Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln

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Der Raub der „Serene“

Im Laufe der folgenden Wochen traf ich häufig mit dem Besitzer der Nachbaryacht „Serene“ zusammen. Lars Roedahl war aus Texas nach Las Palmas gekommen, um einen schweren Bandscheibenschaden auszukurieren. Wie er gerade auf Las Palmas verfallen war? Seine kleine Tochter hatte zu Hause in Beaumont nach altbewährtem Rezept mit dem Zeigefinger auf den Globus getippt, als die Familie überlegte, wo sie sich zur Erholung niederlassen sollte. Der Finger wies auf die Kanarischen Inseln. Aber es hätte auch Poppenbüttel sein können. Man packte die Koffer, und wenig später traf Familie Roedahl in Las Palmas ein.

Einige Wochen lang blieb Lars in den Bergen bei Las Palmas, ließ sich massieren, trieb Gymnastik und bezahlte gepfefferte Rechnungen. Als zufällig im Hafen eine Yacht zu verkaufen war, griff er zu und fand sich plötzlich als Besitzer des Schoners „Serene“ wieder, eines 16 Meter langen, 25 Tonnen schweren Bootes, dessen Geschichte geradezu unglaublich klingt:

Serene heißt die „Heitere“, doch es hatte ihren früheren Eigner, einen alterfahrenen Yachtsportler vom New-Yorker Yachtclub, gar nicht heiter gestimmt, als er vor drei Jahren vergeblich auf sein Boot warten mußte. Unter Beachtung sämtlicher Formalitäten hatte er es für zehn Tage an einen Joseph Schmitz aus Chicago verliehen, der sogar ein Kapitänspatent vorlegen konnte. Es war vereinbart worden, daß Schmitz nur in den Binnengewässern um New York kreuzen durfte. Aber Schmitz dachte gar nicht daran, sich auf Binnengewässer zu beschränken. Sein Ziel war Afrika.

Er hatte zwei Landratten aus Chicago mitgebracht, die bis dahin Boote nur aus dem Kino kannten, und er schwärmte ihnen vor: daß man in Afrika durch Handel und Schmuggel Reichtümer verdienen könne. Die beiden – Handelsvertreter ihres Zeichens – waren Feuer und Flamme, solange sie noch festen Boden unter den Füßen hatten. Als sie jedoch den Schoner betraten, wollten sie am liebsten auf der Stelle umkehren, und als Schmitz schon in der ersten Nacht einen neuen Namen an die Bordwand malte, „Marcel V“, waren sie ernstlich bestürzt.

Kaum hatten die drei die Skyline von Manhattan aus den Augen verloren, gerieten sie auch schon in einen ausgewachsenen Sturm. Das Schiff bot bald den Anblick eines Schlachtfeldes, die Küche flog umher, ein Segel zerriß mit Donnerknall; zerschunden, blutend und laut betend kauerten die beiden Handelsvertreter in einer Kojenecke, während Schmitz drei Tage lang ununterbrochen Ruderwache hielt. Er fühlte sich durchaus in seinem Element.

Dann kam eine elende Flaute, und die Vorräte in der Kombüse gingen zur Neige. Um das Maß voll zu machen, gerieten unsere kühnen Seefahrer noch in den Hurrikan Carrie; es war der gleiche, in dem die deutsche Viermastbark „Pamir“ sank. Der eine Handelsvertreter machte sich Aufzeichnungen über seine „letzten Tage auf dieser Erde“, der andere lag lethargisch in einer Kojenecke und erwartete nur noch das Ende.

Da stürmte der unverwüstliche Schmitz mit einer Freudenbotschaft herein: „Land in Sicht!“ Die beiden wußten nicht, ob sie Eskimos, Negerinnen oder Feuerländerinnen erwarten durften – es war ihnen auch gleich. Aber was da am Horizont vor ihnen auftauchte, waren weder Nord- noch Südpol, sondern die Kanarischen Inseln. Am 51. Tag ihrer Fahrt lief die „Marcel“ in den Hafen von Santa Cruz de Tenerife ein.

