Politisches Grundwissen für Ausbildung und Studium in der Polizei

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I. Der Staat
1. Begriff und Aufgaben
a) Was ist der Staat?

Was einen Staat ausmacht, ist nicht fest definiert. Es ist oft von den herrschenden politischen, sozialen, nationalen, auch religiösen Einstellungen abhängig. Im Allgemeinen wird der Staat durch seine Aufgaben bestimmt.

b) Aufgaben des Staates

– Wahrung der äußeren Sicherheit: internationale Verträge, Verteidigung

– Wahrung der inneren Sicherheit: Gesetze, Verwaltung, Polizei, Gerichte

– Förderung des Gemeinwohls: eine gerechte Sozial- und Wirtschaftsordnung, Bildung und Kultur

Diese weitgehend funktionsbezogene Bestimmung des Staates – manche sprechen vom Staat als Dienstleistungsunternehmen – muss durch grundlegende gemeinschaftsbezogene Elemente ergänzt werden.

c) Elemente des Staates

Wir sind das Volk!“

„Wir sind ein Volk!“

Beide Sätze prägten vor über 30 Jahren den friedlichen Aufstand der Deutschen in der DDR für eine vom Volke ausgehende Staatsgewalt, für die staatliche Wiedervereinigung Deutschlands und für ein vereintes deutsches Volk.

Die 3 Elemente des Staates, die sich hier äußern, sind:

– Staatsgebiet – Staatsvolk – Staatsgewalt –

Der Staat wird damit begrifflich durch 3 Elemente bestimmt.

2. Staatsgebiet

Das Staatsgebiet ist der umgrenzte Bereich der Erdoberfläche, in dem das Staatsvolk unter der Hoheit des Staates, der Staatsgewalt, lebt.

a) Räumlich zugeordnete Bereiche

Zum Staatsgebiet gehören:

– die Erdoberfläche innerhalb der Staatsgrenzen

– das Erdinnere (in Richtung Erdmittelpunkt)

– der Luftraum (nicht das Weltall)

– die Hoheitsgewässer von 12 Seemeilen (sm) vor Küstenstaaten für Kontroll- und Polizeirechte

– die 24 sm-Anschlusszone für wirtschaftliche Rechte

– der Festlandsockel bis zu 350 sm

– Schiffe auf hoher See, Flugzeuge im freien Luftraum

b) Exterritorialität

Nicht der Gebietshoheit unterstehen Vertreter und Vertretungen

– ausländischer Staatsorgane und Verwaltungen:

Staatsgäste, Botschafter, Diplomaten, Streitkräfte, Polizeien

– völkerrechtlicher Organisationen: UN, EU, Europarat u. a.

3. Staatsvolk – Staatsangehörigkeit (StAng.)

In jedem Staat leben neben den Staatsangehörigen, den Staatsbürgern, Personen mit anderer Volks- und Staatsangehörigkeit.

Unterschieden wird deshalb zwischen folgenden Begriffen:

Bevölkerung:

Alle in- und ausländischen Personen mit Wohnsitz im Staatsgebiet

Staatsvolk/Staatsbürger – rechtliche Bestimmung:

Alle Personen mit der Staatsangehörigkeit des jeweiligen Staatsgebietes

Nation/Volk – kulturelle Bestimmung:

Alle Personen mit derselben Volkszugehörigkeit. Grundlage ist die gemeinsame Sprache, Kultur, Geschichte, Abstammung.

In Nationalstaaten sind Staatsvolk und Nation gleich.

In Nationalitätenstaaten besteht das Staatsvolk aus mehreren Nationalitäten.

Der Erwerb der Staatsangehörigkeit:

Mit Geburt erwerben die Kinder nach dem

Abstammungsprinzip die StAng. der Eltern oder eines Elternteils,

Territorialprinzip die StAng. des Geburtslandes/-staates.

Durch Einbürgerung auf eigenen Antrag ab dem 16. Geburtstag.

a) Die deutsche Staatsangehörigkeit

Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erfolgt nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) vom 1. Januar 2000 durch

Geburt:

– Für Kinder mit einem deutschen Elternteil gilt das Abstammungsprinzip.

– In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern können seit 2014 die doppelte Staatsbürgerschaft besitzen, wenn sie

– bis zum 21. Geburtstag mind. 8 Jahre im Land gelebt haben

– oder in Deutschland 6 Jahre lang eine Schule besucht haben oder

– oder einen deutschen Schul- oder Berufsabschluss nachweisen.

