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Francisco Pizarro

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Nach Alvarados Abreise ging der Statthalter daran, eine neue Hauptstadt zu gründen. Vermutlich hatte ihn Alvarado überzeugt, daß die Hauptstädte von Kolonien am besten am Weltmeere gedeihen. San Miguel lag zu weit im Norden; Kuzko zu sehr im Gebirge, obendrein an der Grenze von Pizarros Machtbereich.

Zunächst dachte er an Pachakamak, aber nach sorgfältiger Gelände- und Küstenerkundung entschied er sich für den Ort, wo noch heute die Hauptstadt des Landes liegt, an der Mündung des Rimac, am Fuße des Cerro San Cristobal, etwa 12 km vom Meere entfernt, in einer Höhe von 430 m. Die neue Besiedelung erhielt den Namen: Ciudad de los Reyes (Königsstadt), zu Ehren der heiligen drei Könige, an deren Kalendertage (am 6. Januar 1535) der Ort festbestimmt ward. Die feierliche Gründung fand am Sonntag den 17. Januar statt. Der spanische Name hat sich nicht eingebürgert; um 1555, vielleicht schon von Anbeginn, nannte man die Stadt »Lima« (wohl verdreht aus Rimac).

Der Ort wuchs rasch. Noch heute steht das damals erbaute Haus der Vizekönige (Casa de los vireyes), die Kathedrale, der Palast des Erzbischofs. Die Straßen der Stadt, deren Grundriß dreieckig war, sind nach altspanischer Weise schachbrettartig und geräumig angelegt. Die Einwohnerzahl betrug im Jahre 1746: 60000; im Jahre 1875: 100000; im Jahre 1908 (ohne die Vororte) 140000, mit ihnen etwa 200000. Sehr zahlreiche Kirchen und Klöster unterbrechen die Straßen und Gassen. Schmutzig und armselig – im Gegensatz zur sauberen und vornehm wirkenden Stadt Lima – ist der Hafenort El Callao (Die Zunge; 1537 gegründet) mit 50000 Bewohnern, Ihm gegenüber liegt die Insel San Lorenzo.

Heutzutage führt die Oroya-Bahn von Lima durch das Rimac-Tal in das landschaftlich herrliche Gebirge. Bei San Bartolomé, 64 km von Lima weg (1500 m hoch), hat man das Küstenland hinter sich; in Matucana (90 km von Lima entfernt) befindet man sich bereits gegen 2400 m hoch in den kühlen Bergen. Durch dieses Rimac-Tal führte die alte Inkastraße von Pachakamak über Oroya nach Xauxa (JauJa); es war bereits damals stark besiedelt.

Um den tatenlustigen Almagro und andre unruhige Geister zu beschäftigen, gewiß auch, um ihn sich fern zu halten, beauftragte ihn Pizarro, den Oberbefehl in Kuzko zu übernehmen und von dort aus einen Zug nach Süden (Chili) zu unternehmen. Man wußte noch nicht, daß Pizarros Machtbereich um 70 Leguas südwärts ausgedehnt worden war. Vermutlich meinte der Statthalter, Kuzko läge außerhalb seines Reiches; innerhalb seiner Grenzen sah er den Genossen und Nebenbuhler offenbar nicht gern.

Der mißtrauische Almagro hatte, wie berichtet, einen besondern Vertrauten nach Spanien geschickt, der zugleich mit Hernando Pizarro in Sevilla landete. Dieser Mann erfüllte seinen Auftrag auf das Beste. Wie brauchbar, ergeben und findig er war, geht allein daraus hervor, daß er seinem Herrn, gerade am Tage seines Einzugs in Kuzko, einen Auszug der kaiserlichen Urkunde überreichte, die ihn zum Statthalter von Chili erhob.

Almagro war überglücklich, endlich ein unabhängiger Machthaber zu sein. Von Stund an ließ er sich »Marschall« titulieren. Juan Pizarro übergab ihm den Oberbefehl. Almagro glaubte, Kuzko gehöre zu seinem Bereiche und benahm sich darnach. Seine Eitelkeit flüsterte ihm ein, er sei ein zweiter Cäsar. Jetzt wollte er der Welt zeigen, daß Diego de Almagro hundertmal genialer und tüchtiger als Francisco Pizarro war.

