Tierschutzrecht

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1.3Grundsatz der Betäubungspflicht

Die Tötung eines Wirbeltieres darf grundsätzlich nur unter Betäubung vorgenommen werden. Betäuben ist das Ausschalten des Bewusstseins und der Schmerzempfindung eines Tieres. Die Betäubung kann mit elektrischen, mechanischen oder chemischen Mitteln durchgeführt werden. Dieser Grundsatz wurde aufgestellt, um das Leiden der Tiere während des Sterbens zu reduzieren und eine möglichst schmerzlose Tötung zu gewährleisten.

Ausnahmen vom Grundsatz der Betäubungspflicht sind im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 2 TierSchG zulässig. So kann im Rahmen weidgerechter Jagdausübung von einer vorhergehenden Betäubung abgesehen werden.

Auch auf Grund anderer Vorschriften kann ein Töten ohne Betäubung erlaubt sein:

 § 2 und Anlage 2 der TierSchVersV im Rahmen von Tierversuchen

 § 12 Abs. 10 Zi 1 + 2 TierSchlV bei der Tötung von Plattfischen und Aalen

 § 12 Abs. 11 TierSchlV bei der Tötung von Krustentieren.

Auch bei der Durchführung von Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen kann von einer Betäubung abgesehen werden.

Bezüglich der Ausführung der Tötung sind ausführliche Regelungen in der Tierschutzschlachtverordnung sowie in der Anlage 2 der Tierschutzversuchstier-Verordnung zu finden. Auf die diesbezüglichen Ausführungen zu § 4b TierSchG wird verwiesen.

2.Das Schlachten von Tieren (§ 4a TierSchG)

2.1Begriff des Schlachtens

Unter Schlachten ist das Töten warmblütiger Tiere unter Blutentzug mit dem Ziel der Nahrungsmittelgewinnung zu verstehen. Entscheidendes Merkmal ist demnach die Zweckbestimmung.

Auch im Fall des Schlachtens ist der Grundsatz der Betäubungspflicht maßgebend. Auf die Ausführungen zu § 4 TierSchG wird verwiesen. Warmblütige Tiere (homoiotherme Tiere) sind Tiere, die ihre Körpertemperatur mit Hilfe eines Feder- oder Haarkleides bzw. durch ihren Stoffwechsel relativ konstant halten. Sie zeigen deshalb oft weite Abweichungen gegenüber der Umgebungstemperatur.

2.2Ausnahmen von der Betäubungspflicht

Gemäß § 4a Abs. 2 TierSchG sind folgende Ausnahmen von der Betäubungspflicht zulässig:

Nach Nr. 1 kann bei Notschlachtungen von einer Betäubung abgesehen werden. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3a Fleischhygienegesetz ist unter einer Notschlachtung das Schlachten eines Tieres gemeint, das infolge eines Unglücksfalles sofort getötet werden muss. Zu beachten ist, dass dies nur zutrifft, wenn der Bestimmungszweck der Nahrungsmittelgewinnung auch weiterhin besteht.

Nach Nr. 2 kann auch beim Schächten von Tieren eine Ausnahme vom Grundsatz der Betäubungspflicht gemacht werden. Unter dem Schächten von Tieren versteht man das betäubungslose Schlachten von Tieren durch möglichst vollständiges Entbluten, eine rituelle Schlachtung, die von bestimmten Religionsgruppen mehr oder weniger verbindlich vorgeschrieben ist.

Bei der Beurteilung und praktischen Anwendung dieser Regelung ist insbesondere das Grundrecht der Religionsfreiheit Artikel 4 Grundgesetz zu beachten. Art. 4 Abs. 2 GG gewährleistet jedem Menschen die ungestörte Religionsausübung. § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG ist ein Ausfluss dieses Rechts.

Voraussetzungen ist die Angehörigkeit zu einer bestimmter Religionsgemeinschaften, wenn zwingende Vorschriften das Schächten vorschreiben bzw. der Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagt ist.