Adoption: mit Annahme als Kind durch einen Deutschen

Art. 116 Abs. 1 GG als Flüchtling oder Vertriebener

Einbürgerung (auf Antrag):

Die Anspruchseinbürgerung besteht unter folgenden Voraussetzungen:

– acht Jahre legaler Aufenthalt in Deutschland

– Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung, z. B. EU-Bürgerschaft oder gleichgestellte europäische Staatsangehörigkeit

– Sicherstellung des Lebensunterhaltes ohne ALG II oder Grundsicherung1

– ausreichende deutsche Sprachkenntnisse für das tägliche Leben

– Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung des GG

– bestandener Einbürgerungstest zur Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie zu den Lebensverhältnissen in Deutschland

Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse; Mehr-Ehen sind untersagt2

– Straflosigkeit – außer „Bagatelldelikten“

– Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit

– Ausnahmen bilden z. B. die Mehrstaatigkeit bei allen EU-Bürgern

Die Ermessenseinbürgerung beinhaltet Erleichterungen z. B. für Familienangehörige von Ausländern mit Einbürgerungsanspruch, Ehegatten und eingetragene Partner von Deutschen, ältere Ausländer, Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge sowie Staatenlose.

Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit

– Dieser erfolgt mit Erwerb einer ausländischen StAng. (Ausnahme EU-Bürger).

– Der Betroffene darf nicht staatenlos werden (Art. 16 Abs. 1 GG).

– Deutsche mit Doppelpass, die sich an Kampfhandlungen einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligen, verlieren die StAng.2

– Einbürgerungen aufgrund rechtswidriger falscher Angaben zur Identität oder StAng. können innerhalb von 10 (früher 5) Jahren zurückgenommen werden.2

b) Die Bedeutung der Staatsangehörigkeit

Die Staatsangehörigen besitzen gegenüber dem Staat folgende

Rechte:

Grundrechte, an die der Staat gebunden ist

politische Rechte, die die Volkssouveränität garantieren, etwa das Wahlrecht, den freien Zugang zu allen öffentlichen Ämtern

staatliche Leistungen wie Rechtsschutz, sozialstaatliche Leistungen

Pflichten:

Treuepflicht gegenüber dem Staat, keine Schädigung seiner Interessen

Gehorsamspflicht gegenüber Verfassung, Gesetzen, Rechtsverordnungen

sachliche Leistungspflicht z. B. durch Steuern, Abgaben sowie

persönliche – z. B. durch öffentliche Ehrenämter, Zeugnis vor Gericht

4. Staatsgewalt

Die Staatsgewalt herrscht im Staatsgebiet über alle Personen und Sachen.

Das „Gewaltmonopol“ ist das alleinige Recht zur Ausübung von Herrschaftsgewalt und Macht. Dieses besitzt ausschließlich die Staatsgewalt.

Weitere Kennzeichen der Herrschaftsgewalt sind in modernen Staaten:

Gewährung von Leistungen an die Menschen (z. B. sozialstaatliche –)

Lenkung und Anleitung zu einem erwünschten Verhalten, z. B. in wirtschaftlicher, sozialer, umweltschonender Hinsicht

„Zerfallende Staaten“ besitzen nicht mehr die Herrschaft im Staatsgebiet.

Zur Durchsetzung ihrer Herrschaft muss die Staatsgewalt


souverän sein:Sie ist die höchste Herrschaftsinstanz im Staate.
umfassend sein:Sie erstreckt sich auf alle Personen und Sachen.
ursprünglich sein: Sie ist Ursprung aller anderen staatlichen Gewalten, die sich von ihr ableiten müssen.
einheitlich sein:Sie ist die einzige und alleinige Macht im Staate. Sie kann aber nach Funktionen aufgeteilt sein.

Im demokratischen Rechtsstaat ist die Staatsgewalt gebunden:

 

– an die Volkssouveränität: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“

– an die Verfassung mit den Grundrechten, an Gesetz und Recht

– Die Staatsgewalt ist in sich gegenseitig kontrollierende Gewalten geteilt:

– horizontal in Gesetzgebung, vollziehende Gewalt, Rechtsprechung

– vertikal in Bund und Länder

5. Staats- und Regierungsformen

Die Staatsform zeigt, wie ein Staat sich darstellt, wer ihn repräsentiert:

Das Staatsoberhaupt ist in der


Monarchie:ein Monarch durch Erbfolge: Kaiser, König u. a.,
Republik:ein auf Zeit gewählter Präsident.

