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II Anwendungen

4 Dokumentar- und Kunstfotografie

Seit fast 200 Jahren suchen Fotografen nach neuen Techniken und Ausdrucksmöglichkeiten ihres Schaffens (vgl. Heine 2012). Auf Basis ihrer Ideen und Interessen widmen sie sich unterschiedlichen Stilformen und Themenfeldern. Dazu gehören u.a. die Porträt-, Körper-, Straßen- und Landschaftsfotografie (vgl. Kroth 1977, Roberts 2001, Rocholl 2002, Vorsteher/Quermann 2005, Rankin 2012, Bailey 2014, Haydn Smith 2019).

In Kooperation mit Kameraherstellern liegen Bücher vor, die Amateuren technische Hinweise zur Erstellung von Aufnahmen u.a. im Bereich der Astro,- Architektur-, Reportage-, Sport-, Reise-, Pflanzen- und Tierfotografie geben (vgl. Kaeppeler 1979).

Fotografen arbeiten freiberuflich oder fest für Magazine und Tageszeitungen, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, für Parteien und neue soziale Bewegungen sowie kommerzielle Wirtschaftsunternehmen. Sie können Handwerker und Künstler sein, gesellschaftliche Missstände im Bild dokumentieren oder Auftragsarbeiten aus der Werbung oder dem Journalismus bearbeiten.

Geschmacksurteile werden in Büchern vorgenommen, die Fotos so genannter Bausünden zeigen, da sie die Existenz ästhetisch misslungener Bauvorhaben dokumentieren. Die Architekturhistorikerin Turit Fröbe (2020 und 2021) hat individuell gestaltete Eigenheime mit Steingärten und öffentliche Betonbauten fotografiert, die als besonders hässlich wahrgenommen werden.

Positive Beispiele für ästhetisch gelungene Aufnahmen von Prominenten finden sich hingegen in Fotobänden, die von Künstlern aus dem Kulturbereich gemacht worden sind, zu denen die Abgelichteten ein Vertrauensverhältnis aufgebaut haben.

 Der Musiker Bryan Adams hat großförmige Porträts von Prominenten aus dem Mode-, Show- und Kunstbereich gemacht. Dazu gehörten u.a. Mick Jagger, Julianne Moore, Amy Winehouse und die englische Königin. Er hat sich aber nicht nur auf Berühmtheiten fokussiert, sondern auch Bilder von Obdachlosen publiziert (vgl. Adams 2012 und 2019).

 Der Jazzmusiker Till Brönner hat u.a. die Künstler Markus Lüpertz, Armin Müller-Stahl, Karoline Herfurth, Lenny Kravitz und Gregory Porter abgelichtet, aber auch eigene Aufnahmen aus dem Ruhrgebiet vorgelegt (vgl. Müller-Remmert u.a. 2019).

 Der Fotograf Jim Rakete war Musikmanager von Bands wie Spliff und hat zahlreiche Schwarz-Weiß-Porträts von prominenten Schauspielern (u.a. Til Schweiger, Meret Becker, Otto Sander, Helen Mirren) und Musikern (u.a. Deep Purple, Reinhard Mey, Nina Hagen) aufgenommen, aber auch Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen fotografiert (vgl. Rakete 2008, 2011 und 2015, Meixner 2020).

 Die Fotografin Linda McCartney hat nicht nur ihren Ehemann Paul von den Beatles und die gemeinsame Familie aufgenommen, sondern auch Rockstars wie Janis Joplin, Jimi Hendrix, Aretha Franklin, Bob Dylan und die Rolling Stones abgelichtet (vgl. Castle u.a. 2015).

Aus einer normativen Perspektive sind primär die Aufnahmen relevant, die in einem journalistischen oder künstlerischen Zusammenhang entstanden sind und kontroverse Diskurse ausgelöst haben. Darauf wird im weiteren Verlauf des Textes noch eingegangen. Die meisten Bilder verfügen jedoch über einen dokumentarischen Charakter und sind aus einer bildethischen Perspektive nur teilweise relevant.

