Seewölfe Paket 8

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Hohn troff aus seinen Worten, als er ging, und um seine Mundwinkel lag ein verächtliches Zucken.

So wie Drake das plant, gibt es ein Malheur, dachte er. Aber bitte, er war der Admiral, er mußte ja alles besser wissen als die anderen, sonst hätte er es nicht so weit gebracht.

10.

Noch spät in der Nacht, gegen Morgen fast, nahmen Dan O’Flynn und der Schiffsjunge Bill, der sich schon in der Bucht südlich von Cadiz so hervorragend bewährt hatte, in dem Boot Platz und pullten davon, um auszukundschaften, was sich im Hafen tat.

Im Morgengrauen stieß Dan den Jungen an.

„Siehst du es?“ fragte er. „Da tut sich etwas, Bill. Vier Galeeren rudern in die untere Bucht bei Port Real.“

Der Junge nickte aufgeregt. Sie hatten sich so vorzüglich verborgen, daß sie niemand sah, und selbst wenn man sie gesehen hätte, sie wären kaum aufgefallen.

„Und noch zwei rudern heran“, sagte Dan gleich darauf. „Mann, da tut sich wirklich eine ganze Menge. Du spielst wieder den Fühlungshalter zur „Isabella“, Bill!“

„Klar, sowieso, denen werden wir es schon zeigen, was?“

Dan entsann sich grinsend, wie der Bengel den Spaniern schon einmal einen üblen Streich gespielt hatte, an eine Galeere herangeschwommen war und dem verblüfften Kapitän eine haarsträubende Geschichte in allerbestem Spanisch untergejubelt hatte, auf die die Dons auch prompt hereingefallen waren. Der Bengel hat sich ganz schön gemausert, dachte er und beobachtete weiter, was sich vor ihren Augen tat.

Die sechs Galeeren ruderten heran. Gleichmäßig tauchten die Riemen ins Wasser, das Tam-tam des Schlagmannes war deutlich zu hören, und im beginnenden Morgengrauen erkannte man bereits die Gestalten auf dem Deck.

Es waren schwerbewaffnete Galeeren, und sie waren äußerst wendig und schnell, wenn es darauf ankam.

Jetzt sahen sie schon deutlicher, wie die Kriegsgaleeren mit mittlerer Geschwindigkeit in die untere Bucht ruderten.

Dan versuchte sich vorzustellen, wie Francis Drake es wohl anstellen würde, wenn er so völlig konzeptlos in den Hafen segelte.

Die Kriegsgaleeren konnten ihm und dem Verband zum Verhängnis werden, denn man sah sie von der großen Reede aus nicht.

Sie aber konnten blitzschnell heranschießen und das Feuer eröffnen.

„Zisch ab“, sagte Dan, „du hast selbst gesehen, wie sie hier aufmarschieren, und berichte dem Seewolf alles haarklein. Du kennst den Weg ja noch!“

„Und du? Bleibst du noch hier?“

„Ja, ich beobachte weiter, was sich tut.“

„Soll ich noch einmal zurückkehren?“ fragte Bill.

„Nicht nötig, ich kehre mit dem Boot zurück, sobald die ersten Mastspitzen an der Kimm auftauchen. Und jetzt hau endlich ab, Mann!“

Schon daß Dan ihn „Mann“ genannt hatte, erfüllte den Bengel wiederum mit Stolz. Bevor er verschwand, sicherte er erst das Gelände, sah noch einmal auf die Wrackteile, die aus dem Wasser ragten und die von den versenkten Schiffen stammten und lief dann los.

Etwas später kehrte er ungesehen auf die „Isabella“ zurück und erstattete dem Seewolf haarklein Bericht.

„Prächtig, Bill“, lobte ihn Hasard. „Du wirst von Tag zu Tag besser.“

Hasard wandte sich an Ben, den Profos, Smoky, Conroy und die anderen, die sich auf dem Achterdeck aufhielten und das Unternehmen Cadiz immer wieder erörterten.

