Bildethik

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3.1 Bildrecht

Das Bildrecht ist Teil des Medienrechtes, das das Presserecht, Rundfunkrecht und Multimediarecht einschließt. Medien in Demokratien vom Typ der Bundesrepublik Deutschland dienen der pluralistischen Meinungsbildung. Sie fungieren als Wirtschaftsfaktor und Kulturträger. Dabei übernehmen sie im Rahmen der so genannten Grundversorgung eine Bildungs-, Informations- und Unterhaltungsfunktion. Zu den Mediengrundrechten gehören u.a. die Meinungs-, Informations- und Kunstfreiheit sowie das Zensurverbot.

In Bezug auf das Eigentum von Texten, Grafiken sowie bewegten und unbewegten Bildern greift das Urheberrecht, das die Rahmenbedingungen der Besitzverhältnisse und Nutzungsrechte festlegt (vgl. Steckler 2004). Weiterhin existieren Gesetze zum Schutz gegen jugendgefährdende Medieninhalte in Wort und Bild (vgl. Fechner 2001).

Fotos als Lichtbildwerke sind urheberrechtlich geschützt, sofern eine gewisse Gestaltungshöhe in Form einer besonderen Perspektivenwahl oder Lichteinstellung vorgenommen worden ist. Dies gilt zusätzlich für Filme aus dem fiktiven und dokumentarischen Bereich. So stellt die bloße Aufzeichnung eines Sportereignisses kein schützenswertes Filmwerk dar. Gleichwohl können die Rechteinhaber der Veranstaltung entscheiden, welcher Medienanbieter zu welchem Umfang auf welchem Kanal z. B. ein Fußballbundesligaspiel übertragen darf (vgl. Kaessler 2007).

Grundsätzlich dürfen Bildnisse, zu denen Fotos, Film- und Fernsehaufnahmen, Fotomontagen und weitere Formen des künstlerischen Schaffens wie Zeichnungen und Gemälde gehören, nur mit der Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.

Es ist bei der juristischen Bewertung hinsichtlich einer angemessenen Verbreitung von Bildern aber zu differenzieren, ob es sich um relative und absolute Personen der Zeitgeschichte handelt. Als absolute Personen der Zeitgeschichte werden diejenigen Akteure klassifiziert, bei denen ein hohes öffentliches Interesse über deren Leben besteht. Dazu gehören unter anderem prominente Politiker, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, Erfinder, Künstler, Schauspieler und Sportler.

Relative Personen der Zeitgeschichte treten in der Regel mit Bezug auf ein bestimmtes Ereignis in den Blick der Öffentlichkeit. Dazu gehören zum Beispiel Vertreter der Judikative (Staatsanwälte, Richter, Rechtsanwälte), Legislative (Abgeordnete) oder Exekutive (Polizisten) und Begleiter von Prominenten, die als absolute Personen der Zeitgeschichte klassifiziert sind, aber auch Verbrecher (vgl. Leifert 2007). Sie genießen einen größeren Schutz am eigenen Bild, da ihre Aktivitäten kein derart großes Interesse umfassen wie die absoluten Personen der Zeitgeschichte, bei der das öffentliche Interesse stärker eingeschätzt wird.

Das Recht am eigenen Bild, das weitgehend im Kunst- und Urhebergesetz (KUG) geregelt ist, verbietet es anderen, entsprechende Aufnahmen ohne Einwilligung der Betroffenen zu verbreiten oder öffentlich zur Schau zu stellen (vgl. Petersen 2003, Sachsse 2003, Dörr/Schwartmann 2008, Isermann/Knieper 2010). Dies gilt weiterhin für Bilder von Prominenten. Hierbei hat das sogenannte Caroline-Urteil einen wichtigen Beitrag geleistet (vgl. Ladeur 2007, Ruchartz 2007, Rau 2008, Keller/Häger 2011). Es gelangte nach einer Klage der Prinzessin gegen Paparazzi-Fotografien aus ihrem Privatleben nach mehreren Prozessen u.a. beim Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht zu folgender Einschätzung:

„Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem bekannten Urteil vom Juni 2004 zur Zulässigkeit der Veröffentlichung von Fotos, die Caroline von Monaco am Strand, beim Skifahren, beim Einkaufen, auf dem Markt und auf dem Fahrrad zeigen, entschieden, dass eine Veröffentlichung von Bildern davon abhängig ist, ob diese einen ‚Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse leisten‘.“ (Fricke 2010, S. 200)

