Verhaltensbiologie

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Verhaltensbiologie
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Christoph Randler

Verhaltensbiologie

Haupt Verlag

Prof. Dr. Christoph Randler ist Professor für Didaktik der Biologie an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Zuvor lehrte und forschte er als Professor an der Universität Leipzig und der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Seine Schwerpunkte in der Verhaltensbiologie sind Räuber-Beute-Beziehungen, Kommunikation, Chronobiologie und Hybridisierung.

1. Auflage 2018

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright © 2018 Haupt Bern

Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Fachlektorat: Claudia Huber, D-Erfurt

Umschlagsgestaltung und Satz: Atelier Reichert, D-Stuttgart

Umschlagsfoto: Christoph Randler, D-Tübingen

UTB-Band-Nr.: 4817

ISBN: 978-3-8463-4817-8

Inhaltsverzeichnis

Dank

Bei einigen Kolleginnen und Kollegen möchte ich mich bedanken, da sie ein oder mehrere Kapitel durchgesehen und mir sehr wertvolle Hinweise und Korrekturen geschickt haben. Die Verantwortung für die jeweiligen Texte liegt dennoch beim Autor des Buches. Folgenden Personen danke ich sehr herzlich: Prof. Dr. Franz Bairlein, Dr. Henrik Brumm, MSc. Nadine Kalb, Prof. Dr. Uwe Maier, PD Dr. Gilberto Pasinelli, Dr. Constanze Pentzold, Dr. Stefan Pentzold, Dr. Susanne Rohrmann, PD Dr. Heiko Schmaljohann, Dr. Vanessa Schmitt. Prof. Dr. Petra Quillfeldt danke ich für weitere Hinweise sowie meinen Studentinnen und Studenten für ihr Interesse, ihre Aufgeschlossenheit und so manche Frage, über die bisher zu wenig geforscht wurde.


Was ist Verhaltensbiologie? | 1

Inhalt

1.1 Wie wird «Verhalten» definiert?

1.2 Verhaltensbiologie – eine junge Disziplin

1.3 Was tun Verhaltensbiologen?

1.4 Berufsfelder für Verhaltensbiologen

1.5 Was müssen Verhaltensbiologen können?

Verhaltensbiologie beschäftigt sich mit der Frage, was ein Tier macht und auf welche Weise es etwas macht. Die Verhaltensbiologie verfolgt dabei einen integrativen Ansatz, bei dem Zoologie, Evolutionsbiologie und Ökologie eine wichtige Rolle spielen. Die Verhaltensbiologie verwendet bei der Erforschung ihrer Fragestellungen zahlreiche Methoden, die sowohl Beobachtungen als auch komplexe Experimente umfassen und die entweder im Freiland oder im Labor stattfinden können. Die in der Verhaltensbiologie am häufigsten untersuchten Tiergruppen sind in absteigender Reihenfolge Vögel, Insekten, Fische und Säugetiere. Aktuell eher stark beforschte Themen sind die sexuelle Selektion, Kommunikation und Signale.

Verhaltensbiologie ist so alt wie die Menschheit selbst: In der Zeit der Jäger (Paläolithikum) hatte es für die Menschen Vorteile, wenn sie das Verhalten von Tieren beobachten, erklären und vorhersagen konnten, da sich auf diese Weise der Jagderfolg steigern ließ. Ebenso war es überlebenswichtig, selbst Beutegreifern, wie etwa den Säbelzahnkatzen (Machairodontinae), zu entkommen. Verhaltensbiologische Kenntnisse halfen, etwas zu essen zu bekommen, anstatt selber zur Speise zu werden; verhaltensbiologische Kenntnisse verhalfen der Spezies Mensch zu einem Überlebensvorteil (Manning & Dawkins 2012).

Verhalten findet ständig statt: «Man kann sich nicht nicht verhalten.» lautet die Abwandlung eines Axioms von Paul Watzlawick. Eine Feldmaus (Microtus arvalis) etwa, die sich nicht bewegt, zeigt womöglich adaptives Verhalten: Sie erhöht z.B. ihre Überlebenswahrscheinlichkeit beim Vorbeilaufen eines Fuchses, weil sie sich nicht durch Bewegung verrät. Ihr Verhalten kann aber auch nicht adaptiv sein; z.B. dann, wenn ihre Überlebenswahrscheinlichkeit durch Flucht vor dem Fuchs in ein Erdloch größer gewesen wäre als durch Tarnung. Aber unabhängig davon, ob die Feldmaus adaptives oder nicht adaptives Verhalten zeigte: Verhalten hat sie sich auf jeden Fall.