Die Handelsvertreter hatten für die nächsten hundert Jahre die Nase voll von Abenteuern; sie wollten so schnell wie möglich nach Hause. Doch da sie all ihr Geld in die für Afrika bestimmte Fracht gesteckt hatten und Schmitz genauso blank war wie sie, gab es nur einen Ausweg, einen greulichen Ausweg, aus ihrer hoffnungslosen Lage: sie mußten aufs Meer zurück, und zwar auf eine kleine Ketsch4, die gerade in Richtung Westen segeln wollte. Nach einem erneuten Leidensweg von 30 Tagen gelangten sie zerschlagen und zerschunden nach Barbados und flogen von dort in die USA zurück.

Schmitz – er hieß in Wirklichkeit Bredel – segelte indessen nach Las Palmas, wo ihn sein Schicksal ereilte: das Boot, nach dem schon lange gefahndet worden war, wurde unter Bewachung gestellt, und sein Käptn mußte die Koje mit einer Pritsche hinter vergitterten Fenstern vertauschen. Aber es gelang ihm zu entkommen; in Frauenkleidern floh er nach Tenerife, und von dort schiffte er sich nach Madeira ein, jedoch: die portugiesischen Behörden schnappten ihn und verfrachteten ihn postwendend zurück. Ein FBI-Beamter soll ihn dann in die USA gebracht haben, wo er milde Richter fand, die sogar für seine seemännische Leistung anerkennende Worte hatten.

Lars hatte die „Serene“ der Versicherung abgekauft, die dem Besitzer den Schaden ersetzt hatte. Kurz vor meiner Abfahrt aus Las Palmas hatte auch er den Anker gelichtet und war in 29 Tagen allein nach Barbados gesegelt. In seiner Heimatstadt muß man ihn als Helden gefeiert haben, denn ich erhielt von ihm einen Brief mit dem stolzen Kopf „The Viking of Beaumont Lars Roedahl“.

Daß es leichter ist, eine seetüchtige Yacht über den Ozean zu segeln, als mit einem Auto den afrikanischen Kontinent zu durchqueren, wissen nur Eingeweihte.

Sie suchen das große Abenteuer

Der Hafen von Las Palmas, Puerto de la Luz, besitzt nicht nur die interessante Atmosphäre eines jeden größeren Hafens der Welt, sondern er hat darüber hinaus noch einige besondere „Qualitäten“. Zum Beispiel war er jahrelang als Sammelpunkt der Abenteurer aus allen Ländern verschrien. Gestalten, denen die Verzweiflung im Gesicht geschrieben stand, trieben sich dort herum und versuchten, um jeden Preis nach Amerika zu gelangen. Mir selbst wurde einmal angeboten, ein Fischerboot mit sieben illegalen Auswanderern nach Venezuela zu bringen.

Bei einem solchen Publikum und bei der Patiencia der dortigen Polizei ist es nicht weiter verwunderlich, daß Yachten das Tauwerk vom Deck gestohlen wurde, während die Besatzung unten schlief. Nicht genug damit: es passierte – um nur einen Fall von vielen herauszugreifen – der Yacht „Bernina“, daß Diebe im Dunkel der Nacht sogar ins Vorschiff eindrangen und den Proviant herausholten. Sie flohen erst, als der Kapitän sie mit Donnerstimme vertrieb.

Die Besatzung einer anderen Yacht wachte davon auf, daß ihr sauber lackiertes Boot gegen die schmutzige Mole schlug: unbekannte Bösewichter hatten die Ankertrosse durchschnitten und geraubt!

Sogar entführt wurde ein Boot, und zwar 1947, mitten aus dem Yachthafen heraus. Die beiden Diebe, die weder etwas von Navigation noch vom Segelflicken verstanden, wurden drei Monate später von einem amerikanischen Dampfer vor Neufundland halb ohnmächtig aus dem inzwischen übel zugerichteten Kahn geholt. Sobald sie wieder bei Sinnen waren, hatten sie nichts Eiligeres zu tun, als politisches Asylrecht zu verlangen, und trotz des verzweifelten Protestes der Yachtbesitzer ging ihre Rechnung auf: sie kamen ungeschoren davon und wurden nicht bestraft.

Heute aber sei alles anders, versicherten mir meine Freunde. Im ganzen letzten Jahr nicht ein einziger Diebstahl! Ein Wächter sorge jetzt für Ordnung!

