Volkswirtschaft, 4. Auflage

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1.2.5 Das gesamtwirtschaftliche Vermögensänderungskonto und die Beziehung zwischen Sparen und Investieren

Bildung und Finanzierung von Produktivvermögen

Der gesamtwirtschaftliche Vermögensbegriff ist produktionsbezogen, d. h., als Vermögensbildung gilt nur, was entweder direkt der Produktion dient wie die Nettoinvestitionen (Sachvermögensbildung) oder ihr zumindest indirekt als Finanzierungsquelle der Nettoinvestitionen über das Sparen (Reinvermögensbildung) zugute kommt. Übersteigt die Reinvermögensbildung die Sachvermögensbildung und treten demnach Finanzierungsüberschüsse (FÜ) auf, so kommt es zur Geldvermögensbildung. Das Vermögensänderungskonto macht diese Vorgänge sichtbar und übernimmt dabei wiederum die Funktion, die Gegenbuchungen zum Produktions- und Einkommenskonto aufzunehmen, und zwar in Gestalt der Bruttoinvestitionen und Abschreibungen bzw. in Gestalt des Sparens.

Allerdings tritt dabei das Problem auf, dass die Bruttoinvestitionen (Ib) und Abschreibungen (D) bzw. deren Differenz, die Nettoinvestitionen (In), nach dem Inlandskonzept, das Sparen (S) aber nach dem Inländerkonzept ermittelt worden sind. Ist es also zu einem Finanzierungsüberschuss gekommen, weil das Sparen größer als die Nettoinvestitionen war (S > In), so kann dieser Finanzierungsüberschuss nicht nur darauf zurückgeführt werden, dass ein Exportüberschuss (Ex > Im) entstanden ist, sondern es können auch Finanzierungsmittel aus der Differenz von Nettoprimäreinkommen aus der übrigen Welt (PEN←üW) und Nettotransferzahlungen an die übrige Welt (TrN→üW) zugeflossen sein. Für den Fall S > In muss also für den Saldo des Vermögensänderungskontos gelten: FÜ = Ex + Im + PEN←üW − TrN→üW. Die einzelnen Komponenten des Saldos sind gleichsam die noch fehlenden Gegenbuchungen zum Produktions- und Einkommenskonto, die wir aber noch gesondert auf dem Konto der übrigen Welt erfassen werden.

Wird das gesamtwirtschaftliche Vermögensänderungskonto auf die beschriebene Weise gefüllt und saldiert, so wird es auf das Inländerkonzept vereinheitlicht und erhält folgende Gestalt:


Sparen gleich Investieren

Das gesamtwirtschaftliche Vermögensänderungskonto führt uns zu der wichtigen Einsicht, dass die Höhe des gesamtwirtschaftlichen Sparens aufgrund der Begriffswahl in einer geschlossenen Volkswirtschaft (d. h., ohne Berücksichtigung der Wirtschaftsbeziehungen zur übrigen Welt wie z. B. durch Export und Import) am Ende der Rechnungsperiode immer den Nettoinvestitionen entsprechen muss: S = In.

Investitionen ohne Sparen nur durch internationale Verschuldung oder Geschenke

Positive Nettoinvestitionen und damit eine Ausdehnung des Sachkapitalbestandes bzw. der zukünftigen Produktionskapazitäten sind also in einer geschlossenen Volkswirtschaft nur durch Konsumverzicht möglich. Länder, die sich aufgrund eines ohnehin geringen Versorgungsniveaus der Bevölkerung mit Konsumgütern keinen weiteren Konsumverzicht leisten können und demnach Schwierigkeiten mit dem Sparen haben, können Investitionen daher zwangsläufig nur durch Öffnung ihrer Volkswirtschaft und über einen Importüberschuss (Im > Ex) und damit durch Verschuldung in der übrigen Welt finanzieren. Die Verschuldung lässt sich lediglich durch empfangene Nettoprimäreinkommen aus der übrigen Welt (PEN←üW) oder/und durch empfangene Nettotransferzahlungen („Geschenke“) aus der übrigen Welt (TrN←üW = − TrN→üW) mildern. Für diejenigen, die es genau wissen wollen:

In einer offenen Volkswirtschaft gilt nach den bisherigen Begriffen bzw. Symbolen:

S = Yv − C = NNE − TrN→üW − (Cpr + Cst) = NIP + PEN←üW − TrN→üW − (Cpr + Cst)

