Die Regulus-Botschaften: Band IV

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Schutz

Mein lieber Freund, meine liebe Freundin, jeder Mensch kennt den starken Impuls, das zu beschützen und zu bewahren, was er liebt. Der sogenannte ›Beschützerinstinkt‹ ist dem Drang nach Fürsorglichkeit sehr nahe.

Liebe ist in ein Höchstmaβ gesteigertes Wohlwollen und will immer das Optimum für den Geliebten. Wie wir wissen, definiert sich die Liebe durch den absoluten Respekt des Soseins des anderen. Mit anderen Worten: Liebe nimmt den anderen nicht nur so, wie er ist, Liebe will ihn auch so. Da Liebe, wie gesagt, das Optimum für den anderen will, sucht sie immer, ihn vor Schaden zu bewahren.

Dieser ›Instinkt‹, dieser Wesenszug ist in der ganzen Schöpfung zu beobachten und ebenso kreatürlich und menschlich wie göttlich. Obwohl dieses Attribut, wie auch das der Fürsorge, vor allem der Mütterlichkeit zugeordnet wird, ist es doch ebenso sehr ein väterliches. Wie wir es bei der Fürsorge schon gesehen haben, so dient auch die Schutzfunktion sowohl der Lebenserhaltung als auch der Steigerung der Lebensqualität. Wenn wir im direkten Zusammenhang mit der Liebe von Schutz sprechen, dann kann Schutz nur definiert werden als der heftige und unwiderstehliche Drang, den anderen vor Verletzung zu bewahren.

Wer liebt, der zollt dem geliebten Wesen ganz selbstverständlich den Respekt seines Gesamtwesens in all seinen Facetten und damit auch seines freien Willens. Ebendiese Willensfreiheit impliziert, dass jeder Mensch die Möglichkeit wie auch die Freiheit besitzt, sich selbst in qualvolle Situationen zu bringen. Es gehört wohl mit zum Schwierigsten und Schmerzlichsten menschlicher Erfahrungsrealität, ›mit ansehen zu müssen‹, wenn ein von Herzen geliebter Mensch in misslicher Lage leidet. Da Verletzung und Not letztlich immer selbst verursacht sind – wir erinnern uns an Band I Des Menschen Wunsch und Gottes Wille –, kann Schutz immer nur Schutz vor Selbstverletzung bedeuten. Die Ermahnung zur Selbstliebe ist die höchste, weiseste und wirkungsvollste Form von Schutz, die Du einem anderen angedeihen lassen kannst.

Wie könntest Du einen anderen besser beschützen, als ihn stark zu machen im Glauben an sich selbst?

Die Ermahnung zur Selbstliebe ist das kompromissloseste, eindeutigste und umfassendste ›Ja‹, das ein Mensch einem anderen jemals anbieten kann. Schutz ist niemals partiell, also nie ausschließend. Der Aufruf zur Selbstliebe ist Liebe in ihrer höchsten und schönsten Ausprägung, denn er ist Angebot von Unabhängigkeit und Freiheit.

Wer beschützen will, fördert die Autonomie des anderen wie auch die eigene, denn Dein Selbstschutz ist der beste Schutz für all jene, die Du liebst. Wo keine Abhängigkeiten sind, sind auch keine Zwänge, keine Überforderung und keine Ausbeutung. Es kann gar nicht deutlich genug gesagt werden, wie sehr der Glaube an die Kraft des anderen und das Vertrauen in seine Stärke ungeahnte Kräfte und ungenutzte oder unerkannte Potenziale in ihm zum Vorschein bringen und mobilisieren kann. Nichts spornt einen Menschen mehr zu Höchstleistungen an als das Vertrauen, das ein anderer in ihn setzt. Der Mensch, an den geglaubt wird, kann an sich selbst glauben. Das ist aktiver Schutz und die Weisheit der Liebe weiß, an welchem Punkt sie handelnd eingreifen muss und wann nicht.

Wenn man beschützen will, muss man die Grenzen kennen, die eigenen wie auch die des anderen.