Aufnahmen von privaten Feiern der Prominenten dürfen ohne Einwilligung der Beteiligten demnach nicht mehr publiziert werden. Es geht hierbei demzufolge um das Spannungsfeld des öffentlichen Interesses einerseits und den Schutz der Privatsphäre andererseits. Letztere wird als Bedeutungsraum klassifiziert. Grimm und Krah (2016, S. 178) zufolge handelt es sich dabei um den Bereich,

„[…] in dem je nach System verschiedene Handlungen, Situationen, Zustände mentaler oder körperlicher Art des oder der Subjekte stattfinden, die in historisch oder sozial variablem Ausmaß der Kontrolle des Außenraums entzogen werden“.

Gleichwohl existieren Einschränkungen derartiger Beschränkungen, die einige Bereiche umfassen. Dazu gehören Bilder, bei denen die Personen nur als Beiwerk im Rahmen einer Landschaft oder einer anderen Örtlichkeit abgebildet sind, Bilder von offiziellen Veranstaltungen, Versammlungen und Demonstrationen, an denen die abgebildeten Personen teilgenommen haben, sowie Bilder, die im Sinne eines höheren Interesses der Kunst dienen (vgl. Gruber 2006, Leifert 2007). Insofern handelt es sich stets um eine Abwägungsentscheidung nach spezifischen Kriterien, ob Bilder veröffentlicht werden dürfen oder nicht. Relevant ist also, ob es sich um eine öffentliche Veranstaltung mit Prominenten handelt, in der z. B. Repräsentationspflichten vollzogen werden oder um privates Agieren im öffentlichen oder privaten Raum. Die Privat- und Intimsphäre von Prominenten und Nicht-Prominenten ist aber stets zu schützen.

„Tabu sind Aufnahmen aus der Intimsphäre, und bei Bildern aus der Privatsphäre kommt es darauf an, ob der Öffentlichkeitswert das Interesse an der Privatheit überwiegt.“ (Gerhardt/Steffen/Tillmanns 2015, S. 206)

Diese Grenze lässt sich anhand des folgenden Beispiels verdeutlichen. Trotz des angeblich großen öffentlichen Interesses an den Aufnahmen von Kate Middleton, der Ehefrau des englischen Prinzen William, die in ihrem Strandurlaub mit nacktem Oberkörper fotografiert worden ist, wurde nach erstem Abdrucken durch eine italienische Illustrierte die Weiterverbreitung dieser Bilder juristisch untersagt (vgl. Lamprecht 2013).

Offizielle Auftritte in sozialen Zusammenhängen z. B. von Amtsträgern dürfen hingegen durch Bilder stets dokumentiert und publiziert werden (vgl. Mast 2004).

Bei nicht prominenten Personen dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung der Abgebildeten verbreitet und ausgestellt werden. Dabei handelt es sich um Fotos, Film- und Fernsehaufnahmen, aber auch um Zeichnungen und Gemälde. Die Privat- und Intimsphäre sind hier besonders geschützt. Dazu gehören öffentlich zugängliche Räumlichkeiten wie Toiletten, Umkleidekabinen und ärztliche Behandlungszimmer. Der leichtfertige und unreflektierte Umgang mit Bildern im Alltag kann also justiziabel sein. Schließlich war es noch nie so einfach und kostengünstig, Aufnahmen mit dem Smartphone zu machen und zu verbreiten. So werden Bilder von Opfern bei Verkehrsunfällen regelmäßig gefilmt und ins Internet gestellt. Was harmlos als das Teilen von Informationen klassifiziert wird, ist faktisch eine Form von Voyeurismus und Sensationsgier, bei der unsensible Hobbyfotografen das Schicksal von Verletzten zum Zwecke der eigenen Aufmerksamkeits­stei­ge­rung und Sensationsgier instrumentalisieren. Der Beobachter mit dem Handy wird zum Täter, indem er das Grauen dokumentiert und weiterverbreitet. Durch dieses Verhalten werden Persönlichkeitsrechte der Opfer ebenso verletzt wie die Gefühle deren Angehörigen. Dies gilt zusätzlich für so genannte Spannerbilder, bei denen Menschen ihre Opfer z. B. heimlich in Umkleidekabinen und Waschräumen ablichten und diese Bilder dann ins Netz stellen. Das heimliche Fotografieren und Filmen unter den Rock (Upskirting) oder in den Ausschnitt von Frauen ist ebenso eine Straftat wie das Aufnehmen von Unfalltoten. Seit Mitte 2020 droht in Deutschland bei einem derartigen Verhalten eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren (vgl. o.V. 2020).