Unter einer Religionsgemeinschaft wird im Staatskirchenrecht ein Verband verstanden, der die Angehörigen ein- und desselben Glaubensbekenntnisses – oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse – zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben zusammenfasst. Der Begriff der Religionsgemeinschaft unterliegt der staatlichen Beurteilung nach aktueller Lebenswirklichkeit, Kulturtradition und auch religionswissenschaftlichem Verständnis.

Bei in § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG genannten Religionsgemeinschaften muss es sich um Gemeinschaften handeln, die sich nach außen eindeutig abgrenzen und nach innen in der Lage sind, ihre Mitglieder zwingenden Vorschriften zu unterwerfen.20

Für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 4a TierSchG sind nach dem Wortlaut des Gesetzes zwingende Vorschriften, die das Schächten verlangen, notwendig. Eine reine subjektive Überzeugung des Betroffenen ist nicht ausreichend. Im Hinblick auf die Religionsfreiheit wird diese Erfordernis teilweise für verfassungswidrig gehalten. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.1.2002 allerdings gab der Klage eines muslimischen Metzgers statt, dem eine Ausnahmegenehmigung zum Schächten nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG versagt wurde (BVerfG vom 15.1.2002 1 BvR 1783/99). Das BVerwG entschied darüberhinaus, dass das im Jahr 2002 eingefügte Staatsziel „Tierschutz“ gem. Art. 20a GG an dieser Abwägung zwischen Religionsfreiheit und Tierschutz keine Änderung herbeiführt (BVerG 23.1.2003 3 C 30.05)

Es ist von zwingenden Vorschriften der Religionsgemeinschaft die Rede, die deren Angehörigen ein Verhalten gebieten oder untersagen. Dem liegt erkennbar die Vorstellung zugrunde, dass die Religionsgemeinschaft als solche bestimmte Anordnungen mit dem Anspruch unbedingter Verbindlichkeit getroffen hat oder von einer ihr übergeordneten – transzendenten – Instanz als getroffen ansieht. Für eine Relativierung im Sinne der Maßgeblichkeit individueller religiöser Überzeugungen lässt dieser Wortlaut keinen Raum. Diese Ansicht ist auch mit § 1 TierSchG vereinbar. Denn der Gesetzgeber ging bei der Schaffung der Betäubungspflicht davon aus, dass die Betäubung die Leiden der Tiere bei der Schlachtung gegenüber dem betäubungslosen Schlachten verringert. Es bedarf daher besonders strenger Maßstäbe, um von diesem Grundsatz abzuweichen. Andererseits würde ein generelles Verbot dem Grundrecht der freien Religionsausübung widersprechen.

Für Angehörige des moslemischen Glaubens liegt zwar die Voraussetzung der Religionsgemeinschaft vor, jedoch sind keine zwingenden Vorschriften im Sinne dieses Gesetzes vorhanden. Die Auslegung moslemischer Schriftgelehrter (Muftis) ist sehr unterschiedlich, teils wird auch der Verzehr nicht geschächteter Tiere für verträglich gehalten, teils wird eine Elektrokurzbetäubung für zulässig erklärt.21 Des weiteren werden auch noch je nach Tierart und Glaubensrichtung verschiedene hinsichtlich des Tierschutzes nur schwer beurteilbare Schächtungsmethoden angewandt. Es ist daher stets eine konkrete Einzelfallprüfung vorzunehmen.

Für Angehörige des jüdischen Glaubens hat man dagegen das Vorliegen der Voraussetzungen dieses Ausnahme von der Betäubungspflicht bejaht. Beim Schächten nach jüdischem Ritual führt ein Schächtmeister mit einem langen, scharfen Messer einen raschen Querschnitt durch Halsschlagader, Speise- und Luftröhre des Tieres. Durch den plötzlichen Blutdruckabfall kommt es zu einem raschen Eintritt der Bewusstlosigkeit (in weniger als 10 Sekunden).22

Der VGH Bayern (26.11.2009 9 CE 09.2903) stellt an die Darlegung der Voraussetzungen durch den Antragsteller aufgrund der notwendigen Abwägung zwischen Religionsfreiheit und Tierschutz besonders hohe Anforderungen.

