxistheoretischen Ansatzes und lenkt damit den Blick vom Individuum hin zu diskursiven und interaktiven Reflexionspraktiken in institutionellen Settings. Durch diese de-subjektivierende Rahmung erscheint das schriftliche Reflektieren von Studierenden weniger als Ausdruck einer individuellen kognitiven Kompetenz, denn vielmehr als Prozess des Einübens in eine Praxisgemeinschaft. Das schriftliche Reflektieren ist so gesehen als eine spezifische Praktik mit sozialisatorischer Wirkung zu verstehen, an der die künftigen Lehrerinnen und Lehrer teilnehmen, die sie aber im Sinne einer Re-Produktion auch mitgestalten.

Julia Köhler lotet in ihrem Beitrag die Möglichkeiten theatraler Arbeit im Kontext reflexiver Erfahrungsräume aus. Dabei wird zunächst auf die Potenziale theatraler Lernprozesse hingewiesen, mit deren Hilfe eigene Haltungen und Erfahrungen auf eine spezifische Art und Weise reflektiert werden können. Kreative Reflexionsprozesse, die durch die theatrale Arbeit erzeugt werden, helfen, so die These der Autorin, subjektive Theorien zu überprüfen, diese aufzubrechen und alternative Handlungsvollzüge zu erarbeiten. Mithilfe von einigen Beispielen aus der Arbeit mit Lehramtsstudierenden wird aufgezeigt, wie im Rahmen des Studiums durch die theatrale Beschäftigung eigene Praxiserfahrungen reflektiert und konstruktiv bearbeitet werden können.

Die Beiträge dieses Buches sollen dazu anregen, sich mit der Gestaltung von Reflexionsanlässen auseinanderzusetzen. Die Texte können neue Ansichten und Denkanstöße in Bezug auf die Reflexionspraxis liefern und den Horizont für die eigenen Handlungsfelder erweitern. Wir wünschen Ihnen demgemäß eine erkenntnisreiche Lektüre und hoffen, dass Sie darin viele Inspirationen für Ihre Tätigkeit in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung oder in anderen (sozial-)pädagogischen Bereichen finden.

Literatur

Bolton, Gillie (2006): Reflective practice. Writing and professional development. Los Angeles: Sage.

Christof, Eveline (2009): Bildungsprozessen auf der Spur. Das pädagogisch reflexive Interview. Wien: Löcker.

Herzog, Walter (1995): Reflexive Praktika in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung. In: Beiträge zur Lehrerbildung, 13(3), S.253–273.

Reusser, Kurt; Wyss, Heinz (2000): Die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer unterwegs auf neuen Wegen zu neuen Zielen. Standortbestimmung der schweizerischen Lehrerbildung zu Beginn des neuen Jahrhunderts und Perspektiven ihrer künftigen Weiterentwicklung. In: Beiträge zur Lehrerbildung, 18(1), S.7–16.