Handbuch des Strafrechts

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dd) Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs

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Mitfahrer ist jeder weitere Fahrzeuginsasse, soweit und solange das Kraftfahrzeug von einer anderen Person i.S.d. vorstehenden Grundsätze geführt wird.[503] Der Begriff des Mitfahrers ist akzessorisch auszulegen, sodass die Mitfahrereigenschaft endet, wenn das Kraftfahrzeug nicht mehr geführt wird.[504] Unerheblich ist, ob die Mitfahrt freiwillig war oder durch Täuschung oder Nötigung erzwungen worden ist.[505] Wer sich zu Fuß außerhalb des Kraftfahrzeugs befindet, ist kein Mitfahrer.[506] Strittig ist, ob auch der Transport außerhalb des Fahrzeuginnenraums die Mitfahrereigenschaft begründen kann.[507] Relevanz hat die Streitfrage insbesondere für die Fälle des Transports im Laderaum oder des sog. Autosurfings. Dies ist zu bejahen, da auch diese Personen gerade wegen ihrer Teilnahme am Straßenverkehr leichter Opfer eines Angriffs werden können und somit hinreichend schutzbedürftig sind.[508] Dabei ist aber besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Täter hier die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt hat (Rn. 122 ff.).

ee) Zeitliche Verknüpfung

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Der Angriff muss zu einem Zeitpunkt verübt werden, an dem das Opfer (schon oder noch) Kraftfahrzeugführer oder Mitfahrer ist.[509] Bei dieser zeitlichen Verknüpfung handelt es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Koinzidenzprinzips gemäß § 8 S. 1 StGB.[510] Vor Beginn der Führereigenschaft verübte Angriffe unterfallen zunächst nicht dem § 316a StGB.[511] Nicht erforderlich ist aber, dass das Opfer schon bei Beginn des Angriffs Führer des Kraftfahrzeugs oder Mitfahrer ist.[512] Wird das Opfer zum Fahrtantritt gezwungen, kann ein fortdauernder Angriff[513] oder ein wiederholter Angriff[514] vorliegen. Dann werden aber besondere Anforderungen an das Ausnutzen gestellt (Rn. 132).

e) Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs (Tatsituation)

aa) Allgemein

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Bei dem Merkmal „Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs“ handelt es sich um einen „Schlüsselbegriff“ des § 316a StGB.[515] Danach ist erforderlich, dass der tatbestandsmäßige Angriff gegen das Tatopfer als Kraftfahrzeugführer oder Mitfahrer unter Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs begangen wird.[516] An dem Regelungsgehalt dieses Tatbestandsmerkmals hat sich durch die Neufassung durch das 6. StrRG (Rn. 20) sachlich nichts geändert.[517] Zweck dieses „janusköpfigen“ Tatbestandsmerkmales ist es, als „Scharnier“[518] das Angriffsgeschehen („dabei“) und Verkehrsgeschehen[519] bzw. die raub- und straßenverkehrsspezifischen Teile des § 316a StGB[520] miteinander zu verknüpfen.[521] Damit werden das Kollektivrechtsgut „Sicherheit des Straßenverkehrs“ (Kontrollverlust, Eskalationsgefahr) und die Individualrechtsgüter (gesteigerte Angriffsintensität und ungünstigere Abwehrposition des Opfers aufgrund der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs) miteinander in einen inneren Zusammenhang gebracht, durch die erst der besondere Unrechtsgehalt des § 316a StGB begründet wird.[522] Dies vor Augen ist das Merkmal Ansatzpunkt einer teleologischen restriktiven Auslegung des § 316a StGB. Dies gilt umso mehr, wenn, wie hier, das (vorgelagerte[523]) Tatbestandsmerkmal des „Führers“ eines Kraftfahrzeugs, entgegen der Rspr. und einem Teil der Lehre, eher weit verstanden wird (Rn. 114 ff.). Das Merkmal vereint zwei Erfordernisse, die analytisch voneinander zu trennen sind:[524] Das erste ist das der „besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs“, das die Tatsituation beschreibt und nach h.M. opferbezogen auszulegen ist.[525] Das zweite ist das „Ausnutzen“, das täterbezogen zu interpretieren ist.[526]

bb) Straßenverkehr

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Mit Straßenverkehr ist der öffentliche Straßenverkehr gemeint.[527] Der private Grund ist damit ausgenommen.

