Harry Harrison - Weltenbummler und Witzbold

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From the series: SF Personality #28
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Deathworld 2

(kürzere Fassung in zwei Teilen unter dem Titel »The Ethical Engineer« Juli und August 1963 in ANALOG; 1964 bei Bantam; unter dem Titel The Ethical Engineer 1964 bei Gollancz; dt. Die Sklavenwelt [auch in: Todeswelten])

Die Fortsetzung wurde 1963 in einer von der späteren Buchfassung abweichenden, kürzeren Fassung unter dem Titel The Ethical Engineer als Zweiteiler in ANALOG veröffentlicht. Der Roman war Harrisons Förderer gewidmet: »For John W. Campbell without whose aid this book – and a good percentage of modern science fiction – would never have been written.«

Jason, der sich an das Leben auf Pyrrus gewöhnt hat, bekommt eines Tages unerwarteten »Besuch« von dem ihm bisher unbekannten Mikah Samon, welcher vorgibt, eine wichtige Botschaft zu überbringen. Da diese Botschaft streng vertraulich ist, bittet er Jason, persönlich in sein Raumschiff zu kommen. Natürlich siegt Jasons Neugier über seinen Argwohn und er nimmt die Einladung an. Und ebenso natürlich handelt es sich um eine Falle! Mikah ist ein streng moralischer Gerechtigkeitsfanatiker, der Jason wegen seiner zahlreichen Betrügereien beim Glücksspiel vor Gericht stellen will. Er betäubt und entführt ihn also, um ihn nach Cassylia zurückzubringen. Nachdem Jason wieder zu sich gekommen ist, gelingt es ihm, das Raumschiff zu sabotieren. Mit Müh und Not schaffen es die beiden, die nun im sprichwörtlichen »gleichen Boot sitzen«, auf einem unbekannten Planeten notzulanden – der Sklavenwelt. Dort ist die Sklavenhaltung das oberste Lebensprinzip, wie sie schnell feststellen müssen. Die menschlichen Kolonisten, die dort leben, sind auf eine Kulturstufe zurückgesunken, die man am ehesten mit dem irdischen Frühmittelalter vergleichen könnte. Es gilt das Recht des Stärkeren, der sich mit Gewalt durchsetzen kann und alle anderen in seiner Umgebung zu seinen Sklaven macht. So gelangen Jason und Mikah kurz nach ihrer Landung in einer Wüste zu dem barbarischen Ch’aka, der sie auch prompt versklavt und dazu zwingt, unter seinem Kommando gemeinsam mit einigen anderen armen Tröpfen die Einöde nach einer Art Wurzel abzusuchen, die offenbar das einzige Nahrungsmittel darstellt. Unter den Sklaven befindet sich auch das Mädchen Ijale, das sich Jason anschließt. Da Jason vermutet, dass irgendwo möglicherweise eine höherentwickelte menschliche Zivilisation oder wenigstens ein Außenposten mit einem Raumhafen existiert, machen sich er, der ewig nörgelnde Mika und die Sklavin Ijale auf die Suche. Sie fallen verschiedenen Sklavenhaltern in die Hände, bis sie in die Stadt des »Hertugs« (was wohl von Herzog abgeleitet ist) gelangen. Diesem Gewaltherrscher, der freilich nur einen kleinen Teil der Stadt kontrolliert, bietet Jason schließlich seine Hilfe an.

Wie der Held in Mark Twains A Connecticut Yankee in King Arthur’s Court erfindet Jason allerlei nützliche Geräte, die man zur Energieerzeugung und zum Kampf gebrauchen kann. Kein Wunder, dass andere machthungrige Gruppierungen immer wieder versuchen, ihn zu entführen. Da er auch ein Funkgerät baut, das angeblich religiösen Zwecken dient, in Wirklichkeit aber kontinuierlich SOS funkt, besteht nun Hoffnung, dass ein Raumschiff sie rettet. Tatsächlich kommt nach allerlei Kämpfen und Abenteuern ausgerechnet Meta, um ihn zu retten. Trotz aller Rachegedanken nimmt Jason sogar den immer wieder zu Verrat und Sabotage bereiten Mikah mit, da er dessen – wenn auch fehlgeleitete – Moral bewundert. Auch für Ijale sorgt er, indem er sie unter Mikahs Aufsicht stellt, wobei er ihr allerdings eintrichtert, sie möge stets das Gegenteil von dem tun, was der ihr sagt.