In dem Band von Stepan (2008) sind 50 Fotografen, die man kennen sollte, versammelt worden. Sie haben den amerikanischen Bürgerkrieg in Bildern festgehalten (Mathew Brady 1823-1896), menschliches Elend im Gefolge des New Yorker Börsenkrachs dokumentiert (Dorothea Lange 1895-1965), als Modefotografen gearbeitet (Diane Arbus 1923-1971), Prominente ins Bild gerückt (Richard Avedon 1923-2004) und die Industriekultur in verschiedenen Ländern abgelichtet (Hilla Becher 1931-2007, Bernd Becher 1931-2015).

Ein Sonderdruck der Zeitschrift COLOR FOTO (o.V. 1992) präsentiert ausschließlich die Arbeiten von Fotografinnen wie Lee Miller, Herlinde Koelbl und Bettina Rheims (2000).

Nachfolgend werden exemplarisch weitere bedeutende Fotografen vorgestellt. Ihre Arbeiten sind teilweise als Provokationen wahrgenommen und kritisiert worden. Sie sind zunächst selbst für das Erstellen und die Verbreitung ihrer Aufnahmen verantwortlich und haben sich bei Regelverletzungen zu rechtfertigen. Sofern die Bilder über Medien verbreitet werden, die über eine redaktionelle Struktur verfügen, trägt auch die zuständige Redaktion eine Verantwortung bei Verfehlungen, die publiziert worden sind.

4.1 Arthur H. Feeling

Arthur H. Felling (1899-1968), der sich Weegee nannte, war ein amerikanischer Sensationsfotograf mit polnischer Herkunft und Reporter in New York. Er begann seine Karriere als Wander- und Straßenfotograf, machte als Chronist seiner Zeit in den 1930er Jahren schwarzweiß Bilder von Alltagsszenen, Gewaltverbrechen, Verkehrsunfällen und Brandkatastrophen, aber auch von armen Menschen und Obdachlosen. „Auf dem Höhepunkt seiner Karriere wurden die Sujets von Brand und Mord, von Outlaws und Celebrities in allen großen amerikanischen Zeitungen und Hochglanzmagazinen gedruckt.“ (Vogt 2013, S. 2)

Ab 1947 arbeitete er u.a. für LIFE, LOOK und HARPER‘ S BAZAAR. Seit 1950 machte er Fotokarikaturen und Portraits bekannter Persönlichkeiten (vgl. Tausk 1980). Da Weegee mit einem Polizeifunk ausgestattet war, war er häufig vor den Einsatzkräften vor Ort und konnte seine Bilder machen, bevor eine Absperrung des Tatortes erfolgte. Seine frontalen Aufnahmen mit Blitz, die aus unmittelbarer Nähe gemacht worden sind, wurden in Boulevardzeitungen und Fotobänden veröffentlicht (vgl. Kaiser 1996). Einerseits hat Weegee die damaligen Zustände in New York eindrucksvoll dokumentiert. Andererseits zeigen seine Bilder brutale Szenen, auf denen die Gesichter der Opfer deutlich zu erkennen sind. Insofern sind hier die Persönlichkeitsrechte der abgelichteten Akteure verletzt worden (vgl. Koetzle 2017).

4.2 Lee Miller

Die Fotografin, Kolumnistin und surrealistische Künstlerin Lee Miller (1907-1977) arbeite als Fotomodell für die VOGUE und lebte u.a. in Kairo, Paris und New York. Sie machte Landschaftsaufnahmen und Portraitaufnahmen u.a. von Charlie Chaplin. Miller kam vom März bis Mai 1945 mit einer Gruppe amerikanischer Soldaten nach Deutschland. Sie arbeitete als zivile Kriegsberichterstatterin innerhalb einer Militäreinheit und machte Bilder von den grausamen Zerstörungen und Folgen des Zweiten Weltkrieges. Miller zeigte tote Soldaten, die Leichenberge der KZ-Opfer in Buchenwald und Dachau, die durch Bombenabwürfe zerstörten Ruinen in Aachen, Köln, Leipzig, sowie befreite Kriegsgefangene. Die Fotografin dokumentierte den Freitod eines NS-Funktionärs mit seiner Familie und lichtete das persönliche Umfeld Hitlers auf dem Obersalzberg ab. Sie legte Aufnahmen in der Wohnung Hitlers und im Haus von Eva Braun vor. Berühmt wurde das von David Scherman aufgenommene Bild, der Lee Miller in Hitlers Badewanne aufgenommen hat. Miller hat Scherman an diesem Ort ebenfalls fotografiert (vgl. Mailänder 2015, Bessel 2018).