Die Soldateska von Kuzko, die zum größeren Teile aus dem Expeditionskorps des Pedro de Alvarado stammte, freute sich, der Zucht des gefürchteten Pizarro entkommen zu sein; Almagro war ein gutmütiger Bramarbas. Alsbald beging man die gröbsten Zügellosigkeiten. Pizarro hatte streng darauf gehalten, daß die Soldaten und Ansiedler die Häuser und Fluren der Eingeborenen nicht betreten durften und daß ihr Privateigentum unverletzlich sei. Jetzt pfiff man auf diese Vorschriften und Verfügungen. Man war frei. Man plünderte und raubte, mordete und schändete. Pizarros Brüder, Juan und Gonzalo, mahnten Almagro vergebens.

Francisco Pizarro bekam Nachricht hiervon. Inzwischen hatte auch er einen Auszug der kaiserlichen Entschlüsse erhalten. Sofort sandte er einen Offizier nach Kuzko mit dem Befehl, Almagro habe das Kommando an Juan Pizarro zurückzugeben. Er begründete diese scharfe Maßregel damit: es könne am kaiserlichen Hofe übel gedeutet werden, wenn er seine neue Macht bereits innehabe, ehe die allerhöchste Ernennung offiziell eingetroffen wäre. Zugleich befahl Pizarro, Almagro solle den Zug nach Chili unverzüglich antreten.

Der »Marschall« fühlte sich nicht mehr als Pizarros Untergebener. Er behielt das Kommando und blieb in Kuzko. Vergebens forderten die Brüder Pizarros die Ausführung der Befehle des Statthalters. Die Offiziere, Beamten, Soldaten und Ansiedler teilten sich nun in zwei Gruppen, während die indianischen Edelleute und Bürger insgeheim frohlockten. Die Pizarros hatten alle Ordnungsliebenden und Maßvollen auf ihrer Seite. Es fehlte nicht viel und der Streit wäre mit den Waffen entschieden worden, da erschien Francisco Pizarro persönlich. Der Siebenundfünfzigjährige hatte sich auf seinen Gaul gesetzt und die 600 km in acht bis zehn Tagen zurückgelegt, ungeachtet des Höhenunterschiedes von 3500 m. Es war zu Anfang Juni des Jahres 1535.

Bei der ersten Begrüßung wahrte Pizarro alle Formen. Er umarmte den Marschall, wie dies Sitte war, und fragte im Beisein der beiden Stäbe, was die Ursache des sonderbaren Zwistes in seiner Hauptstadt sei. Almagro wagte es nicht offen unbotmäßig zu sein. Es wäre ihm auch wohl übel bekommen. Er schob die Schuld auf das Verhalten von Juan und Gonzalo Pizarro.

Die Situation spitzte sich zu, aber es gelang klugen Freunden, die Entscheidung zu vertagen. Man hörte beide Parteien, erinnerte beide Führer an die alten Verträge, appellierte an Waffenehre und gutes Beispiel.

Die Verhandlung endete damit, daß Pizarro und Almagro am 12. Juni einen neuen Vertrag unterzeichneten, dessen wesentliche Punkte folgende waren:

1. Pizarro wie Almagro verpflichteten sich, keinerlei Bericht an den Kaiser zu senden, ohne daß der andere den Wortlaut kenne und billige;

2. Kosten wie Gewinn der Expedition zur Eroberung von Almagros Gebiet (Chili) sei von beiden Genossen zu teilen;

3. Almagro verpflichtete sich, Kuzko und das Land im Umkreise von 30 Leguas als unantastbares Gebiet Pizarros zu achten.

Wie feindselig sich die Vertragschließenden gegenüberstanden, geht daraus hervor, daß sie in der Urkunde gegenseitig die unverbrüchliche Wahrung der Abmachung beteuerten; den Wortbrüchigen aber solle Gottes Zorn treffen, und er solle seines Lebens und Eigentums verlustig gehen. Der Vertrag wurde obendrein feierlich auf eine Hostie beschworen und von mehreren Zeugen mit unterschrieben.

