Gut beraten im Nachbarschaftsrecht

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Der doppelte Spielturm



Anna ist Eigentümerin eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks, das an einer Längsseite an das ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück von Ivo angrenzt. Ivo hat unmittelbar an der Grenze eine lange Garage, daran anschließend ein etwa 1,30 Meter bis 1,40 Meter breites und wegen der Dachschräge 3,10 Meter bis 3,50 Meter hohes Holzgerüst zur Lagerung von Brennholz, ein Gartenhaus und einen Spielturm aus Holz mit einer etwa in 1,80 Meter bis 2,00 Meter Höhe angebrachten Plattform errichtet, die über eine Sprossenleiter erreicht werden kann. Darunter befinden sich ein Sandkasten, eine Schaukel und auf zwei Seiten Sitzbänke für Kinder. Alles ist mit einer Bretterwand zur Grenze von Annas Grundstück hin abgeschirmt.












Turm mit Aussicht





Ein Spielturm ist für Kinder toll, kann aber für Nachbarn der Auslöser für Beschwerden werden. Wo darf ein Spielturm stehen?



Annas und Ivos Grundstücke liegen in Geltungsbereichen unterschiedlicher Bebauungspläne.



An der anderen Seite des Grundstücks von Anna grenzt das Grundstück der Familie Dali an, das mit einem Wohnhaus bebaut ist. In dem Bebauungsplan sind untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen, die größer sind als 4 Quadratmeter, nur innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen zulässig. Herr Dali errichtete im hinteren Grundstücksbereich auch einen Spielturm aus einem etwa 1,50 Meter hohen Holzgestell und einem darauf aufliegenden Holzhäuschen mit einer kindergroßen Öffnung, die nicht in die Richtung von Annas Grundstück zeigt. Der Spielturm hat eine Grundfläche von 1,25 Meter × 2,80 Meter = 3,50 Quadratmeter. Er verfügt über mehrere Spieleinrichtungen sowie einen knapp 3 Meter langen Holzbalken mit Schaukel, der auf einem fest im Boden verankerten Holzgestänge aufliegt.



Der Spielturm grenzt mit einem Abstand von 1,50 Meter an das Grundstück von Anna. Anna hat unmittelbar auf der Grenze in diesem Bereich einen etwa 2 Meter hohen Sichtschutzzaun aus Holz errichtet.



Anna will in beiden Fällen die Bebauungen entlang ihrer Grundstücksgrenzen beseitigt haben und hat gegen beide Nachbarn Klage auf Beseitigung der Spieltürme erhoben.



Wie lässt sich der Fall am besten lösen?

 Dieser Streit mit Ivo hat eine Vorgeschichte: Bevor es zu der Errichtung der vielen Holzgerüste entlang der Grundstücksgrenze kam, hat der eine Nachbar Ivo durch Abgrabungen und sonstige Bauarbeiten entlang der Grenze den Boden so vertieft, dass der zuvor zwischen den Grundstücken errichtete Maschendrahtzaun keinen Halt mehr hatte und auch die Pflasterung der Einfahrt zu einer Garage sich gelockert hat.



Anschreiben und Aufforderungen von Anna an Ivo, die Abgrabungen zu unterlassen, wurden ignoriert. Ein diesbezüglich bereits beim Zivilgericht eingeleitetes Klageverfahren endete mit einem Vergleich, wonach insbesondere Ivo den Zaun und die Pflasterung wieder herstellen musste. Erst danach ging Ivo dazu über, die Holzbauten zu errichten.



Beide Gerichtsverfahren hätten sich ebenso wie das Verfahren mit dem anderen Nachbarn Dali durch entsprechende Anfragen bei Anna, ob Bedenken gegen die Errichtung der Spieltürme bestehen, eventuell verhindern lassen können. Dann hätten die Nachbarn Annas Einwände gegen die Errichtung der Spieltürme von vornherein berücksichtigen und abmildern und das Nachbarschaftsverhältnis stabilisieren können.



