Harry Harrison - Weltenbummler und Witzbold

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From the series: SF Personality #28
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4.2 – Erste Erfolge

Natürlich hatte Harrison den Ehrgeiz, gute Science Fiction zu schreiben, andererseits musste er auch eine Menge Texte produzieren, um seine Rechnungen zu bezahlen. Dabei versuchte er, wie alle anderen SF-Autoren der damaligen Zeit, seine Geschichten »von oben nach unten« zu verkaufen. Das bedeutet, er bot seine Erzählungen zunächst den Marktführern an, und wenn diese ablehnten, dem nächstniedrigeren Magazin in der Rangfolge der Honorarhöhe. GALAXY und ASTOUNDING/ANALOG zahlten am besten, weiter unten in der Rangfolge kamen FANTASTIC UNIVERSE und SCIENCE FICTION ADVENTURES. Man kann oftmals, jedoch nicht immer, die Qualität einer Geschichte bereits am Medium erkennen, in dem sie abgedruckt wurde. Die Herausgeber von GALAXY und ASTOUNDING/ANALOG konnten es sich aufgrund des besseren Honorars leisten, wählerisch zu sein.


»The Velvet Glove«

(November 1956 in FANTASTIC UNIVERSE; auch in War with the Robots und 50 in 50 sowie diversen Anthologien; dt. »Roboter-Strategie«)

Dies ist die früheste Erzählung Harrisons, die ins Deutsche übersetzt wurde.

Ein unterirdischer Krieg tobt schon seit Jahren. Der junge General Pere hat Schwierigkeiten, sich den Weg zum Hauptquartier zu bahnen, weil der Tunnel mit Geröll versperrt ist. So muss er seinen Roboteradjutanten vorausschicken, um die Hindernisse zu beseitigen. Endlich im HQ angekommen, zeigt sich ihm ein Bild des Grauens: Ein Großteil der Männer wurde durch eine Strahlung, die von feindlichen Grabungsrobotern ausgesandt wurde, regelrecht gegrillt. Nun ist er der neue Befehlshaber, doch die nächste Gefahr droht schon, denn durch einen neuerlichen Angriff von Thermalkriechern steigt die Temperatur im HQ. Die Roboter empfehlen, dass alle Menschen sich entfernen sollten, wenn sie überleben wollen. Schließlich bleibt Pere keine andere Wahl, als mit seinen Männern zur Oberfläche aufzubrechen, die von sämtlichen Kampfhandlungen verschont geblieben ist. Dort trifft er auf einen feindlichen General, der ebenfalls aus seinem Hauptquartier fliehen musste. Beide Männer stellen fest, dass sie Opfer ihrer eigenen Kampfroboter geworden sind, die den Krieg viel effektiver ohne Menschen führen können. Und so schließen die Männer Frieden und führen ein friedliches Leben auf der Oberfläche.

Diese respektable Pointengeschichte zeigt schon früh das eigentliche Erzähltalent Harrisons.

»The Stainless Steel Rat«

(August 1957 in ASTOUNDING; auch 1979 in Tom Boardman [Hrsg.]: Science Fiction Stories, Octopus)

Bei dieser Erzählung handelt es sich um das Anfangskapitel des 1961 erschienenen, gleichnamigen Romans, das vorab in ASTOUNDING gedruckt wurde. Für mehr Informationen lesen Sie bitte das Kapitel 5.4.


»Welcoming Committee«

(Oktober 1957 in FANTASTIC UNIVERSE; auch in 50 in 50; nicht auf Deutsch)

Captain Moran leitet eine Rettungsmission, um herauszufinden, was mit den beiden Schiffen Argus und Argus II geschehen ist. Moran landet auf dem Planeten, auf dem die ersten Schiffe verschollen sind, und die Männer werden von einer Schar schöner, grünhäutiger Frauen empfangen. Doch die Gefahr lauert in Form großer Spinnen auf die Männer.

