Handbuch des Strafrechts

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e) Erfüllungsbetrug

242

Ein sog. Erfüllungsbetrug ist gegeben, wenn das Opfer eine Leistung, die nicht die vertraglich vereinbarte Qualität aufweist, als Erfüllung annimmt oder in Erfüllung einer vermeintlichen Vertragspflicht mehr leistet, als es rechtlich zu leisten verpflichtet ist.

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Unterschieden werden kann hier zwischen dem „echten“ und „unechten“ Erfüllungsbetrug: Bei ersterem täuscht der Täter erst nach Vertragsabschluss über die Qualität seiner Leistung und veranlasst den Verfügenden, die Leistung als Erfüllung anzunehmen oder über das Vereinbarte hinaus zu leisten.[374] Beim „unechten“ Erfüllungsbetrug täuscht der Täter schon im Rahmen des Verpflichtungsgeschäfts über die Qualität seiner Leistung und erbringt die minderwertige Leistung später auch.

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Die Annahme eines Schadens bereitet – zumindest in den Fällen des „echten“ Erfüllungsbetruges – den verschiedenen Vermögenslehren kaum Probleme: Nach den dargestellten Prämissen gilt dies freilich zunächst für die funktionale Betrachtung wie auch für die personalen Lehren.[375] Für die Schadensentstehung ist nicht entscheidend, dass der Berechtigte eine Sache erhält, die ihren Preis nach den Maßstäben des Marktes nicht wert ist, sondern dass das Geleistete hinter dem vertraglich Geschuldeten zurückbleibt, die Erfüllung also mit Blick auf den individuellen Vertrag nicht „vollwertig“ bzw. defizitär ist.[376] Abweichend von ihren üblichen Voraussetzungen ermittelt aber auch die wirtschaftliche Lehre in diesen Fällen den Schaden nicht durch die Verrechnung des objektiven Wertes von Leistung und Gegenleistung, sondern orientiert sich bei dem Wertvergleich am Parteiwillen.[377]

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Ob diese Lösung auch für den sog. „unechten“ Erfüllungsbetrug gelten soll, ist innerhalb der wirtschaftlichen Lehre umstritten. Die Rspr. wendet in dieser Konstellation konsequent die Kriterien des Eingehungsbetruges an, geht also davon aus, dass ein Schaden zu verneinen ist, wenn die vereinbarten Leistungen bei wirtschaftlicher Beurteilung als gleichwertig anzusehen sind.[378] Wenn demnach schon bei Eingehung des Geschäftes kein Schaden vorliegt, kann auch die Erfüllung des wirtschaftlich ausgeglichenen Vertrages zu keinem Schaden mehr führen. Im Schrifttum findet diese Auffassung überwiegend Zustimmung. Da bei der Erbringung der Leistung nur die Täuschung bei der Eingehung nachwirke, seien Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft als Einheit anzusehen.[379] Maßstab für den Schaden ist damit der wirtschaftliche Wertvergleich der Leistungen und nicht – wie beim „echten“ Erfüllungsbetrug – der vertragsgemäße Anspruch des Opfers.[380] Dass das Opfer bereits durch den (tatsächlichen) Vertragsabschluss nicht den Anspruch erhält, den es aufgrund der Absprache eigentlich erhalten müsste, wird nach dieser Auffassung nicht als Vermögenseinbuße, sondern als Vereitelung einer Gewinnerwartung eingestuft, mit der Folge, dass die spätere Erfüllung auch zu keinem Ärmerwerden des Vermögensinhabers führt.[381] Anderes soll nur gelten, wenn bei der Erfüllung eine neue und selbstständige Täuschung begangen wird.