S = Cpr + Cst + Ibpr + Ibst + Ex − Im − D + PEN←üW − TrN→üW − (Cpr + Cst)

S = Ibpr + Ibst − D + Ex − Im + PEN←üW − TrN→üW

S = In + Ex − Im + PEN←üW − TrN→üW

Wenn S = 0, dann gilt:

In = (Im − Ex) − PEN←üW + TrN→üW = (Im − Ex) − PEN←üW − TrN←üW

Die Nettoinvestitionen (In) sind in diesem Fall mit einem Finanzierungsdefizit ((Im − Ex) − PEN←üW − TrN←üW) auf der rechten Seite des gesamtwirtschaftlichen Vermögensänderungskontos verbunden. Es entspricht dem Leistungsbilanzdefizit, wie wir im 8. Kapitel bei der Darstellung der Zahlungsbilanz noch sehen werden. Das Land ist also in diesem Fall voll auf die Hilfe aus der übrigen Welt angewiesen.

Situationsbezogene Antwort 5

Unter volkswirtschaftlichem Blickwinkel liegt eine Vermögensbildung nur dann vor, wenn es sich um Produktivvermögen handelt, d. h., wenn sich die Produktionsmöglichkeiten erhöhen. So stellt z. B. die Wohnzimmereinrichtung, selbst z. B. ein wertvoller Kunstgegenstand, kein Produktivvermögen dar, da sie nicht wieder der Produktion dient. Produktivvermögen wird direkt durch die Bildung von Sachvermögen über Investitionsgüter geschaffen, indirekt durch die Bildung von Reinvermögen durch Sparen zur Finanzierung des Sachvermögens. Daneben dienen auch durch Abschreibung gewonnene Finanzierungsmittel der Sachvermögensbildung.

Installationsmeister Röhrl hat zunächst dadurch zur volkswirtschaftlichen Sachvermögensbildung beigetragen, dass er mit der Erweiterung seines Firmengebäudes eine Bruttoinvestition und unter Abzug der bereits angefallenen Abschreibung auf dieses Gebäude auch eine Nettoinvestition getätigt hat. Sie wurde mit Eigenmitteln durch das Sparen (Reinvermögensbildung) seines Unternehmens finanziert, das seinem verfügbaren Selbständigeneinkommen als versteuertem, nicht ausgeschüttetem Gewinn entspricht. Sollten die Eigenmittel bzw. das Sparen zur Finanzierung nicht ausgereicht haben, so muss es zu einem Finanzierungsdefizit, also zu einer negativen Geldvermögensbildung, gekommen sein, d. h., es muss z. B. eine Kreditfinanzierung vorgelegen haben.

Ein weiterer Beitrag zur volkswirtschaftlichen Vermögensbildung könnte über den privaten Haushalt von Installationsmeister Röhrl außerhalb seines Unternehmensbereichs dadurch erfolgt sein, dass sein weiteres verfügbares Selbständigeneinkommen als versteuerter, ausgeschütteter Gewinn von ihm nicht voll zum Konsumgüterkauf (z. B. Anschaffung einer neuen Wohnzimmereinrichtung) verwendet, sondern zum Teil gespart wurde (z. B. als Bankguthaben oder durch Aktienerwerb). Dieses Sparen würde dann (z. B. unter Vermittlung des Bankensektors) zur Finanzierung von Nettoinvestitionen in anderen volkswirtschaftlichen Produktionsbereichen (z. B. auch im staatlichen Sektor durch den Erwerb von Staatsanleihen) dienen.

Situationsbezogene Frage 6

Wie stellen sich die Geldbewegungen bzw. die eingesetzten Finanzierungsmittel bei der Betriebstätigkeit von Installationsmeister Röhrl und bei seinen Kunden aus volkswirtschaftlicher Sicht dar?