Die Regierungsform zeigt, wer die Macht besitzt und wie sie ausgeübt wird:

Monarchie


absolute Monarchie:Die Macht liegt allein beim Monarchen.
beschränkte Monarchie:Die Macht liegt allein beim Monarchen.
– ständische Monarchie:– konstitutionelle Monarchie:– parlamentarische Monarchie:– durch Stände, Adel, Klerus, Bürger,– durch eine Verfassung,– durch ein übergeordnetes Parlament.

Republik


Demokratie:Die Macht wird vom Volke ausgeübt
– unmittelbare Demokratie:– durch das Volk selbst,
– mittelbare Demokratie:– durch vom Volk gewählte Vertreter,
– parlamentarische D.:– durch gewählte Parlamentarier,
– Präsidialdemokratie:– durch einen gewählten starken Präsidenten und gewählte Parlamentarier.
Diktatur – entartete Form der Republik
Die Macht liegt ausschließlich
– Ein-Mann-Diktatur:– Partei-Diktatur:– Militär-Diktatur:– bei einem Diktator,– bei einer Partei,– beim Militär.

Die Einteilung ermöglicht eine allgemeine Zuordnung von Staaten. Oft entsprechen jedoch die öffentlichen Bekenntnisse eines Staates zu Demokratie und Parlamentarismus nicht den tatsächlichen politischen Verhältnissen.

1 ALG (Arbeitslosengeld) II, Grundsicherung s. S. 102 f. — 2 Ergänzungen im StAG – im Kraft getreten zum 09. 08. 2019.

II. Geschichte der Grundrechte
1. Aufklärung und Herrschaftsordnung

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“ (Kant, 1784).

Kant, Lessing, Herder, Voltaire, Locke und andere Aufklärer glaubten, durch den Gebrauch des Verstandes, der Vernunft, die mittelalterliche Herrschaftsordnung nach Ständen zu verändern.


In der Gegenwart finden sich ähnliche Hierarchien in Diktaturen, an deren Spitze etwa ein politischer, religiöser, militärischer Herrscher steht, ein „Führer“, ein „Geliebter Führer“, „Großer Vorsitzender“, „Duce“, „Máximo Líder“, „Generalissimus“, „Retter des Vaterlandes“ usw.

Die Untertanen haben keine oder kaum Freiheits-, Gleichheits- oder Schutzrechte wie im europäischen Mittelalter:

Ungleichheit:

Durch Geburt und „von Gottes Gnaden“ unabänderlich vorbestimmt.

Unfreiheit:


persönlich:verkäuflicher Besitz des Herrschers, ortsgebunden, bis in den intimen Bereich vom Willen des Herrn abhängig
wirtschaftlich:kein Grundbesitz für das Volk, nur Pacht, Lehen, gegen Verpflichtungen zu Abgaben, Diensten, Frondienste
religiös:Herrscher bestimmt die Religion (heute auch Ideologie).
politisch:Herrschaft ist gottgewollt, vorbestimmt, absolut, richtig.

Schutzlosigkeit:

Die absolute Macht liegt beim Herrscher durch die Gewalteneinheit:

– Er legt seine Gesetze selber fest → Abgaben, Steuern, Dienste,

– setzt seine Gesetze selber durch → Verwaltung, Polizei, Militär,

– richtet und urteilt eigenmächtig gemäß seinen Gesetzen.

Ziele der Aufklärung:

– Die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen zu beseitigen.

– Allen Menschen ihre angeborenen Menschenrechte zurückzugeben.

2. Menschenrechte – Naturrechte

Menschenrechte gelten

– als Naturrechte: Rechte, die der menschlichen Natur angeboren, unveränderlich, unveräußerlich innewohnen,

universell für alle Menschen in allen Völkern, Staaten und Kulturen – allein auf Grund des weltlichen „Menschseins“,

unabhängig von Weltanschauungen, Ideologien oder Religionen, unabhängig von Herrschaftsordnungen, staatlichen Gesetzen, Titeln.

Jeder Mensch besitzt für sich – als Individuum –

– Freiheit und Selbstbestimmung,

– Leben, körperliche Unversehrtheit, Eigentum u. a. Schutzrechte

– in gleicher Weise.

Als materielles überstaatliches Recht hat der Staat Naturrechte zu gewährleisten. Sie stehen dem positiven1 Recht gegenüber; den vom Staat gesetzten Normen, die er gewähren oder verwehren kann.

Die Idee der Naturrechte findet ihre konkrete rechtliche Umsetzung in den Grund- und Menschenrechten demokratischer Verfassungen ab 1776.

3. Amerikanische Unabhängigkeitserklärung – 1776

1620 landeten religiös verfolgte Puritaner aus England in Amerika. Hunderttausende politisch, religiös, rassistisch verfolgte Europäer folgten.