Gesetz und Recht:

 Die einschlägigen Landesbauordnungen, die hier zur Anwendung kommen, bestimmen zunächst, dass Abstandsflächen von Gebäuden freizuhalten sind. Nur ausnahmsweise, insbesondere dann, wenn von den auf den Abstandsflächen errichteten Anlagen keine Gefahr ausgeht, können dort bauliche Anlagen errichtet werden.



Die Abgrenzung hier ist im konkreten Einzelfall stets schwierig und problematisch. Auch müsste geklärt werden, inwieweit Nebengebäude und Ähnliches bereits aufgrund der Festsetzungen eines Bebauungsplans unzulässig sind.



Wie geht es weiter?

 In dem einen oder anderen Fall kann letztlich auch eine gerichtliche Entscheidung das gemeinsame Miteinander und Nebeneinander wieder befrieden, wenn die Entscheidung zum Anlass genommen wird, im Nachhinein über zukünftige Konflikte miteinander ins Gespräch zu kommen.






Der schöne Ausblick verbaut?



Der Segelverein Sturmwind ist Eigentümer eines Grundstücks, das, direkt an einem großen See gelegen, mit einem viergeschossigen Vereinshaus sowie Wassersportanlagen bebaut ist und für Vereinszwecke genutzt wird.



Investor Klotzen ist Eigentümer des etwa 6 500 Quadratmeter großen Nachbargrundstücks, das ebenfalls unmittelbar an den See grenzt und auf dem sich ursprünglich eine 1870 erbaute Villa befand, die etwa 1970 durch ein Gebäude mit vier Vollgeschossen und einem Kellergeschoss ersetzt worden ist, das zunächst zu Wohnzwecken, dann als Beherbergungsbetrieb und schließlich wieder zu Wohnzwecken genutzt wurde.



Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans aus dem Jahr 1959, geändert im Jahr 1971, der das Gebiet als Sonderzweckfläche für den Wassersport ausweist. In den Planbestimmungen sind für diese Sonderzweckfläche unter anderem als Maß der baulichen Nutzung eine größte Baumasse von 1,0 Kubikmeter umbauten Raumes je Quadratmeter Baugrundstück, eine offene Bauweise und als zulässige Geschosszahl zwei Vollgeschosse festgesetzt.



Klotzen beabsichtigt, auf seinem Grundstück ein Wohnhaus mit Gewerbeanteil und Tiefgarage zu errichten. Das geplante Gebäude soll insgesamt sieben Geschosse aufweisen mit einer maximalen Gebäudehöhe von 27,30 Meter und einer Baumasse von 4,30 Kubikmeter pro Quadratmeter Baufläche. Das Bauamt erteilt Herrn Klotzen einen Bauvorbescheid und kündigte darin die Zustimmung zu Befreiungen insbesondere von den Festsetzungen des Bebauungsplans in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzungen an.



Der Segelverein Sturmwind ist damit nicht einverstanden und geht gegen den Vorbescheid vor, soweit darin Befreiungen der zulässigen Zahl der Vollgeschosse und der zulässigen Baumassenzahl von 1,0 angekündigt wurden.



Gesetz und Recht:

 Ein Bebauungsplan, der als Satzung beschlossen wurde, enthält Normen, an die sich alle Eigentümer der im Geltungsbereich gelegenen Grundstücke halten müssen. Derartige Normen sind bindend und bestimmen Inhalt und Schranken des Eigentums, sodass grundsätzlich jeder gleichermaßen berechtigt und betroffen ist. Das bedeutet, dass sich jeder an die Festsetzungen halten muss, auch die Genehmigungsbehörde, die beabsichtigt, von den Festsetzungen über den Umfang der Bebauung in gravierender Weise Befreiung zu erteilen.



Ob sich der einzelne Eigentümer, der mit den anderen Eigentümern eine Schicksalsgemeinschaft bildet, gegen gravierende Abweichungen von Festsetzungen wehren kann, muss im Zweifel durch Auslegung der Festsetzung, die verletzt sein soll, festgestellt werden. Während Festsetzungen über die Gebiets- und damit über die Nutzungsart alle Planbetroffenen gleichermaßen vor Abweichungen und Änderungen schützen, kommt es bei Festsetzung zum Umfang der einzelnen Vorhaben darauf an, ob die Gemeinde diese Festsetzung gerade auch zum Schutze der sonstigen Planbetroffenen beschlossen hat.