Eine der auffallendsten Gestalten, die je Las Palmas angelaufen haben, war der Deutschbalte Georg Puchert, den ich schon in Tanger einmal getroffen hatte. Puchert stammte aus Libau, im Baltikum, hatte im Zweiten Weltkrieg bei der Kriegsmarine gedient und sich 1948 kurz nach der Währungsreform in einem Kutter nach Tanger abgesetzt. Wenn in Tanger damals die beste Zeit für Geschäfte auch schon vorbei war, so fand er doch bald Anschluß an einen internationalen Schmugglerkreis und arbeitete sich zum „Kapitän“ empor. Sein Spitzname „Captain Morris“ verriet seine Schmuggelware: die Zigarettenmarke gleichen Namens.

Als ich Puchert in Tanger traf, wohnte er auf einem Boot; die Polizei erlaubte ihm nicht, an Land ansässig zu werden. Er hatte sich ein Kapitänspatent der zentralamerikanischen Republik Costa Rica gekauft und seine „Fischerboote“ in dem vergessenen Hafen Puerto Limon an der Karibischen See registriert. Seit 1953, also seit der Zeit, da die Marokkaner ihren Unabhängigkeitsfeldzug aktivierten, verlegte sich Puchert immer mehr auf den Waffenhandel und geriet deswegen in Konflikt mit der französischen Abwehr, die 1957 zwei seiner Konterbandeschiffe durch Haftladungen in die Luft gehen ließ. Das hinderte Puchert aber nicht, noch enger als bisher mit Marokkanern und Algeriern zusammenzuarbeiten und bald zu ihrem wichtigsten Waffenlieferanten zu avancieren.

In Las Palmas traf ich Puchert 1956 auf einer Gesellschaft wieder. Er erschien in Begleitung seiner damals fünfzehnjährigen Tochter Marina, die aus einem Londoner Internat herübergekommen war und ihre Ferien bei ihrem Vater verbrachte. Sie schien intelligenter und vernünftiger zu sein als er und mußte mehrmals vermittelnd eingreifen, wenn er Streit vom Zaun zu brechen versuchte. Puchert tat so, als ob es keinen ehrsameren Beruf als den eines Schmugglers gäbe und wurde böse, als ich diese Ansicht nicht unbedingt teilen wollte. Meinen Plan, den Atlantik in einem Faltboot zu überqueren, hielt er für völlig undurchführbar und wettete um eine Kiste Sekt, daß ich nie ankommen würde.

Die Kiste Sekt habe ich zwar gewonnen, doch nie bekommen. Denn Pucherts gefährliches Spiel, das er allen Warnungen zum Trotz nicht aufgeben wollte, fand bald ein gewaltsames Ende. In Frankfurt explodierte eine Haftladung, als er seinen Wagen anlaufen ließ …

Für die LIBERIA kam allmählich die Zeit der Abfahrt. Herr von Thun von der früheren Wörmann-Linie lud mich ein, auf seine Werft zu kommen, damit er den Ausbau und das Dichten meiner zerschlagenen Tanks überwachen könne. Da er früher selbst ein Boot gehabt, dazu noch vielen Seglern mit Rat und Tat beigestanden hatte, konnte ich mich voll und ganz auf ihn verlassen. Das Cockpit mußte ganz aufgerissen werden, damit man die großen Tanks herausholen und mit Quer- und Längsschotten versehen konnte.

 

Nach zwei Wochen – die Instandsetzung des Bootes hatte länger gedauert als vorausgesehen – nahm ich endlich Abschied von den Kanarischen Inseln, die der Mythos „Inseln der Glückseligen“ nennt. Wie weit hinter der klangvollen Bezeichnung der alte Menschheitstraum vom Paradies stand – wer vermag das zu sagen? Paradiesisch allein – das hatte ich wieder einmal festgestellt – ist nur noch das Klima.

Mein neues Ziel hieß Kap Bojador. An der Saharaküste wollte ich einen einsamen Leuchtturm besuchen, der vor kurzem von marokkanischen Banditen überfallen worden war. In Las Palmas riet man mir dringend davon ab. Doch mein Entschluß war gefaßt.