Etliche Wochen später trat Almagro seinen Zug nach Chili an. 570 Spanier ließen sich anwerben; dazu etwa 1000 Indianer. Ein Bruder des Inka Manko namens Paullo Topa (offenbar Christ!) sowie der Hohepriester von Peru, Huilljak Umu, schlossen sich seinem Stabe an. Zunächst brach die Vorhut auf, 150 Mann unter der Führung des Hauptmanns Juan de Saavedra.

Nach dem Abmarsch des verhaßten Störenfrieds eilte Francisco Pizarro nach Lima zurück. Der Ausbau der neuen Ansiedlung war ihm zur Leidenschaft geworden. Müde des Krieges, war es seine Sehnsucht, sein Leben als Gründer einer wunderbaren Stadt, als friedlicher Regent zu beschließen.

XXV

Der Marques de los Atavillos (solcher war er durch Kaiserliche Ordre geworden; Atavillos ist der Name einer der fruchtbarsten Gaue des Reiches Peru) sollte sich beschaulicher Tätigkeit nicht lange erfreuen. Um die Ansiedler in San Miguel, Xauxa, Kuzko, Lima, Truxillo (gegründet im Herbst 1535) wirtschaftlich zu stützen, verlieh er Encomiendas und Repartimientos (d. h. Ländereien mit einer bestimmten Anzahl von Eingeborenen als Arbeiter). Diese zwangsweise Verteilung der Indianer war, ehrlich gesagt, Einführung der Sklaverei! Es sei betont, daß in den ändern spanischen Kolonien die Klagen über die Schinderei der hilflosen Urbewohner bei weitem schlimmer waren; aber auch in Peru sind Tausende von Indianern und Indianerinnen durch Mühsal und Peinigung bei kärglichster Nahrung in den Tod getrieben worden. In einem zeitgenössischen Bericht heißt es, »die Pest der persönlichen Sklaverei der Indianer habe die Körper und die Seelen sowohl der Sklaven wie der Herren in gleichem Maße verdorben«. Das will besagen: das Elend der Indianer war so maßlos wie die Roheit der Spanier.

Vor nichts hatte der kastilianische Landsknecht Ehrfurcht. Aus Habgier und Kulturlosigkeit zerstörte er, was ihm in die Hände fiel. Mit ihm wetteiferten »aus christlichen Gründen« Pfaffe und Mönch. Die vier Pizarros verabscheuten dieses brutale Tun und Treiben und zügelten es, wo sie nur konnten, aber sobald sie nicht persönlich zugegen waren (das Land Peru war groß!), wurden die Ausschreitungen um so schlimmer. Vieles aber geschah mit Pizarros Genehmigung. Die Sonnenjungfern, deren es in den Klöstern von Kuzko und andernorts an die 6000 gegeben hatte, die Blüte des Landes, buchstäblich wie köstliche Blumen aufgezogen und gepflegt, wurden an die Offiziere und Soldaten, Schreiber und Ansiedler verteilt. Nur die allerwenigsten wurden als Ehefrauen geschätzt und geschützt. Die meisten verdarben als Mägde und Dirnen; viele gingen freiwillig in den Tod, wenn ihnen die Flucht nicht gelang. Man kann den wahren Wert einer Armee, gleichviel ob sie in einem Kulturlande oder unter Barbaren weilt, in jedem Jahrhundert daran messen, wie sich der Offizier, der gemeine Mann, der Troßknecht zu den Frauen und Jungfrauen des Landes stellt. Die Spanier in ihren amerikanischen Kolonien haben sich mit wenigen rühmlichen Ausnahmen auf das Unritterlichste benommen. Das Vorbild Alexanders des Großen, der die edelsten und schönsten Töchter eines eroberten Landes als hohe Auszeichnung den Besten seines Heeres vermählte, war leider den kastilianischen Kondottieri in der Regel unbekannt. Ferdinand Cortes glänzt hierin als schöne Ausnahme; der alte Plutarch war nicht umsonst sein Liebling von Jugend auf. Ähnlich ist der Glauben eines besiegten Volkes zu achten; nichts ist heilloser als der Eifer und Übereifer der Missionare. Die Inkas, die beim Einbruch in Peru das Holzbild des Fischgottes und gewiß auch andre Götzen ruhig stehen ließen und die Tempel ihres erhabenen Sonnengottes gelassen daneben erbauten, waren klug und weise; Valverde und seine gehirnkranken Kollegen dagegen, die unter Mord und Totschlag christliche Massentaufen abhielten, verdienen die Verachtung der Nachwelt.