Liebe wertet nicht, Liebe liebt. Sie erkennt die Grenzen ebenso freudig an und heißt sie so herzlich willkommen wie die Potenziale und Fähigkeiten. In der Liebe verschwimmen die Grenzen zwischen den Grenzen und den Potenzialen und verwachsen ganz einfach miteinander zu der geliebten Gesamtpersönlichkeit. Der Mensch wird in seiner ganzen Individualität geliebt, in der alle Charakterzüge in des Menschen ganz persönlicher Eigenart harmonisch miteinander verschmelzen.

Und damit wären wir am Ende unserer Ausführungen zum Thema Schutz, denn hier, bei der bedingungslosen Liebe, schließt sich der Kreis. Die Liebe ist das Beste, das man einem Menschen und jeder Kreatur antun kann. Punktum. Die Liebe als solche bietet dem Geliebten völlig selbstverständlich Schutz, und zwar ganz und gar aus sich selbst heraus, durch ihr reines Sein. Der Mensch, der geliebt wird, lebt wie in einer Wolke aus Licht. Die Wirkungen dieser Liebe sind schier unbeschreiblich, sie wirkt ähnlich wie ein Blitzableiter und fügt die Dinge auf wundersame Weise. Wo Liebe ist, da geschehen immer Wunder. Wer die Liebe liebt und echte Begeisterung für sie aufbringt, dem erschließen sich diese Wunder auf ganz einfache Weise. Für die Liebe ist ein Wunder eine ganz natürliche Sache, ist sie doch selbst ein Wunder. Liebe, die Schöpferkraft schlechthin, ist sowohl die natürlichste als auch die wunderbarste Sache der Welt, im wahrsten Sinne der Worte. So Du dies wirklich verstehst, tun sich Dir neue Welten auf. Gott schütze Dich.

»In einem Augenblick gewährt die Liebe,

was Mühe kaum in langer Zeit erreicht.«

Johann Wolfgang von Goethe

Unterstützung

Mein lieber Freund, meine liebe Freundin, Unterstützung, Förderung und Ermutigung sind Liebesbezeugungen, die oftmals allzu leichtfertig hingenommen und in ihrer Bedeutung abgetan werden.

Förderung und Unterstützung erfordern konsequente Anteilnahme am Leben und Werdegang des anderen. Konsequenz in der Liebe bedeutet beständige Akzeptanz und ausnahmslosen Respekt des jeweiligen Standpunktes wie auch des Weges, den der andere zu gehen wählt. Unterstützung bedeutet nicht Bevormundung, denn dann ist sie keine.

Wie wir weiterhin sehen werden, ziehen sich der absolute Respekt vor dem Individuum und seinem freien Willen wie ein roter Leitfaden durch all unsere Worte. Man liebt den anderen, wie er ist, oder gar nicht. Wer einen Menschen wie bei einer Autopsie in ›geliebte‹ und ›unerwünschte‹ Eigenschaften seziert, der versucht, eine Persönlichkeit zu kreieren, die er nicht ist, und einen künstlichen Menschen zu erschaffen, den es so nicht gibt. Das aber ist keine Liebe, sondern Illusion, denn was der Mensch hier zu lieben glaubt, ist ein Phantom. Liebe kann und will nur das lieben, was da ist. Alles andere ist Hirngespinst und zerstörerisch für beide Seiten.

Liebe ist niemals Bevormundung, führt diese doch immer in Abhängigkeiten und somit in emotionale Gefangenschaft. Weise, liebevolle Unterstützung wirkt einem guten Therapeuten gleich, der seinen Patienten dahingehend führt, dass dieser die Antworten auf all seine Fragen selbst findet. Förderung stützt, was da ist, und ersetzt es nicht durch wesensfremde Inhalte. Eine konstruktive Unterstützung fördert und ermutigt schon allein dadurch, dass sie erst dann eingreift, wenn sie vonnöten ist und in irgendeiner Weise erbeten wird. Es ist dem Menschen zutiefst Bedürfnis, sich selbst ›auszuprobieren‹, seine Grenzen auszuloten und sich selbst durch seine persönlichen Erfahrungen zu definieren.

