Handbuch des Strafrechts

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dd) Vermittlung

104

Die irreführende Täuschung (Rn. 72) muss durch ein Verhalten mit Erklärungswert erfolgen. Die irreführende Täuschung unterscheidet sich von der pflichtwidrig unterlassenen Aufklärung nicht dadurch, dass sich der Täter in irgendeiner Form aktiv verhält, sondern dass das fragliche Verhalten Träger einer Information ist; eine Information kann auch durch Passivität vermittelt werden (z.B. Schweigen auf Nachfragen, Nicht-Melden in Abstimmungen). Demgegenüber ist für das Unterlassen der Aufklärung das Fehlen einer Informationsvermittlung kennzeichnend, mag diese durch aktives oder passives Verhalten zu leisten gewesen sein.

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Nur heuristischen Wert hat die gängige Unterteilung der irreführenden Täuschung in ausdrückliches und konkludentes Erklären, denn Inhalt und Umfang der relevanten Information wird in aller Regel nicht allein durch das ausdrücklich Erklärte, sondern stets im Kontext der die Kommunikation konstituierenden semantischen und sprachpragmatischen Regeln festgelegt.[160] Zur Illustration:[161] Äußerst ein Sprecher „Kommst Du an das Salz ran?“, so wird er dies nicht nur im Sinne der ausdrücklich formulierten Frage, sondern zugleich auch als Bitte um das Salz meinen. Während das ausdrücklich Erklärte sich meist eindeutig bestimmen lässt, bedarf die strafrechtliche Arbeit mit dem konkludent Miterklärten (sprachpragmatisch ist auch von „indirekten Sprechakten“ die Rede)[162] einer den Anforderungen an den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genügenden Begründung (mehr zur konkludenten Täuschung unten Rn. 107 ff.).

b) Täuschen durch ausdrückliches Erklären

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Bei einer ausdrücklichen Täuschung enthält der explizite Teil einer Erklärung die Behauptung, etwas sei der Fall (gewesen), was nicht der Fall (gewesen) ist. Diese Fehlinformation kann verbal, gestisch oder schriftlich gegeben werden (typisch ist die Zusicherung einer bestimmten Eigenschaft der Kaufsache). Bei vertraglichen Erklärungen ist es für die Einordnung einer Äußerung als betrugsrelevant unerheblich, wenn in der Vertragsurkunde die mangelnde Gültigkeit mündlicher Nebenabreden festgehalten ist.[163] Eine gestische ausdrückliche Irreführung kann etwa durch die Bezugnahme auf (manipulierte) Objekte erfolgen (z.B. Zeigen auf eine manipulierte Fotografie).[164]

c) Täuschen durch schlüssiges Erklären

aa) Begründung

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Im Falle der konkludenten Täuschung wird eine nicht ausdrücklich formulierte Fehlinformation vermittelt. Eine irreführende Täuschung durch konkludentes Erklären ist dabei gerade keine Form der unterlassenen Aufklärung: durch konkludentes Verhalten wird ein falscher Schein hervorgerufen (oder unterhalten), durch das Unterlassen der Aufklärung ein solcher dagegen nicht beseitigt.[165] Eine konkludente Erklärung hat zudem immer eine bestimmte Tatsachenbehauptung zum Gegenstand, während sich der Inhalt der Aufklärungspflicht nach dem jeweiligen Irrtum richtet, der (mehr oder minder) umfassend zu verhindern oder zu beseitigen ist. Hieraus folgt, dass eine konkludente Täuschung stets dann nicht angenommen werden kann, wenn noch unklar ist, was der Täter erklären wollte (und sei es auch nur simple Zustimmung oder Ablehnung). Gegenstand konkludenter Tatsachenbehauptungen können mithin nur solche Umstände sein, deren Negation der (ausdrücklichen) Erklärung – bei unterstellter Redlichkeit – ihren Sinn nähme. Hängt der Sinn einer rechtserheblichen Erklärung vom Vorliegen einer von mehreren Alternativen ab, so kann konkludent auch nur erklärt sein, dass wenigstens eine dieser Alternativen erfüllt ist. Exemplarisch: Wer eine Sache zum Verkauf anbietet, erklärt ceteris paribus nicht konkludent, er sei deren Eigentümer. Denn das Verkaufsangebot ist auch unter der Voraussetzung einer Kommission sinnvoll. Konkludent kann daher nur das Bestehen einer wie auch immer begründeten Verfügungsbefugnis behauptet sein.