1 Eine sehr umstrittene und auch kaum zu beweisende Theorie. Heute vermutet man in den Inseln Landreste von Amerika, die zurückblieben, als die einst zusammenhängenden Landmassen Afrikas und Amerikas sich trennten. Amerika trieb westwärts und geriet im Stillen Ozean auf Grund.

2 Ohne Segel rechtwinklig zum Wind.

3 Mastkorb, Ausguck am Mast.

4 Anderthalbmaster, mit dem kleineren Mast hinten, aber vor dem Ruder.

DRITTES KAPITEL
AUFRUHR IN DER SAHARA

Ich nahm direkten Kurs auf die Spanische Sahara. Nachdem die LIBERIA IV die ruhigen Gewässer des Hafens verlassen hatte, dümpelte sie bei flauen Winden in der hohen Atlantikdünung von einer Seite auf die andere. Wer das schön findet, muß seltsam veranlagt sein. Alle Eingeweide – nicht nur die des Bootes – werden so erbarmungslos durcheinander geschüttelt, daß selbst die härtesten Seeleute ein leises Unbehagen in der Magengegend verspüren.

Der Hafen verschwand in einer Regenboe, als ich heimkehrenden Fischern zuwinkte. Obwohl sie beide Hände voll zu tun hatten, grüßten sie freundlich wieder. Nach einem alten Seemannsglauben bedeutet das für ausgehende Boote Glück und gute Fahrt. Ich brauchte beides. Denn die Küstenfahrt von über 4000 Seemeilen, die mir bevorstand, erforderte mehr als gutes seemännisches Können und starke Nerven.

Nachmittags besuchten mich mehrere erschöpfte Landvögel, die anscheinend ihre Kräfte überschätzt hatten: Rotschwänzchen, Schwalben und ein graugrüner Kanarienvogel, dem gar nicht nach Singen zumute war. Eine Rauchschwalbe übernachtete sogar in meinem Boot; sie war stracks in die Kajüte geflogen und hatte sich auf das Radio gesetzt. Ich brachte sie in die Vorderkajüte, wo ein paar Gnitzen meine Obst- und Gemüsevorräte umschwirrten; hier konnte sie sich als lebender Fliegenfänger die Passage nach der Sahara verdienen.

Am nächsten Tage kamen – vollkommen ermattet – wieder mehrere Vögel an Bord; auch sah ich im Meer unzählige Heuschrecken, Falter und Schmetterlinge flooten, die wohl von der Sahara und der Insel Fuerteventura herübergetrieben worden waren.

Überfall auf einen Leuchtturm

Mein Ziel war der Leuchtturm von Kap Bojador. Aber was wollte ich in dieser öden, verlassenen und trostlosen Gegend?

Als ich 1954 in Liberia als Plantagenarzt gearbeitet hatte, ließ ich mir aus Hamburg Seekarten von der Westküste Afrikas schicken. Auf einer dieser Karten stand – mit Bleistift nachgetragen – zu lesen, daß am Kap Bojador ein „Feuerträger“ im Bau sei. 1955 dann passierte ich mit meinem Einbaum unfreiwillig diesen Feuerträger, der damals bereits ein stattlicher Leuchtturm war. Ob man ihn auch in Betrieb genommen hatte, vermochte ich nicht zu sagen, denn ich segelte am hellen Tage an ihm vorbei. Menschliche Spuren konnte ich nicht entdecken. Später in Deutschland fiel mir eine Zeitungsnotiz in die Hände:

4. Dez. 57 Leuchtturm überfallen

Madrid. Marokkanische Freischärler haben den Leuchtturm auf Kap Bojador, 50 km südwestlich der spanischen Besitzung Sidi Ifni, überfallen. Die beiden Leuchtturmwärter und ihre Familienangehörigen sind spurlos verschwunden. Im Innern des ausgeplünderten Gebäudes wurden Blutspuren gefunden.“ Marokkanische Freischärler waren es sicher nicht, die den Überfall auf dem Kerbholz hatten, sondern wohl gewöhnliche Banditen. Ich kenne Marokko gut. Als ich 1952 in Französisch-Marokko, das damals noch nicht frei war, Araber behandelte, lernte ich nur gemeine, hinterlistige und rücksichtslose Überfälle auf unbewaffnete Freunde verschiedener Nationalität kennen. Heute mag die marokkanische Regierung Herr der Lage sein, wer jedoch will den Nomaden der Sahara gebieten?