Besonders sensibel und reflektiert sollte der Umgang mit Kinderbildern sein. Schließlich gilt:

„Rechtlich bedarf es bei jedem veröffentlichtem Bild der Einwilligung der abgebildeten Personen. Das Recht am eigenen Bild gemäß § 22 Satz 1 KunstUrhG sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz kann nur von Erwachsenen beansprucht werden, bei minderjährigen Kindern sind die gesetzlichen Vertreter – meist die Eltern – für die Wahrung ihrer Rechte verantwortlich. Wichtig ist also, bei den Eltern eine Einsicht in die Risiken ihres Handelns zu schaffen in der Hoffnung, einen bewussten und ethisch vertretbaren Umgang mit Bildern von Kindern im Internet zu erreichen.“ (Pubantz 2021)

Insofern sollte vor der Veröffentlichung von Kinderbildern das Einverständnis der Betroffenen vorhanden sein. Die Privat- und Intimsphäre darf hierbei grundsätzlich nicht verletzt werden.

Es ist weiterhin untersagt, Bilder von Menschen zu publizieren, für die eine Fotoveröffentlichung eine Gefährdung für das Leben, die Gesundheit, die Freiheit oder das Eigentum bedeuten würden. Folgendes Beispiel nach einem Urteil des Oberlandesgerichtes Frankfurt fällt in diesen Bereich:

„Das Porträtfoto des Vorstandvorsitzenden eines Chemiekonzerns darf nicht steckbriefartig auf einem Plakat mit dem Slogan ‚Alle reden vom Klima – wir ruinieren es – wiedergegeben werden.“ (Fricke 2010, S. 226)

 

Das Urteil resultiert aus der Befürchtung, dass die Veröffentlichung dieses sogenannten Steckbriefes einen Gewaltakt gegen den Firmenchef zur Folge hätte haben können. Fahndungsfotos dürfen ohnehin nur von Behörden herausgegeben werden. Nur dann dürfen sie über die Medien verbreitet werden.

Gesetzliche Fotografierverbote gelten insgesamt unter folgenden Umständen (vgl. Fricke 2010):

 Werbung ohne Einwilligung des Betroffenen,

 Diskreditierung durch Herabsetzung, Zurschaustellung, Verächtlichmachung und Anprangerung,

 Personengefährdung bei Polizisten, Geheimagenten, Detektiven und Sicherheitskräften,

 Verfolgungs- und Belagerungssituationen bei der Observation

 und bei Kriegsgefangenen, sofern die Gesichter identifiziert werden können.

Während laufender Gerichtsverfahren darf in Deutschland nicht gefilmt werden. Notizen und Zeichnungen sind jedoch gestattet. Gesetzliche Fotografierverbote betreffen das Ablichten militärischer Anlagen und das Fotografieren aus dem Flugzeug und mit Drohnen, sofern es sich nicht um das eigene Grundstück handelt (vgl. Fricke 2010).

Juristisch relevant können weiterhin staatliche Eingriffe sein, die Bürgerrechte missachten. Das Recht auf Privatheit sowie der Datenschutz und die Datensicherheit werden negativ tangiert, wenn Fotos von Geheimdiensten mit einer Gesichtserkennungssoftware überprüft werden, und dadurch Überwachung ermöglichen (vgl. Grimm/Keber/Zöllner 2019).

Der Tod führt nicht automatisch dazu, dass Persönlichkeitsrechte enden. Aufgrund von postmortalen Persönlichkeitsrechten dürfen Bilder von Verstorbenen nur mit Einwilligung ihrer Angehörigen veröffentlicht werden. Ausnahmen kann es bei Personen der Zeitgeschichte aufgrund des öffentlichen Interesses geben. Identifizierbare Aufnahmen von Trauernden dürfen ebenfalls nur mit dem Einverständnis der Betroffenen publiziert werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Aufnahmen zu verpixeln, um eine Erkennbarkeit zu verhindern (vgl. Gulden 2020).

