Handbuch E-Learning

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(3) Differenzierung und Diversität von Lern- und Lehrhandlungen ...

Ein weiteres Potenzial virtueller Lehr- und Lernarrangements besteht in ihrer prinzipiellen Differenzierung und Diversität – es sei denn, die zu verwendenden Medien und zu lernenden Inhalte und zu lösenden Prüfungsaufgaben werden strikt vorgegeben. Die Lernhandlungen können individualisiert werden, das heißt, die Lernenden können ihren Präferenzen entsprechend Schwerpunkte bei der Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand realisieren, durch die Auswahl von Lernaufgaben, die Steuerung ihrer eigenen Lernpfade, die Bestimmung der Reihenfolge ihrer Bearbeitungsschritte und die Festlegung ihrer eigenen Lernzeiten. Diese Individualisierung der Lernhandlungen erfordert eine Diversifizierung der Lehrhandlungen aufseiten der Lehrenden: Bestanden ihre Lehrhandlungen traditionell zu einem großen Teil in der expositorischen Präsentation von Fachwissen und der Diskussion in Seminaren, beraten und betreuen sie in virtuellen Bildungsangeboten die Lernenden, geben ihnen Orientierungen für die Erschließung zusätzlicher Quellen, moderieren Fachdiskussionen im virtuellen Raum und kooperieren mit Multimedia-Entwicklern und Programmierern bei der Erstellung virtueller Lerneinheiten.

... schafft aber auch neue Unsicherheiten

Die Individualisierung und Ausdifferenzierung unter Auflösung tradierter Formen des Lehrens und Lernens in Hochschulen und Bildungszentren schafft auf beiden Seiten aber auch Verunsicherung: Lernende müssen lernen, mit den erweiterten Wahlmöglichkeiten und Freiheitsgraden umzugehen. Lehrende müssen entsprechende neue und zusätzliche Kompetenzen erwerben und sich mit ihrer veränderten Rolle und den neuartigen Arbeitsformen auseinandersetzen und diese neu gestalten, um die Autonomie und Selbstorganisation der Lernenden in virtuellen Lehr- und Lernarrangements optimal unterstützen zu können.

(4) Autonomie und Selbstorganisation des Lernens ...

Die mit den digitalen Medien gegebene Orts- und Zeitflexibilität, Offenheit und Vielfalt der Lernressourcen sowie Differenzierung und Diversität der Lehr- und Lernhandlungen ermöglichen und erfordern die Entwicklung der Fähigkeiten zum auto­nomen und selbst organisierten Lernen. Dies entspricht den Anforderungen des Arbeitens und Lebens in der Wissensgesellschaft. Die Lernenden müssen ihre Kräfte aktivieren und ihre individuellen Interessen und Begabungen selbstständig entfalten können. Computer und Internet ermöglichen es ihnen, die für ihr Lernen erforderlichen Informationen jederzeit aus den Medien bzw. dem Internet zu ziehen und die Informationen autonom und selbst organisiert kritisch zu reflektieren und in eigenes Wissen umzuarbeiten. Indem sie die traditionellen Lehrfunktionen, nämlich die Definition der Lernziele, die Auswahl der Lerninhalte, die Wahl der Lernmethoden, die Kontrolle und Bewertung ihrer Lernergebnisse, autonom selbst übernehmen, machen sie sich zu Subjekten ihrer eigenen Lernprozesse, zu autodidaktisch Lernenden. In der Entwicklung ihrer autodidaktischen Kompetenzen müssen sie wiederum unterstützt werden. Lehrende werden nicht überflüssig. Im Gegenteil, die Lehrenden sind als fachkompetente, beratende, moderierende, informierende und mitarbeitende Partner im Lernprozess unverzichtbar, denn Lernen ist die Überwindung einer Kompetenzdiskrepanz zwischen Personen bezogen auf ein gemeinsames Drittes.