Die größte und stärkste Wirkung von Unterstützung liegt allein in der Gewissheit, dass sie da ist, wenn man sie braucht. Niemand braucht weniger Hilfe als derjenige, der sich ihrer sicher sein kann. Der Hochseilartist kann sowohl sichere als auch gewagte und neue Schritte vollführen, weil er um das Netz weiß. Was er ohne Netz kaum je gewagt hätte, jetzt schafft er es anmutigen Schrittes und leichten Herzens. Das Netz ›tut‹ nichts, es ist einfach nur da.

Liebe ist immer auch Loslassen. Förderung ist nur dann förderlich, wenn sie in die Richtung geht, in die sie gehen will. Liebe fordert den geliebten Menschen immer dazu auf, ganz und gar er selbst zu sein. Wo wir im anderen nur die Ausdehnung von uns selbst sehen, haben wir die Liebe nicht verstanden.

Wenn ein geliebtes Wesen Dich nicht mehr überraschen darf, dann ist es nicht länger geliebt.

Die Unterstützung und Ermutigung der anderen trägt immer auch die Komponente der Rückkoppelung an eigene, ungenutzte Potenziale in sich. Niemand kann eines anderen Ratgeber und Stütze sein, ohne es sich selbst zu sein, denn Lehren bedeutet immer auch Lernen. Wie wir schon oft sagten, geht Liebe immer in alle Richtungen gleichzeitig und so geht auch der unterstützende Helfer jedes Mal gestärkt aus der Situation hervor. Wer heute Dein Schüler ist, wird morgen Dein Lehrer sein und Dein Lehrer von heute, ist Dein Schüler von morgen. Was Du lehrst, das lernst Du und was Du lernst, das lehrst Du.

»Schenke mir keine Fische,

sondern zeige mir, wie man fischt.«

Altes indianisches Sprichwort

Herzlichkeit

Mein lieber Freund, meine liebe Freundin, wenn der Mensch erst einmal damit aufhört, etwas Nettes zu sagen, dann hat er meist auch damit aufgehört, etwas Nettes zu denken. Herzlichkeit ist mehr als freundliche Worte und höfliche, gute Manieren im Umgang miteinander.

Herzlichkeit ist die Pflege der Liebe. Sie ist bewusst gelebte Liebe, die in jedem Augenblick nach warmherzigem Ausdruck verlangt. Herzlichkeit ist die unverfälschte Kommunikation des Herzens. Keine andere menschliche Eigenart drückt sich so stark und eindeutig in der Mimik, der Gestik und der gesamten Körpersprache aus wie die Herzlichkeit.

Verbale Herzlichkeit spiegelt sich in Höflichkeit wider. Ehrliche Höflichkeit, die dem Respekt entstammt, ist eine echte Herzensangelegenheit. Wo Herzlichkeit und Höflichkeit im Gespräch und im Umgang schwinden, da ist auch keine Liebe. Höflichkeit ist die wohl eleganteste Form der Rücksichtnahme (Anm. der Verfasserin: Scherzhaft gesagt) und dazu noch eine sehr wirkungsvolle.

 

Wir reden hier nicht über altmodische Benimmregeln ohne echte Inhalte, die gerade wieder ›en vogue‹ sind. Wir reden über ganz konkret im Alltagsleben ausgedrückte Liebe. Herzlichkeit im aktiven Umgang miteinander entspringt echter Warmherzigkeit, ebenso wie Höflichkeit echtem Respekt entspringt. Deshalb sind beide, Herzlichkeit und Höflichkeit, unmöglich zu heucheln. Die Augen und die Ohren mag man bisweilen täuschen können, doch Herzlichkeit ist eine Sprache von Herz zu Herz und auf dieser Ebene der Erfahrung ist Vortäuschung falscher Tatsachen ewig unmöglich. Wenn wir von Herzlichkeit sprechen, dann kommen wir um den Humor nicht herum. Die Tatsache, dass Liebende ständig und wunderbar miteinander und zuweilen auch übereinander (Anm. der Verfasserin: Scherzhaft gesagt) lachen können, ist einer der höchsten Genüsse der Liebe und Quelle tagtäglichen Glücks.

