Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs

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Diese vier Sendungen oder Grundtypen sind für Balthasar ein vierfacher Weg, jeweils eine „Überantwortung in das Wunder“265 der Liebe Gottes, die in der Welt konket in Jesus Christus und im Heiligen Geist wurde. Das Wunder, das zur Freiheit der Liebe führt und das Loslassen von persönlicher Egozentritk verlangt. Manchmal wird von „einer gegenseitigen Osmose“266 oder einer Perichorese, beziehungsweise Korrelation267 der einzelnen Grundsendungen gesprochen. Tatsächlich beschreibt Balthasar die vier Grundtypen als den „Weg für alle Gemeinden und für alle einzelnen Christen in der Catholica“268, so dass die Sendung der Christinnen und Christen heute auch innerhalb der vier Modelle Zurücktreten/Charisma, Versachlichung/kirchliche Tradition, Liebe und Exzentrität zu suchen wäre. Was für Balthasar nicht denkbar ist, wäre eine Zuordnung, in der das Institutionelle in der Kirche christologisch und das Charismatische pneumatologisch begründet werden würde269.

Das Amt in der Kirche geht auf die Apostel zurück, die alles zurücklassen mussten, um Jesus nachzufolgen, denen in diese Leere die Amtsgnade eingegossen wurde und die als Einzelne berufen sind, nicht als ein Kollektiv270. Auf dieser Grundlage beschreibt Balthasar auch die Charismen, denn diese sind „jedem zugeteilte «Form» oder «Funktion» im lebendigen Organismus der Kirche“271. Damit ist die Metapher vom Leib Christi letztlich der gemeinsame Grund für die Charismen und das kirchliche Amt.

Diese Gemeinsamkeit liegt auch in der Sendung des Heiligen Geistes, denn „er ist der Überschwang der subjektiven Liebe zwischen Vater und Sohn, aber er ist auch deren objektiver Zeuge und deren Verwandlung in eine an die Welt verschenkbare objektive Gabe: hierin ist er, die subjektive Liebe mitvermittelnd, die wahrheitsgemäße (gehorsame) Aktualisierung der göttlichen Liebe in der Welt“272. Ob die Unterscheidung zwischen subjektivem und objektivem Heiligen Geist wirklich statthaft ist273, erscheint im Zusammenhang mit der Firmtheologie weniger entscheidend. Balthasar geht es jedenfalls um die Frage, wie man christliches Leben begründen kann. Denn Gott selbst kann nur als personale Liebe verstanden werden. Und christliches Leben kann nur verstanden werden durch die Aussendung des Sohnes und die Sendung des Heiligen Geistes274. Letztlich geht es also um die eschatologische Vollendung, in der Gottes subjektive Liebe als objektive Gabe die Welt verwandelt hat und in diese Verwandlung ist der Christ / die Christin in seiner persönlichen Existenz schon jetzt mit hineingenommen.

Gnade (im Griechischen charis) und Charisma gehören damit für Balthasar in die Kirche und damit in den gegliederten Leib Christi hinein. Damit wird auch der Dienst jedes Einzelnen an der Gemeinschaft unterstrichen. Das hat weniger mit Funktionalität zu tun als vielmehr mit der Zusammengehörigkeit der einzelnen Grundtypen der Kirche, die Balthasar auch als Charismen bezeichnet275. Umgekehrt bedeutet dies, dass Charisma und alles Charismatische mit dem „Gliedcharakter des Einzelnen zusammenhängt“276 und nichts mit einer subjektiven Schwärmerei zu hat. Es ist in der Kirche schon immer gegeben und zwar aufgrund der gnadenhaften Zuwendung Gottes zur Welt und als Ausfluss der Liebe, die Gott selbst ist und die in Jesus Christus konkret greifbar und im Heiligen Geist subjektiv erfahrbar wurde.