Wie geht es weiter?

 Der Verein konnte die massiven Überschreitungen der Festsetzungen der Zahl der Vollgeschosse wie auch der Baumassenzahl im Bebauungsplan geltend machen, auch soweit der Verein selbst die Zahl der Vollgeschosse leicht überschritten hat.



Zwar ist in dem Bebauungsplan nirgends der Wille der Gemeinde erkennbar, dass die Maßfestsetzungen auch zugunsten des Nachbarn, insbesondere also zugunsten vom Segelverein Sturmwind, erfolgten. Jedoch ergibt sich aus dem Planungskonzept und der dadurch begründeten Schicksalsgemeinschaft, dass der Festsetzung über die Vollgeschosse und die Baumassenzahl auch eine Schutzfunktion zugunsten der übrigen Planbetroffenen, also auch für den Verein Sturmwind, zukommt. Der vom Bezirksamt erteilte Bauvorbescheid für den beantragten Neubau war damit nicht mehr gültig.






Lärm durch das Volksfest



Herr Feucht besitzt zwei Grundstücke, wovon das eine mit einem Wohnhaus, das andere mit einem Ladengeschäft bebaut ist. Beide Grundstücke werden im Westen durch eine Straße begrenzt. Im Osten steht die Dorfkirche. Frau Zank ist Eigentümerin des südlich davon gelegenen Grundstücks, das mit ihrem Wohnhaus bebaut ist.



In der Gemeinde findet jährlich Anfang Mai ein Weinfest statt. Am ersten Septemberwochenende veranstaltet die Gemeinde auch jährlich ihre „Woi- und Quetschekuche-Kerwe“. Während der beiden Veranstaltungen werden auf der etwa 850 Meter langen „Kerwemeile“ an verschiedenen Plätzen Musik und Spezialitäten angeboten.



Herr Feucht beteiligt sich an den beiden Festen mit einer Bewirtung auf seinen Grundstücken mit mehreren Bierzeltgarnituren, vereinzelten Stehtischen und der Ausschankstelle. Er bringt auch Lautsprecher an, die vom Wohnhaus der Frau Zank etwa 35 Meter entfernt sind.



Für das Weinfest im Mai 2015 erteilte die Gemeinde Herrn Feucht neben der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebs nach dem Gaststättengesetz (GastG) auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das Abspielen von CD-Musik sowie Live-Musik bis maximal 24.00 Uhr. Gestattet wurde die Benutzung von Lautsprechern, Tonwiedergabegeräten und ähnlichen Geräten.

 



Da sich Frau Zank in der Vergangenheit bei der Gemeinde bereits mehrfach über von der Ausschankstelle des Herrn Feucht ausgehende starke Lärmbelästigungen beschwert hatte, vereinbarte die Gemeinde mit Frau Zank die Durchführung von Lärmmessungen während des Weinfests. Diese ergaben am Anwesen von Frau Zank an unterschiedlichen Tagen und Zeiten Werte zwischen 59 dB(A) und 67 dB(A).



Mit neuem Bescheid erteilt die Gemeinde Herrn Feucht anlässlich des Weinfests im Rahmen der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebs die Erlaubnis, bis auf Widerruf alkoholische Getränke auf dem Platz vor der Kirche zu verabreichen. Die Erlaubnis hat die Auflage, die Außenbewirtschaftung nachts um 1.00 Uhr beziehungsweise um 2.00 Uhr zu beenden. Ab 22.00 Uhr – Beginn der Nachtruhe – muss darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten.



Zur Begründung führt die Gemeinde aus, die „Woi- und Quetschekuchekerwe“ sei von besonderer kommunaler Bedeutung und durch den örtlichen Bezug sowie die Standortgebundenheit und zahlenmäßig eng begrenzte Durchführung solcher Ereignisse als seltene Veranstaltung privilegiert.



