Eine vernünftige Verbindung

Text
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
Font:Smaller АаLarger Aa

Wer sollte es ihnen auch übelnehmen, wenn Easton Manor so verlassen dastand…

Er zog das Fazit, dass das Anwesen einen trübsinnigen Anblick bot, aber wohl noch zu retten war. Und so weit war es von hier nicht nach London, so dass er durchaus seinen Geschäften nachgehen konnte, ohne seine künftige Gemahlin mit diesem Steinhaufen ungebührlich lange alleine zu lassen.

Dawn bekam einen Apfel, den er am Rand der Koppel pflücken konnte, dann schwang Miles sich wieder in den Sattel und ritt zum Anwesen der Allingtons, das etwa eine halbe Stunde entfernt lag. Vielleicht kannte Miss Allington das Manor sogar?

Das Haus der Allingtons lag still in der schwächlichen Sonne; er saß ab, band Dawn locker an einen Baum und betätigte den Türklopfer.

Es dauerte etwas, dann öffnete ein junges Bauernmädchen die Tür. „Sir?“

„Ich hätte gerne Miss Allington gesprochen, wenn sie die Zeit erübrigen kann.“

„Oh! Ja, Sir, einen Moment, Sir!“

Sie rannte weg und ließ ihn an der Tür stehen; wahrscheinlich war er der erste Besuch in diesem Haus, seitdem sie hier diente.

Er lächelte und wartete. Schließlich kam die Kleine zurück, knickste und bat ihn herein. Miss Allington kam aus der Küche und trocknete sich gerade die Hände ab, bevor sie freundlich, aber distanziert den Kopf neigte.

Ganz die große Lady, dachte Miles, lächelte und verbeugte sich. „Miss Allington, guten Morgen!“

„Guten Morgen, Mr. Easton. Wie geht es Dawn?“

„Ausgezeichnet, danke der Nachfrage. Ich wollte mich für die freundliche Hilfe gestern bedanken und mit Ihnen sprechen.“

„Aber gerne – der Dank gebührt aber doch wohl eher William? Und er ist im Moment im Pfarrhaus. Der Pfarrer unterrichtet ihn, Sie wissen ja…“

„Ja, ich weiß. Darüber möchte ich gerne mit Ihnen sprechen.“

„Ach? Wollen Sie etwa sein Schulgeld übernehmen?“ Das kam eindeutig spöttisch heraus, aber immerhin ging sie ihm voraus in das kalte Wohnzimmer und wies gewandt auf eines der ältlichen Sofas.

Sie setzte sich und sah Miles fragend an. „Worüber möchten Sie also mit mir sprechen?“

Er spürte, wie sein Gesicht warm wurde, und Miss Allington lächelte. „Ist es so schwierig?“

„Ja“, seufzte er, ohne großartig nachzudenken, „ich hätte es vorher nicht gedacht, aber jetzt weiß ich wirklich nicht, wie ich anfangen soll.“

„Mir scheint, in dieser Situation waren Sie noch nie?“

„Da haben Sie ganz Recht, Miss Allington. Darf ich fragen, wie Sie mit Vornamen heißen?“

„Emily. Und Ihr Name, Mr. Easton?“

„Ich heiße Miles. Und jetzt werde ich es ganz plump versuchen: Wollen Sie mich heiraten?“

Wie bitte?“

„Ich sagte ja, ich versuche es ganz plump. Das Schwierigste ist damit geschafft, jetzt könnte ich Ihnen meinen Plan in Ruhe auseinandersetzen, wenn ich darf?“

„Ich bitte darum“, antwortete Emily Allington schwach.