Die Geschichte besteht ausschließlich aus Klischees, ohne dass sie eine ironische Brechung aufweist. Man merkt der Erzählung zwar an, dass die locker-leichten Pointenstorys von Robert Sheckley Pate standen, doch Harrison konnte mit »Welcoming Commitee« längst nicht Sheckleys Qualitäten erreichen.


»Captain Bedlam«

(Dezember 1957 in SCIENCE FICTION ADVENTURES; auch März 1958 in NEW WORLDS #69; Two Tales and Eight Tomorrows und 50 in 50; dt. »Der dritte Jon«)

Erzählt wird die Geschichte von Captain Jonathan Bork, der schon als Kind den Wunsch hegte, Raumschiffpilot zu werden. Und tatsächlich gehört er später zu den wenigen Auserwählten, die für diesen Beruf ausgebildet werden. Das Problem besteht darin, dass jeder, der mit einem Schiff startet, entweder bewusstlos oder zumindest in einen Zustand versetzt wird, in dem er vollkommen die Orientierung verliert. Deshalb verlor man am Beginn der Raumfahrt sehr viele Schiffe, bis Dr. Moshe Kahn den Homo Nova erschuf. Dabei handelt es sich nicht tatsächlich um einen neuen Menschen, sondern um eine neue Persönlichkeitsstruktur. Bei den Piloten wird eine künstliche Schizophrenie hervorgerufen und die zweite Persönlichkeit wird so trainiert, dass sie nur eine einzige Aufgabe erfüllt, nämlich ein Schiff zu steuern. Jon I kann daher niemandem von den Raumflügen erzählen, die er schon absolviert hat, weil er sie nicht selbst erlebte. Jon II wiederum, der nur in der Kontrollkabine des Schiffes existiert, weiß nichts über das restliche Leben von Jon I.

Eines Tages bekommt Jon Bork den Auftrag, ein Team von Wissenschaftlern zu einem Jupitermond zu bringen. Doch unterwegs wird das Schiff von einem Meteoriten getroffen und gerät in Havarie. Da kommt eine dritte Persönlichkeit zu Tage, die nur die eine Aufgabe hat, das Überleben zu sichern, ohne jegliche Rücksicht auf eigene körperliche Beeinträchtigungen. Jon III muss sich selbst einige Finger und den Oberschenkel brechen, um zu überleben und somit auch das Schiff und dessen Passagiere zu retten. Jon I und Jon II wussten nicht, dass es einen Jon III gibt, eine Art Sicherheitsschaltung, die Situationen bewältigen soll, zu denen die anderen beiden nicht fähig sind.

Leider verrät der deutsche Titel der Geschichte »Der dritte Jon« schon allzu früh die Pointe, weshalb zumindest die deutschen Leser schon von vornherein auf das Auftauchen der dritten Persönlichkeit warten. Aber diesen Fehler kann man nicht dem Autor anlasten, da der ursprüngliche Titel nur »Captain Bedlam« lautete. Ansonsten ist die Grundidee der Geschichte durchaus originell und gut erzählt.


»Open All Doors«

(zusammen mit Hubert Pritchard; Februar 1958 in FANTASTIC UNIVERSE; nicht auf Deutsch)

Hier handelt es sich um eine der wenigen Geschichten, die nur einmal in einem Magazin erschienen sind und nie irgendwo nachgedruckt wurden. Es geht dabei um den Psychiater Cole Everard, der auf dem besten Weg ist, ein Heilmittel für die Schizophrenie zu erfinden. Der Direktor des Krankenhauses, in dem Everard tätig ist, hat Zweifel an dessen Methoden und versucht mit allen Mitteln, Everard an seiner Arbeit zu hindern. Der Rest der Geschichte ist »leere Handlung«, das heißt, es passiert eine Menge, damit die Seiten des Magazins gefüllt werden. Am Ende schließlich werden alle Schizophrenen des Krankenhauses geheilt und Dr. Everard rehabilitiert.