„Drake segelt von Nordwesten heran“, sagte er, „und er wird sein blaues Wunder erleben, wenn die Galeeren aus dem unteren Hafen plötzlich auftauchen und sich ihm stellen.“

„Er rennt genau in sein Verderben“, prophezeite Ben.

„Und das werden wir verhindern. Wie sieht es aus? Sind die Schiffe schon in Sicht?“

Im Großtopp saßen drei Ausgucks, aber da es am Horizont noch dunkel war und Wolken darunter hingen, die die Kimm verbargen, sahen die Männer noch nichts.

„Das Schiff in Gefechtsbereitschaft versetzen“, ordnete der Seewolf an. „Wenn ich nachher das Zeichen gebe, setzt ihr die englische Flagge, dann hoch mit allen Segeln und nichts wie drauf auf die Dons!“

„Wir versuchen also, den Galeeren den Weg zu verlegen“, sagte Ben Brighton, „und eröffnen das Feuer in dem Augenblick, wenn sie sich herausschieben.“

„Genau das“, erwiderte Hasard.

„Wenn wir Pech haben, fangen wir die ersten Kugeln“, sagte der Decksälteste Smoky, „und der Sir Admiral steht wieder glänzend und in alter Frische da.“

„Wir taktieren besser, denn wir haben einen Plan, während Drake ihn nicht hat. Der Lagebesprechung nach zu urteilen, weiß von seinen Leuten überhaupt niemand, was er tun soll.“

Davon, daß eine zweite Lagebesprechung stattgefunden hatte, wußte man auf der „Isabella“ noch nichts. Außerdem hatte sie ohnehin nicht viel eingebracht, und so glaubte man immer noch an ein planloses Vorgehen des Admirals.

Nur sehr langsam wurde es an der Kimm hell, während der Hafen wesentlich heller wirkte.

Auf den Reeden lagen Schiffe, dickbauchige Galeonen, gewaltige Brocken darunter, hinter denen sich die „Isabella“ dreimal verstecken konnte. Dazwischen lagen kleine und kleinste Segler.

„Mastspitzen an der Kimm!“ rief Jeff Bowie aus dem Ausguck.

Carberry rieb sich in der Vorfreude kommender Ereignisse die gewaltigen Pranken und stieß Ferris Tukker an.

„Zeit, daß mal wieder ein paar lausige Affenärsche das große Fürchten lernen“, sagte er fröhlich. „Was, glaubst du, wird hier in kurzer Zeit los sein?“

„Der Teufel persönlich“, sagte Tukker.

„Einer nur?“ Der Profos lachte. „Sind alle Mann auf den Stationen, Smoky? Wie sieht es vorn aus?“

„Alles klar, Ed. Der Tanz kann losgehen, die Kanonen sind geladen, Al Conroy leckt sich schon ständig die Lippen.“

Etwas später war der Verband unter Admiral Sir Francis Drake bereits deutlich zu erkennen, wie er von Nordwesten unter Vollzeug auf die Reede von Cadiz zusegelte.

Voran die große Galeone, das Flaggschiff, gefolgt von der „Golden Lion“ unter Kapitän William Borough, im Kielwasser und etwas zu breit angelegter Formation die anderen, ganz zum Schluß die kleineren Schiffe.

Hasard sah dem Aufmarsch besorgt entgegen.

„Hölle und Teufel“, murmelte er, „was hat sich Drake nur dabei gedacht? Oder sieht jemand darin einen sinnvollen Aufmarsch?“

„Bisher nicht“, sagte Ben, „bisher sieht es so aus, wie du es vermutet hast.“

In Cadiz schien zu dieser Zeit immer noch alles zu schlafen, als sich der englische Verband dem Hafen näherte. Auf einigen Schiffen blakten trübe, rußgeschwärzte Laternen, auf anderen gab es überhaupt kein Licht. Die einzigen, die anscheinend hellwach und bereit waren, schienen die bisher noch unsichtbaren Galeeren zu sein.

Aber diese Ruhe konnte auch nur vorgetäuscht sein, dachte der Seewolf, und sobald der Admiral den Hafen anlief, konnte alles schlagartig zum Leben erwachen, um ihm einen heißen Empfang zu bereiten.