Die zuständige Behörde für die Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung ist gemäß § 15 TierSchG dem jeweiligen Landesrecht zu entnehmen.

Die Ausnahmegenehmigungen können nicht generell erteilt werden. Sie sind konkret für einen bestimmten Anlass, eine bestimmte Anzahl von Tieren zu gewähren und dementsprechend zeitlich zu befristen.

Nach § 4a Abs. 2 Nr. 3 TierSchG besteht eine weitere Ausnahme, wenn dies durch Rechtsverordnung festgelegt ist. Hier ist § 8 der Verordnung zum Schlachten von Tieren zu beachten.

2.3§ 4b Tierschutzgesetz

Die wichtigste auf Grund dieser Ermächtigungsgrundlage erlassenen Rechtsverordnung ist die Verordnung zum Schutz von Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung (Tierschutz-Schlachtverordnung – TierSchlV vom 20.12.2012).

Der wesentliche Inhalt soll im Folgenden erörtert werden:

Nach § 1 TierSchlV gilt diese Verordnung für das Betreuen, Aufbewahren, Ruhigstellen, Betäuben, Schlachten und Töten von Tieren.

Kranke und verletzte Tiere sind solche mit gestörtem Allgemeinbefinden oder einer Verletzung, die mit erheblichen Schmerzen oder Leiden verbunden ist. Unter Betreuen ist das Unterbringen, Füttern, Tränken und die Pflege des Tieres, einschließlich des Treibens sowie des Beförderns von Tieren innerhalb einer Schlachtstätte zu verstehen. Ein Schlachtbetrieb ist eine Schlachtstätte, in der warmblütige Tiere gewerbsmäßig oder im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung geschlachtet werden. Die Hausschlachtung ist definiert als Schlachtung außerhalb des Schlachthofs bei Verwendung des Fleischs im eigenen privaten Bereich.

Auf Grund des § 3 TierSchlV sind alle Handlungen im Zusammenhang mit dem Tier so vorzunehmen, dass bei ihnen nicht mehr als unvermeidbare Aufregung, Schmerzen, Leiden oder Schäden verursacht werden. Dies ist ein allgemeiner Grundsatz, der das gesamte Schlachtrecht durchzieht.

 

In § 4 TierSchlV werden die Anforderungen an die Sachkunde geregelt (siehe Ausführung zu § 4 TierSchG).

Gemäß § 5 TierSchlV dürfen die Tiere nur unter Vermeidung von Schmerzen, Leiden oder Schäden getrieben werden. Insbesondere ist es verboten, Tiere auf besonders empfindliche Stellen zu schlagen oder dagegen zu stoßen, ihnen grobe Hiebe oder Fußtritte zu versetzen, ihren Schwanz zu quetschen, zu drehen oder zu brechen oder ihnen in die Augen zu greifen. Treibhilfen dürfen nur eingeschränkt wie unter § 3 Ziffer 11 TierSchG beschrieben verwendet werden. Diese Maßgaben gelten selbstverständlich auch für Hausschlachtungen.

Im 2. Abschnitt (§§ 6 bis 9) der TierSchlV werden Anforderungen an die Ausstattung des Schlachtbetriebes, sowie allgemeine und besondere Vorschriften über das Betreuen von Tieren aufgestellt.

Der 3. Abschnitt enthält Regelungen über das Aufbewahren von Speisefischen und Krustentieren.