Im Humor feiert sich die Liebe selbst. Herzlichkeit ohne Humor ist unmöglich.

Wie wir zu Beginn sagten, ist Herzlichkeit die Pflege der Liebe. Wenn ein Mensch die Herzlichkeit seinen Lieben gegenüber einbüßt, dann mangelt es ihm an Warmherzigkeit für sich selbst. Härte und Kälte sich selbst gegenüber bringen immer gleiche Entbehrungen für die Mitmenschen hervor. Im Übrigen ist es weise, sich selbst dieselbe Achtung und den gleichen Respekt entgegenzubringen, die man anderen zollt. Was Du nicht hast, kannst Du auch nicht verschenken.

Heitere, gelassene Herzlichkeit zwischen zwei Menschen ist schlussendlich eine Frage sowohl der Vertrautheit als auch des Vertrauens. Vertrauen ist das Unterpfand der Liebe, Vertrautheit ist ihr Lohn. So kann eine lebendige, rührige Liebe niemals ohne Herzlichkeit gedeihen. Sie ist der selbstverständliche, vorherrschende Grundtenor zwischen zwei Liebenden und Garant beständigen Glücks. Herzlichkeit und Höflichkeit öffnen Türen, Tore und vor allem Herzen.

Die Präsenz eines herzlichen Menschens ist immer ein starker Magnet und wirkt wie Balsam für die Seele. Es ist unmöglich, einen höflichen und herzlichen Menschen zu fürchten. Wie wir in unseren vorherigen Botschaften wiederholt betont haben, kann man einen Menschen unmöglich gleichzeitig lieben und fürchten.

Herzliche Menschen fördern das Grundvertrauen in die menschliche Natur und damit letztlich auch das Vertrauen in sich selbst. Sie verbreiten Zuversicht, die immer neue, frische Energien freisetzt, und sind daher eine echte Wohltat für ihre gesamte Umgebung.

»Der Verstand kann uns sagen,

was wir unterlassen sollen.

Aber das Herz kann uns sagen,

was wir tun müssen.«

Joseph Joubert

Freundschaft

Meine liebe Freundin, mein lieber Freund, Freundschaft ist eine Lebenserfahrung ganz besonderer Art. Wenn wir an Freundschaft denken, kommen uns Begriffe wie ›Beständigkeit‹ und ›Treue‹ in den Sinn. In keinem anderen Lebens- und Liebesbereich sucht der Mensch sich selbst so sehr wie in der Freundschaft und in keinem anderen Bereich hofft und erwartet er, sich selbst so sehr wiederzufinden wie in seinen freundschaftlichen Bindungen.

Nach der Eltern-Kind-Beziehung ist die Freundschaft in der Regel die früheste Erfahrung des noch jungen Menschen mit der Liebe. Dies macht sie prägend für sein ganzes weiteres Leben. Mehr noch als in der Partnerschaft erwarten wir Einigkeit im Geiste mit unseren Freunden, besonders in den gleichgeschlechtlichen Freundschaften. In jedem Liebesausdruck sucht der Mensch immer auch sich selbst, doch nirgendwo sonst erwartet er so viel Verständnis wie in seinen freundschaftlichen Beziehungen.

Die Freundschaft als solche ist getragen von ihren Gemeinschaftlichkeiten. Die vereinenden Wesensaspekte sind der Freundschaft Nahrung und tragen sie über trennende Unterschiede hinweg. In den menschlichen Freundschaften zeigen sich die wohltuenden Bande liebenden So-seinLassens häufig am deutlichsten. Wenn die freundschaftliche Liebe auch nicht allen und denselben Prämissen partnerschaftlicher Liebe folgt, so ist sie doch ebenso von einer ganz besonderen Komplexität. Eure freundschaftlichen Bindungen sind wie Orte der Erholung und des Ausruhens, denn hier gehen verstehendes Engagement und Loslassen Hand in Hand.