Immer wieder beobachteten sie die anderen Schiffe auf der Reede, und ab und zu zeigte sich auch mal eine Gestalt, aber man sah sie nur, wenn man in die Wanten stieg.

Auf der Galeone des Seewolfs standen die Männer bereit, den Anker zu hieven. Die anderen warteten darauf, Segel zu setzen, so daß ihr Schiff blitzschnell manövrierfähig war.

Auf dem Deck glühte Holzkohle in den Messingbecken, immer noch wurden Kugel gemannt, Pützen bereitgestellt, Sand auf das Deck gestreut und Lunten entzündet.

Der einzige, der sich wegen des bevorstehenden Aufmarschs nicht sonderlich aufregte, war der Kutscher.

Er latschte über Deck, langte mit einer Kelle in einen dampfenden Kessel und verteilte an die Männer kochendheißen Tee, den er ordentlich mit Rum umgerührt hatte.

„Ihr friert ja wie die Henker“, sagte er, „das wird euch gut tun, ihr Lausekerle, euch erwärmen und eure Gemüter aufheizen, wenn die Dons ausgeschlafen haben.“

Die Seewölfe schlürften behaglich das heiße Gebräu und warteten ab, bis sich der Verband näher heranschob.

Es war ein imposanter Anblick, als die Flotte heransegelte und sich dem Hafen näherte.

Zu dieser Zeit kehrte auch Dan O’Flynn mit dem Beiboot zurück und bezog seinen Posten, nachdem er Hasard noch einmal alles haarklein berichtete, was er gesehen hatte.

„Der Kerl ist verrückt“, stellte der Profos fest, als der Verband sich kurz vor dem Hafen befand und den Kurs änderte. „Die beharken sich ja gegenseitig bei dieser Formation.“

Von da an hatte er keine Zeit mehr, denn Hasard gab das Zeichen zum Ankerhieven und Segelsetzen.

Auf der „Isabella“ begann es hektisch zu werden.

„Trabt wie die Pferde um das Spill herum“, sagte der Profos. „Denkt daran, daß vor jeder Spake eine Flasche Rum hängt, die ihr erst dann kriegt, wenn der Anker oben ist.“

Er packte selbst mit zu, jede Hand wurde jetzt gebraucht.

Die Seewölfe trabten im Kreis herum, stumm und verbissen hievten sie den schweren Anker hoch, bis er auftauchte.

Auf dem Achterdeck bezog Pete Ballie seine Position am Ruder, und gleich darauf wurden die Segel gesetzt, bis sie sich im Wind leicht blähten.

Die „Isabella“ nahm langsam Fahrt auf.

An den Geschützen lauerten die Männer, glimmende Lunten in der Hand, auf das Zeichen zum Angriff.

Das war der Zeitpunkt, zu dem Drake in den Hafen einlief. Auf allen Schiffen waren die Stückpforten hochgezogen.

„Die Galeeren!“ schrie der Ausguck.

Aus der unteren Bucht ruderten sie heran. Die mächtigen Riemen zerteilten das Wasser. Die erste Galeere fegte heran, änderte den Kurs, die zweite, dritte und die vierte folgten augenblicklich. Zwei weitere hielten sich zurück, um etwas später in den beginnenden Kampf eingreifen zu können.

 

Drake hatte sie offensichtlich noch immer nicht gesehen, denn er segelte unbekümmert weiter – nach Freibeuter-Art, wie er selbst gesagt hatte, um blitzartig zuzuschlagen.

Aus dem Nebenarm rauschte die „Isabella“ heraus, genau in dem Moment, als Drake die Galeeren erkannte, die sich ihm sofort zum Kampf stellten.

„Hoch mit der Flagge und Feuer frei!“ schrie Hasard.

Ein vielstimmiges Gebrüll antwortete ihm. Am Mast stieg die englische Flagge hoch, und die ranke Galeone segelte jetzt, die „Elizabeth Bonaventura“ deckend, den Galeeren entgegen.