cc) Besondere Verhältnisse des Straßenverkehrs

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Mit besonderen Verhältnissen des Straßenverkehrs sind verkehrsimmanente Gefahrenlagen gemeint, die für jeden Teilnehmer am Kraftfahrzeugverkehr typischerweise entstehen.[528] Diese opferbezogene Sichtweise liegt der Rspr. und wohl h.L.[529] zugrunde.[530] Der Führer muss also (in objektiver Hinsicht) im Zeitpunkt des Angriffs noch in einer Weise mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt sein, dass er gerade deshalb leichter zum Angriffsobjekt eines Überfalls werden kann.[531] Dies ergibt sich insbesondere aus der verkehrsbedingten Beanspruchung beim Führen eines Kraftfahrzeugs und die daraus resultierende Erschwerung der Gegenwehr.[532] Damit sind unstreitig Gefahren erfasst, die sich im fließenden Straßenverkehr ergeben können.[533] Hier liegt i.d.R. eine eingeschränkte Abwehrmöglichkeit beim Führer vor, weil er sich durch das Lenken des Fahrzeugs wegen der damit verbundenen Konzentration auf die Verkehrslage und die Fahrzeugbedienung auf den Verkehr konzentrieren muss.[534] Er gerät in ein Dilemma: Er kann sich des Angriffes erwehren und so den Verkehr gefährden oder den Angriff erdulden.[535] Einer besonderen Begründung durch den Tatrichter bedarf es deshalb in dieser Konstellation nicht.[536] Bei Mitfahrern (die i.d.R. nicht mit Verkehrsvorgängen beschäftigt sind) ist maßgeblich, ob diese aufgrund der spezifischen Verhältnisse des Straßenverkehrs in ihren Reaktionsmöglichkeiten (Flucht bzw. Gegenwehr) eingeschränkt sind.[537] So können die Abwehrmöglichkeiten insbesondere eingeschränkt sein, weil der Mitfahrer ein fahrendes Fahrzeug nicht ohne weiteres verlassen kann.[538]

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Auch bei einem verkehrsbedingten Halt (z.B. an einer roten Ampel) kann die Abwehrmöglichkeit des Tatopfers aufgrund der fortbestehenden oder bevorstehenden verkehrsspezifischen Beanspruchung bzw. der eingeschränkten Möglichkeit zur Gegenwehr noch eingeschränkt sein. Hier können nun Gesichtspunkte aufgegriffen werden, die die neuere Rspr. seit BGHSt 49, 8 teilweise bereits bei der restriktiven Interpretation des (vorgelagerten) Merkmals des Kraftfahrzeugführers berücksichtigt (Rn. 117): Da sich der Fahrer trotz des vorübergehenden Halts noch im fließenden Verkehr befindet und mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen befasst ist, liegen danach regelmäßig die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs vor.[539]

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Doch auch bei einem nicht verkehrsbedingten Halt kann die Gegenwehr des angegriffenen Kraftfahrzeugführers erschwert sein.[540] Ein Beispiel wäre, dass der Fahrer bei Dauerbetrieb des Automatikantriebs den Fuß dauernd auf der Bremse hat.[541] In diesem Fall muss nach dem BGH der Motor des Kraftfahrzeugs noch laufen sowie weitere verkehrsspezifische Umstände vorliegen, die zu einer Beeinträchtigung der Abwehrmöglichkeiten des Tatopfers geführt haben.[542] Diese Voraussetzungen liegen etwa vor, wenn der Fahrer das Automatikgetriebe auf Dauerbetrieb belässt und mit dem Fuß auf der Bremse bleibt, um das Weiterrollen des Fahrzeugs zu verhindern.[543] Eine Erschwerung der Gegenwehr infolge der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs ist z.B. dann nicht gegeben, wenn sich die Aufmerksamkeit nicht auf das Führen des Fahrzeugs, sondern auf andere Tätigkeiten (z.B. Kassieren des Fahrpreises durch den Taxifahrer,[544] Telefonieren) richtet.[545]