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So werden vor allem solche Informationen über Tatsachen konkludent miterklärt, die zu den logischen oder empirischen Voraussetzungen gehören, die erfüllt sein müssen, damit das ausdrücklich Geäußerte – bei unterstellter Redlichkeit – wahr sein kann. Logisch sind insbesondere Aussagen, die sich konträr oder kontradiktorisch zu einer Tatsachenbehauptung verhalten, durch diese Erklärung ausgeschlossen. Wer von einer Hose sagt, sie sei aus Schurwolle, negiert zugleich, dass sie aus Baumwolle gemacht ist. Gleiches gilt für empirische Unverträglichkeiten: wer behauptet, zu einer bestimmten Zeit in Paris gewesen zu sein, kann nicht zu eben dieser Zeit an einer Konferenz in Hamburg teilgenommen haben.

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Da es sich bei diesen Formen der unausgesprochenen Tatsachenbehauptungen um Informationen handelt, die sich ceteris paribus aus der expliziten Erklärung ergeben, können sie als Unterfälle ausdrücklichen Erklärens betrachtet werden. Anders verhält es sich dagegen mit der praktisch wichtigsten Form des Täuschens durch konkludentes Erklären, bei denen die Fehlinformation Umstände zum Gegenstand hat, die zu den normativen bzw. pragmatischen Voraussetzungen für das Gelingen eines bestimmten Sprechaktes gehören, insbesondere im Falle von rechtserheblichen Willenserklärungen. Mit einer solchen Erklärung wird bei deren Empfänger die Erwartung geweckt oder bestätigt, dass die tatsächlichen Bedingungen erfüllt sind, unter denen sie wirksam werden kann. Auch in diesem Fall ergibt sich die fragliche Information notwendig aus dem Sinn des explizit Geäußerten. Beispielhaft: Wer einem anderen eine Sache zum Kauf anbietet, erklärt damit zugleich schlüssig, die entsprechende Verfügungsbefugnis zu besitzen. Denn das Verkaufsangebot wäre sinnlos, wenn es mit dem Hinweis auf eine fehlende Verfügungsbefugnis verbunden würde. Weil es in solchen Fällen gewöhnlich überflüssig ist, normativ notwendige Voraussetzungen einer rechtserheblichen Erklärung ausdrücklich zu formulieren, entspricht es der Ökonomie alltäglicher Lebensgestaltung, sie als selbstverständlich unerwähnt zu lassen. Es könnte im Regelfall sogar Irritationen hervorrufen, sie eigens zur Sprache zu bringen. Wer als Gast in einem Restaurant dem Kellner bei der Bestellung mitteilte, er sei auch willens und fähig, das bestellte Gericht zu bezahlen, setzte sich, sofern er nicht etwa durch seine abgerissene Erscheinung entsprechende Zweifel ausräumen müsste, in ein schiefes Licht. In der alltäglichen Kommunikation, die durch den Verzicht auf die Erwähnung pragmatischer und normativer Implikationen von Erklärungen geprägt ist, sind Täuschungen durch konkludente Tatsachenbehauptungen nicht weniger zur Irrtumserregung geeignet als durch explizite Informationen.[166]

bb) Fallgruppen

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Zu den Standardsituationen konkludenten Täuschens gehören die Fälle, in denen es um „Selbstverständlichkeiten“ des geschäftlichen Verkehrs geht. So entspricht es etwa dem Sinn und Zweck der Übernahme einer Leistungspflicht, das Zugesagte auch erbringen zu wollen und zu können.[167] Vor allem bei Bargeschäften und sonstigen Geschäften mit alsbaldigem Leistungsaustausch – wie Tanken an Selbstbedienungsanlagen[168] oder Beherbergung in einem Hotel – wird die gegenwärtige Liquidität stillschweigend zugesichert.[169] Bei der Vergabe von langfristigen Krediten reichen bloße Zweifel des Antragsstellers an seiner dauerhaften Erfüllungsfähigkeit noch nicht zur Annahme einer Täuschung aus[170] (ohnehin gehört in solchen Fällen die Zahlungsunfähigkeit zu den typischen Geschäftsrisiken des Darlehensgebers)[171], allerdings kann über die gegenwärtige negative Einschätzung der Liquiditätsentwicklung getäuscht werden.