Der Hafen erbebte plötzlich, als die Galeeren das Feuer eröffneten. Gelbrote Blitze zuckten auf, ein wildes Donnern fegte über den Hafen, und die ersten beiden Galeeren spien ihren tödlichen Eisenhagel aus.

Da sie durch das plötzliche Auftauchen des neuen Gegners völlig verblüfft waren, feuerten sie in die Mitte, noch während sie abdrehten.

Gewaltige Fontänen stiegen aus dem Hafenbecken, hoben sich in den Himmel und fielen in sich zusammen.

Ein Orkan aus glühendem Eisen fegte über die „Isabella“ weg, als die dritte Galeere ihren Hagel ausspie.

Die vierte schob sich auf das Flaggschiff zu, als es auf der „Isabella“ wild aufblitzte.

Drake reagierte immer noch nicht, weil er durch das Auftauchen der Galeeren überrascht war und nicht damit rechnete, daß sie sich sofort zum Kampf stellten.

Vor der Bordwand der „Isabella“ entstand eine gewaltige Rauchwolke, als die Siebzehn-Pfünder aus den Rohren der Culverinen jagten und ihr Ziel suchten.

In der angreifenden Galeere, die Drake entgegenfuhr, entstand ein großes gezacktes Loch dicht an der Wasseroberfläche. Die Riemen hingen wie erstarrt aus den Bordwänden, als die Eisenkugel den Bug aufriß. Dann kehrte Leben in sie zurück, und die Kerle pullten wie die Wilden.

Vier Siebzehn-Pfünder schlugen in die andere Galeere und verwandelten das Deck einschließlich der Aufbauten in einen Trümmerhaufen aus Holz.

Auch die vorderen schwenkbaren Drehbassen spuckten ihren Blei- und Eisenhagel aus und überzogen die Spanier mit einem wütenden Feuer.

Während eine der Galeeren Wasser zog und sich langsam auf die Seite neigte, verholten sich die anderen in die untere Bucht zurück und schluckten auch noch die restlichen Siebzehn-Pfünder aus den Culverinen des Seewolfs.

Auf der „Golden Lion“ riß sich Kapitän William Borough die Kopfbedeckung vom Schädel und sprang vor Begeisterung auf dem Achterkastell in die Höhe.

„Das ist ein Kerl!“ schrie er. „Ein tollkühner Satansbraten. Drei Hurras für ihn, Männer!“

Seine Crew ließ sich das nicht zweimal sagen, und sie stimmte ein Gebrüll an, das weit über Cadiz zu hören war.

„Drei Hurras für den Seewolf!“ schrien sie, und ihr Ruf blieb auf den anderen Schiffen nicht ungehört. Dort fiel man ebenfalls in den Chor ein, und wieder ertönten Hurras, die die Seewölfe anfeuerten und die Begeisterung der englischen Seeleute lautstark zum Ausdruck brachten.

Auf der „Elizabeth Bonaventura“, Drakes Flaggschiff, wurde die allgemeine Begeisterung vom Admiral selbst jedoch nicht geteilt.

Drake starrte verbissen voraus, konnte aber nicht umhin, das blitzartige tollkühne Manöver des Seewolfs insgeheim zu bewundern. Er sah wie Kapitän Thomas Fenner plötzlich grinste und etwas sagen wollte, aber Drakes eisiger Blick brachte ihn noch rechtzeitig zur Besinnung und ließ ihn schweigen.

„Damit hatte ich nicht gerechnet, Sir“, sagte Fenner. „Ich dachte, er wäre weitergesegelt und hätte uns im Stich gelassen.“

Drake gab keine Antwort, ihn wurmte es, und der Zorn stieg wieder einmal wie eine glühendheiße Woge in ihm hoch. Er rang nach Luft, reckte sich und schüttelte den Kopf.