Ein Christ / eine Christin ist für Balthasar also jemand, der / die das persönliche Charisma entdeckt hat, weil er / sie zum Leib Christi gehört und in dieser Einheit mit dem universale concretum, Jesus Christus, in Kontakt steht. Dass kein Christ sich selbst zum Maßstab darüber machen darf, was Gott und seine immanierende Gnade betrifft, heißt, dass kein Mensch Gottes Transzendenz mit der eigenen transzendierenden Vernunft zu umfassen vermag. Es heißt aber auch, dass nicht jede persönlich hervorragende Fähigkeit oder jedes subjektiv vorhandene Talent schon gleich ein Charisma wäre. Es sind die vier Grundtypen personaler Glaubenserfahrung, die in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen: Charisma zeichnet sich als Zurücktreten oder Rezeptivität dem Wort Gottes gegenüber aus (marianisch); als Aktiv-werden aus der Autorität Christi selbst heraus (petrinisch) zeigt sie die eschatologisch gültige Gegenwart Gottes in der Kirche; als Liebe muss sie auf die Liebe Christi selbst verweisen können, um als Charisma verstanden werden zu können (johanneisch); und als Bewusstsein für alles und alle, die außerhalb des Zentrums, sozusagen exzentrisch, stehen (paulinisch) ist sie auf Sendung und Universalität hin angelegt. Bei Balthasar wird das Charisma aber auch verstanden als Loslassen von persönlicher Egozentrik. Das bedeutet noch einmal, dass nicht jede persönliche Vorliebe und jedes persönliches Tun schon gleich charismatisch genannt werden kann. Der eigene Alltag muss vielmehr von einer grundlegenden Beziehung zur Kirche und zu Christus her verstanden werden. Gottes Liebe fordert den Menschen dazu heraus, über sich selbst hinauszuwachsen. Vielleicht ist es auch nicht falsch, zu behaupten, dass in dieser charismatischen Beziehung die immanierende Gnade Gottes die transzendierende Vernunft des Menschen zu Gott hin führt. Dadurch wird aber das Charisma bei Balthasar erklärt durch Worte wie Zugehörigkeit zur Kirche und Gehorsam, was sonst seltener in diesem Zusammenhang in Erscheinung tritt.

1.4.2 Firmung ist Kommen und Mitgehen

Durch die strikte Trennung von Gottes Besonderheit und der Allgemeinheit der Welt ist jeder Christ und jede Christin damit aber auch vor die Frage gestellt, wie sie ihr Charisma entdecken können, das vom Heiligen Geist geschenkt ist und wie sie es in der Kirche und im Gehorsam ausleben können. Der Hinweis auf ein „Tun der Liebe“277 genügt Balthasar nicht, wenn man einige wirkliche Anhaltspunkte für christliches Leben finden möchte. Er greift deshalb auch auf ein weiteres Bild zurück, das den Laien in der Kirche auszeichnet: das Urbild des Laien in der Kirche wäre der christliche Künstler, besonders der Kirchenbauer278. Ein solcher Künstler versucht, mit den Mitteln, die er zur Verfügung hat, und die allesamt aus dem materiellen Bereich stammen, das Heilige darzustellen. Damit gibt er auch der Kirche eine Form – für die Kirche selbst und für jeden, der sie ansieht. Das Bild vom Künstler zeigt, dass mit weltlicher Technik und mit weltlichem Material ein Bild von der Kirche zu erstellen möglich ist. Und dass dies im übertragenen Sinn nicht nur von jedem christlichen Künstler gilt, sondern von jedem Christen / von jeder Christin. Genau genommen sollte man bei jedem alltäglichen Handeln gar nicht genau unterscheiden können, ob es nur geistlich oder weltlich wäre. Es ist die „Inkarnation der unsichtbaren Gnade in die weltliche Sichtbarkeit“279, die damit eigentlich die Welt zu einem charismatischen Ort machen könnte. Wie dies im Einzelnen geschehen kann, überlässt Balthasar der Mündigkeit der Christinnen und Christen. Entscheidend ist für ihn lediglich, dass alles, was den Menschen auszeichnet in Jesus Christus seine Erklärung findet. Denn: „Alles bleibt abstrakt, solange es nicht auf das Concretissimum […] zurückgeführt und von ihm her erklärt worden ist“280. Lässt Balthasar damit aber nicht die Christen alleine in der schwierigen Suche nach dem, was das persönliche Charisma auszeichnet?