4.3 Henri Cartier-Bresson

Der Franzose Henri Cartier-Bresson (1908-2004) war u.a. Fotograf, Schauspieler, Filmemacher, Zeichner und Maler sowie Mitbegründer der amerikanischen Fotoagentur MAGNUM in New York. Der Lichtbildner arbeitete als Assistent des Filmregisseurs Jean Renoir (vgl. Tausk 1980). Er wurde durch seine kunstvolle Schwarzweißfotografie auf seinen Reisen u.a. nach Afrika, China, Indien, Mexiko, Kuba und Deutschland sowie durch seine Kriegsreportagen u.a. im Spanischen Bürgerkrieg bekannt und geriet selbst in Kriegsgefangenschaft. Seine Bilder erschienen u.a. in LIFE und im STERN. Der Fotograf arbeitet in der Regel ohne Inszenierungen und Posen.

„Seine Ungeduld verträgt sich nicht mit allem, was geplant, vorbereitet, konstruiert ist, was bis ins Kleinste ausgearbeitet wird. Er fängt lieber zufällige Kompositionen ein, die sich ihm in der Unmittelbarkeit des flüchtigen Augenblicks bieten.“ (vgl. Cheroux 2008, S. 95)

Cartier-Bresson wandte sich gegen die Sensationsfotografie und zeigte keine Dramatisierung in seinen Bildern. Blut oder Tote sind auf seinen Aufnahmen nicht zu finden. Seine Bilder wurden im Pariser Louvre, auf der Documenta in Kassel und im Berliner Gropiusbau ausgestellt (vgl. Cheroux 2008, Koetzle 2017).

4.4 Robert Capa

Der ungarisch-US-amerikanische Robert Capa (1913-1954), der eigentlich den Namen Andrei Friedmann trug, gehörte zu den berühmten Kriegsfotografen und Kriegsreportern (vgl. Tausk 1980). Es hatte sich aber nicht nur auf Kampfhandlungen konzentriert.

„Er hatte auch noch ein anderes Anliegen. Die eigentliche Wirkung seines Werkes bestand darin, dass er als humanistischer Fotograf über das Leiden der Zivilbevölkerung in den Kriegen, abseits der Schlachtfelder mit seinen Fotos berichtete.“ (Heine 2012, S. 49)

Capa war als 28-jähriger Berichterstatter am 6. Juni 1944 dabei, als die alliierten Truppen in der Normandie landeten. Seine elf unscharf erhaltenen Bilder am Omaha Beach sind im LIFE-Magazin veröffentlich worden. „Im Widerspruch zu den ersten offiziellen Verlautbarungen über die Leichtigkeit des Landungsmanövers dokumentiert Capas Aufnahme die physische Erfahrung des Chaos vor Ort.“ (Lethen 2014, S. 116f.) Capa, der mit der ersten Landungswelle der amerikanischen Truppen ins Wasser gestiegen ist, hat Lethen (2014, S. 117) zufolge in seinen Memoiren die Situation wie folgt skizziert:

 

„Das Licht der Morgendämmerung sei so grau gewesen, dass er die Konturen der Soldaten kaum von dem durch die Einschläge gepunkteten Wasser habe unterscheiden können. Optisch sei nur das 'surrealistisch' anmutende Design von Hitlers Anti-Invasions-Brain-Trust ins Auge gefallen, die grotesken Stahlhindernisse, die aus dem Wasser ragten. Er selbst habe, hin und hergerissen zwischen Fluchtreflex und dem professionellen Impuls, die Situation mit der Contax-Kamera festzuhalten, vor allem die Qualität des Lichts taxiert.“