„Wenn wir gerecht bleiben wollen, Sir“, hörte er den Kapitän wie aus weiter Ferne sagen, „dann müssen wir zugeben, daß diese Breitseite der Galeere uns voll erwischt hätte, denn wir segelten genau auf sie zu, und haben sie erst dann gesehen, als es bereits zu spät war.“

„Wollen Sie jetzt ein Loblied anstimmen, Mister Fenner, oder darf ich Sie daran erinnern, daß auch wir Kanonen an Bord haben, die feuerbereit sind?“ fragte der Admiral bissig.

Drake wünschte den Seewolf und seine Männer weit fort, nach Möglichkeit bis auf den Mond. Denn er hatte sich diesen Überfall ganz anders vorgestellt, und nun war ihm der Seewolf mit seinem tollkühnen Angriff im allerletzten Augenblick doch noch einmal zuvorgekommen, und die Hurra-Rufe der anderen Engländer galten ihm ganz allein.

Drake gab den Feuerbefehl, und jetzt sprachen auch seine Kanonen und die Hurra-Rufe der anderen Engländer galten ihm ganz allein.

„Sie kehren zurück“, sagte Ben Brighton. „Die ersten beiden drehen wieder bei.“

Die angeschlagenen und durch den blitzartigen Überfall etwas verwirrten Spanier hatten sich neu formiert, bis auf die eine Galeere, die mit Schlagseite ablief und im unteren Teil des Hafens verschwand.

Dafür griffen jetzt die beiden noch in Reserve gehaltenen Kriegsgaleeren in den Kampf ein.

Sie hielten vorerst noch respektvollen Abstand und suchten nach einer Lükke, um sich von Backbord an die „Isabella“ heranzuschieben.

Hasard erkannte diese Absicht jedoch sehr schnell.

„Nachladen, schneller!“ rief er. „Nach Backbord weiter ablaufen, Pete! Setzt die vorderen Drehbassen ein.“

In der Kuhl wurden die Wischer in die Kanonen geschoben, in die Bodensätze der Kanonen wurde Pulver gefüllt, Siebzehn-Pfünder wurden in die Schlünde geschoben, und schon nach erstaunlich kurzer Zeit war die Dreimastgaleone des Seewolfs wieder feuerbereit.

Sie segelte jetzt auf Kollisionskurs der Kriegsgaleere entgegen, aus der lautes Gebrüll tönte.

„Die Kerle werden es doch nicht wagen, uns zu rammen“, meinte der junge O’Flynn. „Dann müßten sie ja bescheuert sein.“

„Das tun sie ganz gewiß nicht, sie werden kurz vorher abdrehen, um uns eine Breitseite zu verpassen, jedenfalls werden sie das versuchen.“

Sie hatten jetzt keine Zeit mehr, sich um die anderen Engländer zu kümmern, denn die Galeere hielt immer noch den Kurs stur auf den Bug der „Isabella“ gerichtet.

„Feuer frei für die Drehbassen!“ rief Hasard.

Er sah, daß der Schiffszimmermann Ferris Tucker seine Höllenflaschen an Deck gebracht hatte, uns sie an Batuti und Big Old Shane verteilte.

„Werft, soweit ihr könnt“, sagte er.

Die Flaschen, ganz normale Weinflaschen, die Ferris mit gehacktem Blei, Eisen und Steinen gefüllt hatte, waren verkorkt und bis an den Hals mit Pulver im oberen Teil gefüllt. Eine Lunte ließ sie zur berechneten Zeit krepieren. Die Höllenflaschen funktionierten auch unter Wasser.

Wieder hackten die Drehbassen ihren tödlichen Hagel in die Galeere, siebten den Bug und rissen Löcher.

„Noch härter Backbord, Pete“, sagte der Seewolf.

„Aye, aye, Sir!“

Pete Ballie war überhaupt nicht aus der Ruhe zu bringen. Wie ein Klotz stand er am Ruder, er schien nicht einmal den Lärm zu hören, sondern konzentrierte sich voll und ganz auf das Schiff, um es immer in der richtigen Position zu halten.

„Recht so, Pete!“

Batuti holte weit aus. Er konnte nicht nur unheimlich weit mit dem Bogen schießen, er verstand sich genauso gut auf das Speerwerfen, und ob er eine Flasche schleuderte oder einen Speer, blieb im Prinzip das gleiche.