 

Es war die natürliche Folge der abscheulichen Vergewaltigungen aller Art, deren sich die Spanier jahrelang schuldig gemacht hatten, daß es endlich im Volke der Peruaner gärte. Es entstand in Kuzko eine geheime Verschwörung, die sich über das ganze Reich ausbreitete. Den Mittelpunkt bildeten der Inka Manko und der Hohepriester des Landes, Huilljak Umu. Die im Lande verstreuten Inka-Edelleute organisierten auf Grund der alten Wehrordnung des Reiches die Volkserhebung. An einem vorbestimmten Tage des Januars 1536 sollte sie ausbrechen, den Spaniern unerwartet. In der Tat hat kein Peruaner, weder in der Oberschicht des Adels noch im breiten Volke, das heilige vaterländische Geheimnis verraten.

Bald nachdem Francisco Pizarro die alte Königsstadt verlassen hatte, verschwand Inka Manko heimlich aus Kuzko, um sich persönlich an den Vorbereitungen zu beteiligen. Gleichzeitig entwich Huilljak Umu dem Stabe Almagros. Die Entfernung des Inka fiel zunächst nicht weiter auf. Nun aber hatte Pizarro ungefähr 1000 Mann aus dem Gau Kanaris in sein Heer eingestellt. Die Kanaris-Indianer, ein kriegerischer Stamm, im Lande Quito ansässig, waren noch keine sechzig Jahre von den Inkas unterworfen und mit dem übrigen Reiche nicht völlig verschmolzen. Sie hielten zu den Conquistadoren, in der heimlichen Hoffnung, eines Tages wieder frei zu werden wie ihre Großväter.

Durch einen Häuptling der Kanaris ward Juan Pizarro auf die Flucht des Inka Manko aufmerksam gemacht. Sofort setzte sich der Ritter an die Spitze einer Reiterschar, verfolgte den Fürsten und ergriff ihn in einem Walde unweit der Stadt. Man brachte ihn zurück und sperrte ihn in die Burg von Kuzko. Kein Spanier ahnte das Motiv der Flucht.

Kurze Zeit darauf traf Hernando Pizarro in Kuzko ein. Er hatte die kaiserlichen Verfügungen nach Lima gebracht und sollte nun am wichtigsten Orte der Kolonie den Befehl führen. Offenbar rechnete Francisco Pizarro mit der baldigen Rückkehr Almagros und seiner Leute, die man fortan »die Chilianer« nannte.

Hernando stattete dem gefangenen Inka unverzüglich seinen Besuch ab. Es ist überliefert, daß er ein Freund des Inka Atahuallpa (Mankos Bruder) gewesen war; die Chronisten behaupten sogar, Atahuallpa hätte sein Leben nicht eingebüßt, wenn Pizarros Bruder im Hauptquartier verblieben wäre. Auch der junge Inka gewann sein Herz. Hernando schenkte ihm die Freiheit und seine Freundschaft. Er unterwies ihn im Reiten, Schießen und Exerzieren, erzählte ihm von Spanien und dem europäischen Leben, lehrte ihn die Anfangsgründe der kastilianischen Sprache und ließ sich dafür in die Sprache und Geschichte der Inka einweihen. Der Fürst soll sehr rasch ein vorzüglicher Reitersmann geworden sein. Seine Dankbarkeit bewies der kluge Peruaner dadurch, daß er den spanischen Obristen verborgene Schätze finden ließ.