Auf dem Bild ist ein einzelner Soldat zu sehen, der im Wasser an das Land robbt (vgl. Dubost 1998). Haydn Smith (2019, S. 93) gelangt hinsichtlich dieser Bilder zu der Einschätzung: „Es ist ein grausames Bild des Krieges, das aber den Menschen auf der ganzen Welt auch zeigte, dass die Alliierten im Kampf gegen die Nazis vorankamen.“

Abb. 3:

Buchtitel von Morvan u.a. 2015

Besonders umstritten ist das Foto Robert Capas aus dem spanischen Bürgerkrieg, das im September 1936 in verschiedenen Zeitungen in Europa publiziert worden ist. Es wird ein fallender Soldat gezeigt, der unmittelbar, nachdem er von einer Kugel getroffen worden ist, zu Boden fällt. Dem Fotografen wurde der Vorwurf gemacht, dass dieses Bild gestellt worden sei (vgl. Leifert 2007).

Capa starb, als er am 25. Mai 1954 im Kolonialkrieg in Vietnam während eines Einsatzes auf eine Tretmine trat (vgl. Museum Ludwig Köln 1998, Koetzle 2017).

4.5 Willy Ronis

Der französische Fotograf Willy Ronis (1919-2009) legte Aktstudien, Reportagen und Bilder der sogenannten Street Photography vor. Er arbeitete in der Mode-, Werbe- und Industriefotografie (vgl. Koetzle 2017). Ronis verfolgte mit seinen Sozialreportagen einen primär sozialkritischen Ansatz. Er war engagierter Kommunist, galt neben Henri Cartier-Bresson und Robert Doisneau als Vertreter der humanistischen Fotografie, machte Aufnahmen von den so genannten kleinen Leuten in Paris und der Provence, indem er das Alltagsleben dieser Menschen in ihren Arbeitervierteln festhielt und an Demonstrationen und politischen Veranstaltungen als Beobachter mit seiner Kamera teilnahm. Ronis war mit der Kamera dabei, als die Kriegsgefangenen 1945 nach Frankreich zurückgekehrt sind und machte nach dem Mauerbau Fotoreportagen in der DDR (vgl. Ronis 2005 und 2018).

4.6 Helmut Newton

Umstritten ist der als Helmut Neustädter geborene Fotograf Helmut Newton (1920-2004) gewesen, der zunächst für die Modemagazine VOGUE, ELLE und MARIE CLAIRE arbeitete. Er hat neben Porträts von Prominenten erotische Aufnahmen von Frauen in Domina-Posen als Aktfotografie präsentiert. Ihm wurde von Feministinnen vorgeworfen, dass seine Arbeiten sexistische, rassistische und faschistische Elemente enthalten würden. 1978 verklagte die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer den STERN wegen einer Abbildung der unbekleideten Grace Jones auf dem Titel der Zeitschrift, die Newton gemacht hat. Die Klage wurde abgewiesen (vgl. Hornbostel/Jockel 2002). Jens Dirksen (2020) beurteilt die Arbeit des Fotografen rückblickend wie folgt:

„Newtons Bilder sind von heute aus gesehen nicht in Bausch und Bogen zu beurteilen, selten liegen perfekte Ästhetik und Frauenverachtung, Frauenverehrung und der diskriminierende Blick so dicht beieinander wie dort. Die Gesellschaft, die Modebranche, verlangte nach seinem Talent zum Voyeur. Sie bekam es, und Newton trieb es auf die Spitze.“

In Berlin hat die Helmut Newton Stiftung das Museum für Fotografie eingerichtet, in dem seine Werke vom 19. bis 21. Jahrhundert zu sehen sind. Newton hat zahlreiche Preise und das Bundesverdienstkreuz erhalten (vgl. Newton 1987 und 1988, Heiting 2000, Stepan 2008, Koetzle 2017).

4.7 Guy Bourdin

Der Maler und Modefotograf Guy Bourdin (1928-1991) arbeite u.a. für VOGUE, HARPER’S BAZAAR und drehte Werbekampagnen z. B. für Chanel. Er verwendete eine surreale Bildsprache und war von Künstlern wie May Ray inspiriert. Seine Bilder provozierten. Er machte Aufnahmen von seinen Mannequins in Schlachthöfen und ließ sie vor toten Tieren posieren. Sexuelle Anspielungen wurden für die Aufnahmen inszeniert. Gängige Schönheitsnormen und Konventionen wurden gebrochen. Nacktheit, Gewalt und Tod wurden in den Bildern thematisiert. Damit brach er mit den gängigen Konzeptionen der Modefotografie. Bourdin hat zudem als Armeefotograf in Dakar gearbeitet. Seine Werke wurden in renommierten Museen, u.a. in London, Paris, Peking und New York ausgestellt (vgl. Koetzle 2017).