Oftmals sind Eure freundschaftlichen Beziehungen befriedigender als Eure partnerschaftlichen, denn es mag mitunter leichter fallen, an den Freund keine eigennützigen, übertriebenen oder unrealistischen Erwartungen oder gar Forderungen zu stellen als an den Partner. Hier könnt Ihr von Euren Freundschaften viel für Eure Partnerbeziehungen lernen. Wo bedingungslose Akzeptanz des Partners in seiner ganzen Individualität den Ton angibt, da ist der Liebespartner auch immer der beste und intimste Freund.

Liebe ohne Freundschaft ist Liebe ›auf Distanz‹ und somit gar keine, denn Liebe definiert sich durch Nähe und Einheit. Die Freundschaft ist sozusagen die Gastfreundschaft der Liebe, das herzliche, innige Willkommenheiβen des anderen, denn dem Freunde öffnet der Mensch sein Herz und seinen Geist.

Wahre Freundschaft kennzeichnet sich dadurch, dass die individuelle Persönlichkeitsentwicklung des anderen ohne Wenn und Aber begrüßt, begleitet, ja sogar angeregt wird. Der wahre Freund ›erkennt‹ den Freund in jeder Lebenslage. Übrigens sei an dieser Stelle gesagt, dass wohl jeder Mensch sich einen guten und treuen Freund wünscht und sucht, sich jedoch kaum jemand fragt, ob er denn auch einer sei. (Anm. der Verfasserin: Scherzhaft gesagt.) Wer einen Mangel an stabilen Freundschaften in seinem Leben zu beklagen hat, sollte sich die Frage stellen, ob er denn überhaupt zur Freundschaft bereit ist, denn Freundschaft erfordert Hingabe und kennzeichnet sich durch emotionalen Aufwand.

Einen treuen Freund zu haben, ist ein Segen, ein treuer Freund zu sein, ist Gnade.

Bevor Du nach Freundschaft in Deiner Außenwelt Ausschau hältst, solltest Du in Deinem Inneren nach ihr suchen. Freundschaft bringt Sicherheit, vor allem aber Geborgenheit und Wärme ins Leben. Wie ist es um Deine Freundschaft mit Dir selbst bestellt? Bist Du Dir selbst ein wahrer, verlässlicher und ehrlicher Freund? Die tiefste, innigste und wichtigste Freundschaft, die der Mensch haben kann, ist eine lebenslange Freundschaft mit sich selbst.

Erachtest Du Dich selbst Deiner eigenen Freundschaft wert? Und tust Du es nicht, wie kannst Du sie von anderen erwarten?

In dem Maße, in dem Du Dir selbst in Freundschaft treu ergeben bist, kannst Du es auch anderen sein. Die Freundschaft mit Dir selbst zieht die bewusste Erfahrung der Freundschaft mit Gott nach sich. Wer sich selbst ›für gut befunden‹ hat, fürchtet auch nicht länger seinen Schöpfer. Du kannst immer nur von Dir selbst auf Deinen Gott schließen, so wie Du ebenso nur von Deinem Gott auf Dich selbst schließen kannst. Wer mit Gott Freundschaft schließt – und einen besseren Freund kannst Du nicht haben –, der impliziert bald die ganze Schöpfung. So und nur so, schließt Du schließlich Freundschaft mit Deinem Leben und allem, was darin geschieht.

Freundschaft mit Deinem Leben und seinem Verlauf erschafft ein unerschütterliches Urvertrauen und lässt Dich zu einer tiefen Gelassenheit heranreifen. Hier herrscht der alles heilende Seelenfrieden, nach dem Du Dich aus tiefstem Herzen sehnst. Dein eigener Seelenfrieden ist das größte Geschenk, das Du dieser Welt und Dir selbst machen kannst. Was Segen für Dich ist, ist Segen für alle.