Eines Tages erzählte er ihm, er wisse, wo die Priester eine Bildsäule seines Vaters Huayna Kapak aus purem Golde versteckt hätten; es sei in einer Höhe der Cordillera. Hernando, dessen Goldhunger größer war als seine Kenntnis der Inkaseele, glaubte seinem Schützling allzu gern. Er erteilte ihm den nötigen Gebirgsurlaub und gab ihm zwei spanische Unteroffiziere mit, die sein besondres Vertrauen genossen. Die drei machten sich gegen Weihnachten 1535 auf die Reise. Wochen vergingen: keiner kehrte wieder. Schließlich kam Hernando zur Erkenntnis, daß er getäuscht worden war. Er beauftragte seinen Bruder Juan, mit 60 Reitern den verdächtigen Urlaubsübertreter einzuholen.

Der Ritter Juan kam auf seinem Streifzug an den Eingang des vier Leguas südlich von Kuzko entfernten Yucay-Tales, in dem das Lieblingsschloß der Inkakönige lag, einen der köstlichen Orte zu Füßen der Sierra. Hier traf Pizarro die beiden Soldaten, die den Inka begleitet hatten. Von ihnen erfuhr er, daß der Fürst an der Spitze von Truppen stände, deren Vormarsch auf Kuzko bald zu erwarten sei. Das ganze Land sei in sichtlicher Unruhe. Ihnen sei kein Leid zugefügt worden; der Inka habe sie allergnädigst laufen lassen.

Juan ritt in das Tal ond gewahrte alsbald auf dem jenseitigen Ufer des Yucay-Flusses die befestigte Stellung eines Inka-Heeres. Die Brücken waren abgebrochen. Pizarro überlegte sich die Sache nicht lange und ritt mit seinen 60 Reitern in breiter Front durch das nicht sehr tiefe Wasser. Ein Hagel von Steinen, Pfeilen und Wurfspießen begann von drüben. Alsdann aber zogen sich die Indianer in ihre Schanzen zurück.

Die Spanier sammelten sich, stellten sich in Gefechtsform auf und ritten langsam an. Gegen ihre gewohnte defensive Taktik wagten die Indianer, offenbar weil sie sich an Zahl vielfach überlegen sahen, einen Angriff in mehreren Haufen, in der Absicht, die Spanier zu überflügeln und von drei Seiten zu fassen. Es kam zum Lanzenkampf. Die Spanier hatten es zum ersten Male in Peru mit regulären, gutbewaffneten und gefechtstüchtigen Truppen zu tun. Die indianischen Lanzen waren mit harten Kupferspitzen versehen. Die Phalanx der Kämpfer trug Baumwollkoller und Lederhauben. Andre Haufen hatten Bogen, Wurfspieße, Steinschleudern, Schwerter und Keulen.

Beim Gegenangriff der Reiter unter dem gewohnten Schlachtrufe »Hie San Jago!« wankte der Haupttrupp der Indianer, verlor aber seine Ordnung keineswegs. Langsam wichen sie nach den Bergen, die sie hinter sich hatten, und zogen sich schließlich in die Sierra zurück. Über die Zahl der indianischen Truppen ist nichts überliefert. Mehr als tausend können es kaum gewesen sein. Auf beiden Seiten war mannhaft gefochten worden. Mehrere Spanier, mehrere Pferde und vielleicht ein halbes Hundert Indianer hatten ihr Leben verloren. An Wunden war kein Mangel. Die Spanier biwakierten am Eingange eines Seitentales.

Am andern Morgen sah man auf allen Höhen und in allen Pässen Scharen von Indianern. Einige Male erfolgten Angriffe, ohne daß es zum Nahkampf gekommen wäre. Juan Pizarro verblieb in seinem Lager.