Die Sklavenwelt hat durch Jasons Erfindungen einen großen Schritt in Richtung Zivilisation gemacht. Immerhin kann der Hertug nun sämtliche Kriege für sich entscheiden, was Hoffnung auf Einigung und eine Beendigung des Systems der Sklaverei macht.

Harrison hat mit Deathworld II ein zwiespältiges Werk vorgelegt, das seiner pazifistischen Grundhaltung eigentlich nicht entspricht. Krieg als Heilsbringer? Das passt ganz und gar nicht zu diesem Autor. Auch die Handlung an sich ist wenig originell, obwohl das Prinzip, dass die Helden von einer sehr begrenzten Sklavenhaltergesellschaft zu immer größeren gelangen, durchaus interessant ist.

Die Gespräche über Moral in einer absolut unmoralischen Welt, welche Jason und Mikah immer wieder führen, sind teilweise witzig, teilweise aber auch eher belanglos. Im Vergleich zum ersten Band der Trilogie fällt dieser Roman qualitativ ab.


Deathworld 3

(3 Teile; Februar bis April 1968 in ANALOG; unter dem Titel »The Horse Barbarians«; Buchausgabe 1968 bei Dell; dt. Die Barbarenwelt bzw. Barbarenwelt [auch in: Todeswelten])

Campbell druckt 1968 diesen Roman in drei Teilen unter dem Titel The Horse Barbarians in ANALOG ab.

Auch wenn der erste Band damit endete, dass die Bewohner von Pyrrus ihre Einstellung gegenüber ihrer Heimatwelt ändern wollen, um den ständigen, schließlich nicht zu gewinnenden Überlebenskampf zu beenden, zeigt sich, dass die meisten dazu nicht in der Lage sind. Jason, der seine neuen Gefährten – allen voran Meta – ins Herz geschlossen hat, beschließt daher, dass es an der Zeit für sie sei, Pyrrus zu verlassen und einen anderen Planeten zu besiedeln. Er kauft ein Raumschiff und sucht ausgerechnet Felicity aus, die Barbarenwelt, wie der deutsche Titel anschaulich beschreibt. Leider melden sich nur wenige seiner neuen Freunde freiwillig für die Eroberung dieses Planeten. Im Grunde folgt die Handlung des Romans zunächst den historischen Ereignissen der Eroberung Südamerikas durch die spanischen Konquistadoren im 16. Jahrhundert. Die Pyrraner, die zwar technologisch fortschrittlicher, dafür aber natürlich zahlenmäßig unterlegen sind, wollen die verschiedenen Barbarenstämme gegeneinander ausspielen und damit schließlich die Macht ergreifen. Was das Unternehmen erschwert, sind zwei Tatsachen: Zum einen sind die Barbaren extrem kampfwütig und folgen dem Prinzip, den Gegner bis zum Tode zu bekämpfen, wobei entweder dessen Tod oder auch der eigene die logische Folge ist. Zum anderen hat ein neuer Barbarenführer genau dieses Prinzip durchbrochen. Temuchin hat erkannt, dass nicht die Ausrottung, sondern die Unterwerfung des Feindes zu mehr Macht führt. Und so stehen Jason und Co. nicht wie geplant verschiedenen kleineren Stämmen gegenüber, die man gegeneinander ausspielen kann, sondern der geballten Macht von Temuchins Horde. Dies führt zu verschiedenen Kämpfen und Abenteuern, in deren Verlauf Jason gefangen genommen, von einer hohen Klippe gestürzt, gefoltert und auch sonst einige Male mit dem Tode konfrontiert wird. Allerdings ist dem Unternehmen förderlich, dass unterhalb der von Barbaren bevölkerten Hochebene eine kaum zugängliche Tiefebene existiert, auf der die Menschen eine zivilisiertere Kultur aufgebaut haben. Dort wird das Leben von Handel und Gesetzen geprägt. Die Pyrraner teilen sich deshalb in zwei Gruppen auf. Die erste unter Führung Jasons verfolgt den ursprünglichen Plan, die Barbaren zu besiegen, die zweite soll auf der Tiefebene einen neuen Stützpunkt aufbauen. Als Jason schließlich einsehen muss, dass sein ursprünglicher Plan angesichts der Überlegenheit Temuchins zum Scheitern verurteilt ist, befragt er die im Raumschiff mitgeführte »Bibliothek« (im Grunde ein Computer mit sehr großem Datenspeicher, der dem heutigen Wikipedia ähnelt), was es für Alternativen gibt. Er stellt fest, dass Wissen tatsächlich Macht ist, und ändert den Plan anhand des Beispiels der irdischen Goten, wobei Harry Harrison vermutlich die Germanen meinte. Diese führten bekanntlich einen ständigen Krieg gegen die kulturell höherstehenden Römer. Sie waren einerseits unfähig, die römischen Invasoren zu vertreiben, konnten von diesen aber niemals gänzlich bezwungen und »gezähmt« werden. Schließlich wurden die Römer von den Barbaren überrannt, wobei spätestens an dieser Stelle der Begriff Barbaren relativiert werden muss. Harrison verzichtet nämlich darauf, auf die Kulturen von Felicity näher einzugehen, und macht es sich damit ebenso einfach wie frühere Geschichtsschreiber, für die die Dinge allzu klar waren.