Im Gegensatz zur Bildethik, auf die nachfolgend eingegangen wird, werden rechtliche Normen im Bildrecht politisch in Kraft gesetzt und bei Missachtung mit Strafen durch die Justiz sanktioniert.

3.2 Bildethik

„Erst der Umgang mit Bildern in der Praxis zwischenmenschlicher und massenmedialer Kommunikation bindet Bilder in normative Kontexte ein und stellt [...] Fragen nach dem richtigen Handeln mit Bildern, die in den Bereich der Bildethik fallen […]“ (Leifert 2007, S. 298).

Die Ethik verfügt im Gegensatz zum Recht nicht über juristische Steuerungs- und Sanktionsmöglichkeiten, sondern setzt auf Reflexion und Sensibilisierung in Fällen der Verletzung gültiger Normen und Werte. Sie beschäftigt sich mit der Begründung von Handlungen und Unterlassungen (vgl. Birnbacher 1995) sowie der Entwicklung von Kriterien für moralisch angemessene Entscheidungen. Sie fordert die Rücksichtnahme auf Andere und kann somit Bedürfnisse und Freiheiten der agierenden Akteure einschränken. Dem Postulat des Universalismus zufolge sind ethische Grundsätze „für alle Menschen gleichermaßen verbindlich, unabhängig von Zeit, Ort oder besonderen Umständen“ (Hepfer 2008, S. 21).

Die angewandte Ethik „hat es mit Konflikten zu tun“ (Knoepffler 2010, S. 261) und besitzt dem Verständnis des Philosophen Manfred Riedel (1979, S. 8) zufolge die Funktion einer „Krisenreflexion“. Es wird davon ausgegangen, dass die ethische Argumentation auf der Erfahrung basiert, „daß er auch immer um das ‚Übel‘ verfehlten Lebens, aber nicht verläßlich um das ‚Gute‘, um Bedingungen gelingender Lebensführung, weiß“ (Riedel 1979, S. 7f.).

Es geht darum, moralisch fragwürdige Inhalte und Praktiken in realen sozialen Zusammenhängen zu identifizieren, einzuordnen und zu bewerten. In der Praxis- oder Bereichsethik finden sich zahlreiche Arbeitsfelder, in der normative Fragen reflektiert und diskutiert werden (vgl. Paganini 2020). Das Spektrum reicht von der medizinischen Ethik (vgl. Sass 1989) über die ökologische Ethik (vgl. Birnbacher 1986), Umweltethik (Ott 2010) und Klimaethik (Birnbacher 2016) bis hin zur Wirtschaftsethik (vgl. Lenk/Maring 1992).

Die Bildethik als normative Disziplin der angewandten Moralphilosophie wird in der Regel der Oberkategorie der Medienethik zugeordnet, zu denen u.a. die Informationsethik (vgl. Bendel 2016), die Internetethik (Irrgang 2011) und die Maschinenethik (Misselhorn 2019) gehören. Bei Grimm, Keber und Zöllner (2019) wird die angewandte Ethik im Kontext der Neuen Medien als Digitale Ethik klassifiziert, bei der es um die normative Bewertung beim Einsatz von Algorithmen und Social Bots geht (vgl. Schicha 2018d und 2019b, Stalder 2019).

Da sich die angewandte Ethik auf menschliche Aktivitäten bezieht, ist die Bildethik keine Ethik des Bildes, da es sich bei Bildern um Dinge handelt, die keine moralischen Rechten und Pflichten haben (vgl. Tappe 2016). Die Bildethik ist als Reflexions- und Steuerungsinstanz von den Entscheidungen der menschlichen Akteure abhängig, die Verantwortung tragen (vgl. Schicha/Brosda 2010, Schicha 2019b). Dabei geht es um die Prozesse der Erstellung (Produktion), der Bereitstellung (Distribution) und der Nutzung (Rezeption) von Bildinhalten (vgl. Funiok 2007).