»The Repairman«

(Februar 1958 in GALAXY sowie in War with the Robots, Stainless Steel Visions und 50 in 50; dt. »Funkfeuer« bzw. »Der Reparateur«)

Alle paar Lichtjahre gibt es auf einem bewohnten oder auch unbewohnten Planeten interstellare Funkfeuer, von denen Piloten für einen Hyperraumsprung mindestens vier zur Orientierung benötigen. Als das Centauri-Funkfeuer ausfällt, erhält der Erzähler den Reparaturauftrag und macht sich auf den Weg. Es handelt sich offenbar um eines der ältesten Funkfeuer der Menschheit, schon über 2000 Jahre alt – kein Wunder, denn es befindet sich sehr nahe bei der Erde. Auf dem Planeten angekommen, muss der Erzähler feststellen, dass sich dort eine halbwegs intelligente Echsenspezies entwickelt hat, die das Funkfeuer offenbar als Heiligtum verehrt und eine steinerne Pyramide darauf errichtet hat. Innerhalb kürzester Zeit entschlüsselt der Erzähler mittels eines Übersetzungscomputers die Sprache der Echsen, verkleidet sich schließlich selbst als Echse und gibt sich als himmlischer Abgesandter der Vorfahren aus. Trotz einiger Widerstände gelingt die Reparatur, und der Erzähler trifft Vorkehrungen, damit die Echsen in Zukunft das Funkfeuer nicht mehr beeinträchtigen können.

Die Leichtigkeit des Stils in dieser Geschichte erinnert stark an Robert Sheckleys Erzählungen, was nicht verwundert, da diese ebenfalls überwiegend in GALAXY erschienen. Leider bleibt aber Harrisons Geschichte nahezu ohne Pointe, wodurch der Schluss enttäuscht.


»The Robot Who Wanted to Know«

(als Felix Boyd; März 1958 in FANTASTIC UNIVERSE; auch in War with the Robots, Galactic Dreams und 50 in 50; dt. »Demaskierung«)

Die Ordner-Roboter sind etwas klüger als die gewöhnlichen, weshalb sie meist für anspruchsvollere Aufgaben eingesetzt werden, zum Beispiel als Bibliothekare. Ordner 13B-445-K hat ein starkes Interesse daran entwickelt, das Liebesleben der Menschen zu erforschen, und beobachtet die Frauen, die seine Bibliothek besuchen. Eines Tages beschließt er, einen Maskenball zu besuchen, und kleidet sich entsprechend. Als sich die schöne Carol Ann van Damm in ihn verliebt, kommt es um Mitternacht zum Eklat, als er seine Maske abnehmen muss. Carol Ann verjagt ihn, als sie erkennt, dass er ein Roboter ist. Auf dem Rückweg verunglückt 13B-445-K und stirbt. Ein Techniker stellt später fest, dass in seinem Antrieb ein Zylinder zerbrochen ist, und sagt, dass der Roboter sozusagen an gebrochenem Herzen gestorben ist.

 

Harrison geht allerdings nicht darauf ein, warum sich ein geschlechtsloser Roboter ausgerechnet nur für Frauen interessiert, wenn er doch das Liebesleben der Menschen erforschen will. Aber vielleicht sollte man über eine solch kitschige, kurze Erzählung, die für ein drittklassiges Pulpmagazin entstanden ist, nicht allzu lange nachdenken.


»Simulated Trainer«

(Juni 1958 in FANTASTIC UNIVERSE; unter dem Titel »Trainee for Mars«; auch in War with the Robots, Galactic Dreams und 50 in 50; dt. »Trainingsflug«)