»Ein Freund ist ein Mensch,

vor dem man laut denken kann.«

Ralph Waldo Emerson

Loyalität

Mein lieber Freund, meine liebe Freundin, das Wörterbuch umschreibt den Begriff der Loyalität mit Worten wie Treue oder Rechtschaffenheit. Am besten trifft wohl der Begriff der Brüderlichkeit zu, denn Loyalität im zwischenmenschlichen Bereich kennzeichnet sich in weiten Teilen durch Ebenbürtigkeit.

Wenn sich bei dem Begriff Loyalität auch erst einmal der Gedanke an Beziehungen wie das Chef-AngestelltenVerhältnis aufdrängt, so steht wahre Loyalität doch auch hier ganz unter dem Stern der Ebenbürtigkeit. Loyalität ist nur innerhalb eines ausgewogenen Kräfteverhältnisses möglich, denn wo sie nicht von Herzen kommt, handelt es sich um Unterwürfigkeit. Die aber hat nichts zu tun mit ehrlich empfundener Loyalität.

Ein loyales Wesen setzt ein hohes Maß an menschlicher Reife voraus, denn es fußt auf tiefer Treue gegenüber den eigenen Werten, die sich nicht mit hohlen Lippenbekenntnissen zufriedengibt. Auf die Frage an unser Medium, was sie denn unter Loyalität verstehe, antwortete sie – ich zitiere wörtlich: »Loyalität ist, wenn ein Mensch mir niemals in den Rücken fällt, wenn er auch in schlechten Tagen nicht die Dinge gegen mich benutzt, die ich ihm in guten anvertraut habe. Das ist Loyalität!« Nun, was wäre dem noch hinzuzufügen?

Wie wir sehen, ist Loyalität sozusagen ›Treue, die über die Treue hinausgeht‹. Hier zeigt sich, warum Loyalität durchaus mit unpopulär gewordenen Worten wie Anstand oder Redlichkeit umschrieben werden kann. Wirkliche Loyalität, die auf Herzens- und Charakterbildung basiert, ist dem Wert als solchem verhaftet und fühlt sich ihm verpflichtet. Mit anderen Worten: Ein loyaler Mensch ist grundsätzlich loyal und nicht nur einem einzigen auserwählten Menschen gegenüber. Wenn sich Loyalität auf eine einzige Person beschränkt, hat sie meist weitaus mehr mit Manipulation zu tun als mit Herzensgröβe und Charakterstärke.

Ein loyaler Mensch steht ohne Wenn und Aber zu seinem Wort und dreht sein Fähnchen niemals nach dem Winde. Loyalität ist ein Anker in stürmischer See. Wo sie fehlt, da verliert sich die Liebe in der Grauzone von Unsicherheit und Verwirrung und schließlich in der Enttäuschung. Ein wahrhaft loyaler Mensch genießt das ihm entgegengebrachte Vertrauen ganz und gar zu Recht. Loyalität kann nur dort keimen und wachsen, wo der Mensch liebt und die Menschlichkeit des anderen wie auch die eigene vorbehaltlos akzeptiert. Ein ehemaliger Freund mag dir ein Fremder werden, doch wird er niemals ein Feind: Das ist Loyalität!

Es versteht sich von selbst, dass Loyalität bei der Treue sich selbst gegenüber anfängt und hier geübt wird. Loyalität ist weder zeit- noch situationsgebunden, dieser Umstand macht sie erst aus und zu dem, was sie ist. Wer in schlechten Zeiten nicht loyal ist, der ist es nie gewesen. Nur durch das uneingeschränkte ›Ja‹ zu Dir selbst kannst Du zum ›Ja‹ für den anderen finden.

Loyale Menschen erspüren sich gegenseitig und haben feine Antennen für die Ehre des anderen. Loyalität, die echter Liebe entspringt, weiß weise zu reden und noch weiser zu schweigen. Und genau hier, in ihrem Schweigen, liegt bisweilen eine gewisse Tragik: Der Mensch übersieht mitunter wahre Loyalität, weil er das Schweigen überhört.

»Man erwirbt keine Freunde,

man erkennt sie.«

Wilhelm Busch

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