4.8 Robert Lebeck

Der deutsche Fotojournalist Robert Lebeck (1929-2014) war neben seiner beruflichen Tätigkeit Sammler von Fotografien des 19. Jahrhunderts (vgl. von Dewitz/Scotti 1997). Er arbeite für Illustrierte wie den STERN und war Chefredakteur des Magazins GEO. Neben Politikeraufnahmen von deutschen Bundeskanzlern und internationalen Staatschefs fotografierte er Künstler und Jazzkonzerte. Lebeck machte Auslandreportagen in der Sowjetunion, Italien, Spanien, Bolivien und Afrika. Dort hat er Bilder von hungernden Menschen gemacht. Er war ein überaus erfolgreicher Fotograf:

„Dabei ließ und lässt er keinen Reportertrick aus, um an sein Bild zu kommen. Im Gespräch nimmt er die geschmähte Riege der Paparazzi in Schutz. Zugleich ist von ihm kein Foto bekannt, das auf billige Art die Gier nach Sensation bedienen würde.“ (Koetzle 2008, S. 13)

Lebeck hat private Aufnahmen des SPD-Politikers Willy Brandt im Urlaub am Strand und am Pool veröffentlicht. Der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Fotograf fotografierte insgesamt rund fünfzig Jahre lang u.a. die Beerdigungen von John F. Kennedy und Papst Pius XII. Seine Sammlung zur Geschichte der Pressefotografie wurde 2001 im Museum Ludwig in Köln ausgestellt (vgl. Lebeck/Dewitz 2001, Kayser/Lebeck 2008, Koetzle 2017).

4.9 Gerhard Richter

Gerhard Richter gehört zu den bedeuteten und teuersten Künstlern der Gegenwart. Seine Werke sind in zahlreichen Museen und Sammlungen vertreten. Neben nahezu fotorealistischen Bildern der gegenständlichen Malerei gestaltet Richter abstrakte Kunstwerke, Stillleben, Akt- und Natur- und Stadtbilder, Farbtafeln, Porträts, Tür, Vorhang- und Fensterbilder, die in Kirchenfenstern im Kölner Dom eingebaut worden sind. Zu seinen Arbeiten gehören Drucke, Fotografien, Objekte und Gemälde. Er verwendet dabei verschiedene Drucktechniken und Stilmitteln der Malerei und Grafik.

Der 1932 geborene Maler Gerhard Richter ist eigentlich kein Fotograf, sondern Maler. Zahlreiche Bilder von ihm basieren jedoch auf Vorlagen von Fotografien. Er greift im Rahmen seiner Arbeit entsprechende Motive der Aufnahmen auf, die er weiterbearbeitet. Die Fotografien aus Bildreportagen und Pressebildern werden als Quellen seiner Portraits, die aus Zeitungen, Magazinen sowie eigenen Aufnahmen stammen, verarbeitet. Richter verwendet eigene Familienfotos sowie Skizzen und Collagen, die von ihm weiterbearbeitet werden. Dafür nutzt er u.a. ein Episkop, das Aufnahmen und Illustrationen aus Zeitschriften, sowie Fotos der eigenen Familie auf eine Bildwand projiziert. Insofern stellen sich durch dieses Vorgehen Fragen hinsichtlich des Verhältnisses von Original und Reproduktion. Motive aus der Alltags- und Unterhaltungskultur werden von Richter ebenso verwendet wie politische Aufnahmen:

„Unter anderem ordnete er daraus eine bundesrepublikanische Epoche mit Eckdaten von Vico Torriani bis zu Gudrun Ensslin, vom Zubehör einer Klorolle bis zur Vorführung eines Militärjets.“ (Adriani 2008, S. 21)

So legte Richter anlässlich des Todes der RAF-Terroristen im Gefängnis Stuttgart-Stammheim einen 15-teiligen Zyklus mit dem Titel 18. Oktober 1977 vor, auf dem die Terroristen zu sehen sind, die dort Selbstmord verübt haben.