Es sind gerade die einfachsten Bilder, die Balthasars Gedanken am anschaulichsten werden lassen. In Bewegung zu Gott vergleicht er die Beziehung eines Kleinkindes zu seiner Mutter mit der Relation des Menschen zu Gott281. In der personalen Beziehung eines Ich zu einem Du wird Wirklichkeit erschlossen und zwar vor allem in der Liebe zwischen Ich und Du. Alle späteren Erfahrungen im Leben wären von dieser Beziehung abhängig, auch die leidvollen und mit Sünde behafteten, denn auch Gott wird in dieser Beziehung mit eingeschlossen. Im Grunde genommen geht es also darum, dass in diesem Bild der Mutter und des Kleinkindes auch schon eine größere Wirklichkeit mit erschlossen wird und sich die Perspektive weiten muss, wenn man das Bild in seiner Gänze verstehen will. Tut man dies nicht, dann begnügt man sich mit dem Ausschnitt, der eben gerade verfügbar ist. Es werden keine weiteren Einblicke mehr erwartet, die Quelle des Lebens gilt dann als ein unerreichbares fernes Etwas, das mit dem persönlichen Leben nichts zu tun hat. Und deshalb trennt sich der Mensch in diesem Fall auch von der Liebe, die jeden und jede immer über sich selbst und über den Augenblick erhebt282. Aufgabe des Christen ist es deshalb, in der jeweils eigens erfahrenen Perspektive eben mehr zu sehen und zu erwarten, als nur Endlichkeit. Die eigenen Eindrücke als Ausdrücke einer größeren Wirklichkeit zu erfahren, gehört zu einem christlichen Leben.

Wer sich von Gott abwendet, wird deshalb zu einem Verlassenen, der sich von jeder Liebe abgewandt hat. Doch auch einem solchen Menschen begegnet nach Balthasar einer, der noch verlassener ist, der Gekreuzigte, Jesus Christus283. Durch dieses Engagement Gottes kann nun der Sünder in einen noch größeren Widerspruch zu Gott gebracht werden284, dennoch möchte Balthasar in seinem Denken den Raum für das Handeln des je größeren Gottes offen halten285. Der sündige Mensch ist bei Balthasar immer als eine der Liebe abgewandte Person beschrieben. Aber ein Nein zur Liebe Gottes bedeutet heute nicht auch Verlassenheit. Es gibt Vereine, die sich genau dieses Nein zu Gott zum Ziel gesetzt haben wie der Humanistische Verband Deutschlands, der Menschen auch Trauerrituale anbietet oder Anregungen gibt, Hochzeitsfeierlichkeiten zu gestalten286. Damit ist gerade in dem Bereich der Liebe, den Balthasar als einen Kernbereich einer sich auf eine weitere Perspektive hin öffnende Größe verstanden hat, ein Nein zu Gott möglich und dieses Nein wird auch noch beworben als eine weitere Perspektive als es verschiedene Glaubensrichtungen ermöglichen würden, schließlich würden Glaubenssätze einengen oder auch Traditionen mit sich bringen, die längst überwunden wären. Die individuellen Bedürfnisse und Sehnsüchte könnten auch ohne Gott gedeckt werden.

 

Einen solchen Blick von außen auf die Kirche und auf die Beziehung zu Gott würde Balthasar nicht gelten lassen. Denn: „Im Kommen und Mitgehen allein ergibt sich die wirkliche Schau; diese kann nicht von Außen […] verfolgt werden, sondern nur im Mitabschreiten der durchmessenen Strecke. […] Der Geist führt ja von Anfang an in das ganze Phänomen Jesu Christi ein: in sein Leben, Sterben, Auferstehen. Deshalb wird sich die mitgehende Theorie nicht anders ereignen und zu wirklicher Anschauung gelangen als […] in einem sofortigen Mitleben, Mitsterben, Mitauferstehen, wodurch erst der Eintritt in den Auslegungsraum des Sohnes verbürgt wird“287. Damit muss ein Mensch sich auf die Beziehung zu Gott letztlich einlassen und die Lebensstrecken mit der weiteren Perspektive Gottes auf sein Leben abschreiten. Dies hängt sowohl mit der Leiblichkeit des Menschen zusammen, der immer zeitlich angelegt ist als auch mit der Art und Weise der Offenbarung, die sich in der Geschichte ereignet. Wie es allerdings möglich sein soll, Menschen von dem Wert dieses Miterlebens zu überzeugen, erklärt Balthasar nicht. Es bleibt eine Charis, eine Gnade. Und damit dürfte auch die tiefste Bestimmung des Charismas bei Balthasar geklärt sein: es liegt in der gnadenhaften Zugehörigkeit zur Kirche und dem Bewusstsein aus einer Beziehung mit Gott das Leben zu gestalten. Auch dann, wenn es alternative Lebensentwürfe gibt, die der Kirche indifferent gegenüber stehen. Auch dann, wenn Christinnen und Christen unter Verfolgung zu leiden haben und mit dem Leben für ihre Zugehörigkeit zu Christus bezahlen müssen288.