Verhalten ist also das, was ein Tier macht, und Verhaltensbiologie fragt danach, was, wie und warum es dies macht. Während die Frage nach dem «Was?» auf eine möglichst neutrale Beschreibung des Verhaltens abzielt, stehen beim «Wie?» die verschiedenen Taktiken, Strategien, Mechanismen und Prozesse des tierischen Verhaltens im Vordergrund. Die Frage nach dem «Warum?» soll schließlich erklären, weshalb es zu einem spezifischen Verhalten eines Tieres kommt.

Ein Beispiel: Beobachtet wird, wie ein Dachs (Meles meles) herumläuft und mit der Schnauze in der Erde bohrt. Eine mögliche Antwort auf die Frage, was der Dachs macht, ist, dass er nach Nahrung sucht. Die Frage nach dem «Warum?» kann aus zwei Perspektiven beantwortet werden: aus einer physiologischen und einer evolutionstheoretischen. Die physiologische Perspektive weist darauf hin, dass der Dachs nach Nahrung sucht, weil er Hunger hat, während die evolutionstheoretische Perspektive besagt, dass die Nahrungszufuhr ihm das Überleben sichert und damit Fortpflanzung möglich macht. Die Frage nach dem «Wie?» kann auf verschiedene Weise beantwortet werden, da manche Dachse eher an ganz bestimmten Orten nach Nahrung suchen, während andere bestimmte Vorlieben für eine bestimmte Nahrung haben (Requena-Mullor et al. 2016). Damit werden Unterschiede zwischen Individuen thematisiert.

Box 1.1

Verhalten illustriert am Jahreslauf einer Blaumeise

Eine Blaumeise (Cyanistes caeruleus) sucht an einem sonnigen Wintermorgen nach Nahrung. Sie muss fressen, um ihre Energiebilanz ausgewogen zu halten, d.h., um nicht zu verhungern (Homöostase, → Kap. 4). Am besten sucht und frisst sie energiereiche Nahrung, weil sie auf diese Weise in kurzer Zeit viel Energie aufnehmen kann (→ Kap. 5). Ihre Präferenz für energiereiche Nahrung beeinflusst also die Entscheidung, wann, was und wo sie frisst. Gerne frisst sie zudem im Verbund mit anderen Blaumeisen, weil dies mehr Sicherheit vor Beutegreifern (→ Kap. 6) mit sich bringt. Damit verschärft sich aber die Konkurrenz ums Futter, da sie dieses mit Artgenossen und gegebenenfalls Vertretern anderer Arten teilen muss. Da Blaumeisen oft im Verbund mit anderen Vögeln bei der Nahrungsaufnahme beobachtet werden können, ist der Nutzen der verbesserten Feindwahrnehmung offenbar größer als der Schaden durch die erhöhte Futterkonkurrenz. Beim Erscheinen von Feinden warnen sich Blaumeisen gegenseitig mit Alarmrufen; diese werden über die Artgrenzen hinweg verstanden, sodass auch andere Arten auf diese Warnrufe reagieren (→ Kap. 10). Fliegt ein Sperber (Accipiter nisus) vorbei, bleiben die Blaumeisen regungslos sitzen. Entdecken sie hingegen eine Eule, wird diese angegriffen und gemobbt. Warum das so ist, wird mit verschiedenen Hypothesen erklärt, darunter auch mit Altruismus (→ Kap. 11).

| Abb. 1-1

Ein Jahr im Leben der Blaumeise (Cyanistes caeruleus). A) Blaumeise bei der Nahrungssuche im Winter, B) bettelnde Jungmeise, C) Sperber (Accipiter nisus) als Prädator von Blaumeisen, D) Kohlmeise als Begleitart in gemischten Winterschwärmen. Fotos: C. Randler.