Frau Zank sieht sich in ihrer Ruhe und ihrem Schlaf gestört und wendet sich gegen die erteilte gaststättenrechtliche und immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen.



Gesetz und Recht:

 Nach dem Gaststättengesetz (GastG) kann die Behörde zunächst eine vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung und nach dem Landesimmissionsschutzgesetz eine Ausnahmegenehmigung erteilen. Entscheidend ist, ob Frau Zank dadurch materiell-rechtlich beschwert ist. Die Ausnahmegenehmigung erfordert eine Abwägung der widerstreitenden Interessen der Teilnehmer am Volksfest und der betroffenen Nachbarin, die sich auf die Regelungen des Landesimmissionsschutzgesetzes in Verbindung mit der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) berufen kann. Die TA Lärm gestattet für seltene Ausnahmefälle Abweichungen von den festgelegten gebietsverträglichen Lärmbelastungen. In der Sache selbst war eine Abwägung zwischen dem Interesse der Bürger an dem traditionellen Volksfest für wenige Tage im Jahr und dem Ruhebedürfnis der Anwohnerin vorzunehmen.



Hier war das Volksfest bereits zu Ende, als die Entscheidung erging. Da eine Wiederholung im nächsten Jahr droht, besteht daher die Möglichkeit, nach Erledigung des Verfahrens durch das Gericht eine Feststellung treffen zu lassen, was für die Zukunft gelten muss (Fortsetzungsfeststellungsklage).



Wie geht es weiter?

 Hier wird sich zukünftig die Behörde an die Feststellungen des Gerichts halten, da ansonsten eventuell Schadenersatzansprüche drohen.






Der lärmende Weinbrunnen



Ede ist Eigentümer einer Wohnung im Erdgeschoss einer Wohnungsanlage. Diese liegt an einer Grünanlage, an deren westlichen Ende sich eine Empore befindet, die zum mittleren Teil der Grünanlage durch einen Brunnen und zwei Treppen begrenzt wird. Im östlichen Teil der Anlage liegt ein Kinderspielplatz.



Seit 1967 wird jährlich in der Zeit von Mai bis September auf der westlichen Empore ein „Weinbrunnen“ als temporär eingerichteter Ausschank zum Verkauf von Wein zur Mitnahme in Flaschen oder zum Verzehr vor Ort betrieben. Die Gemeinde gestattete zuletzt, aus besonderem Anlass den „Weinbrunnen“ als eine Schankwirtschaft mit der besonderen Betriebsart „Schankstand“ zu betreiben, wobei durch Auflagen bestimmt war, dass der Ausschank und der Verkauf von Getränken um 21.30 Uhr zu beenden und der Aufenthalt von Gästen auf dem Gelände der Schankfläche ab 22.00 Uhr zu unterbinden sei.



Dieser Genehmigung lag eine Lärmberechnung der Beklagten zugrunde, die sich zutreffend auf ein Rundschreiben des Landes bezog. Dabei ging man unter Zugrundelegung der menschlichen Stimme von einem Schallleistungspegel von 70 dB(A) pro Gast und von etwa 50 Prozent der Besucher, die sich gleichzeitig äußern, aus. Unter Zugrundelegung von etwa 600 Gästen wurde an der Wohnung von Ede durch den Betrieb der Schankwirtschaft ein Schallleistungspegel von 54 dB(A) prognostiziert. Der Ausschank ging also unverändert weiter.



Gegen die Gestattung für den Zeitraum von Mai bis September legte Ede bei der Behörde Widerspruch ein, über den allerdings erst am 13. September abschlägig entschieden wurde.



Gesetz und Recht:

 Ausgangspunkt ist § 4 Gaststättengesetz, wonach eine Gaststättenerlaubnis nur erteilt werden darf, wenn schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) nicht zu befürchten sind. Entscheidend kommt es dabei auf die von der Behörde anzustellenden Prognosen und die Zumutbarkeit der Immissionen an. Dabei kommt es auch darauf an, welche Lärmursachen wem zuzurechnen sind.