Da, am dritten oder vierten Tage, kam ein Eilbote aus Kuzko: die Hauptstadt sei belagert; Juan solle sofort zurückreiten.

Unter Jubelrufen der Indianer verließen die Spanier das Tal des Yucay.

XXVI

Pedro Pizarro berichtet, 200000 Indianer hätten Kuzko blockiert. Die Zahl ist – wie stets bei den spanischen Chronisten – märchenhaft. 20000 Mann genügten, die Stadt einzuschließen.

Inka Manko hatte sein Hauptquartier in einem steinernen Kastell, einem Tambo, das durch Erdwälle verstärkt ward.

Juan Pizarro kam ohne Kampf durch die indianische Linie. Offenbar hatte der Kriegsplan der Belagerer richtigerweise die Aushungerung der Spanier zum Endziel.

Hernando war hocherfreut, als er den schon für verloren gehaltenen Bruder wiedersah. Insgesamt betrug seine Streitmacht nunmehr: etwa 80 Reiter und 120 Mann zu Fuß, dazu 1000 Mann Kanaris-Indianer. Es war in der ersten Februarwoche des Jahres 1536. Die Verbindung mit Lima und den andern Ansiedlungen war und blieb völlig abgeschnitten; die Indianer ließen keinen Boten durch. Jeder Versuch, den Francisco oder Hernando Pizarro machte, scheiterte.

Die Belagerer, von denen der Chronist Pedro Pizarro berichtet, sie seien »zahlreich gewesen wie die Sterne am Himmel einer lichten Sommernacht«, setzten die Stadt durch zahllose, mit Baumwolle umwickelte und in Harz getauchte Brandpfeile in Flammen. Fast alle Gebäude hatten Strohdächer. Da starker Wind ging, gelang der Versuch bereits am ersten Tage. Die Spanier mußten sich auf die Plaza zurückziehen und sich darauf beschränken, die Steinhäuser, Tempel und Hallen dieses Viertels zu retten. Die Hitze und der Rauch in den brennenden Teilen der Stadt sollen furchtbar gewesen sein.

Es wird berichtet, auch das Dach des Virakocha-Tempels am großen Platze (an der Stelle der heutigen Kathedrale), der in eine Marienkirche umgewandelt war, habe am ersten Tage des Brandes dreimal Feuer gefangen. Die Spanier hatten anderweitig bereits so viel zu löschen, daß sie das Gebäude seinem Schicksal überließen. Alle dreimal verflackerten die Flammen wie von selbst: die heilige Jungfrau hatte es sich nicht nehmen lassen, den Brand ihres Hauses eigenhändig zunichte zu machen. Der sonst nicht immer ganz zuverlässige Garcilasso de la Vega berichtet hierzu, selbst Indianer hätten die Madonna mit dem Eimer hantieren gesehen. Auch Pater Acosta, der vierzig Jahre nach dem wunderbaren Ereignis ins Land kam, bezeugt es mit feierlichen Worten. Für die gläubige Nachwelt können somit Zweifel nicht bestehen. Auch der Heilige Jakob (Sankt Jago), mit Flammenschwert und Ritterschild, auf prächtigem weißem Hengst, ward während der Kämpfe mit den Belagerern mehrfach von glaubwürdigen Augenzeugen gesehen. Ohne solche überirdische Hilfe hätte sich das Häuflein der so überaus tapferen kastilischen Landsknechte wohl unmöglich gegen 200000 bis auf die Zähne bewaffnete Indianer fünf Monate halten können!

Wie verheerend der Brand und die nachfolgende lange Belagerung gewirkt haben, geht aus einer Bemerkung des Bischofs Valverde hervor, der im Jahre 1536 nach Spanien beurlaubt war. Er schreibt am 20. März 1539 an den Kaiser: »Hätte ich nicht gewußt, dies ist die Stadt Kuzko: ich hätte sie nicht wiedererkannt!« Unversehrt waren nur der große Sonnentempel und das Kloster der Sonnenjungfern, das die Peruaner aus Ehrfurcht geschont hatten.