Die Flasche sauste durch die Luft, beschrieb einen Bogen und flog auf das Deck, wo die Spanier standen und die Kanonen abfeuern wollten. Gleichzeitig warf big Old Shane die nächste Höllenflasche, dann der Gambianeger wieder die dritte.

Es gab einen Blitz, ein Feuerschein zuckte auf dem Deck der Galeere auf und hüllte alles in Rauch und Feuer.

Erst jetzt änderte sich der Kurs des Schiffes, und drüben versuchten sie verzweifelt, eine weitere Breitseite abzufeuern.

Bei zwei Kanonen gelang das nur, die anderen konnten nicht mehr eingesetzt werden, denn an den Kanonen standen keine Soldaten mehr.

„Verdammt!“ schrie Smoky. „Das gibt wieder Arbeit für Will.“

Im Focksegel erschienen zwei Löcher, als hätte ein Unsichtbarer sie dort sauber hineingestanzt.

„Feuer!“ erklang der Befehl.

Zwei Culverinen fuhren wie bösartige Tiere zurück, als sie mit einem grellen Blitz ihre Kugeln ausspuckten. Die Brooktaue spannten sich und fingen den Rückstoß auf.

Sofort danach schlug es in der Galeere erneut ein. Ein Teil der Riemen verschwand wie wegrasiert, und die Galeere drehte sich hilflos im Kreis. Auf der anderen Seite pullten die Gefangenen weiter und drehten das Schiff noch weiter herum.

Hasard drehte sich um und blickte aus schmalen Augen nach achtern. Ausnahmslos jedes Schiff aus Drakes Verband hatte die englische Flagge gesetzt und suchte sich seinen Gegner.

„Verdammt, ist das ein zäher Brokken“, sagte Ferris Tucker zu dem Profos, „alle Achtung vor den Kerlen, die geben immer noch nicht auf, obwohl sie fast absaufen.“

„Die kriegen wir schon noch“, versprach Carberry grimmig und hielt die glimmende Lunte an das Zündkraut, als der Gegner, der sich als überaus zäh erwies, eine ungünstige Position erwischte.

Der brüllende Abschuß ließ sich mit dem Auge verfolgen. Die Distanz betrug nicht mehr als achtzig Yards, als die Kugel auf die Reise ging.

Diesmal fetzte sie den Bug auseinander. Carberry hatte die Kugel direkt neben den Einschlag der anderen gesetzt, und jetzt erschien ein großes gähnendes Loch in dem Bug.

Den Schlagmann hatte es längst erwischt, an Deck lagen Verwundete herum, und aus dem Innern, von den Ruderbänken, erklangen angstvolle Schreie.

„Ein lausiger Mist ist das!“ schrie Ed aufgebracht. „Wenn sie schon absaufen, dann sollen sie die armen Teufel wenigstens von ihren Ketten losschließen. Himmel, es kotzt mich jedesmal aufs neue an, gegen Galeeren zu kämpfen, ganz einfach aus dem Grund, weil die Männer da unten total hilflos sind.“

Sie kannten die barbarischen Galeeren aus eigener betrüblicher Erfahrung, und die meisten von ihnen hatten selbst auf den Ruderbänken gesessen und sich die Seele aus dem Leib geschunden. Dazu waren sie bei jeder Gelegenheit noch ausgepeitscht worden, und so konnten sie mit dem Gegner mitfühlen.

„Nicht mehr weiterfeuern!“ rief Hasard, als er sah, daß von der Galeere keine Gefahr mehr drohte. Auch er wollte nicht, daß die Gefangenen elend absoffen, ohne Hilfe ertranken und umkamen.

Schwerfällig und angeschlagen trieb das Schiff in der See, doch dann schienen sich die Ruderer selbst befreit zu haben, denn plötzlich wimmelte es an Deck von ihnen.