„Zunächst hat mein Großvater mir ja die Pistole auf die Brust gesetzt, ich solle endlich heiraten. Zugegeben, damit hat er wohl nicht ganz Unrecht, ich bin fünfunddreißig und werde zu gegebener Zeit auch einen Titel zu vererben haten – den Titel, den im Moment mein Großvater trägt. Er ist der Earl of Eastley.“

„Oh, ich glaube, davon habe ich schon gehört – Eastley Hall? Etwa eine knappe Stunde von hier und Richtung Nordwesten?“

„Richtig. Ich hoffe, den Besitz eines Tages zu erben, aber leider gehört er nicht zum Titel. Der alte Teufel -“

„Mr. Easton!“

„- mein Großvater. Sollten Sie ihn einmal kennenlernen, werden Sie mich verstehen. Er hat jedenfalls verkündet, sofern ich nicht umgehend heirate und natürlich auch für – äh – die Nachfolge sorge, bekomme ich nur Easton Manor, das eine ziemliche Ruine darstellt, denn das hängt am Titel. Geld und die Hall gingen dann an meinen biederen Cousin James.“

„Hm. Und deshalb wollen Sie jetzt die Erstbeste heiraten? Ich weiß nicht, ob ich mich da geschmeichelt fühlen soll…“

„Nein, so sollten Sie es keinesfalls auffassen, Miss Allington. Sie haben mir nur bei meinem Besuch gestern den Eindruck vermittelt, dass Sie tatkräftig sind, energisch, praktisch, angesichts von widrigen Umständen nicht jammernd auf einem Sofa liegen, sondern zupacken können. Obendrein sind Sie, denke ich, klug und schlagfertig. Man kann sich gut mit Ihnen unterhalten, jedenfalls erscheint es mir so. Humor scheinen Sie auch zu haben.“

„Den würde ich wohl auch brauchen?“

Miles grinste. „Da sehen Sie es! Sie haben Humor!“ Sie erwiderte das Lächeln etwas vorsichtig. „Nun ja, unser Vater hat das wohl erforderlich gemacht. Das Leben hier ist schon eine gewisse Herausforderung.“

„Und Sie genießen diese Herausforderung?“

Sie legte den Kopf schief. „Habe ich eine Wahl? Wenn ehrlich bin: Nein, ich genieße sie nicht. Ich hätte gerne mehr Vorräte, wüsste William gerne auf einer guten Schule und würde gerne auch etwas mehr den Kontakt mit den Nachbarn pflegen – aber hier wohnt niemand so, dass man ihn rasch mit dem Gig erreichen kann.“

„Ich denke, ich könnte Ihnen dabei behilflich sein“, sagte Miles und beobachtete sein Gegenüber.

„Indem Sie mich heiraten? Wie hätte ich mir das vorzustellen?“

„Nun, zu allererst könnten wir William nach Eton schicken. Ich habe sowohl das nötige Geld als auch gute Kontakte.“ Er grinste. „Man erinnert sich dort sicherlich noch an mich, wenn auch vielleicht nicht immer im besten Sinne.“

Sie nickte, ohne seinen matten Scherz mit Kichern zu würdigen. Gut so, Gekicher mochte er nicht, herzhaftes Gelächter durchaus.

„Wir müssten natürlich Easton Manor wieder zu einem bewohnbaren Landsitz machen – dieses Anwesen kann mir mein Großvater nicht nehmen, es gehört ja, wie bereits erwähnt, zum Titel. Aber wenn auch das Manor in einem traurigen Zustand ist – ich habe auf dem Weg hierher einen Blick darauf geworfen - unbewohnbar ist es nicht, aber unmöbliert.“

„Oh…!“

„Erschreckt Sie das sehr?“

Sie lächelte geradezu sehnsüchtig. „Im Gegenteil. Ein altes Haus von Grund auf auszugestalten, das würde mir sehr großen Spaß machen. Hätten wir Mittel für wenigstens die nötigsten Dienstboten?“

Sie hatte wir gesagt!