Mehrere Zweierteams trainieren unter simulierten Bedingungen für den ersten bemannten Flug zum Mars. Doch immer wieder geschieht Unvorhergesehenes: Ein Astronaut verunglückt oder dreht durch oder die Technik versagt. Bis zur endgültigen Fertigstellung des Raumschiffs braucht man aber eine funktionierende Mannschaft. Schließlich hat man das beste Team ermittelt und es findet die letzte Generalprobe statt. Diesmal müssen zwei Astronauten 28 Tage überstehen, ohne dass die Techniker von außen eingreifen werden, wenn eine Havarie passiert. Als nach fast zwei Wochen einer der beiden Astronauten außerhalb des Schiffs auf ein seltsames Tier trifft, es tötet und aufschneidet, stellt sich heraus, dass es sich nicht um eine Robotersimulation der Techniker handelt, sondern dass es wirklich ein lebendiges Wesen war. Erst jetzt erkennt der Astronaut die Wahrheit: Es handelt sich gar nicht um eine Simulation, sondern um den ersten realen Flug von Menschen zum Mars.

Idee und Pointe dieser Erzählung sind großartig. Sogar so großartig, dass Jahrzehnte später ein anderer Autor mit einer anderen Variante der Grundidee einen Bestseller landete. Gemeint ist Orson Scott Card mit seinem Roman Enders Game (1985; dt. Das große Spiel).


»The World Otalmi Made«

(Juni 1958 in SCIENCE FICTION ADVENTURES; auch in Great Science Fiction Adventures, Hrsg. Larry T. Shaw bei Lancer Books, 1963; nicht auf Deutsch)

Auch diese Erzählung wurde nie in einem Erzählungsband des Autors nachgedruckt. Harrison merkte später an, dass alle Figuren in der Geschichte Namen tragen, die Esperanto-Wörtern entlehnt sind.

Die Handlung spielt auf einem Planeten namens Hideout, der nicht umsonst diesen Namen trägt. Er ist ein Sammelbecken für allerlei Verbrecher und Mörder, die hier nicht vom Gesetz verfolgt werden. Im Gegenteil, ein Mann namens Otalmi organisiert das Verbrechen sogar auf perfide Weise. Der Agent Brek Han-Hesit kommt nach Hideout, um ihm das Handwerk zu legen.

Die Geschichte ist so uninteressant und trotz vieler hektischer Handlungen auf bestürzende Weise langweilig, dass Harrison gut daran getan hat, sie später nie in einen seiner Erzählungsbände aufzunehmen. Sie hätte seinem Ruf als guter Unterhaltungsautor schaden können.


»Arm of the Law«

(August 1958 in FANTASTIC UNIVERSE; auch in War with the Robots und 50 in 50; dt. »Polizeirevier Mars«)

Im Polizeirevier in der verschlafenen Mars-Kleinstadt Nineport ist nicht viel los. Die Polizisten müssen sich nur um ein paar Betrunkene kümmern, weil die Geschäftsleute lieber Schutzgeld an China-Joe und seine Leute zahlen, als sich auf die Polizei zu verlassen.

Eines Tages kommt eine Kiste mit einem Polizei-Test-Roboter im Revier an. Man tauft den Roboter Ned und lässt ihn zunächst die Büroräume putzen und das Archiv sortieren. Natürlich hält es niemand für nötig, einen Blick in das viel zu dicke Handbuch zu werfen. Als eines Tages ein Überfall gemeldet wird, was normalerweise nie vorkommt, weil sich China-Joe um solche Vorkommnisse kümmert, rückt Ned aus, um die Verbrecher zu verhaften. Es kommt danach zur Auseinandersetzung mit den ortsansässigen Kriminellen, die schließlich alle von Ned verhaftet werden, bis die ganze Stadt am Ende frei von Kriminalität ist.

Die Geschichte mutet wie eine Mischung aus Krimi und Western an und ist sehr unterhaltsam erzählt. Der Roboter bezieht sich in seinen Handlungen immer wieder auf die vor einiger Zeit geschaffenen Robotergesetze, die der SF-Leser natürlich aus den Erzählungen von Isaac Asimov kennt, allerdings ohne dabei in einen logischen Widerspruch zu geraten. Wo Asimov seine Roboter in ein moralisches oder logisches Dilemma verwickelt, erzählt Harrison nur eine simple Unterhaltungsgeschichte.