„Richter war kein Sympathisant der Baader-Meinhof-Gruppe, die von amtlicher Seite als Bande apostrophiert wurde. Doch aus nachvollziehbaren Gründen berührte den Künstler ihr Schicksal. Auch wenn deren ideologische Verblendung und die daraus resultierenden Gewalttaten seine Abscheu hervorriefen.“ (Honnef 2019, S. 61f.)

Als Provokation wurde eine 1967 von Richter gestaltete Werkgruppe wahrgenommen, die auf pornografischen Motiven beruhte. Dabei ließ sich der Künstler im Atelier mit freiem Oberkörper fotografieren (vgl. Sommer u.a. 2013).

Weiterhin malte er das Bild seines Onkels in einer NS-Wehrmachtsuniform. Er legte Mitte der 1960er Jahre ein Porträt von Jackie Kennedy nach dem Tod ihres Mannes ebenso vor wie ein Bild des mutmaßlichen Kennedy-Mörders Lee Harvey Oswald. Zudem erstellte Richter Bilder der brennenden Hochhaustürme nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York und von den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg (vgl. Storr 2010). Insofern hat der Künstler immer wieder Werke zu traumatischen und kontroversen politischen Ereignissen vorgelegt, obwohl er sich selbst primär als Maler und nicht als Konzeptkünstler oder Intellektueller definiert. Es sieht sich vielmehr als Bildermacher und führt an, dass er ein größeres Interesse an Bildern hat als an der Malerei (vgl. Moorhouse 2009, Friedel 2011).

4.10 Herlinde Koelbl

Die 1939 geborene Fotografin Herlinde Koelbl arbeitet in der Regel in groß angelegten Zyklen teilweise zu gesellschaftlich tabuisierten Themen. Sie präsentiert Männerakte (vgl. Koelbl 1984), Schlafzimmer (Koelbl 2012) und stellt Menschen in ihrer eigenen Freizeit- und Berufsbekleidung bildlich gegenüber (vgl. Koelbl 2014). Koelbl hat Auftragsarbeiten für nationale und internationale Zeitungen sowie Zeitschriften (u.a. DIE ZEIT, DER STERN, NEW YORK TIMES) übernommen (vgl. Koetzle 2017). Sie hat Politiker portraitiert und befragt. In ihrer seit 1991 begonnenen Langzeitstudie Spuren der Macht (Koelbl 1999) hat die Künstlerin im jährlichen Turnus Schwarz-Weiß-Fotos von Volksvertretern gemacht, die die körperlichen Veränderungsprozesse im Laufe der Zeit dokumentieren. In der Fotoserie Feine Leute (Koelbl 1998) sind wohlhabende Prominente bei offiziellen Empfängen abgelichtet. Zu sehen sind üppig geschmückte Politiker, Schauspieler und Journalisten in teurer Abendgarderobe, die sich im Rahmen von Begrüßungsritualen inszenieren und feiern. Es wird geraucht, gegessen und getrunken. Die bebilderte Dokumentation der Partyszenen wird den abgelichteten Protagonisten vermutlich nicht gefallen haben. Da es sich aber um öffentliche Veranstaltungen gehandelt hat, ist es legitim, derartige Aufnahmen zu veröffentlichen. In einem ähnlichen Stil ist der amerikanische Band The Vanities von Fink und Wolf (2011) gestaltet, der Bilder amerikanischer Prominenter auf Hollywood-Parties zeigt. Der Fotoband Targets von Koelbl (2014) zeigt Zielscheiben auf Truppenübungsplätzen aus aller Welt, die die Fotografin in fast dreißig Ländern aufgenommen hat. Interessant sind hierbei die Motive, die gewählt worden sind, um Feindbilder auf den Zielscheiben zu positionieren. Hierbei wurde auch mit Kugelfängern gearbeitet, die rassistische Abbildungen zeigten.