Vorschriften über das Ruhigstellen, Betäuben, Schlachten und Töten von Tieren sind in §§ 11 ff. TierSchlV zu finden. So sind Tiere, die durch Anwendung eines mechanischen oder elektrischen Gerätes betäubt oder getötet werden sollen, in ihrer Bewegungsfreiheit so einzuschränken, dass das Gerät so lange wie nötig angesetzt und bedient werden kann. Diese Ruhigstellung darf erst unmittelbar vor der Betäubung erfolgen. Ein Aufhängen von Tieren ohne vorherige Betäubung ist verboten. (Ausnahme: Hausgeflügel, wenn eine Betäubung innerhalb von 3 Minuten erfolgt). Weiterhin dürfen elektrische Betäubungsgeräte nicht dazu verwendet werden, Tiere ruhig zu stellen oder zur Bewegung zu veranlassen.

Tiere sind so zu betäuben, dass sie schnell und unter Vermeidung von Schmerzen oder Leiden in einen bis zum Tod anhaltenden Zustand der Empfindungs- und Wahrnehmungslosigkeit versetzt werden. Die verwendeten Betäubungsgeräte sind ordnungsgemäß zu warten.

Nach § 12 Abs. 6 muss nach dem Betäuben innerhalb eines bestimmten Zeitraumes mit der Entblutung begonnen werden. Nach Anlage 2 zur TierSchlV sind dies folgende Zeiträume zwischen Betäubung und Entblutung:

 Bolzenschuss bei Rindern: 60 Sekunden

 Bolzenschuss bei Schafen und Ziegen in den Hinterkopf: 15 Sekunden

 Bolzenschuss bei anderen Tieren und anderen Schusspositionen: 20 Sekunden

 Elektrobetäubung warmblütiger Tiere 10 Sekunden bei Liegendentblutung und 20 Sekunden bei Entblutung im Hängen

 Kohlendioxidbetäubung 20/30 Sekunden.

In § 15 werden die Ordnungswidrigkeiten im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3a TierSchG bei Verstößen gegen diese Verordnung geregelt.

Die 9 zugelassenen Betäubungs- und Tötungsverfahren sind in der Anlage 1 zur TierSchlV festgelegt. Die wichtigsten sind:


Einhufer: Bolzenschuss, Kugelschuss, Verabreichung eines Stoffes mit Betäubungseffekt,
Rinder: Bolzenschuss, Kugelschuss, elektrische Durchströmung, Verabreichung eines Stoffes mit Betäubungseffekt
Schweine: Bolzenschuss, Kugelschuss, elektrische Durchströmung, Kohlendioxidexposition, Verabreichung eines Stoffes mit Betäubungseffekt.

Wie diese einzelnen Verfahren abzulaufen haben, ist ebenfalls im 1. Teil der Anlage geregelt.

 Beim Bolzenschuss muss das Gerät so angesetzt und die Größe sowie die Auftreffenergie des Bolzens so bemessen sein, dass der Bolzen mit Sicherheit in das Gehirn eindringt. Es ist untersagt, Tieren in den Hinterkopf zu schießen.

 Der Kugelschuss ist so auf den Kopf des Tieres abzugeben und das Projektil muss über ein solches Kaliber und eine solche Auftreffenergie verfügen, dass das Tier sofort betäubt und getötet wird.

 Bei der Tötung oder Betäubung durch elektrische Durchströmung muss das Gehirn zuerst oder zumindest gleichzeitig mit dem Körper durchströmt werden. Die erforderliche Stromstärke bestimmt sich nach der Tierart (siehe Tabelle in diesem Anhang).

 Bei der Kohlendioxidexposition werden die Schweine in einer Kammer Kohlendioxid bestimmter Konzentration ausgesetzt.