111

Bei Vertragsangeboten wird im Regelfall schlüssig miterklärt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der zur Vertragsdurchführung erforderlichen Verfügungsbefugnis und die sonstigen tatsächlichen Voraussetzungen zur Vertragserfüllung gegeben sind.[172] Des Weiteren werden (wechselseitig) die Tatsachen konkludent als gegeben behauptet, die von den Parteien jeweils erkennbar zur Geschäftsgrundlage gemacht wurden. Bei Sortenverkauf oder -umtausch am Bankschalter wird daher implizit der Tageskurs zugrunde gelegt. Schließt ein gedopter Sportler mit einem Sponsor einen Ausrüstungsvertrag, so ist von einer Täuschung über die Erfüllungsfähigkeit auszugehen, da der Sponsor sein Image im Regelfall nur mittels eines ungedopten Sportlers fördern will.[173] Ferner wird z.B. bei Ausschreibungen wie auch bei freihändiger Vergabe schlüssig die eigenverantwortliche Kalkulation zu Wettbewerbszwecken, insbesondere das Fehlen einer wettbewerbswidrigen Preisabsprache, erklärt.[174] Auch wird beim Abschluss eines (Kauf-)Vertrages zugesichert, dass dessen Durchführung keine Hindernisse entgegenstehen (dies gilt vor allem mit Blick auf Rechtsmängel wie fehlende Baugenehmigungen, Ausfuhrbeschränkungen usw.). Der Verwendungszweck einer Leistung kann schlüssig bestätigt werden, wenn dieser für die Gegenseite zur Voraussetzung ihrer Leistung gemacht wird.[175] Nimmt ein Verkäufer eine Bestellung schriftlich auf, so behauptet er mit der Vorlage zur Unterschrift konkludent die Übereinstimmung des Textes mit dem mündlich Vereinbarten. Ein Provisionsvertreter erklärt bei Vertragsschluss schlüssig, die Bestellung unverändert weiterzuleiten.[176]

 

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Wer eine Forderung geltend macht, behauptet zugleich, die den Anspruch begründenden Tatsachen seien gegeben.[177] Beispielsweise kann in der kassenärztlichen Abrechnung die konkludente Täuschung liegen, dass die betreffenden Leistungen tatsächlich erbracht wurden. Gleiches gilt für die Geltendmachung von Rechtsanwaltsgebühren, die darauf schließen lassen, es seien weiter gehende Beratungen oder Prüfungen vorgenommen worden.[178] In der Abtretung einer Forderung liegt die implizite Behauptung des Zedenten, dass die (faktischen) Voraussetzungen seiner Inhaberschaft erfüllt sind. Mit der Erteilung eines Einziehungsauftrags im Lastschriftverfahren ist die Erklärung verbunden, es existiere eine Einzugsermächtigung und die Forderung bestehe (in der betreffenden Höhe).[179] Beim Verkauf einer Sache „wie besehen“ wird konkludent behauptet, das Gesehene entspreche dem tatsächlichen Zustand, so dass eine Täuschung in der (ausdrücklichen oder konkludenten) Bezugnahme auf ein manipuliertes Augenscheinsobjekt (z.B. übermalte tiefe Risse einer tragenden Wand oder die Präsentation von der eigentlichen Qualität nicht entsprechenden „Stichproben“ bei Gattungssachen) liegen kann.