Wie sie es geschafft hatten, blieb dem Seewolf ein Rätsel, vielleicht hatte es der Einschlag einer Kugel bewirkt, vielleicht hatte jemand im letzten Augenblick sich doch erbarmt und die Kette aufgeschlossen.

Er sah, wie die Männer kopfüber ins Wasser sprangen, schreiend und fluchend und aufklatschend in der See verschwanden, und er gönnte es ihnen.

Sollten sie an Land schwimmen, zum Teufel, sie würden vorerst doch nichts gegen sie unternehmen können.

Er ließ das Schiff auf neuen Kurs bringen, und wandte sich einer weiteren Galeere zu, die sich herangeschlichen hatte.

„Die anderen sind weg“, sagte Ben, „sie haben sich bis auf die eine in den unteren Hafen zurückgezogen. Ha, jetzt hauen die auch ab“, unterbrach er sich.

Der Takt wurde schneller geschlagen, die Kriegsgaleere wich der heransegelnden „Isabella“ aus und suchte ihr Heil in einer blitzschnellen Flucht.

„Wir treiben sie zurück!“ schrie der Profos.

Seine Worte waren in dem Geschrei, dem Donner der Abschüsse und dem allgemeinen Getümmel kaum zu verstehen, aber Carberry nickte grimmig, als die „Isabella“ herumschwenkte und die Verfolgung der Galeere aufnahm.

Sie erreichte sie jedoch nicht mehr. Die Galeere, voller Panik gerudert, war schneller und verschwand im unteren Hafenbereich, wohin auch die anderen gerudert waren.

Inzwischen waren Stunden vergangen, und der Überfall auf Cadiz nahm seinen Lauf.

In der scheinbaren Konzeptionslosigkeit von Drakes Verband, waren gewisse klare Ansätze zu erkennen.

Hasard nahm an, daß Kapitän Borough daran einen besonders großen Anteil hatte, denn immer, wenn er die „Golden Lion“ sah, ging der Kapitän tollkühn, aber überlegt vor und setzte seine Männer keinem unnötigen Risiko aus.

Inzwischen hatte sich der Himmel leicht bewölkt, und über dem Hafen von Cadiz bildeten sich dunkle Rauchwolken.

 

Hasard blickte über sein Schiff, sah die rußgeschwärzten Gesichter der Seewölfe und den Schweiß, der ihnen wie Wasser auf den Gesichtern stand.

Sie hatten pausenlos zu tun, es gab keine Ruhe, und wenn sie nicht an den Kanonen waren, wischten; luden, feuerten, dann standen sie an den Nagelbänken, klarierten die Fallen, trimmten Segel nach oder kümmerten sich um den Nachschub an Kugeln.

„Das sieht nach einem totalen Chaos aus“, sagte Big Old Shane. „Und das dürfte eine Weile dauern.“

„Es wird noch schlimmer werden, denn noch haben wir den Höhepunkt des Überfalls längst nicht erreicht. Ich würde das eher als eine Art Vorgeplänkel bezeichnen. Ist von unseren Männern jemand verwundet?“

„Nein, bisher gab es keinen Ausfall. Wir haben zwei Löcher im Focksegel und einen Kratzer in der Bordwand. Bisher hat uns von den Dons noch keiner ernsthaft erwischt. Die kreuzen hier wie die Verrückten herum, ziellos, voller Panik, und einige haben sich bereits verzogen.“

„Sie formieren sich nur neu“, sagte Hasard. „Das ist die Ruhe vor dem Sturm, Shane.“

Ferris Tucker erschien auf dem Achterdeck. Auch sein Gesicht war schwarz, nur seine Augen leuchteten weiß, und seine roten Haare hingen ihm verschwitzt ins Gesicht.

„Keine Schäden“, meldete er und wischte sich mit beiden Händen über das nasse Gesicht. Er zeigte nach oben auf das Segel.

„Wenn wir das als Schaden bezeichnen wollen, will ich nicht mehr Ferris Tucker heißen. Wir hatten Glück und einen Schutzengel. Hoffentlich hält das so an.“

„Hoffentlich“, sagte auch der Seewolf, und gab an Pete Ballie den Befehl, an den Wind zu gehen und anzuluven.