Christliche Sendung und die Sendung eines Christen / einer Christin in der Firmung wird man deshalb niemals nur mit rein anthropologischen Gründen erklären können. Und umgekehrt wird man die persönlichen Beziehungen im Leben von Christen niemals ganz ohne die weitere Perspektive Gottes verstehen können. Dazu gehören die freudigen Momente, mit Sicherheit aber auch die Brutalitäten des Alltags, die Christen in der Person Jesu deuten sollen und deuten können. Damit sind Christen immer auch auf die Offenbarung in ihrer konkreten Gestalt hingewiesen: auf die neutestamentlichen Berichte von Jesus, die niemals in ihrer Gänze zu entmythologisieren wären. Zugehörigkeit zur Kirche heißt deshalb, dass jeder Christ / jede Christin mit hinein genommen ist in die Liebesbeziehung Gottes, in die der Heilige Geist einführt und die in ihrer eschatologischen Vollendung immer noch Liebesbeziehung Gottes zu seinem Geschöpf ist.

Für die Firmung Jugendalter bietet das Bild vom Kleinkind in seiner Beziehung zu seiner Mutter keine Grundlage zur Verdeutlichung der Beziehung Gottes zum Menschen. In der Theologie Balthasars steht dieses Bild jedenfalls nicht für Fremdbestimmung, Infantilität oder auch Unmündigkeit, sondern für die personale Beziehung schlechthin, die jeder Christ / jede Christin in ihrem Leben mit gegeben ist. Gerade dann, wenn Menschen nicht mehr auf der Suche nach Gott sind, oder nichts mehr von ihm erwarten, müsste nach Balthasar ihnen Gott mit seiner Liebe entgegenkommen als der immer Größere. Diese unerwartete Ankunft Gottes zeigt sich schon in der Offenbarung, in der Gott den Menschen auf ganz andere Art und Weise begegnet, als sie das erwartet hätten. Es bleibt zu hoffen, dass sich Gott auch heute Menschen überraschend zeigt, wenn sie gar nichts mehr von ihm erwarten289.

1.4.3 Firmung ist Empfänglichkeit und Entscheidung

Wenn Balthasar in Bildern von der Kirche spricht, dann gehören die Metaphern von Männlichkeit und Weiblichkeit zur Beschreibung des Verhältnisses von Gott zur Kirche mit hinein290. Die Kirche ist eben Sponsa Verbi – die Braut des Wortes und nimmt damit eine Rolle der Empfänglichkeit und der erhofften Fruchtbarkeit ein. Jeder Christ und jede Christin hat damit eine Art von weiblicher Eigenschaft, nämlich die der Empfänglichkeit291. Damit wäre Balthasars Blick auf die Rolle der Glaubenden in der Kirche aber nur sehr ungenügend beschrieben, denn sein Name ist untrennbar mit der so genannten dramatischen Theologie im 20. Jahrhundert verbunden. Das zeigt alleine schon der Titel einer seiner Arbeiten Theodramatik. Worauf es Balthasar hierbei ankommt, ist, zu zeigen, dass Aktivität in der Kirche möglich sei – auch wenn ihr zunächst eine Art von empfangender Weiblichkeit zugrunde liegt. Das Bild des Theaters, des Dramas hilft, dies zu verstehen. Karl-Heinz Menke erklärt diese Metapher folgendermaßen:

„Indem er aus der Welt des Theaters Analogien für die Schilderung des einzigartigen Dramas zwischen Gott und Mensch erhebt, spricht er von einer Bühne für das Drama der Weltgeschichte. Gott ist in Christus nicht nur der Autor und Regisseur, sondern auch der Ausführende dieses Dramas. Dennoch ist der einzelne Mensch nicht seine Marionette. Christi Stellvertretung eröffnet den Spielraum für mitspielende Personen, und zwar so, dass diese in dem Maße nicht nur scheinbar, sondern wirklich frei sind, indem sie die Rolle spielen, die ihnen zugedacht ist. Jede Rolle ist eine je einmalige Explikation der Sendung des Erlösers. Balthasar spricht von der exklusiven Sendung und Stellvertretung des Erlösers und den vielen Sendungen und inklusiven Stellvertretungen der Erlösten“292.