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Bei einem Angriff auf Mitfahrer ist ebenfalls zwischen dem fließenden Verkehr und der Haltephase zu differenzieren. Während im fließenden Verkehr wegen der Erschwerung von Gegenwehr und Flucht i.d.R. ein Ausnutzen gegeben ist, soll dies in den Haltephasen nur im Ausnahmefall vorliegen. Ein solcher Ausnahmefall kann dann bejaht werden, wenn der Mitfahrer verkehrsbedingt nicht fliehen kann, ohne sich spezifischen Gefahren des fließenden Straßenverkehrs auszusetzen;[546] etwa bei dem Halt auf einem Seitenstreifen bei starkem Verkehr.

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Kein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs liegt vor, wenn die Abwehrmöglichkeiten des Führers oder Mitfahrers nur durch die „Enge des Fahrzeuges“ und nicht auch aufgrund einer verkehrsbedingten Beanspruchung oder aufgrund sonstiger verkehrsspezifischer Umstände eingeschränkt sind.[547] Entgegen der früheren Rspr.[548] reicht für ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs die Tatsache allein nicht aus, dass das Opfer mit Gewalt bzw. Drohung oder einer List (die als solche nicht das Verüben eines Angriffs darstellt; Rn. 111 ff.) an einen abgelegenen Ort lockt und angreift, sodass fremde Hilfe nicht erreichbar ist (sog. Vereinzelungsfälle).[549] Die Vereinzelung wird mit Hilfe des Kraftfahrzeugs als Transportmittel nur ermöglicht, stellt aber kein Spezifikum der Teilnahme am Straßenverkehr dar.[550] Erforderlich ist zudem, dass das Fahrzeug als Verkehrsmittel dient, nicht als Fluchtmittel[551] oder Gegenstand des Raubes[552] selbst.

 

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Fraglich ist, ob und inwieweit noch weitere Restriktionen, auch im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG erforderlich sind.[553] Hier werden unterschiedliche Lösungsansätze vertreten. Beyer[554] beschränkt § 316a StGB auf von außen kommende Angriffe, was z.B. Angriffe auf Taxifahrer durch Fahrgäste schutzlos stellen würde.[555] Eine andere Restriktionsmöglichkeit besteht darin, den Verkehrsschutzaspekt des § 316a StGB stärker zu betonen. Nach Duttge/Nolden sollen nur Angriffe im fließenden Straßenverkehr relevant sein, bei denen der Täter die Bewegungsvorgänge eines Fahrzeugs ausnutzt und infolgedessen genuin straßenverkehrsbedingte (Unfall-)Gefahren für die Allgemeinheit (sic!) schafft.[556] Es wird kritisiert, der BGH stelle lediglich auf die erhöhte Gefährdung des Führers bzw. Mitfahrers, nicht aber auf die spezifische Gefährdung des Verkehrs ab.[557] Danach erfasse § 316a StGB nur Angriffe im fließenden, nicht aber im ruhenden Verkehr. Baur[558] lässt hingegen auch eine Unfallgefahr für den Fahrzeugführer ausreichen, da auch dieser Teil der zu schützenden Allgemeinheit der Straßenverkehrsteilnehmer sei. Für ihn handelt es sich bei § 316a StGB um ein gemeingefährliches Delikt in Gestalt eines abstrakten Gefährdungsdelikts.[559] Die stets erforderliche Gemeingefahr sei bei Angriffen im fließenden Verkehr zu vermuten, im Übrigen zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, aber sorgfältig zu prüfen.[560] Auch Sowada[561] weist auf die doppelte Schutzrichtung des § 316a StGB hin. Aus § 316a StGB seien alle Tatverläufe auszuscheiden, mit denen typischerweise keine nennenswerte Erhöhung von Unfallgefahren einhergeht. Die erforderliche „Verkehrstypizität“ fehle regelmäßig bei abgestelltem Motor, unabhängig davon, ob dieser aus verkehrsbedingten oder aus anderen Gründen abgestellt wurde.[562]