Im Frühjahr suchen und besetzen die Blaumeisen-Männchen Reviere und singen, um Weibchen anzulocken, aber auch, um anderen Männchen zu signalisieren, dass das Revier bereits besetzt ist. Manchmal kämpfen die Männchen um ein Revier. Erscheint ein Weibchen im Territorium, zeigen die Blaumeisen ein Balzverhalten, da – wie übrigens bei den meisten Meisenarten – Damenwahl herrscht. Weibchen wählen ein Männchen nach verschiedenen Gesichtspunkten aus, oft nach dem Ultraviolettanteil im Gefieder (→ Kap. 7). Brutpflege und Jungenaufzucht finden generell durch beide Eltern statt, obwohl Blaumeisen nicht unbedingt treu sind, sondern gerne mittels «außerehelicher» Kopulationen versuchen, ihre Gene breiter zu streuen. Erscheint ein Beutegreifer in der Nähe der Nisthöhle, so wird er angegriffen (Brutverteidigung). Blaumeisen legen sehr viele Eier, was mit der hohen Sterblichkeit der Jungvögel im ersten Lebensjahr zusammenhängen dürfte.

 

1.1 | Wie wird «Verhalten» definiert?

Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, ist Verhalten eine vielgestaltige Sache. Entsprechend schwierig ist es, eine Definition zu formulieren, die alle relevanten Facetten umfasst. Als Beispiel seien hier zwei Definitionen aufgeführt; zuerst die umfassende und komplexe von Kappeler (2012, p. 4):

«Verhalten bezieht sich auf die intern koordinierte Kontrolle von Bewegungen oder Signalen, mit denen ein intakter Organismus mit Artgenossen oder anderen Komponenten seiner belebten und unbelebten Umwelt interagiert sowie auf Aktivitäten, die der Homöostase eines Individuums dienen».

Nach dieser Definition wird Verhalten intern gesteuert, d.h. über Hormone und Nervenzellen. Das Verhalten wird dann in Signalen oder Bewegungen ausgeprägt. Wichtig bei dieser Definition sind neben der Interaktion mit der unbelebten Umwelt auch die Beziehungen zu anderen Tierarten (Räuber, Beute) sowie zu Tieren der eigenen Art. Ein weiterer Punkt, der Verhalten steuert, ist die Homöostase, d.h., die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen, wenn etwa ein Tier auf einen inneren Reiz (z.B. Hunger) reagiert und auf Nahrungssuche geht oder bei sehr hohen Temperaturen den Schatten aufsucht.

Ein anderer Ansatz definiert Verhalten als beobachtbaren Prozess, mit dem ein Tier auf innere und äußere Reize reagiert. Untersucht werden kann in diesem Zusammenhang neben der direkten Beobachtungen der Tiere auch die Untersuchung resp. Messung von Herzschlag oder die Bestimmung von Hormonspiegels. Wichtig ist, dass die Tiere Reize des eigenen Körpers (interne Reize), wie auch Umweltreize (und damit eingeschlossen andere Tiere und die von diesen ausgehenden Reize und Signale) zuerst einmal wahrnehmen müssen. Man könnte also auch sehr vereinfacht sagen, dass Verhalten eine messbare Reaktion auf Reize ist.

Keine der beiden Definitionen trifft völlig zu oder ist vollständig falsch; sie zeigen vielmehr die Bandbreite von Verhalten und die Schwierigkeit, dieses in einer kurzen, prägnanten Definition einzufangen. Die Tatsache, dass wir aktuell also über keine allseits anerkannte Definition des Begriffs «Verhalten» verfügen, ist zwar bedauerlich und verkompliziert die Arbeit der Verhaltensbiologen, macht sie aber zugleich auch außerordentlich spannend. Außerdem bedeutet das Fehlen einer allgemein akzeptierten Definition nicht, dass gar kein Konsens darüber besteht, was Verhalten ist. → Tab. 1-1 stellt Komponenten des Begriffs «Verhalten» dar, die allgemein als solche anerkannt werden.

| Tab. 1-1

Definition und Komponenten von Verhalten (basierend auf Kappeler 2012, Dugatkin 2014).