Die Bildethik agiert wie alle Formen der angewandten Ethik im Spannungsfeld zwischen Ideal- und Praxisnormen (vgl. Birnbacher 1988). Zu den Idealnormen gehören u.a.

 die Grundprinzipien informierter Einwilligung,

 die Freiwilligkeit,

 die informationelle Selbstbestimmung,

 die Beachtung des Persönlichkeits- und Datenschutzes

 sowie die Anonymität und Schadensvermeidung.

Aus diesen Vorgaben sollen konkrete und praktikable Handlungsoptionen für die kommerzielle Medienpraxis abgeleitet werden, um auf gesellschaftlicher, institutioneller und individueller Akteursebene Orientierung zu geben (vgl. Schlütz/Mohring 2016). Es ist zu differenzieren zwischen der

 Individualebene der journalistischen Ethik, bei der der einzelne Fotograf ausschließlich für das veröffentlichte Bild verantwortlich ist.

 Auf der Professionsebene sollte das berufliche Verhalten durch die Entwicklung eines Berufsethos in Form von Ethikkodizes für den Journalismus berechenbar gestaltet werden.

 Die Organisationsebene beruft sich auf die Verantwortung der Medienunternehmen. Hierbei werden neben den Medienschaffenden zusätzlich die Besitzer und Betreiber von Massenmedien in den Verantwortungshorizont mit einbezogen.

 Zusätzlich werden die Mediennutzer auf der Publikumsebene im Verständnis einer Publikumsethik dafür verantwortlich gemacht, was sie kaufen, konsumieren und weiterverbreiten. Es geht hierbei um einen mündigen Nutzerkreis, der in der Lage ist, entsprechende Entscheidungen des Medienkonsums gut begründet zu treffen oder abzulehnen. Dabei wird an die Einhaltung ethischer Standards appelliert.

 Auf der Metaebene werden Prinzipien der Medien- und Bildethik diskutiert, die sich auf ethische Theorien beziehen und Begründungen für ein angemessenes Verhalten auf der Basis von Werten und Normen aufzeigen (vgl. Friedrichsen/Gertler 2011, Schicha 2019b).

Innerhalb bildethischer Bewertungen kommen moralische Urteile zur Anwendung. So wird diskutiert, welche Bilder nach welchen Kriterien überhaupt veröffentlicht werden dürfen. Hierbei spielt die Würde des (abgebildeten) Menschen, auf die im Artikel 1 des Deutschen Grundgesetzes explizit verwiesen wird, eine wichtige Rolle. Daran anknüpfend werden ethische Prinzipien berücksichtigt, die u.a. die Wahrheit und Selbstbestimmung tangieren (vgl. Knieper/Müller 2003, Schicha 2003 und 2013b, Godulla 2014, Krämer/Lobinger 2019). Grundsätzlich lässt sich konstatieren,

„[…] dass ethische Reflexionen kein Verbots- oder Verhinderungsinstrument für die Visuelle Kommunikationsforschung sind. Sie sind vor allem ein zentrales Qualitäts- und Reflexionsmerkmal guter Forschung, das auch Orientierung und Sicherheit gibt.“ (Venema/Pfurtscheller/Lobinger 2020, S. 302)

Den Ansatz einer Prinzipienethik verfolgen die Medizinethiker Beauchamp und Childress (1989). Wesentlicher Bestandteil der Alltagsmoral sind

 der Respekt vor der Autonomie des Betroffenen,

 die Schadensvermeidung

 sowie Fürsorge und Gerechtigkeit.

Derartige Leitlinien sollen in den Prozess der ethischen Begründung und Entscheidungsfindung einbezogen werden. Die Prinzipien sind so gestaltet, dass sie in der konkreten Anwendung einen Freiraum für Abwägungen und Priorisierung einzelner Prinzipien hinsichtlich ihrer Gewichtung bieten. Es ist zu prüfen, ob diese Maßstäbe in einem konkreten Fall in Konflikt zueinanderstehen oder miteinander harmonieren. Sofern dieses Konzept auf den normativ angemessenen Umgang mit Bildern übertragen wird, stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien die Veröffentlichung von Bildern gerechtfertigt werden kann. So ist zu diskutieren, ob eine individuelle Schädigung eines Einzelnen durch eine Abbildung, auf der er zu sehen ist, durch die Fürsorge im Verständnis einer Aufklärungspflicht gegenüber der Öffentlichkeit gerechtfertigt sein kann. Zentral ist weiterhin die Frage, ob Bilder denjenigen schaden, die abgebildet werden. Es geht darum, Hassbilder (Hornuff 2020) zu verhindern, die oftmals in Kombination mit Hasssprache als Instrument der Denunziation dienen sowie Abwertungs- und Ausgrenzungsmustern sowie Stereotypisierungen folgen.