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Diese rechtsgutsbezogene Interpretation ist grundsätzlich zu begrüßen. Die eher „rauborientierte Norminterpretation“[563] des BGH und von einem Teil der Literatur erfasst nur einen Aspekt des Unrechts des § 316a StGB, der aber mehrere Rechtsgüter schützen will (Rn. 99 f.). Danach ist stets zumindest eine abstrakte Gefahr für den Straßenverkehr erforderlich. Eine Beschränkung auf Außenangriffe geht indes zu weit, da auch bei einer Bedrohung des Tatopfers durch einen Mitfahrer erhebliche Unfallgefahren bestehen können.[564] Eine spezifische Gefährdung des Straßenverkehrs liegt regelmäßig vor bei einem Angriff auf den Führer im fließenden Verkehr. Hier wird der Kraftfahrzeugführer in eine dilemmatische Situation gebracht, in der er sich des Angriffes erwehren und so den Verkehr gefährden oder den Angriff über sich ergehen lassen kann.[565] Die abstrakte Gefahr ergibt sich daraus, dass unklar ist, wie sich der Kraftfahrzeugführer entscheidet.[566] In der Haltephase ist hingegen eine genauere Prüfung erforderlich. Die pauschale Unterscheidung des BGH zwischen einem verkehrsbedingten und einem nicht verkehrsbedingten Halt überzeugt jedoch nicht, da der Grund für das Halten grundsätzlich ohne Bedeutung für die Unfallgefahren ist.[567] Er kann allenfalls ein Indiz sein. Dasselbe gilt für die Differenzierung danach, ob der Motor läuft oder nicht.[568] Das Ausschalten des Motors z.B. vor einer Ampel oder im Stau etwa aus Umweltschutzgründen schließt eine Beanspruchung des Kraftfahrzeugführers durch die Vorbereitung auf die Fortsetzung der Fahrt nicht aus.[569] Da zunehmend automatische Motorabschaltmechanismen (sog. Start-Stopp-Systeme) verwendet werden, würde die Strafbarkeit ansonsten außerdem häufig von rein technischen Zufälligkeiten abhängen. Selbst bei einem nicht verkehrsbedingten Halt können in Ausnahmefällen auch bei einem ausgeschalteten Motor Unfallgefahren entstehen, z.B. wenn sich das Fahrzeug während der heftigen Gegenwehr seines angegriffenen Führers plötzlich in Bewegung setzt, etwa weil die Handbremse am Berg nicht angezogen wurde.[570] Insofern ist aber eine genaue Prüfung der verkehrsspezifischen Gefahren im Einzelfall erforderlich. Ein Angriff auf Privatparkplätzen oder -straßen dürfte schon dem Wortlaut nach ausscheiden, da mit Straßenverkehr der öffentlich-rechtliche Straßenverkehr gemeint ist (Rn. 123).

dd) Zeitlicher Zusammenhang zwischen Angriff und Ausnutzung

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Zwischen dem Angriff und dem Ausnutzen muss ein zeitlicher Zusammenhang bestehen.[571] Dies ergibt sich aus dem Wortlaut („dabei“) und aus dem Koinzidenzprinzip (§ 8 S. 1 StGB).[572] Die Ausnutzung muss während der Verübung des Angriffs, also in der Phase zwischen Versuchsbeginn und Vollendung des Angriffs erfolgen, nicht vorher und nicht nachher.[573] Damit ist die Phase der Angriffsvorbereitung nicht erfasst.[574]