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Mit dem Vorzeigen der Ware an der Kasse eines Selbstbedienungsladens wird schlüssig angeboten, den Kaufvertrag entsprechend der invitatio ad offerendum abschließen zu wollen; vor allem bei Manipulationen am Preisetikett ist diese Erklärung falsch.[180] Tauscht der Käufer den Inhalt einer Verpackung aus oder versteckt dort weitere Waren, so erklärt er an der Kasse nur, einen Kaufvertrag über den der Verpackung entsprechenden Gegenstand abschließen zu wollen. Die versteckten Waren sind nicht Vertragsgegenstand und werden daher nicht übereignet, sondern i.S.d. Diebstahlstatbestands weggenommen (→ BT Bd. 5: Hans Kudlich, Diebstahl und Unterschlagung, § 29 Rn. 30 ff.). Auch ist das Vorzeigen von Waren nur als Angebot zu verstehen, genau diese Waren kaufen zu wollen, und nicht als konkludente Behauptung, keine weiteren Waren entnommen zu haben.[181]

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Keine konkludenten Aussagen werden regelmäßig über die Angemessenheit des Preises und über die Eigenschaften des Vertragsgegenstandes getroffen, falls keine der Vertragsparteien ihr Interesse an einer bestimmten Eigenschaft zum Ausdruck gebracht hat.[182] Solche Umstände sind vielmehr Gegenstand von Verhandlungen, bei denen jede Seite ihre eigenen Interessen verfolgt. Ausnahmen gelten für bestimmte Tax- oder Listenpreise[183] wie z.B. für Arzneimittel. Allerdings kann mit der Forderung eines Preises eine Qualitätsaussage verbunden sein, wenn Waren nach Qualitätsmerkmalen bestimmten Preiskategorien zugeordnet werden (z.B. Obst und Gemüse). Ferner kann mit der Einreichung einer wissenschaftlichen Arbeit bei einem Verlag die Erklärung verbunden sein, bei den dargelegten Forschungen seien die wissenschaftlichen Standards eingehalten.[184]

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Das Vorhandensein solcher Umstände, die für den jeweiligen Vertragstyp inhaltlich kennzeichnend sind, wird im Regelfall schlüssig behauptet. Hierzu gehört bei Spielverträgen deren spezifisches Risiko,[185] so dass es etwa beim Abschluss eines Wettvertrages als „selbstverständlich“ vorausgesetzt wird, dass keine Manipulationen des jeweiligen sportlichen Wettkampfes durch Bestechung der Teilnehmer oder des Schiedsrichters vorgenommen wurden.[186] Da es grundsätzlich eine Angelegenheit des Gläubigers ist, die Vertragsmäßigkeit der empfangenen Leistung zu überprüfen, wird bei Lieferung nicht schlüssig erklärt, die Sache sei kein aliud, frei von Mängeln oder entspreche den Qualitätsvorstellungen des Gläubigers. Entsprechend liegt in der bloßen Annahme einer Leistung nicht die konkludente Behauptung, hierauf einen Anspruch zu haben oder selbst erfüllungswillig und -fähig zu sein. Entsprechendes gilt für die Entgegennahme eines zu hohen Betrages an Wechselgeld oder sonstiger Mehrleistungen.[187] Bei Bankgeschäften[188] (z.B. Scheck- oder Wechseleinlösung, Vorlage eines Sparbuches) werden nur die jeweils für die konkrete Transaktion konstitutiven Voraussetzungen schlüssig behauptet. So wird mit der Abhebung eines irrtümlich gutgeschriebenen Betrages nicht konkludent erklärt, dass tatsächlich eine entsprechende Forderung besteht.[189]

4. Täuschung durch Unterlassen der Aufklärung

a) Grundlagen

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Nach heute einhelliger Meinung kann der Betrugstatbestand auch durch pflichtwidriges Nichtaufklären des Opfers verwirklicht werden.[190] Frühere Gegenstimmen, die diese Möglichkeit mit dem Hinweis auf den anderslautenden Willen des historisches Gesetzgeber bestritten,[191] haben jedenfalls mit der Schaffung des für alle Delikte des BT geltenden § 13 ihre Berechtigung verloren, zumal der Gesetzgeber nunmehr auch bei den neuen betrugsverwandten Delikten ausdrücklich Formen der Tatbestandsverwirklichung durch Unterlassen vorgesehen hat.[192] Insoweit ist es als gleichwertig anzusehen, ob der Täter für die Irrtumsbefangenheit der Vermögensverfügung infolge der pflichtwidrigen Erteilung einer falschen oder der pflichtwidrigen Nichterteilung einer zutreffenden Information einzustehen hat. Der Entsprechungsklausel des § 13 StGB (→ AT Bd. 3: Georg Freund, Das unechte Unterlassungsdelikt, insbesondere Garantenstellung und Garantenpflicht, § 60 Rn. 9 ff.) ist hierbei keine einschränkende Bedeutung beizumessen.[193]