„Dienstmädchen, zwei Diener, eine Köchin, einen Stallburschen? Gewiss doch. Möchten Sie Ihren Vater mitnehmen?“

„Nein, du lieber Himmel! Man kann ihn nicht mehr verpflanzen, fürchte ich. Die kleine Deidre würde ich aber gerne mitnehmen, sie wird mit Vater ohnehin nicht fertig.“

„Also für Ihren Vater einen stoischen Diener, der auch kochen kann?“

Sie seufzte. „Wo sollte man einen solchen Mann wohl finden?“

„Überlassen Sie das mir, - Emily?“ Er griff nach ihrer Hand. Sie lächelte etwas schief. „Recht geschäftsmäßig – Miles. Aber ich denke, das wird das beste Angebot sein, dass ich in meinen Jahren noch erwarten kann, nicht wahr?“

„Möchten Sie lieber auf die große Liebe warten? Die kann ich Ihnen vielleicht nicht bieten, aber ich denke, wir würden uns gut verstehen und angenehm zusammenleben. Wäre das nicht schon recht nett?“

„Doch, gewiss…“

„Jetzt hätte ich beinahe ein Geständnis vergessen – ich habe noch eine kleine Halbschwester, Phoebe. Sie ist zwölf und lebt zu ihrem Missvergnügen bei meinem Großvater. Sobald das Manor ein hübsches Zuhause geworden ist, würde ich sie gerne zu uns nehmen. Wäre Ihnen das eine zu große Belastung?“

„Nicht doch! Vergessen Sie nicht, sie ist gerade so alt wie William. Das könnte doch in den Schulferien recht gemütlich werden?“

„Dann wären wir uns einig?“ Er erhob sich und Emily tat es ihm gleich. Sie streckte die Hand aus. „Ja, wir sind uns einig. Wann und wo soll die – sollen die Förmlichkeiten – äh.“

„Die Hochzeit? Nun, wann und wo Sie wollen. Wollen wir uns aufbieten lassen, wie es der Brauch ist oder soll ich eine Sondergenehmigung besorgen? Noch wohne ich in London, es wäre also gar keine Mühe.“

„Ach, lassen wir uns ruhig aufbieten, dann redet die Nachbarschaft weniger. Können wir uns vorher schon einmal das Haus anschauen?“

„Gewiss. Ich bringe meinen Diener Nate mit, damit dem Anstand Genüge getan ist. Und ich sollte meine Braut auch dem Großvater vorstellen.“

„Dem alten Teufel? Muss ich mich fürchten?“ Der Spott war deutlich hörbar.

Er lächelte anerkennend. „Mit dieser Einstellung ganz gewiss nicht! Er hat eine scharfe Zunge, aber Sie können da ganz offensichtlich mithalten, Emily. Ach – sollte ich der Form halber vielleicht bei Sir Charles um Ihre Hand anhalten?“

„Versuchen Sie´s“, war die trockene Antwort. „Ich mache währenddessen Tee.“

Das klang wenig vielversprechend; er zuckte die Achseln und schlug den Weg ein, den Emily ihm wies. Auf sein Klopfen hin ertönte von innen ein unwirsches Brummen, das nahm Miles einmal als Aufforderung und trat ein.

Sir Charles spähte über seine Brille zur Tür. „Wer sind Sie denn?“

„Mein Name ist Miles Easton, Sir Charles. Ich -”

„Was haben Sie mir mitgebracht, Mr. – äh?“

„Wie bitte? Ich möchte Ihre -“

„Den Stammbaum? Einen Erbvertrag? Verschollene Briefe?“

„Nichts dergleichen. Ich möchte Ihre Tochter heiraten, Sir Charles.“

„Meinetwegen“, war die gemurmelte Antwort, während der Blick des alten Mannes schon wieder auf die zahllosen Papiere auf seinem Schreibtisch gerichtet war.