1.2.6 Das gesamtwirtschaftliche Kreditänderungskonto

Bei der Buchung der wirtschaftlichen Aktivitäten von Tauschpartnern darf nicht übersehen werden, dass es sich um unterschiedliche Personengruppen in Gestalt der Verkäufer und Käufer handelt, bei denen nicht gleichzeitig der Verkauf und Kauf gebucht wird. Zwischen Leistung und Gegenleistung vergeht meist Zeit. Sie wird durch das Auftreten von Forderungen und Verbindlichkeiten überbrückt. Am Beispiel des privaten Konsums wird dies deutlich:

Tauschaktivitäten führen zu Forderungen und Verbindlichkeiten

Der Verkauf der privaten Konsumgüter auf der rechten Seite des Produktionskontos führt bei den Verkäufern zunächst zu einer Forderungszunahme bzw. Verbindlichkeitsabnahme, die eigentlich auf der linken Seite eines eigenständigen Kontos, des Kreditänderungskontos, gegengebucht werden müsste. Die Forderungszunahme wird z. B. durch eine Rechnung dokumentiert und besteht darin, dass die Käufer die Gegenleistung zunächst schuldig bleiben. Sie tritt aber auch bei einer Geldzahlung als Gegenleistung bzw. der Rechnungsbegleichung auf, denn Geld (Bargeld oder Buchgeld) stellt immer eine Forderung dar, wie wir noch zeigen werden (vgl. Abschnitt 6.1.4). Im Gegenzug erscheint der Kauf der Konsumgüter als Einkommensverfügung auf der linken Seite des Einkommenskontos und führt zu einer Verbindlichkeitszunahme bzw. bei Geldzahlung zu einer Forderungsabnahme bei den Käufern. Sie ist auf der rechten Seite des Kreditänderungskontos gegenzubuchen. Das Kreditänderungskonto legt also die Verteilung der Gläubiger- und Schuldnerpositionen offen. Nur wer diese Information wünscht, benötigt das Konto. Ansonsten ist es überflüssig. Da in einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne wirtschaftliche Außenbeziehungen die Gläubiger- und Schuldnerpositionen in der Summe einander entsprechen müssen, kann in diesem Fall auch kein Saldo entstehen. Er kann nur in einer offenen Volkswirtschaft auftreten und ist dann identisch mit dem Saldo des Vermögensänderungskontos.


Situationsbezogene Antwort 6

Da Geld in jeder Form (z. B. als Bargeld oder Bankguthaben auf dem Girokonto) eine Forderung für den Geldbesitzer und entsprechend eine Verbindlichkeit für den „Produzenten“ des Geldes darstellt, gilt dies auch für die Geldbewegungen bzw. die eingesetzten Finanzierungsmittel bei der Betriebstätigkeit von Installationsmeister Röhrl und bei seinen Kunden. So führt z. B. die Installation einer Pelletheizung mit anschließender Rechnungsstellung durch Installationsmeister Röhrl bei ihm in seiner Betriebsbuchführung zu einer Forderungszunahme und entsprechend beim Kunden zu einer Verbindlichkeitszunahme. Bezahlt der Kunde eines Tages die Rechnung bar oder durch Banküberweisung, so nimmt zwar die Rechnungsforderung bei Installationsmeister Röhrl bzw. die Rechnungsschuld bei seinem Kunden ab, im Gegenzug bekommt er aber von seinem Kunden eine andere Forderung, nämlich eine Forderung gegen die Europäische Zentralbank (EZB) bei Barzahlung oder eine Forderung gegen eine Bank bei Banküberweisung. Er kann dann diese neue Forderung selbst z. B. beim Güterkauf als Gegenleistung einsetzen.

 

Da grundsätzlich jeder Forderung irgendwo eine Verbindlichkeit bzw. einem Gläubiger ein Schuldner gegenüberstehen muss, ist klar, dass bei einer Zusammenfassung von Installationsmeister Röhrl und seinen Kunden zu einer gemeinsamen Gruppe ohne weitere Außenbeziehungen, die Forderungen und Verbindlichkeiten dieser Gruppe sich zu Null saldieren müssen. Das gilt auch für eine geschlossene Volkswirtschaft. Nur in einer offenen Volkswirtschaft, d. h., im Außenverhältnis gegenüber Dritten kann überhaupt in der Summe ein Saldo als Gläubiger- oder Schuldnerposition auftreten.

Die Installation einer Pelletheizung durch Installationsmeister Röhrl bei einem Kunden in Österreich als Export führt zwar zu einer Forderungszunahme der deutschen Volkswirtschaft gegenüber der österreichischen Volkswirtschaft. Da Österreich aber ebenso wie Deutschland der Europäischen Währungsunion (EWU) angehört, würde eine Rechnungsstellung und Rechnungsbegleichung in Euro (EUR) zu Forderungen und Verbindlichkeiten führen, die innerhalb der geschlossenen Volkswirtschaft der EWU einander entsprechen müssen. Es kann dann auch keinen Export innerhalb dieses geschlossenen Systems geben, so wie es z. B. keinen Export von Bayern nach Sachsen gibt. Das würde sich erst dann ändern, wenn Installationsmeister Röhrl seine Pelletheizungen eines Tages in den USA oder in Schweden installiert, also in Ländern außerhalb der EWU. Es kommt also darauf an, wie eine Volkswirtschaft abgegrenzt und was z. B. unter Inländer und Inland bzw. Ausländer und Ausland verstanden wird. Im 8. Kapitel werden wir uns mit diesen Fragen näher beschäftigen.