Der Nachbar kann hier die Verletzung eigener Rechte aus § 4 Gaststättengesetz geltend machen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass von dem Betrieb schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen. Materiell-rechtlich hat er die Möglichkeit, die Richtigkeit der Prognose überprüfen zu lassen.



Zu empfehlen wäre, auch einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz bei Gericht zu stellen, um zu verhindern, dass die Behörde die Entscheidung verschleppt, wie sie es hier zugunsten des Schankbetriebs getan hat.



Wie geht es weiter?

 Bei einer erneuten Gestattung des Ausschanks müssen entsprechende Schutzvorkehrungen oder Betriebsauflagen – etwa auch zeitliche Beschränkungen – geprüft werden.















Den Konflikt lösen





„Ich habe keinen Konflikt“, behaupten viele, obwohl der Streit von außen betrachtet ganz offensichtlich ist. Emotionen kochen hoch. Man fühlt sich ungerecht behandelt oder hilflos – das löst Wut aus.




„Was bildet der sich ein?“

 oder „Was denkt der, mit wem er es zu tun hat?“ – Das sind die Fragen, die jetzt aufkommen. Man will sich dem Gegner nicht länger unterordnen und das Gefühl der Hilflosigkeit mit einer Machtdemonstration kompensieren. Wenn man sich selbst die Macht nicht zutraut, den anderen zu unterwerfen, bietet es sich an, stellvertretend eine Anwältin oder einen Anwalt „in die Schlacht“ zu schicken.



Um uns derartige Fälle genauer anschauen zu können, müssen wir zunächst ein paar Begriffe definieren. So ist schon auf sprachlicher Ebene zwischen einer Auseinandersetzung, einem Streit und einem Konflikt zu unterscheiden:



Die Auseinandersetzung

 ist der Austausch über ein Problem. Ohne sich und die gegnerische Streitpartei mit dem Problem zu konfrontieren, lässt es sich kaum lösen. Die Auseinandersetzung mit dem Gegner erfolgt in Gesprächen. Das sachliche, von Emotionen befreite Verhandeln ist die beste Form der Streitbeilegung. Zugegebenermaßen setzt sie eine Einsichtsbereitschaft und -fähigkeit voraus, die bei manchen Nachbarn nicht ohne Weiteres unterstellt werden kann.



Beim Streit

 kommen emotionale Komponenten hinzu. Die Auseinandersetzung entwickelt sich zu einem hitzigen Wortgefecht, bei dem es sogar zu Handgreiflichkeiten kommen kann.



Für den Konflikt

 gibt es kein Verb. Mithin beschreibt der Konflikt nicht die Ausprägung, sondern die Ursache oder den Hintergrund für den Streit. Ein Konflikt kann zu einem Streit führen, so wie sich aus einem Streit ein Konflikt entwickeln kann. Die den Konflikt kennzeichnenden, widerstreitenden Auffassungen bilden einen Widerspruch, der seinen Ausdruck in dem zu lösenden Problem findet.







Das Wort Konflikt





stammt vom Lateinischen „conflictus“ ab und bedeutet Zusammenstoß. Es beschreibt ein Aufeinanderprallen widerstreitender Auffassungen oder Interessen, aus dem sich eine schwierige Situation ableitet, die zum Zerwürfnis führen kann.



Das Problem definiert also die zu lösenden Sachfragen. Der Konflikt ist Hintergrund oder Folge. Er drückt sich meist in den damit einhergehenden Emotionen aus und hat oft mit der Art und Weise zu tun, wie die Nachbarn ihre Beziehung einschätzen. Basiert die Beziehung auf unterschiedlichen Sichtweisen oder wird sie unterschiedlich eingeschätzt, entstehen Spannungen, die sich in einem Konflikt ausleben können.



Es liegt auf der Hand, dass die Auseinandersetzung, also die Verhandlung, stets die optimale Form der Problemlösung darstellt. Die Auseinandersetzung garantiert eine sachgerechte Abwicklung jenseits von Gefühlen und Emotionen.



Sobald Emotionen hinzukommen, treten jenseits der Sachfragen liegende Motive in den Vordergrund. Wie damit umzugehen ist, soll im folgenden Kapitel dargestellt werden. Bevor es dazu kommt, sollte man immer zunächst in sich gehen und sich fragen, ob das Problem überhaupt eine Herausforderung ist, der man sich zu stellen hat.