Jason erkennt also, dass die Germanen in Rom schließlich assimiliert und auf eine höhere, friedlichere und produktivere Kulturstufe gebracht wurden. Daher lässt er zu, dass Temuchin seinen Siegeszug auch auf die Tiefebene ausdehnen kann. Und in kürzester Zeit erkennen die neuen Machthaber, dass nicht das Schwert regiert, sondern Geld, Politik und Gesetzgebung. Damit haben die Pyrraner unter Jasons Führung ihr Ziel doch noch erreicht und können sich auf Felicity niederlassen. Ein Wermutstropfen ist allerdings der zwischenzeitliche Untergang der auf Pyrrus gebliebenen Menschen. Trotzdem endet der Roman und damit die Trilogie mit einem Happy End: Jason heiratet Meta und beschließt, seine Laufbahn als Spieler und Abenteurer endgültig aufzugeben und bei seinen Freunden auf Felicity zu bleiben.

Auch wenn Deathworld III wie seine Vorgänger ein etwas schlichter SF-Abenteuerroman ist, bietet er immerhin einige – wenn auch nicht sehr weit entwickelte – Gedanken zu der Frage, wie eigentlich Geschichte gemacht wird.

1973 erschien in Astounding: John W. Campbell Memorial Anthology mit der Story »The Mothballed Spaceship« ein weiteres Abenteuer mit Jason dinAlt. Darin geht es um den Versuch, ein lange verschollenes Kampfraumschiff zu reaktivieren, was an dessen unwilliger KI zu scheitern droht. Außerdem erfuhr die Deathworld-Trilogie in Russland eine derartige Beliebtheit bei den Lesern, dass zwischen 1998 und 2001 vier Romanfortsetzungen in russischer Sprache publiziert wurden. Autoren waren Ant Skalandis und Mikhail Achmanov. Ob Harrison selbst daran beteiligt war, darf bezweifelt werden – auch wenn er als Co-Autor angegeben wurde.

 

Die DEATHWORLD-Trilogie hatte insgesamt sehr großen Erfolg bei der Leserschaft und erlebte zahlreiche Neuauflagen. Der erste Band wurde sogar als Comicreihe adaptiert.