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Die Abgrenzung der irreführenden Täuschung von der Täuschung durch Unterlassen kann insbesondere in solchen Fällen problematisch sein, in denen die Unwahrheit einer Tatsachendarstellung auf ihrer Unvollständigkeit beruht. Auch hier müsste der Täter wie bei der Verletzung einer Aufklärungspflicht ein falsches Tatsachenbild durch weitere Erklärungen korrigieren. Jedoch ist der Rechtsgrund für die in beiden Konstellationen zu erbringende Information verschieden: Bei der Verletzung einer Aufklärungspflicht muss der Täter eine bestimmte Information erbringen, weil er aufgrund seiner Garantenstellung für die in Frage stehende Irrtumsfreiheit des Vermögensinhabers zu sorgen hat. Bei der Täuschung durch Irreführung hat der Täter dagegen dafür einzustehen, dass aus seiner eigenen Erklärung keine unzutreffende Sachverhaltsannahme erwächst. Wenn der Täter im letztgenannten Fall erst gar keine Tatsachenbehauptung aufstellt, ist für ihn auch der Wissensstand des Opfers unmaßgeblich. Mit anderen Worten: Bei der Irreführung durch Täuschung bezieht sich die Wahrheitspflicht auf das Erklärte, beim Unterlassen der Aufklärung auf das kraft Garantenstellung zu Erklärende. Eine solche Garantenstellung kann auch aus Ingerenz herrühren, wenn der Täter den Irrtum des Opfers aufgrund einer vorausgehenden falschen Information zu vertreten hat.

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Garantenpflicht“ bedeutet grundsätzlich gemäß § 13 StGB, dass der Täter „rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt“. Dies bedeutet aber nicht, dass der Täter eines Betruges durch Unterlassen die Pflicht hat, den Vermögensinhaber von jedwedem Vermögensschaden freizuhalten, was der Vermögensbetreuungspflicht i.S.d. Untreue (§ 266 StGB) gleichkäme; vielmehr hat er nur für das Ausbleiben einer irrtumsbedingt unfreien Vermögensminderung zu sorgen.[194] Die Pflicht des Täters muss sich daher auf die Verhinderung einer Vermögensminderung im Zustand der Irrtumsbefangenheit beziehen (denn nur dann ist eine Vermögensminderung unfrei und dem Täter als Fremdschädigung zurechenbar).[195] Und dies ist auch in sehr engem Sinne zu verstehen: Es geht nicht darum, dass der Täter gehalten wäre, die Vermögensverfügung selbst zu verhindern. Dies wäre ein Eingriff in die Autonomie des Vermögensinhabers, dem es unbenommen ist, eine schädigende Vermögensminderung vorzunehmen, sofern dies nicht auf einer vom Täter zu vertretenden unzutreffenden Entscheidungsgrundlage erfolgt. Die Verpflichtung zur Aufklärung endet, wenn der Vermögensinhaber (oder ein für ihn handelnder Dritter) die irrtumsbefangene Verfügung vorgenommen hat.

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Umgekehrt lässt sich aus der allgemeinen Fürsorgepflicht für fremdes Vermögen keine spezifische Pflicht zur Aufklärung des Opfers ableiten.[196] Wer fremdes Vermögen zu betreuen hat, hat dieses mehr oder minder umfassend und in irgendeiner geeigneten Art und Weise vor Schäden zu bewahren. In dem denkbaren Ausnahmefall, in dem der Vermögensbetreuungspflichtige aufgrund besonderer Umstände allein durch Aufklärung des Vermögensinhabers einen Vermögensschaden verhindern kann, ist die Information nur Mittel zur Erfüllung der Vermögensbetreuungspflicht und ihr Unterlassen kein Betrug, sondern allenfalls Untreue.