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Problematisch sind vor Fahrtantritt bzw. zunächst aus einem anderen Grund begonnene Angriffe, die während der Fahrt fortdauern, wenn dann erst die Führer- bzw. Mitfahrereigenschaft hinzutritt (Rn. 121). Dies wird deshalb als problematisch angesehen, weil der Angriff an sich verübt, also schon vollendet ist. Deshalb fordert die Rspr., dass die Eigenschaft als Führer bzw. Mitfahrer für die Aufrechterhaltung bzw. Fortdauer des Angriffs objektiv zumindest mitursächlich sein muss.[575] Dies sei nur ausnahmsweise der Fall.[576] Wenn der Täter das Opfer bereits während der Fahrt in uneingeschränkte Kontrolle gebracht hat und die Nötigungslage während der Fahrt nur unverändert aufrechterhalten wird (verfestigte Nötigungslage), sei ein Ausnutzen mangels Mitursächlichkeit deshalb zu verneinen.[577] In diesen Fällen diene das Fahrzeug lediglich Beförderungszwecken.[578] Es ist zwar zutreffend, dass ein Ausnutzen nur dann vorliegt, wenn der Täter sich die Tatsache zunutze macht, dass das Opfer mit der Beherrschung der Verkehrsvorgänge beschäftigt ist. Dann kann es aber im Hinblick auf die daraus resultierende Gefahr für den Straßenverkehr keinen Unterschied machen, ob der Angriff „nur“ fortdauert, die Opfereigenschaft also erst hinzutritt, oder bereits bei Beginn des Angriffs vorlag.[579]

f) Subjektiver Tatbestand

aa) Vorsatz

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Der Täter muss Vorsatz hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale, d.h. hinsichtlich des Verübens eines Angriffs auf einen Kraftfahrzeugführer oder einen Mitfahrer, haben. Dafür genügt dolus eventualis.[580]

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Das Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs setzt subjektiv voraus, dass der Täter entsprechend dem Ausnutzungsbewusstsein bei der Heimtücke nach § 211 Abs. 2 StGB in tatsächlicher Hinsicht sich der die Abwehrmöglichkeiten des Tatopfers einschränkenden besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bei seinem Angriff (nicht bei der räuberischen Tat) bewusst ist.[581] Nicht erforderlich ist, dass er eine solche Erleichterung seines Angriffs (subjektiv) zur ursächlichen Bedingung seines Handelns macht.[582] Nach Ansicht der Rspr. ist das Merkmal des Ausnutzens der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs in erster Linie dann erfüllt, wenn der Täter sich eine verkehrstypische Gefahrenlage zunutze macht, die dem fließenden oder ruhenden Verkehr eigentümlich ist.[583] Ein Ausnutzungsbewusstsein ist etwa zu verneinen, wenn der Täter davon ausgeht, dass das Opfer aufgrund zahlenmäßiger Überlegenheit der Angreifer ohnehin keine Abwehrchance hat.[584]

bb) Absicht bezüglich der räuberischen Tat

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Die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes erfordert die Absicht, einen Raub, einen räuberischen Diebstahl oder eine räuberische Erpressung zu begehen, wobei eine wahlweise Feststellung ausreichend ist.[585] Sonstige Straftaten sind wegen Art. 103 Abs. 2 GG als Bezugstaten ausgeschlossen. Die Absicht schließt auch sämtliche subjektiven Merkmale dieser Bezugstaten (Zueignungsabsicht, Beutesicherungsabsicht, Bereicherungsabsicht) ein.[586] Da es auf die tatsächliche Ausführung der Bezugstat nicht ankommt, handelt es sich um ein Delikt mit überschießender Innentendenz.[587] Absicht ist i.S.e. zielgerichteten Wollens (dolus directus 1. Grades) zu verstehen („zur Begehung“).[588] Die räuberischen Taten müssen wenigstens in den wesentlichen Grundzügen geplant sein, was eine konkrete Vorstellung über Art und Zeit der Begehung voraussetzt.[589] Allerdings brauchen die näheren Umstände, unter denen die Raubtat begangen werden soll, nicht bis ins einzelne in den Plan aufgenommen worden zu sein.[590] Auch ist es für die Absicht ausreichend, wenn der Täter den Einsatz von Nötigungsmitteln nur für den Fall beabsichtigt, dass er das Wegnahmeobjekt nicht unbemerkt erlangen kann („bedingte“ Absicht), also neben einer gewaltlosen auch eine gewaltsame Wegnahme ins Auge gefasst hat.[591] Bei einem Motivbündel muss die Raubabsicht dominieren.[592]