Im Grunde genommen heißt dies, dass sich in einem Drama freiheitlich verfasste Akteure gegenüber stehen und dass gerade in den Beziehungen Jesu Christi zu den Jüngerinnen und Jüngern ein Freiraum möglich wird, in dem Menschen in ihrer freiheitlich verfassten Existenz am „Selbststand der göttlichen Freiheit“293 teilnehmen können. Christliches Leben bedeutet also nicht nur Leben in einer empfänglichen, kontemplativen Grundhaltung, es impliziert „auch das, was die Einzelnen selbst aufgrund dieser Teilnahme an der verschenkten Liebe Christi leisten“294. Die vier Grundtypen personaler Glaubenserfahrung werden dadurch also erweitert, dass im Bild des Dramas prinzipiell alle alltäglichen Erfahrungen wieder in die Gottesbeziehung mit integriert werden. Denn gerade dadurch, dass sich die Christen von Jesus Christus her vertreten wissen, können sie ihre Sendung leben. Damit beschreibt Balthasar das Drama und die so genannte passive und aktive Stellvertretung der Christen durch Christus ganz ähnlich wie die Sendung Mariens, das Urbild der Kirche: aus ihrer empfangenden Grundhaltung heraus spricht sie ihr Fiat und wird somit aktiv295. Deshalb wird jedes Reden über die Kirche im Kern zur Christologie296 und findet sein End- und Herzstück in der Mariologie297. Gerade so wird ein Ergebnis der Auseinandersetzung Balthasars mit dem Exerzitienbuch Ignatius’ von Loyolas verständlich: „‚Indiferencia’ ist die aktive Bereitschaft, Gottes Wahl für je mich zu übernehmen. In diesem Sinne ergibt sich: ‚Indifferenz ist der Grundakt der Kreatur’“298.

Das Drama wird auf diese Weise zu einem Bild für menschliche Existenz überhaupt und gleichzeitig für die Offenbarung des persönlichen Gottes299. Durch den Kontakt mit dem persönlichen Gott und in der Teilnahme an dem Drama wird im Denken Balthasars auch der Mensch in vollem Sinn des Wortes zu einer Person300. Aufgrund dieses vielleicht einseitigen theologischen Interesses Balthasars am Drama als Bild für die Möglichkeit der aktiven Teilnahme am Erlösungsgeschehen wird auch darauf hingewiesen, dass Balthasar die Beziehungen zwischen Drama, Offenbarung und persönlichem Leben nicht in aller Präzision darstellen kann301. Jedoch hilft der Vergleich mit dem Drama Balthasar „to expand the capacities of the aesthetic form-splendor model“302. Genauer gesagt geht es Kevin Mongrain darum, dass Balthasar durch die Metapher des Dramas den Entscheidungsprozess des Menschen mit in seine theologische Sichtweise integrieren kann, weil jedes Drama in einem begrenzten zeitlichen Rahmen stattfindet. Das Drama der Heilsgeschichte mache demnach deutlich, dass die eigene Entscheidung gefragt ist, die persönliche Positionierung, wohin die eigene zeitliche Existenz hinweist. In diesem Sinn wird sich jeder Christ / jede Christin die Frage stellen müssen, worauf die eigenen persönlichen Entscheidungen ausgerichtet sind und welche Auswirkungen sie auf das persönliche Leben haben. Denn nur die Heiligen sind „die authentischen Interpreten des Theodramas“303. Jedes Lebensdrama findet damit nicht nur auf einer individuellen Bühne statt, es geht im letzten Sinn um die gesamte Freiheitsgeschichte „der Völker und der Menschheit“304.

Grundlage für die dramatische Theologie waren neben den Ausführungen Hans Urs von Balthasars auch die Untersuchungen Karl Barths und Gustav Auléns305. Die dramatische Theologie wurde von Raymund Schwaiger weitergeführt306. Gemeinsam ist diesen Herangehensweisen an die Theologie, dass sie mit dem Bild des Dramas den Charakter der Performativität in theologischen Aussagen stark betonen307. Der Nachweis und die Untersuchung dramatischer Elemente in der Theologie führen zu einer stark analytischen Arbeitsweise308. In einer nicht immer ganz spannungsfreien Debatte versucht demgegenüber die kommunikative Theologie, eine Elementarisierung verschiedener theologischer Disziplinen mittels des Grundgedankens der Kommunikation309.