b) Besondere Garantenstellungen

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Die Grundsätze der Ingerenzhaftung greifen insbesondere dann, wenn der Täter die Entstehung eines Irrtums infolge seines (irreführenden) Vorverhaltens zu vertreten hat. Allerdings erlangt die Täuschung durch Verletzung einer Aufklärungspflicht nur selbstständige Bedeutung, wenn der Täter erst nach seiner Tatsachenbehauptung deren Unwahrheit erkennt, ohne sie zu korrigieren.[197] Ansonsten ist das Unterlassen gegenüber einer vorsätzlichen Täuschung subsidiär. Gleiches gilt, wenn der Täter zunächst ohne Schädigungsvorsatz (oder Bereicherungsabsicht) die Unwahrheit sagt, den Irrtum aber anschließend mit betrügerischer Zielsetzung ausnutzt.[198]

121

Eine Garantenstellung kann sich ferner aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht für einen Unternehmer bezüglich (ihm zurechenbarer) unwahrer Erklärungen seiner Angestellten und Vertreter bei der Anbahnung oder Abwicklung von Geschäften ergeben; zur Begründung der Garantenpflicht wird bisweilen § 357 StGB (Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat) herangezogen.[199] Nach vorherrschender Meinung folgt aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht eine Garantenstellung des Unternehmers für (ihm zurechenbare) Erklärungen seiner Angestellten und Vertreter hinsichtlich der Anbahnung wie auch Abwicklung von Geschäften, wobei die Form der Beteiligung von den Umständen des Einzelfalles abhängen soll.

122

Umstritten ist, ob eine Erklärung, die erst aufgrund einer späteren Veränderung der Verhältnisse unwahr wird, eine Garantenstellung aus Ingerenz zu begründen vermag.[200] Diese Möglichkeit ist jedoch nur dann anzuerkennen, wenn die Tatsachenbehauptung des Täters falsch wird, bevor sie der Erklärungsempfänger erhält. Denn der Verpflichtete hat nur dafür einzustehen, dass seine Information wahr ist, nicht aber auch dafür, dass sie wahr bleibt. Anderes gilt freilich, wenn der Täter mit seiner Erklärung zugleich die Verpflichtung eingeht, über Änderungen der behaupteten Verhältnisse zu informieren. Dies ist etwa der Fall, wenn der Täter unter Hinweis auf bestimmte Tatsachen ein Angebot macht, an das er sich für eine bestimmte Zeit gebunden erklärt.

123

Das Zivilrecht kennt für Vertragsverhältnisse eine Reihe gesetzlich normierter Informationspflichten wie etwa die Auskunftspflichten des Beauftragten nach § 666 BGB, die Auskunftspflichten des Kommissionärs nach § 384 Abs. 2 HGB sowie die Informationspflichten zugunsten von Anlegern bei dem Handel mit Wertpapieren und Warentermingeschäften.

124

Nachdem die Judikatur zeitweise Garantenpflichten unmittelbar aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ableitete,[201] verlangt sie nunmehr ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien.[202] So wird ein solches Vertrauensverhältnis etwa bei Mietverhältnissen angenommen;[203] der geschiedene Ehegatte soll die Treuepflicht haben, dem früheren Partner die Aufnahme einer bezahlten Beschäftigung mitzuteilen, die den im Unterhaltsvergleich als anrechnungsfrei festgelegten Nettoverdienst übersteigt; ein Gebrauchtwagenhändler soll verpflichtet sein, ungefragt auf die mangelnde Unfallfreiheit eines Pkw hinzuweisen.[204] Der bloße Umstand, dass der Vertragspartner geschäftlich unerfahren ist, begründet keine Aufklärungspflicht.[205]

 

125

Keine Informationspflichten ergeben sich aus besonderen „zwischenmenschlichen Beziehungen“, wie etwa Freundschaft,[206] oder aus der Möglichkeit eines hohen Schadens.[207]

126

Auch aus öffentlich-rechtlichen Leistungsverhältnissen können sich schließlich Aufklärungspflichten ergeben. Hier ist die Auskunftspflicht des Antragstellers Kehrseite des rechtlichen Anspruchs auf Leistung. Beispielhaft ist die Mitteilungspflicht des Empfängers von Sozialleistungen nach § 60 Abs. 1 SGB I.[208] Als Ausfluss des Treueverhältnisses werden auch für das Beamtenverhältnis Informationspflichten bejaht, z.B. über die Wiedereinstellung eines Beamten außer Diensten bei einer anderen Behörde oder die versehentliche Fortzahlung von Bezügen nach Beendigung des Dienstverhältnisses.[209]