Hier leben uralte, nie ganz eingedämmte Traditionen wieder auf! Die Erinnerung an den Namen „Barbareskenküste“ wird wach, an Sklaven, Überfälle, Erpressung und kalt berechneten Mord. Wenn die Friedfertigsten aller Friedfertigen, die Leuchtturmwärter, überfallen werden, dann ist das gemeinste und abscheulichste Barbarei.

In Las Palmas erinnerten sich noch ältere Fischer der Zeiten um 1930, da sie beim Fischen von der Saharaküste aus beschossen wurden. Wie wenig sich an der Lebensweise der Araber jener Gegenden geändert hat, zeigt die Geschichte des Monsieur Saugnier, der mit seinem Schiff „Deux Amis“ dort strandete. Er fiel in die Hände der Nomaden, die ihn als Sklaven mehrfach weiterverkauften, bis ihn schließlich der Sultan von Marokko erwarb und über Tanger nach Europa zurücksandte. Saugnier schrieb über die Nomaden: „Diese Leute sind hundearm, besitzen nichts und leben nur von dem, was sie finden oder stehlen können. Da der Boden sie nicht ernähren kann, greifen sie nach allem, was besser als eine Laus aussieht.“

Während meines früheren Aufenthaltes in der Sahara hatte mir ein alter Scheich beim Tee verraten, daß in seinem Dialekt die Begriffe „frei sein“ und „stehlen“ durch das gleiche Wort wiedergegeben werden …

Wo das Dunkelmeer beginnt

Kap Bojador wurde jahrhundertelang für das Ende der Welt gehalten. Da es mit einer gefährlichen Sandbank ins Meer hinausragt, da die Strömung wie an jedem vorspringenden Punkt auch hier besonders stark läuft und die Küste kaum eine Landemöglichkeit bietet, glaubten früher die Seeleute, man könne das Kap nicht umsegeln. Außerdem hatten die Phönizier in ihrem Bestreben, auf den Kanarischen Inseln eine ungebetene Handelskonkurrenz auszuschalten, absichtlich das Gerücht verbreitet, jenseits des Kaps beginne das „Dunkelmeer“, alle Weißen würden dort schwarz und ihre Schiffe gingen in Flammen auf oder stürzten in einen tiefen Abgrund.

Was sollte man auch von der trostlosen, häufig von dichten Nebeln verschleierten Wüstenküste erwarten? Da gab es nichts zu holen, nichts zu plündern, keine Sklaven zu fangen und kein Gold zu entdecken. Man kann verstehen, warum sich die Umschiffung des Kaps solange hinzog.

Heinrich dem Seefahrer, dem Begründer des Zeitalters der Entdeckungen, einem düsteren, einsamen und unverstandenen portugiesischen Prinzen, gebührt die Ehre, die Erforschung Westafrikas vorangetrieben zu haben. Seine systematischen Forschungen bildeten Grundlage und Voraussetzung für alle Entdeckungen, sei es der Seeweg nach Indien oder die Wiederentdeckung Amerikas.

Nachdem seine Kapitäne ihm zehn Jahre lang gemeldet hatten, Kap Bojador sei nicht zu umsegeln, muß schließlich seine Geduld erschöpft gewesen sein; er befahl seinem Schildknappen Gil Eannes, das Kap zu „nehmen“, koste es, was es wolle. Etwa 1433 führte Eannes den Befehl aus; seine Leistung wurde als „Herkulestat“ gepriesen. Nach ihr folgten sich die Entdeckungen, eine der anderen: Kap Blanc, Kap Verde und endlich das Kap der Guten Hoffnung.

Von Las Palmas bis zum Kap Bojador sind es rund 140 Seemeilen. Ich hoffte, bei Einbruch der Dunkelheit dort Anker werfen zu können, aber die schwachen und zum Teil umlaufenden Winde verzögerten die Ankunft.