1.4.4 Ergebnis

Firmung kann in den theologischen Werken Hans Urs von Balthasars von der Einmaligkeit der göttlichen Selbstoffenbarung und der Gabe Gottes im universale concretum Jesus Christus her verstanden werden. Obwohl Balthasar viele Zuschreibungen von Aufgaben macht, ist es schwierig, die aktive Rolle von Christinnen und Christen in der Welt verständlich zu machen. Letztlich gelingt Balthasar dies hauptsächlich mittels des Bildes des göttlichen Dramas und der Verbindung christlichen Lebens mit der Bereitschaft, am Selbstand der göttlichen Freiheit teilzunehmen. Aufgegeben ist dem Christen / der Christin, das persönliche Leben von Christus her zu gestalten, sich von der göttlichen Fülle in der Christusnachfolge beschenken zu lassen, sich also in das Wunder der Liebe zu überantworten. Damit hängt auch die Gabe der Charismen zusammen, die bei Balthasar aber stärker als bei Rahner mit einer Funktion in der Glaubensgemeinschaft verbunden werden. Eng mit der Gabe und Aufgabe verbunden erscheinen bei Balthasar die Biographie und das Glaubensleben. Der Sachfrage Biographie werden die Aufgabe, Gottes Wahl für das eigene Leben zuzulassen und das Loslassen von persönlicher Egozentrik zugeordnet. Dem Glaubensleben werden zugewiesen, die Bereitschaft, den Alltag in Beziehung zu Kirche und Jesus Christus zu verstehen, beziehungsweise den Alltag so zu gestalten, dass geistliches und weltliches Handeln nicht mehr unterscheidbar sind. Der Gemeinschaft der Kirche wird so die Einmaligkeit Gottes mitgeteilt. Alleiniges konkretes Maß zwischen Gott und Mensch bleibt immer Jesus Christus, ein Gedanke der dem Gottesbild zugeschrieben wird. Auch wenn das Wort Kommunikation nicht direkt erwähnt wird, scheint es sinnvoll, die Firmung als Zeichen des Glaubens, in dem Worte möglich in der Geheimnisdimension der göttlichen Selbstoffenbarung sind, aufzunehmen. Schwierig erscheint die Frage nach dem Passageritual bei Balthasar. Hier werden die Abwendung von menschlichen Maßstäben und die Aufforderung, in der eigenen Perspektive mehr zu sehen als nur Endlichkeit eingeordnet, weil dies deutlich macht, dass die christliche Initiation nicht auf Elemente des alltäglichen Lebens reduziert werden kann. In der Tabelle werden die Ergebnisse wiederum gesammelt und den Sachthemen zugeordnet.

Tabelle 5: Firmung bei Hans Urs von Balthasar und Sachthemen


Firmung ist in der Sichtweise Hans Urs von Balthasars…Sachthemen
- …Aufgabe, das persönliche Leben von Jesus Christus her zu gestalten im Kommen und Mitgehen- …Erfahrung des Beschenkenlassens von der göttlichen Fülle in der Christusnachfolge- …Überantwortung in das Wunder der Liebe Gottes- …mit Charismen verbunden, welche die jedem zugeteilte Funktion in der Glaubensgemeinschaft beschreiben (rezeptiv, aktiv, liebend und exzentrisch)- …Bereitschaft, am Selbstand der göttlichen Freiheit teilzunehmenGabe und Aufgabe
- …Aufgabe, Gottes Wahl für das eigene Leben zuzulassen- …Loslassen von persönlicher EgozentrikBiographie
- …Bereitschaft, den Alltag in seiner grundlegenden Beziehung zur Kirche und zu Jesus Christus zu verstehen- …Bereitschaft, den Alltag so zu gestalten, dass nicht mehr zwischen geistlichem und weltlichem Handeln unterschieden werden kannGlaubensleben
- …Besiegelung, in der die Einmaligkeit Gottes der Kirche mitgeteilt wirdGemeinschaft
- …Zugehörigkeit zu Jesus Christus als alleinigem konkreten Maß zwischen Gott und MenschGottesbild
- …Zeichen des Glaubens, in dem Worte möglich sind in der Geheimnisdimension der göttlichen SelbstenthüllungKommunikation
- …Abwendung von menschlichen Maßstäben- …in der eigenen Perspektive mehr zu sehen als nur EndlichkeitPassageritual
Keine AussagenAlter