Deontologische Ansätze einer Pflichtethik können den normativen Diskurs ebenfalls beeinflussen (vgl. Suda 2005). Hier kann z. B. diskutiert werden, ob es eine ethische Verpflichtung gibt, gesellschaftliche Missstände im Bild zu dokumentieren. Utilitaristische Ansätze einer zweckorientierten Ethik, die die Auffassung vertreten, dass der Gesamtnutzen aller Betroffenen maximiert werden soll, können ebenso in die Debatte eingehen, um Kriterien zu entwickeln, nach denen zu entscheiden ist, welche Bilder unter welchen Umständen gemacht werden dürfen und an welche Personen oder Gruppen sie weitergeleitet werden dürfen. Unter Rückgriff auf derartiger Theoriekonzepte kann die Bildethik neben dem Bildrecht einen konstruktiven Beitrag dazu leisten, richtige Entscheidungen nach einer gründlichen Analyse und Abwägung beim Umgang mit Bildern zu treffen.

3.3 Medienselbstkontrolle: Der Deutsche Presserat

Die Medienselbstkontrolle ist Teil der Medienregulierung und „existiert in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Prinzips der Staatsferne und der verfassungsrechtlich garantierten Medienfreiheiten“ (Stapf 2016, S. 96).

Der Deutsche Presserat (2000) ist die Freiwillige Selbstkontrolle der Printmedien, wobei zusätzlich die Inhalte der journalistischen Onlineberichterstattung begutachtet werden. Zu den Trägern gehören gehören Verleger- und Journalistenorganisationen. Die Medienselbstkontrolle kann einen konstruktiven Beitrag leisten, Richtlinien für einen moralisch angemessenen Umgang mit Bildern zu entwickeln.

Ihre Aufgabe besteht darin, das Ansehen der Presse zu wahren und die Pressefreiheit zu schützen. Auf Basis der publizistischen Grundsätze (Pressekodex) werden Presseberichte bewertet und ggf. mit einem Hinweis oder einer Rüge sanktioniert. Hinsichtlich der Verwendung von Bildern sind folgende Ziffern des Pressekodex relevant:

„Ziffer 2 SORGFALT

Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen. Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden. […]

 

RICHTLINIE 2.2 SYMBOLFOTO

Kann eine Illustration, insbesondere eine Fotografie, beim flüchtigen Lesen als dokumentarische Abbildung aufgefasst werden, obwohl es sich um ein Symbolfoto handelt, so ist eine entsprechende Klarstellung geboten. So sind Ersatz- oder Behelfsillustrationen (gleiches Motiv bei anderer Gelegenheit, anderes Motiv bei gleicher Gelegenheit etc.), symbolische Illustrationen (nachgestellte Szene, künstlich visualisierter Vorgang zum Text etc.), Fotomontagen oder sonstige Veränderung deutlich wahrnehmbar in Bildlegende bzw. Bezugstext als solche erkennbar zu machen. […]

Ziffer 4 GRENZEN DER RECHERCHE

Bei der Beschaffung von personenbezogenen Daten, Nachrichten, Informationsmaterial und Bildern dürfen keine unlauteren Methoden angewandt werden.

Ziffer 8 SCHUTZ DER PERSÖNLICHKEIT […]

RICHTLINIE 8.2 OPFERSCHUTZ

Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.

Ziffer 9 SCHUTZ DER EHRE

Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.

Ziffer 11 SENSATIONSBERICHTERSTATTUNG, JUGENDSCHUTZ

Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid. Die Presse beachtet den Jugendschutz.

RICHTLINIE 11.1 UNANGEMESSENE DARSTELLUNG

Unangemessen sensationell ist eine Darstellung, wenn in der Berichterstattung der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, herabgewürdigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn über einen sterbenden oder körperlich oder seelisch leidenden Menschen in einer über das öffentliche Interesse und das Informationsinteresse der Leser hinausgehenden Art und Weise berichtet wird. Bei der Platzierung bildlicher Darstellungen von Gewalttaten und Unglücksfällen auf Titelseiten beachtet die Presse die möglichen Wirkungen auf Kinder und Jugendliche.