1776: Amerikanische Unabhängigkeitserklärung (gekürzt zitiert):

Staatliche Unabhängigkeit vom Mutterland England

Grundrechte gelten nur für Weiße. Sie schreiben fest,

dass alle Menschen gleich geschaffen sind,

dass sie mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind,

dass dazu Leben, Freiheit und Streben nach Glück gehören.

Zur Sicherung dieser Rechte werden Regierungen eingesetzt, die ihre Macht aus der Zustimmung der Regierten herleiten.

Es ist das Recht des Volkes, eine neue Regierung einzusetzen, wenn immer eine Regierung die Rechte der Regierten missachtet.

4. Französische Revolution – 1789 Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte

Als der französische König erneut Steuererhöhungen ankündigte, rief das Volk, der 3. Stand, zur Revolution gegen die Herrschaft des Adels auf. Leibeigenschaft, Standesunterschiede, Adelsvorrechte wurden abgeschafft.

Am 14. 7. 1789 wurde die Bastille, die königliche Festung in Paris, gestürmt. Heute ist der 14. Juli Nationalfeiertag in Frankreich.

Die Ziele der Französischen Revolution

„Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit“

Die „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ vom 4. 8. 1789 legt fest:

– „Die Menschen sind frei und gleich … geboren und bleiben es.“

– Brüderlichkeit hindert die Ausübung der Freiheit zum Schaden anderer.

– Geschützt werden Leben, Eigentum, Sicherheit bei Haft u. a. Rechte.

– Die Grundrechte

– sind gesetzlich geschützt und einklagbar,

– binden die vom Volk gewählte Legislative, Exekutive und Judikative.

5. Deutsche Revolution und Paulskirchenverfassung – 1848/49

In den Befreiungskriegen, die die europäischen Mächte gegen Napoleon führten, unterstützte in den „deutschen“ Kleinstaaten das Bürgertum die adeligen Machthaber in der Hoffnung auf nationale Einheit, Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit, auf

„Einigkeit und Recht und Freiheit“.

Dennoch stellte der Wiener Kongress nach dem Sieg über Napoleon die feudalen Herrschaftsverhältnisse wieder her (Restauration).

In der Märzrevolution von 1848 wurde der Adel entmachtet und eine verfassunggebende deutsche Nationalversammlung in die Frankfurter Paulskirche gewählt. Die Volksvertreter aus den 39 deutschen Einzelstaaten einigten sich auf einen ausführlichen Grundrechtskatalog für die

Paulskirchenverfassung

Alle Deutschen besitzen angeborene und unveräußerliche Grundrechte.

– Die Grundrechte sind vom Staat zu gewährleisten.

Freiheitsrechte beziehen sich auf die Person, Glauben und Gewissen, Meinung und Presse, Vereinigungen, Versammlungen, Freizügigkeit u. a.

Schutzrechte beziehen sich auf Leben, körperliche Unversehrtheit, Eigentum, Brief- und Postverkehr, Wohnung, Freiheitsentzug u. a.

Gleichheitsrechte sind nicht nur angeboren; der (Rechts-)Staat ist verpflichtet, Gleichheit vor dem Gesetz herzustellen.

Der Adel als Stand ist mit seinen Vorrechten auf höhere Ämter aufgehoben.

Jedem Bürger stehen bei entsprechender Qualifikation alle öffentlichen Ämter zu.

Allgemeine Schulen sind ein erster Schritt zur Chancengleichheit.

Da der Adel die Revolution blutig niederschlug, trat die Paulskirchenverfassung nicht in Kraft. Sie wurde für das Grundgesetz zum Vorbild.

6. Deutsche Reichsverfassung – 1871

Deutschlands nationale Einigung vollendeten die deutschen Fürsten 1871 im Krieg gegen Frankreich mit der Krönung Wilhelm I. in Versailles. Die Verfassung des Kaiserreichs enthält keine Grundrechte. Sie werden in den Länderverfassungen und Gesetzen (StPO, Gewerbeordnung u. a.) gewährt.

7. Weimarer Reichsverfassung (WRV) – 1919

1918 war Deutschland besiegt. Der Kaiser musste abdanken. Die junge Demokratie musste den Versailler Vertrag, das „Friedensdiktat“, unterschreiben. Extreme Linke und Rechte bekämpften die „ungeliebte“ Demokratie radikal. Die WRV wurde in dieser Zeit äußerster Unruhen in der Stadt Weimar erarbeitet. Sie gibt der staatlichen Gewalt eine starke Stellung:

– Grundrechte sind im 2. Teil den Staatsorganen im 1. Teil nachgeordnet.