f) Prozessbetrug

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Der Prozessbetrug ist ein Unterfall des Dreiecksbetruges (oben Rn. 152 ff.), bei dem der Richter oder – im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens – der Gerichtsvollzieher irrtumsbedingt Entscheidungen treffen, die unmittelbar die Vermögenslage zum Nachteil des materiell Berechtigten verändern.[382] Da mit der Entscheidung des Gerichts der obsiegenden Partei die rechtliche Möglichkeit des Zugriffs auf das Vermögen des Opfers eingeräumt wird, spielt es keine Rolle, dass mit der Entscheidung ggf. die materielle Rechtslage nicht verändert wird. Denn für die Annahme eines Schadens ist es gerade erforderlich, dass die faktische Vermögenssituation entgegen der materiellen Rechtslage verschlechtert wird.[383] Soweit dem Täter (oder begünstigten Dritten) materiell ein Anspruch zusteht, dessen prozessuale Durchsetzbarkeit durch die Manipulationen nur verbessert wird, ist ein Schaden zu verneinen.[384]

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Als Prozessbetrug i.w.S. („Betrug im Prozess“) kann auch die Täuschung des Prozessgegners oder einer für ihn handelnden Person,[385] ferner die Täuschung von Zeugen oder Sachverständigen angesehen werden. In diesen Fällen tritt der Schaden erst, aber auch abschließend mit der (rechtskräftigen) Entscheidung des Gerichts ein.

g) Verbotene Geschäfte

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Umstritten ist die Betrugsrelevanz verbotener Geschäfte, bei denen eine Seite durch Täuschung veranlasst wird, ihre Leistung zu erbringen, ohne die vereinbarte Gegenleistung zu erhalten. Ein Beispiel aus der Rechtsprechung: A geht zum Schein auf das Angebot des B ein, dessen Ehefrau gegen Geld zu töten, und lässt sich einen Vorschuss auszahlen.[386] Praktisch bedeutsam ist ferner der Fall, dass der Käufer beim Betäubungsmitteldeal nicht (in vollem Umfang) das gewünschte Rauschgift erhält.[387] Wie schon oben behandelt (Rn. 100), ist in den einschlägigen Fällen schon daran zu zweifeln, ob überhaupt eine tatbestandsrelevante Täuschung vorliegt.

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Teils wird auch das Vorliegen einer tatbestandlichen Vermögensverfügung verneint. Betrugsrelevant sei nur eine nach der (primären) rechtlichen Normenordnung schutzwürdige Ausübung allgemeiner Handlungsfreiheit.[388] Nur so ließen sich widersprüchliche Verhaltensanforderungen vermeiden, wie etwa die Konsequenz, dass ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch des Betrugs durch Vornahme der verbotenen (strafbaren) Handlung möglich sein müsste, also eine prämierte Rückkehr zum Recht durch rechtswidriges Verhalten. Gewöhnlich wird jedoch die Problematik der einschlägigen Fälle beim Schaden gesehen, der allerdings mit der h.M.[389] zu bejahen wäre: Nach der wirtschaftlichen Schadenslehre verliert der Auftraggeber sein „gutes Geld“, ohne ein wirtschaftliches Äquivalent zu erhalten. Die Leistung wird auch nicht durch die Erreichung ihres wirtschaftlichen Zwecks kompensiert. Auch bei einer juristischen Betrachtungsweise ändert sich an diesem Ergebnis nichts: Da der Getäuschte wegen des Verbots keinen Anspruch auf die Gegenleistung erlangt, kann die Hingabe des Geldes von vornherein nicht durch den Zugewinn eines rechtlich gebilligten Vermögenswertes (Mord, Rauschgift usw.) ausgeglichen werden.[390]

250

Scheitern kann die Annahme eines Betruges jedoch spätestens am fehlenden funktionalen Zusammenhang zwischen Irrtum und Schaden. Wer zahlt, um eine verbotene Leistung zu erwerben, gibt sein Geld in dem Wissen her, keinen Anspruch auf eine solche Leistung zu erwerben und auch ohne Rechtsgrund zu leisten. Insoweit ist nach den Prämissen aller juristisch ausgerichteten (ökonomischen, personalen und funktionalen) Vermögenslehren eine bewusste Selbstschädigung anzunehmen und ein Betrug dementsprechend abzulehnen.[391]