»The Robots Strike«

(Januar 1959 in FANTASTIC UNIVERSE; nicht auf Deutsch)

Dies ist die einzige Robotergeschichte aus FANTASTIC UNIVERSE, die nicht im Erzählungsband War with the Robots und auch sonst nie irgendwo nachgedruckt wurde.

Erzählt wird von einem Aufstand, bei dem die Roboter Gleichberechtigung mit den Menschen forderten. Erzähler ist ein alter Roboter, der Ausbilder an der Equalized Robot School ist. Weil es den Robotern eigentlich gesetzlich verboten ist, sich in Gruppen zu versammeln, haben sie Zuflucht unter der Erde gesucht und treffen sich in einem Höhlensystem, das eine für Menschen nicht atembare Atmosphäre hat. Der alte Roboter erzählt, wie damals vor nicht näher benannter Zeit die Roboter gestreikt haben und durch eine nicht vorhersehbare Fügung ihre Forderungen durchsetzen konnten. Als sie einen zweiten Generalstreik androhten, nahm der »Robot Equality Act« Gestalt an und eine neue Ära wurde eingeleitet.

Harrisons Thematisierung der Rassendiskriminierung ist leider nicht besonders überzeugend ausgeführt. Dazu hat er später durchaus interessantere Beiträge geleistet, zum Beispiel in der Erzählung »Mute Milton« (1966).


»I See You«

(Mai 1959 in NEW WORLDS; unter dem Titel »Robot Justice« Juli 1959 in FANTASTIC UNIVERSE; auch in War with the Robots und 50 in 50; dt. »Der metallene Richter«)

Carl Tritt kam auf die dumme Idee, die Lohntüten der Firma, in der er angestellt war, zu stehlen. Natürlich wurde er erwischt und verurteilt, und zwar zu zwanzig Jahren. Die muss er nicht etwa im Zuchthaus verbringen, sondern in der heruntergekommenen Vorstadt, wo er auf alle Annehmlichkeiten des Lebens verzichten muss. Er darf keine Verkehrsmittel benutzen, kann noch nicht einmal in der Bibliothek Bücher zum Zeitvertreib ausleihen und muss bei der Müllabfuhr sinnlose Arbeiten verrichten. Zudem wird er überall von Kameras und Roboteraugen beobachtet und die geringste Verfehlung führt zu einer automatischen Verlängerung seiner Strafe. Als er eines Tages bei einem Unfall einen Mann rettet, wird seine Strafe als Belohnung um drei Jahre verringert, was Carl Tritt Hoffnung schöpfen lässt. Doch dann wird alles schlimmer, bis er eines Tages ausrastet, einen Beamten angreift und Kameraaugen und Roboter zerstört. Als seine Strafe deshalb auf zweihundertzwölf Jahre angewachsen ist, soll seinem Leben ein Ende bereitet werden. Schließlich wird Tritt sogar dem automatischen Richter gegenüber gewalttätig und zerstört ihn, bis er am Ende der Geschichte feststellen muss, dass tatsächlich ein Mensch hinter dem unmenschlichen scheinbar automatischen Repressionssysten steckt …

Diese dystopische und zum Teil sogar hoffnungslose Geschichte erinnert an Orwells 1984, an einigen Stellen auch an Bradburys Erzählung »Geh nicht zu Fuß durch stille Straßen«, wobei Harrisons Protagonist sein eigenes Schicksal viel erfolgreicher in die eigene Hand nimmt und sich zur Wehr setzt. Dadurch ist die Geschichte vielleicht nicht realistischer als die genannten Werke, hat jedoch einen optimistischeren Schluss in ihrer überraschenden Pointe.