VI.Eingriffe an Tieren

1.Betäubungspflicht bei Eingriffen an Tieren (§ 5 TierSchG)
§ 5TierSchG

(1) An einem Wirbeltier darf ohne Betäubung ein mit Schmerzen verbundener Eingriff nicht vorgenommen werden. Die Betäubung warmblütiger Wirbeltiere, sowie Amphibien und Reptilien ist von einem Tierarzt vorzunehmen. Dies gilt nicht, soweit die Betäubung ausschließlich durch äußerliche Anwendung eines Tierarzneimittels erfolgt, das nach arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen ist, um eine örtliche Schmerzausschaltung zu erreichen, und nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zum Zwecke der Durchführung des jeweiligen Eingriffs geeignet ist. Dies gilt ferner nicht für einen Eingriff im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2a, soweit die Betäubung ohne Beeinträchtigung des Zustandes der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit, ausgenommen Schmerzempfindung, durch ein Tierarzneimittel erfolgt, das nach arzneimittelrechtlichen Vorschriften für die Schmerzausschaltung bei diesem Eingriff zugelassen ist. Für die Betäubung mit Betäubungspatronen kann die zuständige Behörde Ausnahmen von Satz 2 zulassen, sofern ein berechtigter Grund nachgewiesen wird. Ist nach den Absätzen 2, 3 und 4 Nr. 1 eine Betäubung nicht erforderlich, sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Schmerzen oder Leiden der Tiere zu vermindern.

(2) Eine Betäubung ist nicht erforderlich,

1.

wenn bei vergleichbaren Eingriffen am Menschen eine Betäubung in der Regel unterbleibt oder der mit dem Eingriff verbundene Schmerz geringfügiger ist als die mit einer Betäubung verbundene Beeinträchtigung des Befindens des Tieres.

2.

wenn die Betäubung im Einzelfall nach tierärztlichem Urteil nicht durchführbar erscheint.

(3) Eine Betäubung ist ferner nicht erforderlich

1.

für das Kastrieren von unter 4 Wochen alten männlichen Rindern, Schafen und Ziegen, sofern kein von der normalen anatomischen Beschaffenheit abweichender Befund vorliegt,

2.

für das Enthornen oder das Verhindern des Hornwachstums bei unter sechs Wochen alten Rindern,

3.

für das Kürzen des Schwanzes von unter vier Tagen alten Ferkeln sowie von unter acht Tagen alten Lämmern,

4.

für das Kürzen des Schwanzes von unter acht Tagen alten Lämmern mittels elastischer Ringe

5.

für das Abschleifen der Eckzähne von acht Tage alten Ferkeln, sofern dies zum Schutz des Muttertieres oder der Wurfgeschwister unerlässlich ist,

6.

für das Absetzen des krallentragenden letzten Zehengliedes bei Masthahnenküken, die als Zuchthähne Verwendung finden sollen, während des ersten Lebenstages,

7.

für die Kennzeichnung

a.

durch implantierten elektronischen Transponder

b.

von Säugetieren außer Schweinen, Schafen, Ziegen und Kaninchen durch Ohr- oder Schenkeltätowierung innerhalb der ersten zwei Lebenswochen,

c.

von Schweinen, Schafen, Ziegen und Kaninchen durch Ohrtätowierung

d.

von Schweinen durch Schlagstempel

e.

von landwirtschaftlichen Nutztieren durch Ohrmarke oder Flügelmarke.

(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.

über Absatz 3 hinaus weitere Maßnahmen von der Betäubungspflicht auszunehmen, soweit dies mit § 1 vereinbar ist.

2.

Verfahren und Methoden zur Durchführung der Maßnahme nach Absatz 3 sowie auf Grund einer Rechtsverordnung nach Nummer 1 bestimmter Maßnahmen vorzuschreiben, zuzulassen oder zu verbieten, soweit dies zum Schutz der Tiere erforderlich ist.

1.1Allgemeine Einleitung

§ 5 TierSchG enthält Regelungen bezüglich der Ausführung von Eingriffen, der diesbezüglich bestehenden Betäubungspflicht und Ausnahmen davon, den begleitenden Maßnahmen und der Qualifikation der an den Eingriffen beteiligten Personen.