Al Conroy lud unterdessen immer wieder nach. Er war hier und dort, tauchte überall wie aus den Planken gewachsen auf und kontrollierte alles. Es ging ihm nicht schnell genug, er trieb die Leute an, brüllte und gab Befehle.

„Nicht mehr lange, dann geht der Tanz weiter, und wir müssen jedes Rohr nachgeladen haben, sonst holt euch der Teufel! Und mich auch“, sagte er hinzu.

Der alte O’Flynn hinkte über das Deck und verschwand unten im Achterdeck. Er hatte alle Hände voll zu tun, um die Söhne des Seewolfs zu beruhigen, die an das Schott mit den Fäusten hämmerten und unbedingt an Deck wollten.

O’Flynn hatte sie eingesperrt, denn es konnte nur zu leicht passieren, daß den beiden etwas zustieß. Er hörte sie fluchen, aber er verstand den Sinn der Worte ohnehin nicht, denn sie brüllten in der ihm unbekannten Sprache, aber er begriff durchaus, daß sie ihn meinten und es nicht gerade feine Worte waren, die sie ihm durch das geschlossene Schott zuriefen. Ihr Gebrüll mischte sich mit dem Keckem des Affen und dem Kreischen des Aracanga-Papageis, und was dabei herauskam, tat dem alten O’Flynn in den Ohren weh.

Er verzog schmerzhaft das Gesicht und schlich davon.

Hier oben an Deck war der Teufel los, aber da unten waren zwei kleine Teufel los, und wenn er den Schimpansen dazurechnete, waren es drei, die da um die Wette heulten, tobten, brüllten und schrien.

Selbst am späten Nachmittag gab es immer noch keine Ruhe, das Schießen ging weiter, und die Spanier hatten sich von dem ersten Schock erholt und begannen damit, ihre Schiffe zusammenzuziehen und Ordnung in den Hafen zu bringen.

Immer wieder brüllten die Geschütze auf, ein Eisenhagel nach dem anderen ging über den Hafen, und dazwischen klang das Donnern der Festungstürme, wenn die Kanonen von dort feuerten.

Die „Isabella“ war wieder aufgeklart worden, neuer Sand wurde an Deck gestreut, Kugeln und Pulver aus der Pulverkammer gemannt und an Deck gestellt.

Hasard sah zu dem Flaggschiff des Admirals. Er sah Francis Drake an Deck stehen, und fragte sich zum wiederholten Male, was in dem Manne vorgehen mochte.

Einmal begegneten sich ihre Blicke und verfingen sich ineinander, dann blickte Drake gleichgültig zur Seite und wandte dem Seewolf den Rükken zu.

„Der hat es gerade nötig“, sagte Carberry, „gerade der! Obwohl du ihm jede Hilfe geleistet hast, bleibt der Kerl störrisch wie ein alter Esel. Er ist unbelehrbar, und außerdem wette ich, daß er Gift und Galle spuckt, denn du hast ihm den ganzen Auftakt vermasselt, Sir! Wahrscheinlich hätte er lieber den ersten Eisenhagel geschluckt, als von uns beschützt zu werden.“

„So ist er nun mal“, sagte Hasard. „Ich bin längst über den Punkt hinaus, da ich mich ständig über ihn ärgere. Wir segeln jetzt dort hinüber, Ed“, sagte er und zeigte nach Backbord. „Von dort aus haben wir eine günstige Position und können sofort wieder eingreifen.“

„Aye, aye, Sir.“

Es dauerte keine halbe Stunde mehr, bis sich die Spanier formiert hatten und weiterkämpften.

Noch vor dem Abend begann Cadiz unter dem Kanonendonner der vereinigten englischen Schiffe zu erbeben.

Was der Seewolf als Vorgeplänkel bezeichnet hatte, erwies sich als richtig.

Jetzt ging es los, und über Cadiz tat sich die Hölle auf, eine brüllende gnadenlose Hölle.

Die Hafenstadt hatte etwas Ähnliches noch nicht erlebt …