5. – Die Sechzigerjahre

5.1 – Todeswelten

Deathworld

(3 Teile; Januar bis März 1960 in ANALOG; Buchausgabe 1960 bei Bantam; dt. Planet des falschen Zaubers [gekürzt] bzw. Die Todeswelt [auch in: Todeswelten])

Harrison begann mit der Arbeit an seinem ersten Roman im Jahre 1956 in Mexiko. John W. Campbell, der einflussreiche Herausgeber von ANALOG, unterstützte den Autor während des Schreibens immer wieder mit Ratschlägen. Dies entsprach Campbells Vorgehensweise gerade bei jungen und eher unerfahrenen Autoren, da er somit die technische, naturwissenschaftliche Ausprägung des Magazins besser kontrollieren konnte. Sicher war dies aber auch für Harrison von Vorteil, hatte er bisher doch lediglich einige kürzere Storys verfasst und wenig Routine, was längere Texte betraf. Der Roman erschien Anfang 1960 als dreiteilige Fortsetzungsserie in ANALOG.


Held des Romans ist der professionelle Spieler Jason dinAlt, der als Junge seinen hinterwäldlerischen Heimatplaneten verlassen hat und von Welt zu Welt reist, um die ansässigen Spielcasinos zu schröpfen. Dabei sind ihm neben seiner Gewitztheit und seiner Menschenkenntnis vor allem seine Psi-Fähigkeiten von großem Nutzen, kann er doch mit deren Hilfe zumindest zeitweise Würfelspiele manipulieren.

Eines Tages wird er auf der Welt Cassylia von Kerk, dem athletischen und zunächst dubios erscheinenden Botschafter des Planeten Pyrrus, kontaktiert. Kerk überredet Jason mit sanftem Druck, mit einem Grundkapital von 27 Millionen Credits, das von Pyrrus zur Verfügung gestellt wird, so lange im Spielcasino zu spielen, bis ein Gewinn von 3 Milliarden erreicht ist. Einen eventuellen Überschuss, der bei dieser hohen Summe durchaus zu erwarten ist, darf Jason behalten. Er willigt nach kurzem Zögern ein und es gelingt ihm nach einer spannend geschilderten Spielszene tatsächlich, mehr als 3 Milliarden Credits zu gewinnen. Wie sich kurz darauf auf der gemeinsamen Flucht mit Kerk vor den unzufriedenen Casinobetreibern herausstellt, brauchen die Kolonisten von Pyrrus das Geld für den Kauf von Waffen und Munition. Ihre Heimatwelt ist nämlich ein Extremplanet nicht nur mit hoher Schwerkraft, starker Vulkantätigkeit und heftigem Klima, sondern vor allem mit äußerst aggressiver Flora und Fauna. Die Kolonisten führen in ihrer abgekapselten Stadt einen ständigen Abwehrkampf gegen allerlei monströse Tiere und Pflanzen. Wie sich im Verlauf der Handlung herausstellt, verfügen diese über eine Art Psi-Fähigkeit, die sie die Aggressionen spüren lässt, die von den Menschen ausgehen.

Kerk erklärt Jason recht eindrucksvoll, wie es auf Pyrrus aussieht: »Ich bezweifle, dass ein Lebewesen aus einer anderen Welt dort länger als eine Minute am Leben bleiben würde. Die Pflanzen und Tiere auf Pyrrus sind zäh. Sie kämpfen mit ihrer Umwelt und untereinander. In Jahrtausenden natürlicher Auslese sind Lebensformen entstanden, deren Anblick selbst einem Elektronenrechner Albträume verschaffen würde. Sie sind gepanzert, giftig. Mit scharfen Krallen und mächtigen Reißzähnen.« (BdSFL 55, Seite 21)

Neugierig geworden, begleitet Jason Kerk zu diesem lebensfeindlichen Ort. Auf dem Raumflug nach Pyrrus hat er eine Affäre mit der Pilotin Meta, was aus zwei Gründen nicht unerwähnt bleiben soll. Erstens war in der SF um 1960 wenig Platz für Sexualität – und schon gar nicht, wenn diese außerhalb einer »ordentlichen« Beziehung, also der klassischen Ehe, stattfand. Und zweitens wird Meta als selbstbewusste Frau geschildert, die eher Jason Respekt einflößt als umgekehrt. Außerdem ist sie Pilotin eines Raumschiffs und hat damit einen Job, der in der damaligen SF wie auch in der Realität Männern vorbehalten war.