In einer Pressemitteilung vom 11. Juni 2020 hat der Deutsche Presserat in einer Pressemitteilung drei Fälle mit einer Rüge sanktioniert, in der der Umgang mit Bildern von Gewalt und Tot eine zentrale Rolle gespielt haben (Deutscher Presserat 2020):

Redaktion zeigt Gesicht eines in Syrien erfrorenen Mädchens

Eine Verletzung der Ziffer 1 des Pressekodex sah der Presserat in der Veröffentlichung eines Fotos eines in Syrien erfrorenen 18 Monate alten Mädchens. Unter der Überschrift „Laila (1) erfror auf der Flucht vor dem Krieg“ hatte BILD.DE über den Krieg in Syrien berichtet und da-bei ein Porträtbild des toten Kindes mit offenen Augen gezeigt. Diese Art der Darstellung ist nach Ansicht des Presserats nicht durch ein öffentliches Interesse gedeckt und verletzt die Menschenwürde des toten Mädchens. Der Presserat hielt den Verstoß gegen den Pressekodex für so schwerwiegend, dass er hier eine Rüge aussprach.

Opferfotos ohne Einwilligung der Angehörigen veröffentlicht

Eine Rüge erhielt SHZ.DE wegen mehrerer Berichte aus den Jahren 2008 und 2009 u.a. mit der Schlagzeile „Es war blanker Hass“. Es ging darin um einen Prozess gegen einen 19-Jährigen, der 2008 wegen Mordes an seiner Schwester verurteilt worden war. Die Redaktion hatte seinerzeit mehrere Artikel mit Fotos und Informationen veröffentlicht, die das Mordopfer identifizierbar machten. Das Vorhalten dieser Alt-Berichterstattung verstößt insoweit gegen den redaktionellen Datenschutz, als dass nach Richtlinie 8.2 des Pressekodex die Identität von Opfern besonders geschützt werden muss ‒ auch in Online-Archiven. Dagegen waren Informationen, die Rückschlüsse auf die Identität des Täters und der Familie zuließen durch ein überwiegendes Informationsinteresse gedeckt.

Zwei Rügen wegen Verstößen gegen den Opferschutz

Zwei Rügen wegen Verletzungen des Opferschutzes wurden gegen BILD.DE ausgesprochen. Im ersten Fall hatte die Redaktion unter der Überschrift ‚Diese Liebe endete im Blutbad‘ über eine Beziehungstat berichtet, bei der ein junger Mann seine Freundin umgebracht und dann sich selbst das Leben genommen hatte. Im zweiten Fall wurde unter dem Titel ‚Vater erstickte Kinder mit Bauschaum‘ über den Vorwurf gegen einen Mann informiert, seine beiden Kinder getötet zu haben. In beiden Artikeln wurden die Opfer mit Fotos identifizierend dargestellt. Ein öffentliches Interesse daran sah der Presserat nicht und stellte einen schweren Verstoß gegen den Opferschutz nach Ziffer 8 Richtlinie 8.2 fest.“

Hierbei wird die Ziffer 1 des Pressekodex mit der grundlegenden Wahrung der Menschenwürde herangezogen. Die Ziffer 8.2 bezieht sich auf den Opferschutz. Eine Identifizierung durch ein Foto in der Berichterstattung sollte nur dann stattfinden, wenn das Opfer oder die Angehörigen dem zustimmen oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.

Der Großteil der Presseverlage in Deutschland hat sich verpflichtet, öffentliche Rügen des Presserates publik zu machen. 2020 sind von 53 ausgesprochenen Rügen 19 nicht von den betreffenden Presseorganen abgedruckt worden. Somit sind etwa ein Drittel aller Rügen unveröffentlicht geblieben (vgl. Deutscher Presserat 2021).

Auf weitere Beurteilungen des Deutschen Presserates hinsichtlich der Angemessenheit von Bildveröffentlichungen wird anhand konkreter Beispiele im Verlauf des Bandes noch eingegangen. Darüber hinaus werden nachfolgend auch Richtlinien und Beurteilungskriterien der Medienselbstkontrollinstanz des Deutschen Werberates skizziert.