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Ergänzend wird auch auf den Rechtsgedanken aus § 817 S. 2 BGB verwiesen, da das Opfer in Kenntnis der rechtlichen Missbilligung des mit der Leistung verfolgten Zwecks handele.[392] Als weiteres Argument lässt sich schließlich anführen, dass das Geschäft insgesamt einheitlich zu bewerten sei. Denn für den umgekehrten Fall, dass der Getäuschte den Mord ausführt und der Auftraggeber die Zahlung verweigert, wird überwiegend ein Schaden für den Mörder abgelehnt: Der Erbringung einer sittenwidrigen Dienstleistung fehle von vornherein der wirtschaftliche Wert bzw. ein anerkennenswerter Marktwert. Es sei nun willkürlich, in diesem Fall einen Betrug zu verneinen, im anderen Fall aber zu bejahen. Vielmehr müsse der mit dem gesetzeswidrigen Geschäft verfolgte Zweck betrugsdogmatisch in beiden Fällen berücksichtigt werden und eine Betrugsstrafbarkeit in beiden Konstellationen ausgeschlossen sein.[393]

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Sofern man dagegen einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die auch verbotene Märkte anerkennt (und einem Mord einen wirtschaftlichen Wert beimisst!), folgt, lässt sich der funktionale Zusammenhang unter der Voraussetzung des Bestehens der faktischen Chance bejahen, dass der Getäuschte das Rauschgift erhält oder der Mord ausgeführt wird.

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Gleiches gilt, wenn man das Erfordernis eines funktionalen Zusammenhangs verneint. Wird ein Betrug aus einem der genannten Gründe abgelehnt, so wird damit kein Freiraum geschaffen, sich straflos zu bereichern. Wer sich durch Täuschung fremdes Geld verschafft, macht sich (auch) nach § 246 strafbar. Das Geld bleibt für den Täuschenden wegen § 134 BGB eine fremde Sache; auch die Zueignung ist rechtswidrig, weil die Einwilligung des Getäuschten wegen des Willensmangels unwirksam ist.[394]

8. Abschnitt: Schutz des Vermögens › § 33 Betrug › E. Subjektiver Tatbestand

E. Subjektiver Tatbestand

I. Vorsatz und Bereicherungsabsicht

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Der subjektive Betrugstatbestand erfordert neben dem auf den objektiven Tatbestand bezogenen Vorsatz die Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.

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Für den Vorsatz genügt dolus eventualis.

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Durch das Merkmal der Absicht der rechtswidrigen Bereicherung erhält der Betrug seinen Charakter als Vermögensverschiebungsdelikt. Da die Bereicherung nur Handlungsziel des Täters zu sein braucht, wird der Betrug insoweit als kupiertes Erfolgsdelikt angesehen:[395] Für die Tatbestandsvollendung ist nicht erforderlich, dass der Bereicherungserfolg auch eintritt.

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Das Merkmal der Absicht ist hinsichtlich des Vermögensvorteils als finaler Erfolgswille (also als Absicht im engeren Sinne oder „dolus directus 1. Grades“) zu verstehen.[396] Denn beim Betrug tritt die eigentliche Rechtsgutsverletzung bereits im Moment der Vermögensschädigung aufgrund der täuschungsbedingten Vermögensverfügung ein; das Merkmal der Bereicherungsabsicht markiert hier mithin ein besonderes Handlungsunrecht. Ob der Täter den Vorteil für sich oder einen Dritten erstrebt, ist gleichwertig; zwischen einem eigen- und einem fremdnützigen Betrug ist daher Wahlfeststellung möglich.[397]