Doch zurück zur Handlung. Auf Pyrrus angekommen hat Jason einige Schwierigkeiten, sich an die dortigen Verhältnisse anzupassen. Zum Glück erhält er ein Training, das ihm zu extrem schnellen Reflexen und zu einigen Überlebenstricks verhilft. Damit wird verhindert, dass er schon innerhalb der ersten Tage von irgendwelchen Monstern umgebracht wird. Jason merkt schnell, dass etwas an der extremen Situation auf Pyrrus nicht stimmt. Obwohl die Kolonisten nicht nur außergewöhnliche Körperkräfte und Reflexe haben und durch Jasons Spielgewinn über neue Waffen und Nachschub verfügen, sind sie im Kampf gegen den Planeten und seine Kreaturen zum Scheitern verurteilt. Die Population nimmt immer weiter ab, aber trotzdem führen die Kolonisten ihr klägliches Leben weiter, ohne dessen offensichtliche Sinnlosigkeit zu hinterfragen. Nur der gewitzte Jason beginnt Fragen zu stellen. So erscheint es ihm merkwürdig, dass die Evolution auf Pyrrus in kürzester Zeit immer aggressivere Wesen hervorbringt. Als er erfährt, dass es neben den Siedlern in der Stadt noch eine zweite Gruppe von Menschen auf dem Planeten gibt, welche von den Städtern Grubber genannt werden, fordert dies seine Neugier erst recht heraus. Da er sich mit seinen Zweifeln und Fragen und vor allem durch sein unabsichtliches Fehlverhalten während der Attacke einer riesigen Pflanze unliebsam gemacht hat, bleibt ihm für Nachforschungen wenig Zeit. Man stellt ihn quasi unter Hausarrest und will ihn in das nächste Raumschiff setzen, das Pyrrus verlässt. Jason beschließt aus der Stadt zu fliehen und die geheimnisvollen Grubber zu suchen. Dies stellt ein großes Risiko dar, da die Stadtbewohner die Grubber als Barbaren ansehen und hassen. Natürlich gelingt es Jason unter einigen Gefahren, die Grubber aufzuspüren. Er erkennt, dass diese überhaupt keine Probleme mit der Flora und Fauna haben, sondern im Gegenteil sogar Tiere gezähmt haben und Ackerbau betreiben. Dies erklärt auch, warum die Städter, die von den Grubbern verächtlich Junkmen genannt werden, noch keinen Vernichtungsfeldzug gegen die vermeintlichen Wilden unternommen haben. Immerhin gibt es einen regelmäßigen Austausch von Geräten und Werkzeugen aus der Stadt gegen Nahrungsmittel vom Land. Jason stellt nun die entscheidende Frage, warum der Planet sich gegen die eine Gruppe Kolonisten so feindselig verhält und gegen die andere nicht. Mithilfe seiner durch Psi-Fähigkeiten gesteigerten Wahrnehmung erkennt er, dass auch das ursprüngliche Leben auf Pyrrus übersinnliche Kräfte besitzt. Die ersten Kolonisten, die natürlich die einheimische Natur für ihre eigenen Bedürfnisse veränderten und sogar zerstörten, wurden logischerweise als feindlich eingestuft und vom ersten Augenblick an bekämpft. Nur die Menschen, die sich anpassten, wurden von dem Kampf verschont. Jason versucht nun, den Kampf der beiden Kolonistengruppen gegeneinander zu beenden und gleichzeitig das Verständnis der Junkmen für den Ursprung ihrer Probleme zu wecken. Mit viel diplomatischem Geschick und vor allem Empathie schafft er dies endlich und der Grundstock für ein friedliches Weiterexistieren der Menschen auf Pyrrus scheint gelegt zu sein.