Harrison legte mit der Figur des Jason dinAlt seinen eigenen Typus von Helden an. Jason ist schlau und gewitzt, manchmal sehr egoistisch und gleichzeitig immer wieder auch äußerst sozial. Er ist rücksichtslos, hart im Nehmen und im Austeilen, charmant und irgendwie auch immer eine Art Außenseiter. Also genau das, was man einen vielschichtigen Helden nennt. In Harrisons späteren Serienhelden Bill und vor allem der »Stahlratte« Jim diGriz ist stets eine gute Portion von Jason dinAlt, ihrem Vorgänger, zu finden.

Ob es sich um echte Klassiker der SF handelt, ist allerdings sicher diskussionswürdig. Die Bücher haben allesamt ihre Stärken und Schwächen. Immerhin kann man Deathworld I bescheinigen, schon ein paar Jahre vor Frank Herberts Dune und Ursula K. Le Guins The Word for World Is Forest das Thema Ökologie in die SF eingebracht zu haben. Kritiker und SF-Historiker bewerten die Romane um Jason dinAlt meist recht zwiespältig.

So ist in Reclams Science Fiction Führer zu lesen: »Die drei Bücher sind bunte Abenteuerschmöker mit absteigender Frische vom ersten bis zum dritten Roman. Ihr Reiz liegt in der Unbekümmertheit, mit der Harrison aus allerlei Versatzstücken der SF und der Abenteuerliteratur die Handlung zusammenzimmert und seinen in allen Sätteln gerechten Helden agieren läßt. Logik und Glaubwürdigkeit sind wenig gefragt. Die Bücher (…) sind bei entsprechend herabgeschraubten Ansprüchen zum Teil ganz amüsant und waren (…) bei den Lesern außerordentlich beliebt.« (Seite 192)

Und John Clute bezeichnete in Science Fiction: The Illustrated Encyclopedia die DEATHWORLD-Trilogie als »sehr aggressive Abenteuerromane« (Seite 157).

Auf jeden Fall kann man Harrison bescheinigen, mit diesen Romanen einige Aspekte in die Abenteuer-SF eingebracht zu haben, die über reine Unterhaltung hinausgehen. So finden sich Gedanken zu Ökologie, Moral, Gesellschaft und Geschichte, die besonders zur Zeit ihrer Erstpublikation gerade jungen Lesern nicht nur den bekannten Sense of Wonder verschafften, sondern sie auch ein wenig zum Nachdenken anregten.

5.2 – Die Brion-Brandd-Romane

Planet of the Damned

(3 Teile; September bis November 1961 in ANALOG unter dem Titel »Sense of Obligation«; Buchausgabe bei Bantam; dt. Retter einer Welt bzw. Planet der Verdammten [in Der Planeten-Retter])

Planet of the Damned erschien 1961 zuerst in kürzerer Form unter dem Titel Sense of Obligation als dreiteiliges Serial in ANALOG. Wie auch die Fortsetzung Planet of No Return, die etwa 20 Jahre später erschien, zählt dieser Roman zu den typischen Abenteuern um einen markanten Helden, den man in ähnlicher Form auch in einigen anderen Werken Harrisons findet.

In ferner Zukunft ist das Sternenreich der Menschen zerfallen, viele Welten sind auf sich allein gestellt und ihre Bewohner haben sich an ihre jeweilige Umwelt adaptiert. Die Erde gilt auf vielen Planeten nur als Legende.

Die mächtige »Gesellschaft für kulturelle Beziehungen«, kurz GKB, arbeitet im Hintergrund daran, die Menschen auf »Problemwelten« vor der Vernichtung zu retten und stabile, zivilisierte Gesellschaften zu etablieren. Sie mischt sich also diskret auf Welten ein, deren Bewohner sich aus eigener Kraft nicht aus global bedrohlichen Gefahren retten können.