Komponente Beispiel
Prozess
beobachtbarmessbar Bewegung (Tier flüchtet)/SignaleVeränderung im Hormonspiegel
Stimuli
aus der Außenwelt (external)aus der Innenwelt (internal) Nahrung, Fressfeind, ArtgenosseHunger/Homöostase
Wahrnehmung
Stimuli müssen wahrgenommen werden Tier hört einen Warnruf, sieht den Fressfeind, riecht Futter
Koordinierte Reaktion/Integration
Zusammenhang zwischen dem Prozess und dem Stimulus Flucht eines Tieres (Prozess), wenn sich ein Fressfeind nähert (Stimulus)
Physiologische Koordination im Tier Muskeln, Gelenke etc. arbeiten koordiniert mit den Sinnesorganen zusammen, letztere zeigen an, aus welcher Richtung ein Fressfeind sich nähert

Demnach lässt sich als Merksatz Folgendes zusammenfassen:

Merksatz

Verhalten umfasst alle beobachtbaren/messbaren Prozesse, mit denen ein Tier auf wahrgenommene Veränderungen innerhalb seines Körpers oder der Außenwelt reagiert.

1.2 | Verhaltensbiologie – eine junge Disziplin

Bereits Aristoteles (384–322 v. Chr.) machte sich Gedanken über das Lernen und die Emotionen von Tieren. Die wissenschaftliche Sicht der Verhaltensbiologie ist dagegen erst etwa 150 Jahre alt. Charles Darwin (1809–1882) stellte klare Bezüge zwischen Verhalten und Evolution her; beispielsweise interpretiert er das Balzverhalten von Vögeln bzw. die ausgeprägte Gefiederfärbung derselben als Versuche, die Partnerwahl des Weibchens zu beeinflussen (sexuelle Selektion; → Kap. 7). Einen Aufschwung erlebte die Verhaltensbiologie aber erst im 20. Jahrhundert mit den Begründern der Ethologie (→ Kap. 3), die die Bedeutung von Endursachen (ultimaten Faktoren, der Interpretation des Zwecks des jeweiligen Verhaltens) betonten und die Auffassung vertraten, dass sich Verhaltensmerkmale klar identifizieren und messen lassen. Als besonderer Erfolg der Ethologie kann die Entzifferung der Bienensprache durch Karl von Frisch (1886–1982) gelten, der 1973 zusammen mit Konrad Lorenz (1903–1989) und Nikolaas Tinbergen (1907–1988) den Nobelpreis für Medizin/Physiologie erhielt. Lorenz und Tinbergen werden auch als die Gründerväter der Ethologie bezeichnet.

Während die Ethologie in Europa lange Zeit die dominierende verhaltensbiologische Forschungsrichtung war, entwickelte in den USA Burrhus Skinner (1904–1990) den Behaviorismus, eine alternative Forschungsrichtung, der die Annahme zugrunde liegt, dass alles Verhalten erlernt sei. Ethologie und Behaviorismus unterscheiden sich stark, was sich nicht nur in ihren unterschiedlichen Grundannahmen manifestiert, sondern auch in der Art und Weise, wie geforscht wird: Während Behavioristen sich in der Regel auf Laborexperimente beschränken und dort die Beziehung zwischen Reizen und Reaktionen analysieren, dominieren bei den Ethologen Feldversuche, von denen man sich erhofft, dass durch das genaue Beobachten ein und desselben Verhaltens bei unterschiedlichen Individuen – z.B. das Beutefangverhalten bei der Erdkröte (Bufo bufo) – allgemeingültige Aussagen über dieses Verhalten generieren lässt.

Einen anderen Ansatz verfolgt die Vergleichende Psychologie, welche weniger auf das Verhalten bei einzelnen Arten fokussiert, sondern nach artübergreifenden allgemeinen Grundsätzen des Verhaltens sucht. Die vergleichende Psychologie entstand in den USA parallel zur klassischen Ethologie in Europa. Erfolgversprechende Ansätze der Vergleichenden Psychologie untersuchen beispielsweise Unterschiede im Verhalten oder in der Entstehung von Verhalten (der sogenannten «Verhaltensontogenese») von Menschenaffen und Menschen. Da sich die Ethologie und die Vergleichende Psychologie recht nahe sind, kam es mehrfach zu fruchtbarer Zusammenarbeit, wodurch u.a. die Forschungsrichtungen der Verhaltensökologie und der Soziobiologie entstanden. Beiden Forschungsrichtungen ist gemeinsam, dass sie die Fitnessmaximierung ins Zentrum ihrer Untersuchungen stellen, d.h., den Überlebensvorteil und – noch wichtiger – den möglichst hohen Fortpflanzungserfolg als wichtigste Messgrößen untersuchen. Während die Verhaltensökologie auf die Wechselwirkungen zwischen dem sich verhaltenden Tier und seiner (belebten und unbelebten) Umgebung fokussiert, richtet sich der Blick der Soziobiologie auf die biologischen Grundlagen von sozialem Verhalten. Einen veritablen Aufschwung erlebte die Soziobiologie 1975 durch das Buch Sociobiology: The new synthesis von Edward O. Wilson (*1929), in dem der Autor Verhalten als etwas Egoistisches bezeichnete, nämlich als Mittel zu dem Zweck, den eigenen Fortpflanzungserfolg zu maximieren.