„Haben Sie wirklich erfasst, was ich gesagt habe?“

Sir Charles sah ruckartig auf und starrte seinen Besucher ärgerlich an. „Was? Natürlich! Sie heiraten Emily. Bin nicht senil, junger Mann!“

„Werden Sie hier alleine zurechtkommen?“

Sir Charles winkte desinteressiert ab und begann, einen Papierstapel zu durchsuchen. Miles gab es auf und verließ den Raum. Draußen lächelte ihm seine nagelneue Verlobte spöttisch entgegen. „Lassen Sie mich raten: Es hat ihn nicht im Geringsten interessiert?“

 

„So ungefähr. Ist ihm eigentlich klar, dass er hier auf sich selbst gestellt sein wird? Dass ihn niemand versorgen könnte?“

Emily schüttelte den Kopf. „Das verstehen Sie nicht, fürchte ich. Sehen Sie, in wenigen Tagen wird er doch Sherborne übernehmen, weil er der wahre Herzog ist, und dann wird er über ganze Heerscharen von Dienstboten verfügen…“

„Sein Anspruch hat doch nicht einmal den Hauch einer vernünftigen Grundlage, oder?“

Sie winkte ab. „Natürlich nicht! Das Herzogtum ist seit Generationen ganz gesetzmäßig vererbt worden. Ich glaube, Vater führt den Anspruch auf einen königlichen Brief zurück, der leider gar keinen Wert hat. Anscheinend soll Richard III ihm die damalige Baronie Sherborne verliehen haben, aber diese Standeserhöhung – wenn es sie denn jemals gegeben haben sollte – wurde offensichtlich auf Betreiben Henry Tudors vom Parlament für ungültig erklärt. Schon vor der Parlamentsherrschaft hatte ja eine ganz andere Familie das Dukedom inne. Vater hätte sein Vermögen und seine Energie wirklich besser auf dieses Anwesen hier verwenden sollen.“

Dem war nichts hinzuzufügen. Sie legten die Termine für den Antrittsbesuch auf Eastley Hall fest, für die Hochzeit – drei Wochen nach dem nächsten Sonntag – und entschieden sich für die Kirche, die dem Haus der Allingtons am nächsten lag. Miles´ taktvolle Frage, ob Emily einen Zuschuss für eine standesgemäße Garderobe brauchen konnte, wurde mit Kopfschütteln beantwortet; für Williams Ausstattung nahm sie aber gerne eine bescheidene Unterstützung an.

Kapitel 6

Der alte Earl sah ihnen mit grimmiger Miene entgegen, als sie einige Tage später in Eastley Hall durch die gewaltige Bibliothek schritten.

„Ein wunderbarer Raum“, murmelte Emily knapp an der Grenze zur Hörweite und prompt zog seine Lordschaft die buschigen grauen Brauen hoch.

Vor dem großen Lehnstuhl verbeugte sich Miles und Emily versank in einen graziösen Knicks voller wohldosierter Ehrerbietung.

Der Earl kräuselte einen Mundwinkel. „So sind also die Tochter von Charles Allington?“

„Ganz recht, Euer Lordschaft.“

„Sir genügt vollkommen, Mädchen. Emily, nicht wahr? Und Ihr Vater möchte gerne ein Herzog werden?“

„Leider, Sir. Ich sehe da nicht die geringste Grundlage, aber die Frage beschäftigt ihn ausschließlich.“

„Aha. Dann kommt Ihnen das Angebot meines Enkels wohl recht gelegen?“

„Gewiss, Sir – aber ich denke, meine – unsere – Situation kommt auch Ihrem Enkel recht gelegen. Easton Manor hätte vielleicht nicht jede junge Lady gereizt, nicht wahr?“

Er keckerte herzlich. „Sie haben es sich schon angesehen?“

„Miles hat mir alles gezeigt. Eine Herkulesaufgabe, aber durchaus reizvoll. Schließlich ist es ein schönes Haus, wenn auch arg vernachlässigt!“ Sie erlaubte sich einen strafenden Blick auf ihren künftigen Schwiegergroßvater, was diesen nur noch mehr zum Lachen brachte: „Sehr gut! Reiben Sie es mir nur hin! Miles, da wirst du ordentlich in die Pflicht genommen werden! Das wird dir sehr gut tun!“