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Die Bereicherungsabsicht muss jedoch nicht das dominante Motiv sein; es genügt, wenn sie für das Handeln mitbestimmend ist. Unter welchen Voraussetzungen ein Vermögensvorteil auch dann als beabsichtigt anzusehen ist, wenn er nicht das primäre Handlungsziel ist, sondern nur als Konsequenz mit dessen Verfolgung verbunden ist, wird unterschiedlich beantwortet. Nach h.M. fehlt es an der tatbestandsmäßigen Absicht, wenn der Täter die Bereicherung „als peinliche oder lästige Folge seines Handelns“ hinnimmt, weil er glaubt, sonst sein anderes Ziel zu verfehlen.[398] Dagegen wird Bereicherungsabsicht bejaht, wenn sich der Vermögensvorteil für den Täter als erwünschte Folge seines Handelns darstellt.[399] Daher soll etwa ein Provisionsvertreter mit Drittbereicherungsabsicht hinsichtlich des Gewinns handeln, den er dem Unternehmer verschafft, wenn er einen Kunden zum Abschluss eines nachteiligen Vertrages bewegt, falls dies das notwendige Mittel zum Erhalt der letztlich erstrebten Provision ist.[400] Dagegen soll kein Betrug gegeben sein, wenn der Täter eine bezahlte Stellung zum Zweck der Werkspionage übernimmt.[401]

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Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit genügt nach allg.M. dolus eventualis.[402] Die Rechtswidrigkeit bezieht sich nämlich auf die Vermögensverschiebung als Ganzes; bei einem anderen Verständnis könnten vom Betrugstatbestand sonst nur solche Fälle erfasst werden, in denen (auch) die Rechtswidrigkeit die Triebfeder des Handelns des Täters darstellt.[403] Eine solche erhebliche Einschränkung des Anwendungsbereiches des Betruges fände jedoch weder unter teleologischen noch unter historischen Gesichtspunkten genügenden Rückhalt.

II. Vermögensvorteil

1. Begriff

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Mit dem Erfordernis, dass der Täter für sich oder einen Dritten einen Vermögensvorteil erstreben muss, soll gewährleistet werden, dass der Betrug ein Vermögensverschiebungs- und kein bloßes (einseitiges) Vermögensschädigungsdelikt ist. Nicht die Schädigung, sondern die Erzielung eines Vorteils auf Kosten eines anderen steht im Vordergrund der Täterintention. Aus der Struktur des Betrugs als Vermögensverschiebungsdelikt folgt wiederum, dass der Vorteil die Kehrseite des zum objektiven Tatbestand gehörenden Vermögensschadens sein muss.

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Auch das Verständnis des Vermögensvorteils hängt vom je favorisierten Vermögensbegriff ab: Nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise bestimmt sich der Vermögensvorteil auf Seiten des Täters (oder Dritten) auf die gleiche Weise wie der Vermögensschaden beim Opfer, nur mit umgekehrten Vorzeichen: Vermögensvorteil ist jede günstigere Gestaltung der Vermögenslage i.S.e. Erhöhung des wirtschaftlichen Wertes des Vermögens. Sie kann in der Vermehrung der Aktiva wie auch in einer Verminderung der Passiva bestehen,[404] z.B. in der Erlangung des Besitzes an einer Sache, eines Kredites oder einer Forderungsstundung. Auch die Verhinderung des Verlustes eines Vermögensgegenstandes, das Ersparen von Aufwendungen oder auch die Verbesserung der Beweislage kommen so als betrugsrelevante Vorteile in Betracht.[405]

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Bei funktionaler Betrachtung ist der Vermögensvorteil mit dem Gegenstand der Vermögensverfügung identisch.[406] Denn der Schaden wird seinem Umfang nach bereits durch die Vermögensverfügung abschließend festgelegt und kann durch sonstige Umstände nicht mehr vergrößert, sondern allenfalls bei (teilweiser) Zweckerreichung (teilweise) ausgeschlossen werden. Als Vorteil ist somit alles anzusehen, was der Täter oder der begünstigte Dritte durch die Verfügung (auf Kosten des Vermögensinhabers) erlangt. Insoweit kann zur Bestimmung des Vermögensvorteils auf die Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung nach §§ 812 ff. BGB zurückgegriffen werden. Da es für den Schaden konstitutiv ist, dass der Vermögensverlust beim Opfer der materiellen Rechtslage zuwiderläuft, muss der Vorteil nicht mit der Erlangung einer Rechtsposition verbunden sein, was aber – etwa bei Konstellationen des Gutglaubenserwerbs – der Fall sein kann; es genügt für die Bereicherung der Erwerb einer faktischen Position.