Situationsbezogene Frage 7

Hat Installationsmeister Röhrl mit der Verbesserung seiner Gewinnsituation auch seine Güterversorgung verbessert?

1.2.7 Nominal- und Realgrößen

Nur Realgrößen zeigen die tatsächliche Güterversorgung

Bei den volkswirtschaftlichen Leistungsgrößen und ihren Komponenten handelt es sich zunächst im Kern um Mengengrößen (Realgrößen). Da Mengen mit ihren unterschiedlichen physikalischen Maßeinheiten (z. B. Kilogramm, Liter, Stück, m2 etc.) nicht einfach addiert werden können, müssen sie auf einen einheitlichen Nenner gebracht werden. Als gemeinsamer Nenner dient der Preis, also die Anzahl der Geldeinheiten (z. B. 4 EUR) pro Mengeneinheit, mit dem die Anzahl der unterschiedlichen Mengeneinheiten multipliziert wird. Die Mengen werden dadurch in einheitliche (z. B. in EUR bewertete) Geldgrößen (Nominalgrößen) umgewandelt und lassen sich dann addieren. Als Preis wird bei der Ermittlung des Inlands- bzw. Sozialprodukts der Marktpreis genommen, der sich aus dem Herstellungspreis und der Differenz aus indirekten Steuern und Subventionen (Tind − Z) zusammensetzt. Sofern keine Marktpreise vorliegen, weil die betreffenden Güter nicht vermarktet bzw. nicht verkauft wurden wie z. B. der Staatskonsum, die Lagerinvestitionen und die selbst erstellten Anlagen, werden die Herstellungskosten bzw. Einstandspreise angesetzt. Werden in jedem Jahr die in diesem Jahr erzielten Preise angesetzt, so wird z. B. vom „BIP in jeweiligen Preisen“ oder kurz vom „nominalen BIP“ gesprochen. Allerdings tritt bei einer solchen Bewertungsmethode das Problem der jährlichen Preissteigerungen auf, die den Nominalwert erhöhen können, ohne dass der Realwert und damit die Güterversorgung entsprechend gestiegen sind.

Freiheit von Geldillusion durch Realgrößen

Besteht Freiheit von Geldillusion (vgl. Abschnitt 6.1.3) und demnach ein Informationsinteresse am Realwert, wird das Problem der Preisänderungen dadurch umgangen, dass die Preise künstlich konstant gehalten werden. Im Gegensatz zum nominalen BIP in jeweiligen Preisen wird daher beim realen BIP in konstanten Preisen eine Preisbereinigung vorgenommen. Das Bereinigungsverfahren erfolgt mit statistischen Methoden, die relativ komplex sind. Für die Interessierten sei es kurz beschrieben:

Preisbereinigung anhand eines Kettenindex

Das mengenmäßige BIP-Volumen eines Jahres (BIPV) wird mit dem auf das Vorjahr normierten Preisindex (P) bewertet. Damit ist sichergestellt, dass die entsprechende Wertänderung fiktiv nur die Mengenänderung widerspiegelt. Die Zeitreihe des realen BIP wird in der offiziellen Statistik nur als Kettenindex ausgewiesen. Zur Ermittlung dieses Kettenindex wird zunächst jeder preisbereinigte Jahreswert des BIP ins Verhältnis gesetzt zum Vorjahreswert des BIP in laufenden Preisen (Volumenindex nach Laspeyres). Die Berechnungsmethode für diesen Teilindex des realen BIP lautet z. B. für das Jahr 2010:


Für das Jahr 2009 würde sich entsprechend ergeben:


Um eine fortlaufende Indexreihe zu erhalten, werden die Teilindizes miteinander verkettet. Dazu wird zunächst der preisbereinigte BIP-Wert eines Referenzjahres (z. B. für das Jahr 2009) gleich hundert gesetzt und so der erste Kettenindex gebildet. Die Kettenindizes der Folgejahre werden dadurch ermittelt, dass der Teilindex eines jeden Jahres mit dem Kettenindex des Vorjahres durch Multiplikation verknüpft wird. In obigem Beispiel ergibt sich dann z. B. für das reale BIP im Jahr 2010 folgender Wert des Kettenindex:


Der Kettenindex für das Jahr 2011 würde entsprechend lauten:


Die Kettenindizes der weiteren Jahre lassen sich entsprechend berechnen. Der verkettete Absolutwert für das reale BIP eines bestimmten Jahres kann bei Bedarf dadurch zurückermittelt werden, dass der Kettenindex des betreffenden Jahres mit dem Kettenindex und dem Absolutwert des realen BIP für ein Referenzjahr (z. B. für das Jahr 2009) durch Multiplikation verknüpft wird.

Wer wissen will, wie sich die volkswirtschaftliche Güterversorgung im Zeitablauf mengenmäßig verändert hat, benötigt die Wachstumsrate (W) des realen BIP (WBIP). Sie lässt sich anhand der Kettenindexreihe des preisbereinigten BIP relativ einfach nach folgender Methode ermitteln:

Wachstumsrate des realen BIP zeigt Veränderung der Güterversorgung

WBIP zwischen den Jahren 2011 und 2010 in Prozent:


WBIP zwischen den Jahren 2011 und 2009 in Prozent entsprechend:


Die Wachstumsrate des realen BIP (WBIP) ist ein weiterer und vielleicht der wichtigste Leistungsindikator einer Volkswirtschaft, da sie die Verbesserung oder Verschlechterung der gesellschaftlichen Güterversorgung anzeigt und auf weitere Leistungsindikatoren wie z. B. die Beschäftigungssituation schließen lässt.

Situationsbezogene Antwort 7

Gewinne, Umsätze, Kosten etc. sind Nominalgrößen, d. h., sie werden in Geldeinheiten (z. B. in EUR) gemessen. Wenn der Gewinn von Installationsmeister Röhrl steigt, hat er zwar einen höheren Geldbetrag als Nominalbetrag zur Verfügung, aber das heißt noch nicht, dass auch seine Kaufkraft bezüglich eines Gütererwerbs zugenommen hat. Sind nämlich mit dem Gewinn auch die Preise derjenigen Güter gestiegen, die im Rahmen seines Güterversorgungsproblems von Bedeutung sind, so hat der Realwert seines Gewinns abgenommen. Es kommt also darauf an, welcher Effekt (Gewinnsteigerung oder Preissteigerung) größer war. Konkret bedeutet dies, dass Installationsmeister Röhrl angesichts einer Gewinnsteigerung und mit Blick auf sein Güterversorgungsproblem nur dann frei von Geldillusion ist, wenn er von der prozentualen Gewinnsteigerung die prozentuale Preissteigerung der relevanten Güter abzieht. Die Differenz gibt ihm die prozentuale Veränderung seiner Güterversorgung an. Sie kann sich also schlimmstenfalls sogar verschlechtert haben, obwohl sein Gewinn gestiegen ist. So würde z. B. eine Gewinnsteigerung von 2 % bei einer gleichzeitigen Preissteigerung von 3 % zu einem realen Kaufkraftverlust von 1 % führen.

Situationsbezogene Frage 8

Sind die für Installationsmeister Röhrl verständlicherweise unangenehmen Kosten (z. B. seine Personalkosten) auch aus volkswirtschaftlicher Sicht unangenehm?

1.2.8 Betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Kosten

Betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Kosten haben einen unterschiedlichen Bedeutungsinhalt und sind demnach auch unterschiedlich zu bewerten.

Betriebswirtschaftliche Kosten sind unangenehm.

Kosten sind uns einzelwirtschaftlich unangenehm, bedeuten sie im täglichen Sprachgebrauch doch, dass wir anderen Geld und damit Güter geben, die uns dadurch bei der Lösung unseres eigenen Güterversorgungsproblems verloren gehen. Wenngleich wir nach dem bisher Gesagten wissen, dass betriebswirtschaftliche Kosten in der ökonomischen Fachsprache nur in der Produktion bzw. bei den Produzenten auftreten, so werden sie jedoch auch dort unangenehm empfunden, denn sie schmälern den Gewinn als Differenz zwischen Umsatz und Kosten und damit das Einkommen der Unternehmenseigner.