Miles grinste. „Das hoffe ich doch, Sir. Geben Sie uns also Ihren Segen?“

„Das tue ich – halt! Was haben Sie mit unserer Situation gemeint?“

„Glauben Sie, ich hätte schon einen Liebsten gefunden, Sir?“

„Nun, wäre es nicht denkbar?“

„Keine Sorge, ich habe einerseits Miles und mich gemeint, da gibt es doch schließlich eine gemeinsame Situation, nicht wahr? Und zum anderen habe ich einen jungen Bruder, den ich jetzt endlich auf die Schule schicken kann.“

„Na, dann gebe ich euch wirklich meinen Segen. Und ich nehme an der Trauung teil!“

Seine Augen funkelten so kriegerisch, dass es Miles entfuhr: „Ist das eine Drohung, Sir, oder wollen Sie sicherstellen, dass die Trauung wirklich stattfindet?“

Der Earl legte den Kopf schief. „Ich denke nicht, mein Junge, dass deine Braut auf eine solche Aktion hereinfallen würde.“

Emily lachte. „Ich werde ihn gut im Auge behalten, Sir!“

Der Alte beugte sich vor und tätschelte ihre Hand. „Da bin ich ganz sicher, Mädchen. Und der Kleine geht natürlich nach Eton? Dort ist Miles seinerzeit schon unangenehm aufgefallen.“

„Das hat er bereits erzählt, Sir. Aber für diese Möglichkeit bin ich Miles sehr dankbar.“

Als sie wieder in der Kutsche saßen und die Pferde ruckartig anzogen, ergriff Miles Emilys Hand und küsste sie dankbar. „Sie haben den alten Teufel im Sturm erobert!“

„Ich finde ihn reizend“, bekannte Emily, „aber vielleicht bin ich auch nicht so verwöhnt. Mein Vater schließlich spricht kaum mit mir, wenn er nicht gerade nach einer Mahlzeit verlangt. Und die Tatsache, dass auch William und ich ab und an etwas zu essen brauchen, verstört ihn jedesmal tief. Ihr Großvater ist im Vergleich so lebendig und auch so im Leben verhaftet. Man kann sich bestimmt sehr nett mit ihm unterhalten.“

„Bestimmt. Wenn er nicht gerade meinen Lebensstil kritisiert…“

Emily zog die Augenbrauen hoch. „Was gibt es denn da zu kritisieren, wenn man von der fehlenden Nachfolge einmal absieht?“

Miles grinste. „Deutliche Worte, Madame! Sonst gibt es auch nichts zu kritisieren, aber der alte – nun ja – kritisiert eben gerne. Ich lebe in einer Wohnung in London, habe kein sehr aufregendes Privatleben, investiere mit Bedacht, um mein Vermögen zu vermehren, und habe nur Bekannte und Freunde aus angesehenen Familien. Ich spiele nicht, ich wette höchst selten auf Pferde, ich betrinke mich nicht bis zur Besinnungslosigkeit und ich habe auch sonst keine kostspieligen Neigungen. Was den alten Teufel da beißt, weiß ich auch nicht. Vermutlich lässt er sich von Cousin James allerlei einflüstern.“

„Dann hoffe ich, dass es uns gelingt, den alten Herrn zufriedenzustellen. Was werden Sie jetzt tun?“

„Ich bringe Sie nach Hause, dann sammle ich Nate auf und wir werden ein wenig im Manor herumräumen. Nein, keine Angst, nur provisorisch, die Gestaltung überlasse ich gerne Ihnen.“

„Gut. Die Möbel darf natürlich gerne jemand anderes schleppen!“

„Dafür werden wir auch im Manor Bedienstete haben. Ach ja, und dann werde ich nach Eton schreiben, wegen William. Sie brauchen gewiss noch mehr Mittel, um ihn passend auszustatten? Möchten Sie dafür mit ihm nach London?“

„Sie haben ja schon alles aufs Beste organisiert! Ja, London wäre mir sehr angenehm, vielen Dank.“