1.3 | Was tun Verhaltensbiologen?

Verhaltensbiologen stellen in erster Linie allgemeine oder abstrakte Fragen, die sie dann mit verschiedensten Methoden und an verschiedenen Tiergruppen/-arten untersuchen. Es gibt generell zwei Vorgehensweisen in der Verhaltensbiologie (Lehner 1996):

1. Im Zentrum steht das Interesse an einer bestimmten Tierart

2. Im Zentrum steht die Untersuchung einer bestimmten Forschungsfrage

Obwohl viele Verhaltensbiologen eine bevorzugte Tierart haben, ist es in der Regel die Forschungsfrage (oder ein generelles Konzept), die im Zentrum ihrer Forschung steht, und nicht die bevorzugte Tierart. Bei der Auswahl der zu untersuchenden Tierart spielt primär deren Eignung und Verfügbarkeit eine Rolle. Aus diesem Grund werden oft Tierarten ausgewählt, die häufig sind und in vielen Habitaten vorkommen und daher Stichproben ermöglichen, die groß genug sind, um zu statistisch signifikanten Resultaten zu kommen. Auch werden häufig Tierarten gewählt, die leicht im Labor zu halten sind oder bereits als Labortiere zur Verfügung stehen, wie z.B. Mäuse und Ratten.

Die Schwerpunkte in der Verhaltensbiologie verschieben sich von Zeit zu Zeit, wobei sich die Themen stärker ändern als die untersuchten Tiergruppen. Auf einer typischen Konferenz (International Behavioral Ecology Congress 2012) beschäftigten sich 37 % der vorgestellten Arbeiten mit Vögeln, 26 % mit Insekten, 15 % mit Fischen und 15 % mit Säugetieren. Die Beliebtheit der Vögel mag daher rühren, dass sie meist tagaktiv, oft auffallend gefärbt und auch rufaktiv sind und sich deshalb gut im Freiland beobachten lassen, während sich Fische und Insekten gut für Experimente im Labor eignen.

| Abb. 1-2

Verhaltensbiologen arbeiten teilweise im Freiland (Zypern 2008). Foto: C. Randler.


Aktuell stark beforschte Themen sind die sexuelle Selektion, Kommunikation und Signale sowie die «Life History». Owens (2006) unterzog Publikationen in der Verhaltensbiologie einer genaueren Analyse und zeigte, dass der Anteil von Themen wie «optimale Nahrungssuche», «Paarungssysteme» und «fluktuierende Asymmetrie» zwischen 1980 und 2004 abnahm, während «sexuelle Selektion», «Wirt-Parasit-Interaktionen» und «Signale bei Tieren» häufiger untersucht wurden.

1.4 | Berufsfelder für Verhaltensbiologen

Die meisten Stellen im Bereich der Verhaltensbiologie sind an wissenschaftlichen Instituten oder Universitäten lokalisiert und damit naturgemäß zahlenmäßig beschränkt. Alternativ gibt es einige Stellen in den angewandten Biowissenschaften, so z.B. im Naturschutz, oder bei Behörden, vereinzelt auch in Zoos. Um die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, kann es sinnvoll sein, sich nicht nur auf eine einzelne Tierart/-gruppe zu fokussieren, aber dennoch klare Schwerpunkte zu setzen. Hilfreich sind auch Aufenthalte an ausländischen Instituten und Universitäten. Aufgrund des interdisziplinären Charakters der Verhaltensbiologie gibt es auch «verschlungene» Pfade in der Berufswelt, z.B. im Bereich der Endokrinologie.