2. Stoffgleichheit

a) Identität

263

Im Grundsatz entspricht es heute einhelliger Auffassung, dass sich Vorteil und Schaden in einer bestimmten Weise aufeinander beziehen müssen.[407] Nach der Identitätstheorie Adolf Merkels,[408] die den Betrug in einem strengen Sinne als Vermögensverschiebungsdelikt begreift, müssen Vor- und Nachteil sogar substanzgleich sein.[409] Diesen Gedanken kann – mehr oder minder modifiziert – neben der juristischen Theorie jede Lehre aufgreifen, die in der Verfügung den vermögensmindernden Akt sieht und einen Schaden nur verneint, wenn die Verfügung nicht unfrei erfolgt und/oder ihren Zweck erreicht. Die Zweckverfehlung ist in diesem Sinne nicht Gegenstand des Schadens, sondern Kriterium der Bewertung der vermögensmindernden Verfügung als Schaden.

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Allerdings kann eine substantielle Identität nur in den Fällen des Sachbetrugs gegeben sein, beim Forderungsbetrug hingegen naturgemäß nicht. Indessen lässt sich auch in diesen Fällen die „Stoffgleichheit“ unschwer auf den Gegenstand der Forderung beziehen, sei dies nun ein bestimmter Geldbetrag oder eine sonstige Leistung. Unter Rückgriff auf die zivilrechtlichen Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung lässt sich der erforderliche Zusammenhang zwischen Vor- und Nachteil allgemeiner auf die Formel bringen, dass der Vorteil unmittelbar auf Kosten des Opfervermögens erlangt sein muss. Insoweit ist in den Fällen des Dreiecksbetruges, in denen ein Dritter aufgrund eines Garantieversprechens oder eines gutgläubigen Erwerbs geschädigt wird, „Stoffgleichheit“ zu bejahen; jeweils wird der betreffende Vermögenswert auf Kosten des betroffenen Dritten verschoben.[410]

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Keine Besonderheit wirft die Stoffgleichheit bei Exspektanzen auf, wenn es sich um dieselbe Gewinnaussicht handelt. Dann büßt – etwa bei einer Submission – der Geschädigte die (verfestigte) Aussicht auf den Auftrag zugunsten dessen ein, der den Auftrag erhält.[411]

b) Unmittelbarkeit

266

Die Anerkennung einer dem historischen Betrugsverständnis entsprechenden[412] funktionalen Bereicherungslösung ist der wirtschaftlichen Lehre versperrt: Da sie den Schaden nicht in der Einbuße des durch die Verfügung verlorenen Vermögenswertes, sondern in der – durch Saldierung zu ermittelnden – finanziellen Beeinträchtigung des Gesamtvermögens sieht, kann zwischen dem Vorteil und dem Nachteil auch keine wie auch immer zu bestimmende „Stoffgleichheit“ mehr bestehen. Es kann nur noch auf eine „Wertverschiebung“ abgestellt werden,[413] die sich wiederum stets dann nicht darlegen lässt, wenn der Schaden ohne oder nur mithilfe einer eingeschränkten Saldierung ermittelt werden kann. Da sich eine konkrete Vermögensverschiebung, die – je nach Perspektive – zugleich als Schaden und Vorteil bewertet werden kann, nach den Prämissen der wirtschaftlichen Lehre selbst beim Sachbetrug (im Falle einer Gegenleistung) nicht konstruieren lässt, kann es nicht verwundern, dass sogar ein Verzicht auf das Identitätskriterium – mit der Folge einer Veränderung der Deliktsstruktur des Betruges – vorgeschlagen wird.[414] Die Floskeln, mit denen wenigstens terminologisch daran angeschlossen werden soll, lauten etwa: der Vorteil müsse „gleichsam die Kehrseite“ des Schadens sein, auf derselben Vermögensverfügung beruhen oder unmittelbar zulasten des geschädigten Vermögens gehen.[415]