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Nach h.M. muss der Täter die Absicht einer täterschaftlichen Begehung der Bezugstat haben.[593] Die Gegenansicht, die es genügen lässt, dass der Täter die Bezugstat eines anderen als Gehilfe fördern will, argumentiert mit einer Parallele zum Ermöglichungsmord gemäß § 211 Abs. 2 StGB und zur Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB, wo es genügt, dass der Täter die Begehung einer Straftat bzw. die Täuschung im Rechtsverkehr durch einen anderen ermöglichen möchte.[594] Zwar ist dieser Ansicht zuzugeben, dass die genannten Delikte eine dem § 316a StGB ähnliche „unvollkommen zweiaktige Struktur“ aufweisen,[595] jedoch unterscheiden sie sich in ihrem Wortlaut. Allein § 316a StGB erfordert explizit ein Handeln zur „Begehung“ der Bezugstat, ist also enger formuliert als §§ 211 Abs. 2, 267 StGB. Gegen die Einbeziehung des Gehilfen, der die Bezugstat ja nicht „begeht“, sondern lediglich unterstützt,[596] spricht auch die Entstehungsgeschichte der Norm. Das Autofallengesetz (Rn. 13 ff.) setzte ein Handeln „in räuberischer Absicht“ voraus, woraus sich ergab, dass hinsichtlich der Bezugstat Tätervorsatz vorliegen musste. Dafür, dass durch die nachfolgenden Gesetzesänderungen eine Erweiterung erfolgen sollte, gibt es keine Anhaltspunkte.[597]

137

Weiter erforderlich ist ein Finalzusammenhang zwischen Angriff und beabsichtigter Bezugstat („zur Begehung …“).[598] Dieser ist zu verneinen, wenn die durch den Angriff geschaffene Lage sich nicht bei der räuberischen Tat auswirken soll.[599]

138

Die Absicht hinsichtlich der Bezugstat muss zum Zeitpunkt des tatbestandsmäßigen Angriffs vorliegen. Nicht erforderlich ist, dass die Absicht schon bei Beginn der Angriffshandlung vorliegt, sie muss aber spätestens vor Abschluss der Angriffshandlung gegeben sein.[600] § 316a StGB ist ebenfalls zu verneinen, wenn diese vor Tatvollendung erloschen ist.[601]

139

Zum Zeitpunkt des räuberischen Entschlusses muss der Täter noch die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzen.[602] Hier sind zwei Konstellationen[603] denkbar: Der Angriff kann entweder mit dem Nötigungsakt der räuberischen Tat zusammenfallen oder diesem vorgelagert sein. Fallen Angriff und Nötigungsakt zusammen, will der Täter regelmäßig auch bei der Begehung der Bezugstat die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzen. Problematisch ist die zweite Fallgruppe. Diesbezüglich ist umstritten, ob im Hinblick auf die gebotene restriktive Auslegung auch die beabsichtigte Bezugstat einen hinreichend engen räumlichen und zeitlichen Bezug zum (fließenden) Straßenverkehr aufweisen muss, namentlich, wenn die Raubtat außerhalb des Fahrzeugs erfolgen soll.[604] Die h.M. verneint dies zu Recht, da sich das Ausnutzungsmerkmal nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes lediglich auf den Angriff und nicht die beabsichtigte Bezugstat bezieht.[605]