Der Held von Planet of the Damned, wie auch der der Fortsetzung, ist Brion Brandd (dem in der deutschen Übersetzung das zweite d in seinem Nachnamen abhandengekommen ist), der auf dem Planeten Anvhar einen Wettkampf der Besten gewinnt, welcher aus allen möglichen Disziplinen von Schach über Poesie bis hin zum brutalen Zweikampf mit mittelalterlichen Waffen besteht. Dieser Wettkampf – im Original »Twenties« genannt – wurde erschaffen, um die Bewohner vor ihrer eigenen Aggression zu schützen, die durch die extremen Klimabedingungen auf Anvhar hervorgerufen wurde. Nachdem Brion, der zudem über die seltene Gabe ausgeprägter Empathie verfügt, es zum Champion geschafft hat, bekommt er Besuch von Ihjel, der sich als Agent der GKB zu erkennen gibt. Er überzeugt Brion davon, dass es nicht sein Daseinsziel sein kann, sich auf seinen Lorbeeren als Sieger auf Anvhar auszuruhen. Vielmehr braucht die GKB ihn dringend als Agenten, um auf dem Wüstenplaneten Dis einzugreifen, der kurz vor der Vernichtung steht. Die dortige geheimnisvolle Herrscherklasse der Magter droht damit, Kobaltbomben auf die Nachbarwelt Nyjord zu werfen, die von einem eigentlich pazifistischen Volk bewohnt wird. Die Magter haben ein für die Nyjorder unannehmbares Ultimatum gestellt und fordern deren totale Unterwerfung. Diese drohen nun trotz ihrer friedfertigen Einstellung mit einem atomaren Präventivschlag, den sie mittels ihrer fortschrittlicheren Technologie auch mit Leichtigkeit durchführen könnten. Brion reist gemeinsam mit Ihjel und der terranischen Wissenschaftlerin Lea auf den Planeten Dis. Dort angekommen stellen sie eine extrem ausgeprägte Fremdenfeindlichkeit der Bewohner fest. Sie werden sofort nach ihrer Landung angegriffen, wobei Ihjel den Tod findet. Brion und Lea, die sich im Laufe der Handlung ineinander verlieben, versuchen den Grund für die selbstmörderische Aggression der Disaner und besonders der Magter herauszufinden. Sie stellen fest, dass auf Dis die meisten Lebensformen Symbiosen eingegangen sind, um die extremen Umweltverhältnisse meistern zu können. Die Magter sind von einem Parasiten befallen, der sie zu gefühllosen Kreaturen macht, die weder Mitleid noch Nächstenliebe kennen. Natürlich findet Brion nicht nur ein Gegenmittel gegen die Parasiten, sondern kann schließlich auch die Kobaltbomben finden und unschädlich machen.

P. Schuyler Miller schrieb in einer Rezension in ANALOG im Juli 1962 zu Planet of the Damned:

»Gewalt folgt auf Gewalt in einem blutigen und schneidigen Garn, wie wir es seit langer Zeit nicht mehr hatten, und gleichzeitig ist die Darstellung der außergewöhnlichen Symbiose, die die Disaner mit einheimischen Lebensformen entwickelt haben, eine runde Sache.«


Planet of No Return

(1981 bei Simon & Schuster; dt. Planet ohne Wiederkehr [in Der Planeten-Retter])