Landung in der Sahara

An dem vom Küstenhandbuch vorgeschlagenen Ankerplatz konnte ich zwar ankern, jedoch nicht an Land gehen. Deshalb ankerte ich weiter im Norden. Es war gerade sieben Uhr morgens. Die Sonne fingerte erst seit Sekunden mit ihren goldenen Strahlen über der Sahara. Ich wusch mich, schlug mein Faltboot auf und war um acht Uhr bereit, durch die Brandung zu paddeln. Die Brecher waren um keinen Pfennig schlechter als es das Handbuch vorausgesagt hatte. Hilfesuchend schaute ich nach dem Strand. Auf den Riffs konnte ich ein paar Gestalten ausmachen, die, als sie mich entdeckten, aufgeregt zu gestikulieren begannen und in eine Richtung wiesen, in der ich landen konnte.

Zwei, drei schwere Brecher wartete ich ab – ein tiefer Atemzug, und ich paddelte mit aller Kraft, bis mich eine Brandungswelle in sausender Schußfahrt ans Ufer warf. Zwei Leute griffen eilig nach dem Boot, – ich versuchte auszusteigen, jedoch der Sog riß mich zurück, – wie ein Kieselstein rollte ich wieder dem Meer zu. Salzwasser im Mund, Nase und Augen, schnappte ich nach Luft. Da hob mich eine neue Welle auf und warf mich wie ein Stück Treibgut zu meinem Boot und den Leuten. Das war mein Einzug in die Sahara.

Die drei Menschen am Ufer, die mich wie ein Wundertier anstarrten und dann vor Freude über den unerwarteten Besuch alle auf einmal zu reden und zu lachen begannen, waren spanische Soldaten, jeder nach seinem Geschmack gekleidet. Einer hatte – und das war das einzig Militärische an ihnen – ein Gewehr und ein Koppel mit einem Patronengurt um. Die zwei anderen trugen Säcke voll Miesmuscheln, die zu einer Paella, dem berühmten Reisgericht aus Valencia, verarbeitet werden sollten.

Wir brachten das Faltboot in Sicherheit und zogen zum Leuchtturm, der sich seltsam unwirklich in dieser skurrilen und beinahe mondhaften Landschaft aus Gestein, Sand und verdorrtem Gestrüpp ausnahm. Der Hund, den die drei Spanier mit sich führten, scheuchte zwei Kaninchen auf, im Gesträuch flatterten einige Vögel, die ich nicht bestimmen konnte, und schon waren auch die ersten hartnäckigen Saharafliegen da!

Über Kakteen, bauchhohe Sträucher, Gestein und Sand gelangten wir schließlich auf die Piste, die vom Turm zum Landeplatz für die großen Brandungsboote der Dampfer aus Las Palmas führt. Einmal im Monat geht ein Dampfer hier vor Anker und bringt der kleinen Garnison, die seit dem Überfall den Leuchtturm bewacht, Vorräte und Süßwasser. Zusätzlich liefert ein kleines Kurierflugzeug zweimal wöchentlich Post ab.

Bereitwillig gaben mir meine drei Begleiter Auskunft über alles, was ich wissen wollte. Die verschleppten Leuchtturmwärter sollten sich im Innern des Landes befinden, und das Internationale Rote Kreuz, hörte ich, bemühte sich schon, sie freizubekommen. Die maurischen Banditen, denen sie zum Opfer gefallen waren, nannten sich großzügig Exercito de la Liberación – wen oder was sie befreien wollten, wissen wohl nur sie selbst.

Wie in vielen Teilen der Sahara und besonders am Rande des Atlantiks, ist auch hier das Grundwasser salzhaltig; man benutzt es zum Waschen. Könnte man Wasser aus der Tiefe gewinnen – unter der Sahara verbergen sich gewaltige Wasseradern –, so wäre es möglich, in diesem Teil der Wüste ebenso fruchtbare Plantagen entstehen zu lassen, wie sie die Franzosen innerhalb von knappen vierzig Jahren in Marokko hervorgezaubert haben und wie sie vor viertausend Jahren noch an vielen Stellen der Sahara zu finden waren.

Im gesamten Umkreis des Leuchtturms war kein echtes Grün zu erkennen, lediglich rings um den Auslauf der Kloakengewässer wagte sich spärlich und vorsichtig ein wenig frisches Gras hervor. Dort schwirrte es auch von hungrigen und durstigen Schwalben, Spatzen, Bachstelzen und kleinen weißen Reihern.