Habe ich überhaupt einen Konflikt?





Die Betonung der Frage liegt auf dem Wort „ich“. Der Andere ist zweifellos der Konfliktveranlasser. Die Gefühle entstehen aber in mir selbst. Wer hat also jetzt den Konflikt?




Die Frage nach dem Konflikt

 ist nicht immer leicht zu beantworten. Immerhin leben Nachbarn in einer sozialen Beziehung. Soziale Beziehungen sind solche, die einen dauerhaften Rahmen haben und nicht zufällig sind, wie etwa die von Passanten in einer Fußgängerzone.



Wenn hier von Beziehungen die Rede ist, bedeutet das nicht, dass es intakte und gute Beziehungen sein müssen. Auch Nachbarn, die nichts miteinander zu tun haben, befinden sich in einer Beziehung. Markant bei sozialen Beziehungen ist stets, dass die Beziehungspartner voneinander lernen. Mit der Zeit kann man den Nachbarn einschätzen. Auch Streitparteien gehen eine soziale Beziehung miteinander ein, bei der sie die jeweilige Gegenseite einzuschätzen lernen und sich auf das Streitverhalten einstellen. Machen Sie sich also bitte bewusst, dass Sie immer auch ein Teil des Spiels sind. Denn so, wie Sie den Nachbarn einschätzen, kann der Nachbar das auch. Jede Aktion ruft eine Reaktion hervor, und Ihre Reaktion könnte aus Sicht des Nachbarn die Aktion sein, die wiederum seine Reaktion veranlasst.



Gar nicht auf Störungen zu reagieren, ist auch eine Reaktion. Aber was bedeutet sie? Ganz nach dem Grundsatz „Es gibt keine Nichtkommunikation“, wird Ihr Nachbar Ihr Verhalten interpretieren. Möglicherweise fühlt er sich dadurch in seinem eigenen Verhalten bestätigt. Ganz nach dem Motto: „Wer nicht widerspricht, stimmt zu!“




Gar nicht auf Störungen zu reagieren, ist auch eine Reaktion.








Es steht zu befürchten, dass er sich dadurch in der Zukunft zu weiteren Übergriffen ermächtigt fühlt. Aber wer weiß das schon? Deutlich wird, dass es sich um eine klärungsbedürftige Situation handelt. So wie die Grundstücksgrenzen geklärt sein sollten, müssen auch die persönlichen Grenzen geklärt sein. Und nicht nur das.



Aber eines nach dem anderen. Achten Sie immer zuerst auf sich selbst, bevor Sie dem Nachbarn zu viel Aufmerksamkeit widmen.



Im Konfliktfall sollten Sie stets folgende Fragen klären, bevor Sie irgendetwas unternehmen:







Habe ich ein Problem?





Ohne Problem besteht kein Handlungsdruck. Um die passende Reaktion zu finden und kreative Lösungen zu ermöglichen, muss man sich darüber klar werden, was genau das Problem (die zu entscheidende Frage) ist und warum es eine ganz bestimmte Wirkung auf einen selbst hat. Die Betonung liegt auf dem Wort „genau“. Kommen Gefühle hinzu, sollten sie von den Sachfragen getrennt werden. Ist das Problem gefunden, sollte die nächste Frage lauten, warum das nicht gelöste Problem bei Ihnen selbst Emotionen auslöst. Die Emotionen geben einen Hinweis auf den eigentlichen Konflikt.

 







Muss ich das Problem überhaupt lösen?





Auch diese Frage legt eine Unterscheidung zwischen Sachfragen und den damit verbundenen Emotionen nahe. Der Fokus richtet sich auf den Nutzen. Der Blick wird hinter das Problem gelenkt. Sie erkennen den Nutzen, indem Sie sich fragen, was anders ist, wenn das Problem gelöst ist. Was genau ist der Vorteil und was brauchen Sie, um diesen Vorteil zu erlangen?







Wie löse ich das Pro