Der zweite Roman um Brions und Leas Abenteuer als Agenten der GKB knüpft, obwohl zwanzig Jahre später erschienen, nahtlos an die Ereignisse des ersten an. In Planet of No Return werden die beiden, die sich eigentlich gerade erholen wollen, auf den Planeten Selm II geschickt. Auf der urzeitlichen Welt, auf der vorher schon andere Agenten verschollen sind, gehen seltsame Dinge vor sich. Die menschlichen Bewohner sind auf eine steinzeitliche Kulturstufe gesunken. Sie verfügen über archaische Sitten, sind nur einer sehr simplen Sprache mächtig und leben in ständiger Furcht. Auf Selm II findet nämlich eine Art ewiger Krieg statt, der mittels moderner Waffen wie Kampfjets und Panzer geführt wird. Die Steinzeitmenschen werden gnadenlos getötet, wenn sie zwischen die Fronten geraten. Wie sich herausstellt, handelt es sich um eine Art automatisierten Krieg, der ohne menschliche Kombattanten geführt wird. Sämtliche Panzer und Flugzeuge sind unbemannt und folgen festen Schemata. Brion und Lea erfahren von den Primitiven, denen sie sich nach einigen Konflikten angeschlossen haben, von verschiedenen Tabus, die mit dem Krieg zu tun haben und zum Zwecke des Überlebens geschaffen wurden. So ist es beispielsweise streng verboten, Metall auch nur zu berühren, da dies zur Ortung und Vernichtung durch die Kampfmaschinen führen würde. Brion, der sich mit Lea auf den verbotenen Weg zu einem tabubehafteten Ort macht, wird unvermittelt von modernen menschlichen Soldaten gefangen genommen. Sie verschleppen ihn mittels eines Transmitters auf den Planeten Arao. Dort herrscht ein unerbittlicher Krieg zwischen zwei verschiedenen Zivilisationen, die sich vor langer Zeit angesiedelt haben, um den Konflikten zu entgehen, die beim Zerfall des Sternenreiches ausgebrochen sind. Paradoxerweise hatten sie nichts anderes zu tun, als sofort den Kampf gegeneinander aufzunehmen. So sind zwei Gesellschaften entstanden, in denen alles Militärische höchste Priorität genießt. Um der drohenden gegenseitigen Zerstörung zu entgehen, hat man sich jedoch schon vor Langem darauf geeinigt, den Krieg nur mit Automaten zu führen, die mit Transmittern auf Selm II geschickt wurden. Immerhin kann Brion die Militärs davon überzeugen, dass sie sich von dort zurückziehen, um die unschuldigen Primitiven zu verschonen und ihnen einen Neuanfang zu ermöglichen. Allerdings halten die bornierten militärischen Betonköpfe am Krieg als höchstes Lebensziel fest und wollen ihn nun auf eine andere Welt verlegen. Brion wird abgeschoben, ohne dass er das mörderische Gesellschaftssystem ändern konnte. Auch in Zukunft scheint es mit dem ewigen Krieg weitergehen zu können, da Arao eine Welt mit unbekannten Koordinaten ist, sodass eine Einmischung durch die GKB unmöglich erscheint. Doch in letzter Minute, bevor er durch einen Transmitter zurück auf Selm II und zu der wartenden Lea geschickt wird, erkennt er, dass der Keim des Widerstandes auf Arao bereits gelegt ist.

Sowohl Planet of the Damned als auch Planet of No Return sind für die abenteuerliche Facette in Harrisons Werk typische Romane. Ein übermächtiger, manchmal etwas naiver, gleichzeitig aber zu einiger Differenzierung fähiger Held muss (fast) im Alleingang ganze Planeten retten. Lea, seine Gefährtin, dient weitgehend als Staffage, bekommt allerdings auch Gelegenheit des Helden Machotum in deutlichen Worten anzuprangern. Allerlei Kämpfe, Abenteuer, Rätsel und mehr oder weniger schillernde Ideen machen die beiden relativ kurzen Romane zu einer spannenden und kurzweiligen Lektüre. Im zweiten Band nutzt Harrison die Gelegenheit, um die ihm verhassten Militärs als mörderische und bornierte Ewiggestrige darzustellen.

5.3 – Die Stahlratte-Serie

Die Stahlratte-Serie um Slippery Jim DiGriz – oder James Bolivar DiGriz, wie er mit vollem Namen heißt – ist vermutlich die berühmteste und am weitesten verbreitete Schöpfung von Harry Harrison. Die Stainless Steel Rat ist in Frankreich als Le Rat en Acier Inox oder Ratinox bekannt, in Italien als Il Titano d’Acciaio, aber auch in den Niederlanden, in Portugal und vor allem in Russland ist die Serie sehr beliebt. In Deutschland erschienen unterschiedliche Ausgaben der Serie, zuletzt wurden im Jahr 2014 zehn Bände vom Heyne Verlag als E-Book veröffentlicht.