Volkswirtschaftliche Kosten als Summe betriebswirtschaftlicher Kosten sind angenehm.

Betriebswirtschaftliche Kosten sind in der volkswirtschaftlichen Summe – kurz und bündig gesagt – gleich Erträgen. Auch Gewinne bzw. Betriebsüberschüsse und Selbstständigeneinkommen (vgl. Abschnitt 1.2.1) zählen volkswirtschaftlich zu den Kosten, nämlich zur Nettowertschöpfung und damit zu den Faktorkosten, wie uns schon der alte Begriff des Nettosozialprodukts zu Faktorkosten sagt, das mit dem Volkseinkommen identisch ist (vgl. Abschnitt 1.2.4). Wir erkennen diese simple, aber häufig verkannte Tatsache auch, wenn wir uns aus volkswirtschaftlicher Sicht daran erinnern, dass die Kosten des einen (z. B. des Mieters als Kostenträger) gleichzeitig der Ertrag bzw. das Einkommen des anderen (in diesem Fall des Vermieters als Kostenempfänger) sind, nach dem Motto: „Des einen Freud, des anderen Leid“. Die unangenehmen und gleichzeitig auch angenehmen Seiten des betriebswirtschaftlichen Kostenbegriffs halten sich also volkswirtschaftlich die Waage.

Sozialkosten sind Ineffizienzen

Eine höhere volkswirtschaftliche Produktion, z. B. gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), ist in jedem Fall mit höheren betriebswirtschaftlichen Kosten verbunden, wie uns auch bereits ein Vergleich des einzelwirtschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Produktionskontos in den Abschnitten 1.2.1 und 1.2.3 gezeigt hat. Der Ruf nach volkswirtschaftlicher Kostensenkung ist daher eher kontraproduktiv und lässt eine fundierte Kenntnis der volkswirtschaftlichen Zusammenhänge vermissen. Es sei denn, mit dem volkswirtschaftlichen Kostenbegriff würde inhaltlich etwas anderes verbunden als mit dem betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff. Gelegentlich wird bei volkswirtschaftlichen Kosten auch von Sozialkosten gesprochen. Doch was verbirgt sich hinter ihnen? Die Antwort lautet, dass auf der volkswirtschaftlichen Ebene mit Kosten häufig Ineffizienzen gemeint sind, d. h., die vorhandenen Produktionskapazitäten sind nicht voll ausgeschöpft worden. Ein falscher Einsatz von Produktionsfaktoren hat zu Produktionseinbußen geführt. Es wird daher auch von Opportunitätskosten gesprochen. Wachstums- bzw. gesellschaftliche Wohlfahrtsverluste sind entstanden. In ihnen liegt das Unangenehme der volkswirtschaftlichen Kosten. Daraus ergibt sich die erstaunliche – selbst Volkswirten nicht immer bewusste – Schlussfolgerung:

 

Eine Senkung (Erhöhung) der volkswirtschaftlichen Kosten führt zu einer Erhöhung (Senkung) der betriebswirtschaftlichen Kosten.

Der Umkehrschluss führt zu einem Verteilungsproblem und gilt daher nur bedingt. Betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Kosten erfordern aber in jedem Fall einen unterschiedlichen Blick und sind auch unterschiedlich zu bewerten.

Situationsbezogene Antwort 8

Kosten sind für Installationsmeister Röhrl im Kern, nämlich bei realer Betrachtung und damit bei Freiheit von Geldillusion, nichts anderes als Güter, die er anderen (z. B. seinen Beschäftigten oder seinen Zulieferern) geben muss, weil er sich vertraglich dazu verpflichtet hat. Sie schmälern demnach über eine Gewinneinbuße seine eigene Güterversorgung, verschärfen sein Güterversorgungsproblem und sind ihm daher unangenehm. Andererseits aber sind seine Kosten bei den Zahlungsempfängern (z. B. bei seinen Beschäftigten in Gestalt von deren Lohn und Gehalt oder bei seinen Zulieferern in Gestalt von deren Umsatz) und damit für sie im Kern Güter, die ihnen höchst willkommen sind, weil sie mit ihnen ihr Güterversorgungsproblem besser lösen können. Es findet also volkswirtschaftlich zunächst nur eine Umverteilung statt. Das volkswirtschaftliche Problem ist ein Verteilungsproblem, d. h., es geht um die Frage, ob die beschriebene Umverteilung zu Ineffizienzen führt, weil die Produktionsmöglichkeiten nicht voll ausgeschöpft und damit die gesamte zu verteilende Gütermenge nicht maximal ist. Dieses Problem könnte z. B. dadurch auftreten, dass die hohe Kostenbelastung bei Installationsmeister Röhrl in seiner Betriebsbuchführung zu einem Verlust führt, der ihn zur Aufgabe seines Betriebes und zur Entlassung seiner Beschäftigten zwingt. In diesem Fall würde die volkswirtschaftliche Gütermenge sinken und die Güterversorgung auf beiden Seiten beeinträchtigt werden. Es gilt also, eine Verteilung zu finden, die auf allen Seiten als gerecht empfunden wird, dadurch die Leistungsmotivation steigert und dadurch wiederum letztlich die gesamte Güterversorgung verbessert.