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Vor allem das Kriterium der „Unmittelbarkeit“ ist deshalb heute (als sinngleiches oder ersetzendes Merkmal) an die Stelle der Stoffgleichheit getreten. Jedoch wird auch dieses Kriterium unterschiedlich ausgelegt bzw. angewandt. Teils wird gefordert, dass Vor- und Nachteil dergestalt miteinander verbunden sein müssten, dass ein und dieselbe Verfügung sowohl den Schaden als auch den Vorteil bedingt.[416] Teils wird verlangt, dass der (erstrebte) Vorteil unmittelbar aus dem Opfervermögen stammen müsse.[417] Teils werden beide Ansätze miteinander verbunden: Erforderlich sei, dass Vorteil und Schaden auf derselben Verfügung beruhten und der Vorteil zulasten des geschädigten Vermögens gehe.[418] Nach diesen Richtlinien lassen sich etwa Belohnungen ausscheiden, die dem Täter für seine Täuschung von dritter Seite in Aussicht gestellt werden.

268

Dass auch die wirtschaftliche Lehre den Zusammenhang von Vor- und Nachteil heute überwiegend mithilfe des Kriteriums der Unmittelbarkeit herzustellen versucht, beruht jedoch bei genauerer Betrachtung auf einer ungenauen Begriffsverwendung. Denn unmittelbar wird durch die tatbestandsmäßige Verfügung nur das Opfervermögen vermindert; der Schaden soll aber durch eine Saldierung ermittelt werden, in die auch die Gegenleistung des Täters und deren Annahme durch das Opfer, also eine weitere Verfügung, einfließt. Mit der in Rede stehenden Unmittelbarkeit ist also nicht – wie bei einem funktionalen Ansatz – die das Merkmal der Vermögensverfügung kennzeichnende Unmittelbarkeit gemeint, sondern allenfalls eine wertende Zusammenfassung aller Verfügungen, die sachlich mit einem bestimmten Geschäft zusammenhängen. Weitgehend Einigkeit besteht unter den Vertretern der wirtschaftlichen Lehre insoweit, als mittelbare Schäden und weitergehende Folgeschäden, die das Opfer erleidet, dem Merkmal der „Stoffgleichheit“ nicht unterfallen und unberücksichtigt bleiben sollen.[419] Nicht einschlägig sind demnach etwa Auslagen für einen Prozess oder die zum Abschluss eines Geschäftes erforderlichen Flugkosten.

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Konstellationen, in denen der Täter den von einem Dritten erstrebten Vermögensvorteil nur dadurch erlangen kann, dass er das Opfer zugunsten eines (weiteren) Dritten schädigt, werden heute in zwei Betrugsfälle aufgespalten: Zunächst wird ein Betrug mit Drittbereicherungsabsicht hinsichtlich des zunächst getäuschten Opfers angenommen; sodann wird ein Betrug hinsichtlich des Dritten bejaht, wobei die Drittbereicherung notwendiges Zwischenziel der letztlich angestrebten Selbstbereicherung ist. Einschlägig sind etwa die Provisionsvertreterfälle, in denen mit Kunden zugunsten eines Unternehmers (täuschungsbedingt anfechtbare) Verträge abgeschlossen werden, für die dann ein nicht bestehender Provisionsanspruch geltend gemacht wird.[420] Dagegen soll es an der Stoffgleichheit fehlen, wenn der Täter einen Unfallbeteiligten durch Täuschung an der Geltendmachung eines Schadens hindert, um seinen Schadensfreiheitsrabatt bei der Versicherung zu erhalten.[421]