Die erste Erzählung erschien 1957 in ASTOUNDING unter dem Titel »The Stainless Steel Rat« und bildete später den Anfang des gleichnamigen Romans. Eine zweite Erzählung, »The Misplaced Battleship« (April 1960 in ASTOUNDING), wurde zu Kapitel 4 bis 7 des ersten Romans. Harrison erzählte später, dass er seine Hauptfigur so interessant fand, dass er unbedingt weiterschreiben musste.

Im Interview mit Paul Tomlinson nannte Harrison als Inspirationsquelle für Stahlratte Rupert von Hentzau, den Bösewicht aus Anthony Hopes (auch vielfach verfilmtem) Roman The Prisoner of Zenda (1894; dt. Der Gefangene von Zenda), der 1898 unter dem Titel Rupert von Hentzau fortgesetzt wurde. Harrison übernahm die Idee des verwegenen Antihelden, machte ihn aber zu einem Dieb, der die Aufgabe bekommt, einen anderen Dieb zu fangen. Schließlich zwingt man Stahlratte in ein Sonderkorps und macht ihn gegen seinen Willen zum Agenten, was dazu führt, dass er keinerlei Respekt vor Autoritätspersonen hat. Und genau das macht die Figur bei den Lesern so beliebt: Stahlratte ist ein Rebell, ein hochintelligenter Außenseiter mit Sinn für Humor und einem James-Bond-ähnlichen unerschöpflichen Vorrat an Hightech-Gerätschaften, der zwar auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, aber auch an Gerechtigkeit glaubt und gegen korrupte Regime kämpft. Gut und Böse verschwimmen in den Stahlratte-Geschichten: Es gibt sowohl gute Diebe als auch bösartige und korrupte Gesetzeshüter.

Die Serie umfasst elf Bücher sowie einige Erzählungen und erschien über einen Zeitraum von fünfzig Jahren (1961 bis 2010). Hier die Titel der Romane in der chronologischen Reihenfolge der Handlung:

 

A Stainless Steel Rat is Born (1985)

The Stainless Steel Rat Gets Drafted (1987)

The Stainless Steel Rat Sings the Blues (1994)

The Stainless Steel Rat (1961)

The Stainless Steel Rat’s Revenge (1970)

The Stainless Steel Rat Saves the World (1972)

The Stainless Steel Rat Wants You (1978)

The Stainless Steel Rat for President (1982)

The Stainless Steel Rat Goes to Hell (1996)

The Stainless Steel Rat Joins the Circus (1999)

The Stainless Steel Rat Returns (2010)

Die bildhaften, abenteuerlichen Geschichten der Stahlratte sind prädestiniert für Adaptionen in anderen Medien. Und so erschienen tatsächlich drei der Stahlratte-Romane (The Stainless Steel Rat, The Stainless Steel Rat Saves the World und The Stainless Steel Rat for President) im britischen Comic-Magazin 2000 AD in Fortsetzungen, getextet von Kelvin Gosnell und gezeichnet von Carlos Ezquerra, der auch die Comics über Judge Dredd zeichnete. Jede der drei Geschichten umfasste zwölf Teile. The Stainless Steel Rat (Ausgabe 140 bis 151) lief von November 1979 bis Februar 1980, The Stainless Steel Rat Saves the World (Ausgabe 166 bis 177) von Juli 1980 bis September 1980 und The Stainless Steel Rat for President (Ausgabe 393 bis 404) von November 1984 bis Februar 1985.

Außerdem wurden Mitte der Achtzigerjahre die Filmrechte für den ersten Roman verkauft. Bei einem Interview mit Paul Tomlinson in Brighton am 13. August 1999 erzählte Harrison, dass er den Produzenten Bill McCutchen Anfang 1999 getroffen und von diesem erfahren habe, dass ein berühmter Regisseur die Arbeit übernehmen solle. Das Budget für den Film solle sechzig bis siebzig Millionen Dollar betragen. Die Zeitschrift VARIETY meldete später sogar, dass das Drehbuch bereits von Eric Blakeney geschrieben sei und dass Jan De Bont die Regie übernehmen solle. Leider wurde der Film bis heute nicht produziert.