Situationsbezogene Kontrollaufgabe

Kompetenzkontrolle

▬ Handlungssituation

Versetzen Sie sich in die Lage von Installationsmeister Röhrl, der sich auf die Installation von Gasheizungen spezialisiert hat und mit seinem Installationsbetrieb als Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit in München gemeldet ist. Im Jahr 2016 erwirtschafteten Sie zusammen mit einem Mitarbeiterstamm von 10 Beschäftigten und mit einem noch vorhandenen Maschinen- und Gebäudeanschaffungswert zu Beginn des Jahres in Höhe von 300 Tsd. EUR einen Umsatz in Höhe von 600 Tsd. EUR und ein Selbständigeneinkommen („Gewinn“) vor Steuer in Höhe von 120 Tsd. EUR. Den „Gewinn“ haben Sie zur Hälfte im Unternehmen belassen. Er wurde mit 20 % besteuert. In dem betreffenden Jahr haben Sie Investitionen in Höhe von 100 Tsd. EUR getätigt. Der Umsatz entstand allein durch einen Großauftrag eines bayerischen Unternehmens in Höhe von 400 Tsd. EUR und durch einen Auftrag der Stadt München in Höhe von 200 Tsd. EUR. Die in Ihrem Betrieb eingesetzten Maschinen und Gebäude und die von Ihnen installierten Gasheizungen haben in allen Bereichen eine durchschnittliche Nutzungsdauer von 10 Jahren und werden linear vom Anschaffungswert abgeschrieben. Die Personalkosten Ihres Betriebes betrugen in dem betreffenden Jahr 300 Tsd. EUR und Sie bezogen Thermostate wegen ihrer Qualität und ihres niedrigen Preises für 10 Tsd. EUR von einem Lieferanten in den USA. Sie verfügten außerdem über ein kleines Depot mit US-Aktien, die Ihnen im Jahr 2016 Dividendenzahlungen vor Steuer in Höhe von 2 Tsd. EUR einbrachten. Sie ahnen natürlich, dass Sie mit den konkreten Werten Ihrer Wirtschaftstätigkeit allein nur in verschwindend geringem Maße zur Leistung der deutschen Volkswirtschaft beigetragen haben. Gleichwohl wollen Sie zur Stärkung Ihrer Selbstsicherheit wissen, wie hoch dieser Beitrag war und welche grundsätzliche volkswirtschaftliche Bedeutung Ihr Installationsbetrieb damit hat.

Kontrollfragen

a) Welche ökonomischen Gründe könnten Sie dazu veranlasst haben, sich auf die Installation von Gasheizungen zu spezialisieren?

b) Welchen volkswirtschaftlichen Sektoren sind Sie mit Ihrer Wirtschaftstätigkeit im Jahr 2016 zuzuordnen?

c) Wie und in welcher Höhe wurden durch Ihre Wirtschaftstätigkeit im Jahr 2016 das deutsche Bruttoinlandsprodukt, das Nettoinlandsprodukt und das Volkseinkommen beeinflusst?

d) Wie und in welcher Höhe haben Sie im Jahr 2016 zum Staatskonsum bzw. zur Produktion öffentlicher Güter in Deutschland beigetragen?

e) Wie und in welcher Höhe wurden die von Ihnen im Jahr 2016 getätigten Investitionen aus volkswirtschaftlicher Sicht finanziert und wie haben diese Investitionen den Sachkapitalbestand Ihres Unternehmens und damit der deutschen Volkswirtschaft verändert?

Alle Antworten sind unter Verwendung des volkswirtschaftlichen Basiswissens zu erläutern!