Während des Brandes, der mehrere Tage wütete, machten die Belagerer die vier großen Zugangsstraßen vor der Stadt an vielen Stellen durch Pfahlhindernisse ungangbar, um der spanischen Reiterei den Ausfall zu erschweren. Dazu war es ihnen gelungen, sich während des allgemeinen Tumults der Burg zu bemächtigen, von deren Höhe sie die Stadt und den Großen Platz mit Steinen beschießen konnten.

Ähnlich wie Kuzko wurden gleichzeitig Lima, Truxillo, Xauxa, San Miguel belagert. Alle Farmen, die von diesen Niederlassungen weiter ab lagen, wurden überfallen; ihre Bewohner niedergestochen; alle Pässe und Heeresstraßen sorglich besetzt und bewacht.

Hernando Pizarro erfuhr durch dunkle Gerüchte, daß sich ganz Peru wider die Fremden erhoben habe. Ein Dutzend blutiger Köpfe ermordeter spanischer Farmer, die einmal nachts über die Mauern und Wälle in die Stadt geworfen wurden, bestätigten ihm die vage Kunde. Man hielt einen Kriegsrat ab. Irgendwer machte den Vorschlag, die Hauptstadt aufzugeben und sich nach dem Meere durchzuschlagen. Es sei rühmlicher, den Durchbruch mit dem Schwert in der Hand zu wagen, gleichviel ob mit oder ohne Erfolg, als sich wie Raubtiere in der eigenen Höhle einräuchern und aushungern zu lassen.

Pizarros Bruder, die Ritter Gabriel de Roja und Ferdinand Ponce de Leon, der Schatzmeister Riquelme und wenige andere waren gegen diesen Vorschlag. Mit der Aufgabe der alten Königsstadt sei alles aus.

Man müsse den wichtigen Posten mit aller Kraft verteidigen und halten. Die kastilische Waffenehre lasse keine Wahl: Hier siegen oder hier sterben!

Hernando Pizarro forderte mehr: man müsse zum Angriff übergehen, man müsse einen großen Schlag wagen. Zunächst aber dürfe die Burg nicht länger mehr ein Stützpunkt des Feindes bleiben.

Man gab dem Kommandanten Recht. Juan Pizarro ward mit der Ausführung dieses Entschlusses betraut.

Um das Augenmerk der Belagerer abzulenken, verließ Juan Pizarro an einem der nächsten Abende die Stadt an der Spitze von 60 Reitern in der entgegengesetzten Richtung. Auf großem Umwege gelangte er auf die Paßstraße im Rücken der Burg, und es glückte ihm, unbemerkt an den Wall zu kommen und die Wache zu überrumpeln. Das äußere Tor war durch große Quader verrammelt. Pizarro ließ sie beseitigen und kam vor den Innenwall. Jetzt erst merkten die Peruaner, die an nächtliche Kämpfe nicht gewohnt waren, die Anwesenheit des Feindes. Es kam zum Handgemenge. Die Spanier berannten den Wall. Juan Pizarro erkletterte als einer der Ersten einen Söller. Da traf ihn ein schwerer Stein. Zu Tode getroffen, leitete er mit lauter Stimme seine Truppen. Erbittert führten sie den Sturm durch und sprangen in den Hof. In diesem Augenblick begann Hernandos Angriff von der Stadtseite her. Nachdem der Inka-Offizier, der in der Burg den Befehl führte, gefallen war, fiel sie in die Hände der Spanier.

 

Vierzehn Tage nach diesem Siege erlag Juan Pizarro seiner Wunde. Allgemein betrauerte man ihn als tapferen Ritter, maßvollen Menschen und beliebten Führer.

Durch planmäßige Streifzüge hinter die Linie der Belagerer, durch Überfälle ihrer Tambos und Herden, ergänzten die Belagerten immer wieder ihre Vorräte. An Wasser fehlte es nicht; der Fluß sowie zahlreiche Brunnen spendeten es zur Genüge. So gingen fünf Monate dahin.