– Grundrechte gelten als Bürgerrechte nur für Deutsche.

– Sie werden im Rahmen der Gesetze gewährt, nicht gewährleistet.

 

– Die staatliche Gewalt ist damit nur mittelbar an die Grundrechte gebunden, die keine oberste Rechtsnorm sind.

– Staatliche Eingriffe in die Grundrechte sind nur auf dem allgemeinen Rechtsweg einklagbar.

– Bei erheblicher Störung (!) oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung kann der Reichspräsident Grundrechte außer Kraft setzen.

1933 ermöglichte die ausschließlich gesetzliche Gewährung der Grundrechte den Nationalsozialisten, ihre Abschaffung als Recht zu propagieren.

8. Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (GG) – 23. 5. 1949

1945: Deutschland musste als Folge der rücksichtslosen Kriegsführung und der millionenfachen Vernichtung „nichtarischen“ Lebens durch das NS-Regime „bedingungslos“, damit ohne Rechte kapitulieren.

1949 spaltete der Ost-West-Konflikt Deutschland in zwei Staaten. Um den provisorischen Charakter beider Staaten und den Willen zur deutschen Wiedervereinigung zu betonen, benannte die verfassungsgebende Versammlung, der Parlamentarische Rat, die neue Verfassung: „Grundgesetz“.

In Abgrenzung zur WRV, die die Machtergreifung der NSDAP begünstigte, schränkte das Grundgesetz die staatliche Gewalt stärker ein.

Das Grundgesetz

– betont die unantastbare Menschenwürde und die unverletzlichen und unveräußerlichen Grundrechte im 1. Artikel.

– Die Grundrechte sind Menschenrechte bis auf die in Art. 8, 9, 11, 12 GG.

– Die Grundrechte sind unmittelbar geltendes Recht, als oberste Rechtsnormen jedem Gesetz übergeordnet.

– Die Grundrechte binden die drei Gewalten, die Gesetzgebung, vollziehende und rechtsprechende Gewalt – Art. 1 GG und 20 GG.

– Diese Grundsätze und der Wesenskern der Grundrechte sind unantastbar.

– Staatliche Eingriffe in die Grundrechte kann jedermann bis vor das Bundesverfassungsgericht als unabhängigem Staatsorgan verfolgen.

1 Lat.: ponere (positum) setzen, stellen, legen.

III. Internationale Menschenrechtserklärungen
1. UN-Charta und Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Am 26. 6. 1945 gründeten 50 Staaten die UN als Staatenbund.

2020 gehören der UN 193 Staaten an.

Die UN-Charta fordert in Art. 1: „Die Achtung vor den Menschenrechten und den Grundfreiheiten für alle … zu fördern und zu festigen …“

Die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ (AEMR) vom Dezember 1948 betont in der Präambel die angeborene Würde und die gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen.

Die 30 Artikel der AEMR sind nach drei Gruppen unterteilt:

– Individuelle Rechte wie Leben, Freiheit, persönliche Sicherheit, Gleichheit vor dem Gesetz, Gewissens- und Religionsfreiheit …

– Politische Rechte wie Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Gewerkschaften anzugehören, politische Vertreter frei zu wählen …

– Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte wie das Recht auf Arbeit, freie Berufswahl, auf einen Lebensstandard, der das materielle und soziale Wohl einer Familie gewährleistet, das Recht auf Bildung …

Der Rat für Menschenrechte (MRR) wurde 2006 gegründet.

– Er überprüft alle UN-Staaten regelmäßig auf ihre MR-Verpflichtungen.

– Sonderverfahren und -berichte betreffen MR-Verletzung durch Staaten und kritische MR-Themen wie Migration und Kinderhandel.

– Resolutionen des Menschenrechtsrates verurteilen MR-Verletzungen und schaffen eine weltweite Öffentlichkeit. Sanktionen kann die Generalversammlung empfehlen und der Sicherheitsrat der UN beschließen.

Innerstaatliche Konflikte haben in den letzten Jahren Millionen Opfer gefordert. Das Prinzip der „Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates“ wird deshalb zum Schutz der Menschenrechte immer weiter eingeschränkt.

Seit 2013 fordern Brasilien und Deutschland eine UN-Resolution für mehr Datenschutz im Internet, um die Menschenrechte auch „online“ zu wahren und Überwachungspraktiken zu sanktionieren. Die Menschenrechte auch im Bereich informationstechnischer Systeme durchzusetzen, ist eine der zukünftigen Aufgaben der UN.