Er angelte eine Börse aus der Jackentasche. „Also darf ich Ihnen… William wird ja einiges benötigen, nicht wahr?“

„Das ist mir zwar peinlich, aber vielen Dank. Da wird mir erst so recht bewusst, wie sehr unser Vater seine Pflichten vernachlässigt hat. Wenn es nach ihm ginge, könnte sein Erbe nicht einmal lesen und schreiben!“

*

Sobald er Emily abgesetzt und die Dankesbezeugungen Williams abgewehrt hatte, wies er den Kutscher an, zu seiner Wohnung zu fahren, wo Nate befohlen wurde, Putzlappen, Schmierseife und Möbelpolitur zusammenzuraffen und mit ihm nach Easton Manor zu fahren.

Dort sah Nate sich naserümpfend um, bis Miles ihm das verwies: „Das ist unser Stammsitz, sei nicht so respektlos.“

„Sitzt aber schon lang keiner mehr drauf“, maulte Nate unbeeindruckt. „Na, ich kann ja arbeiten, was?“

„Wollen wir´s hoffen. Komm, wir fangen im zweiten Stock an. Das Schlafzimmer der Hausherrin ist am wichtigsten!!“

Nate trottete hinter seinem Herrn her und stellte auf dem Weg fest, dass die Treppe schmutzig war, dass es keine Läufer gab, dass im Treppenhaus nur ein Gemälde hing „- und das ist scheußlich, Sir! Was soll das überhaupt sein, da drauf?“

Miles warf einen kurzen Blick darauf. „Ich sehe bloß Staub und Schmutz. Das schauen wir uns später mal an. Vielleicht gefällt es der künftigen Lady Miles ja.“

Nate brummelte Unverständliches.

Immerhin stand in den beiden größten Schlafzimmern jeweils ein stabil aussehendes Bett. Staubig natürlich, erinnerte er sich und rief nach Nate, der sich damit beschäftigte, in die anderen Zimmer zu schauen.

„Ich nehme das Bettzeug mit hinunter und lege es in die Sonne, du reinigst das Bettgestell und polierst es, bis es glänzt wie neu.“

„Versuchen kann ich´s ja, aber die Politur hat doch auch keine Zauberkräfte!“

„Nate, lass das Meckern. Keine Sorge, in nächster Zeit werden wir uns nach weiterem Personal umsehen. Ein, zwei Hausmädchen brauchen wir auf jeden Fall noch.“

„Und ´ne Köchin! Wenn´s hier ´ne Missus gibt, reicht das, was ich so kann, bestimmt nicht aus.“

„Und eine Köchin. Jetzt fang schon an!“

In einem der Räume im Erdgeschoss entdeckte Miles zwei etwas wacklige Stühle und eine Tür auf die Terrasse, die allerdings nur mit Gewalt aufzustemmen war. Sobald das Bettzeug, das er Emily zugedacht hatte, in der Nachmittagssonne lag (und hoffentlich den etwas muffigen Geruch verlieren würde), stieg er wieder nach oben und machte sich auf die Suche nach passender Bettwäsche.

Der gewaltige Schrank im Flur des zweiten Stocks enthielt tatsächlich Bettwäsche; Miles suchte eine einigermaßen unzerrissene Garnitur samt Laken heraus; diese Stücke mussten aber erst einmal vor einem großen Kaminfeuer gewärmt werden – kurz vor der Ankunft der neuen Herrin.

Nate war schon erfreulich aktiv geworden; im Schlafzimmer brannte bereits ein Feuer und das Bettgestell sah schon deutlich sauberer aus.

„Wo hast du denn das Feuerholz gefunden?“

Nate grinste. „Neben der Küchentür war noch ein Rest. Und im Kamin waren ein paar uralte Vogelnester, die hab ich mit dem Besen da runtergeangelt und zum Anschüren verwendet. Haben gebrannt wie Zunder. Das Bett ist stabil, ich bin ein paarmal drauf rumgehüpft, Sir.“

„Mit sauberen Stiefeln?“ Miles kannte seinen ideenreichen Diener schließlich schon etwas länger.