Auch hier ist das Zusammenspiel mit § 1 TierSchG zu beachten. Nach allen Eingriffen, egal ob mit oder ohne Betäubung, können auf Grund des § 1 Satz 2 TierSchG schmerzmindernde Nachbehandlungen angebracht sein.

Nach Ansicht des OVG Nordrhein-Westfalen (10.08.2012 20 A 1240/11) ist das Tätowieren von Tieren aus modischen Erwägungen heraus keine zulässige Kennzeichnung im Sinne dieser Norm.

Aber auch § 3 Nr. 1a TierSchG ist eine in diesem Zusammenhang wichtige Norm. Wiederum soll nicht die Unversehrtheit des betroffenen Tieres geschützt werden, sondern es soll vor Schmerzen bewahrt werden. So sind mit Schmerzen verbundene Eingriffe stets unter Betäubung durchzuführen. Die Betäubung von warmblütigen Wirbeltieren, Amphibien und Reptilien ist Tierärzten vorbehalten, mit der Ausnahme lokal wirkender Mittel, die auch – falls geeignet – durch andere Personen angewendet werden dürfen. Tierarzt ist, wer nach den Bestimmungen der Bundestierärzteordnung als Tierarzt eine Approbation erhalten hat. Durch diese Regelung soll die fachgerechte Durchführung der Eingriffe gewährleistet werden.

Diese Regelung ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit Art. 12 GG vereinbar. Denn nur so kann gewährleistet werden, dass die vom Gesetzgeber als nicht geringfügig gewerteten Eingriffe nur nach Verfahren und Methoden durchgeführt werden, die Schmerzen und Leiden nach Möglichkeit ausschließen.23

§ 5 Abs. 4 TierSchG bildet eine Ermächtigungsgrundlage. Der Gesetzgeber hat jedoch bis jetzt von dieser Regelungsmöglichkeit noch keinen Gebrauch gemacht.

Die Regelung gilt gemäß § 6a TierSchG nicht für Tierversuche.

Verstöße werden nach den §§ 18 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3b, und 17 Nr. 2 TierSchG geahndet.

1.2Grundsatz der Betäubungspflicht und Ausnahmen

Es besteht eine grundsätzliche Pflicht zur Betäubung des Tieres, an dem ein Eingriff vorgenommen wird.

Von diesem Grundsatz wurden Ausnahmen zugelassen. Grundsätzlich sind aber auch hier alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um mögliche Schmerzen und Leiden des Tieres zu vermindern. Dies ist möglich durch das Sedieren des Tieres, durch fachgerechten Umgang mit dem Tier und durch die Verwendung geeigneter Einrichtungen und Geräte.

Nicht erforderlich ist eine Betäubung nach Abs. 2 der Vorschrift, wenn bei vergleichbaren Eingriffen beim Menschen auch keine Betäubung vorgenommen werden würde (Analogieschluss), oder die Betäubung selbst größere Schmerzen, Leiden bzw. Schäden verursachen würde als der Eingriff an sich. Ferner kann aufgrund tierärztlicher Indikation eine Betäubung unterbleiben (Nichtdurchführbarkeit). Im dritten Absatz (§ 5 Abs. 3, Nr. 1–7 TierSchG) werden Eingriffe bei landwirtschaftlichen Nutztieren aufgeführt, die bei bestimmten Tierarten bis zu einem bestimmten Alter ohne Betäubung durchgeführt werden dürfen. Für diese Auflistung, insbesondere die Altersgrenzen, gibt es keine wissenschaftliche Begründung, sie ist empirisch und rein pragmatisch, so dass derartige Eingriffe auch ohne Hinzuziehung eines Tierarztes vom Landwirt oder Tierhalters selbst durchgeführt werden können, z. B. das Anbringen der Ohrmarken.

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