„Hm, naja, schon…“ Nate inspizierte etwas unsicher seine Stiefelsohlen.

„Mach die Matratze sauber, klopf sie ab oder was man da eben so tun muss.“ Miles inspizierte den mächtigen Kleiderschrank und die Truhe daneben, die aussah, als stamme sie aus der Zeit der Rosenkriege – alles leer.

„Den Schrank wischt du bitte mit Seifenlauge aus“, ordnete er an und verließ das Zimmer, um einen Blick in die Küche zu werfen.

Du lieber Himmel! Küche, Spülküche, Speisekammer, Silberkammer – alles war schmutzig, die Schränke waren fast völlig leer, wenn man von einem halben Dutzend angeschlagener Teller absah. Einen Herd gab es zwar, aber ob der nun auch funktionsfähig war… Neben der Küchentür, hatte Nate gesagt?

Tatsächlich. Er nahm einen etwas schwächlich wirkenden Korb zur Hand und schichtete so viel Holz hinein, wie er dem ältlichen Geflecht zutraute.

Gab es möglicherweise irgendwo anders noch Mobiliar?

Auf dem Dachboden vielleicht… Er stieg wieder nach oben und schritt an dem leise pfeifenden Nate vorbei zum Ende des Gangs, wo er hinter einer unscheinbaren Tür die Dienstbotentreppe entdeckte und dort zum Dachboden hinaufkletterte.

Dort sah er sich ganz benommen um – offenbar hatte man Jahrhunderte lang alles, was nicht mehr gefiel oder was etwas Pflege gebraucht hätte, hier oben irgendwo abgestellt. Das würde Emily bestimmt gefallen, lächelte er. Sie war energisch und tatkräftig, sie wollte sich und ihrem Bruder ein sicheres, warmes Heim schaffen – und sie war bereit, ihm die üblichen zwei Erben zu schenken: Was wollte er mehr?

Außerdem war sie nett und recht klug, fand er und wandte sich zum Gehen. Gut, das Manor war in einem furchtbaren Zustand, aber sie hatten ja alle Zeit der Welt und im Moment doch wenigstens zwei Dienstboten, wenn Emily die kleine Deirdre mitbrachte. Köchin, Stallbursche und vielleicht eine Zofe – mehr brauchten sie vielleicht gar nicht. Einen Butler? Naja, so hochherrschaftlich war das Manor auch wieder nicht.

„Schau´n Sie mal, Sir!“, rief Nate, „ist es so recht?“

Das Schlafzimmer der Schlossherrin war mittlerweile sauber, auf der Matratze gab es keine Stiefelspuren mehr, und Bett wie Schrank schimmerten vor Politur. Miles nickte billigend. „Gut gemacht, Nate. So wird die Lady jedenfalls nicht in Ohnmacht sinken!“

„Und was ist mit Ihnen, Sir?“

Miles zuckte die Achseln. „Ich finde schon etwas, so verwöhnt bin ich nicht. Übrigens stehen auf dem Dachboden ganze Mengen von Möbeln, ich denke, damit können wir jeden Raum dieses Hauses zweimal einrichten.“

 

Nate grinste. „Da brauchen wir aber mehrere Fässer von der Möbelpolitur! Oh je…“

„Du wirst nicht alles alleine aufpolieren müssen, du Jammerliese. Pass auf, wir fahren jetzt nach Hause und kommen übermorgen noch einmal her, auch mit ein paar Lebensmittelvorräten. Alles andere werden wir dann nach der Hochzeit erledigen.“

„Ehrlich? Meinen Sie, das hier ist eine tolle Überraschung für die Missus?“

Miles lachte. „Oh ja! Sie freut sich darauf, das Haus aufzumöbeln. Das wollen wir ihr doch nicht wegnehmen, oder?“

„Zum Teufel, nein!“

Zum Teufel sagen wir jetzt nicht mehr, ist das klar?“