... können aber auch behindert werden

Ob die Lernenden autonom und selbst organisiert lernen können, hängt aber entscheidend von der didaktischen und methodischen Struktur der Medien ab (Grot­lüschen 2003). Wenn diese entsprechend dem Modell expositorischen Lehrens und rezeptiven Lernens strukturiert sind, wird autonomes und selbst organisiertes Lernen gerade unmöglich gemacht. Auch ist der Diskurs mit Lehrenden, Experten und anderen Lernenden im autonomen und selbst organisierten Lernprozess unverzichtbar und muss über die Kommunikation, Partizipation und Kooperation in virtuellen Lernräumen wie in Präsenzveranstaltungen sichergestellt werden.

(5) Neue soziale Kontexte und Kooperationsformen ...

Virtuelle Bildungsangebote ermöglichen kooperatives Lernen und Arbeiten, trotz zeitlicher und örtlicher Flexibilisierung. Durch die neuen Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten über das Internet, insbesondere das Web 2.0, entstehen ganz neue soziale Kontexte, in denen z. B. in international zusammengesetzten Gemeinschaften Lernende und Berufstätige sich gemeinsam über Erfahrungen, Wissen, Interessen und Ergebnisse austauschen können. Aufgrund der freien Verfügbarkeit entsprechender Kommunikations- und Kooperationssoftware werden selbst organisierte Gemeinschaften möglich (Arnold 2003b; Wiley/Edwards 2002). In diesen virtuellen Gemeinschaften wirken veränderte Kooperationsökonomien: Eine passive Teilnahme ist beispielsweise ohne großen Aufwand und ohne andere Mitglieder zu beeinträchtigen möglich, ein aktiver Beitrag hat bei gleichbleibendem Aufwand potenziell eine sehr große Reichweite, abhängig von der Größe der Gemeinschaft (Kollock 1999).

... können aber auch die Kommunikation erschweren

Gleichzeitig können die potenziell größere Heterogenität der Teilnehmenden in solchen Gemeinschaften sowie die in Bezug auf Gestik, Mimik etc. reduzierte Kommunikation sowie das Übergewicht der Asynchronizität auch dazu führen, dass wichtige Kontextinformationen verloren gehen und dadurch Lernprozesse beeinträchtigt werden (Arnold/Smith 2003). In textbasierten Diskussionsforen kann es beispielsweise schnell unübersichtlich werden. Sequenzialität ebenso wie Spontaneität von Dialogen laufen so Gefahr, verloren zu gehen. Zur Aufgabe von Lehrenden bei der Moderation diskursiver Aushandlungsprozesse in solchen Gemeinschaften gehört daher auch, Mittel und Wege zu finden, die es ermöglichen, dass auch in der Internetkommunikation die relevanten Kontexte der Beteiligten sichtbar bleiben. Außerdem lassen vorhandene virtuelle Kommunikations- und Kooperationsräume nicht automatisch kooperative Lernkontexte entstehen. Kommunikation und Kooperation müssen vielmehr sinnvoll in ein Gesamtkonzept integriert sein und auf vielfältige Weise unterstützt werden, damit nicht, wie so oft, virtuelle Foren mit äußerst spärlicher Beteiligung entstehen.

(6) Präsentieren und Diskutieren von Lernergebnissen ...

Beim autonomen und selbst organisierten Lernen in virtuellen Bildungsräumen entscheiden die Lernenden selbst, ob, wann, wozu und wie sie die Ergebnisse ihres Lernprozesses – in formalen Rahmungen – zusammenfassen, formulieren und dokumentieren bzw. präsentieren wollen. Dafür stehen ihnen mit Textverarbeitung, Datenbank, Bild- und Grafikbearbeitung, Tabellenkalkulation und anderen Arbeitsprogrammen am Computer vielfältige Instrumente zur Verfügung. Sie können damit ihre erarbeiteten Ergebnisse differenziert und anschaulich und für andere leicht nachvollziehbar präsentieren und zur Diskussion stellen. Mit der Erarbeitung der Präsentation und Diskussion der Lernergebnisse können wiederum Lerneffekte ausgelöst werden, die dadurch entstehen, dass der Lernende mit eigenen Worten einen Sachverhalt beschreibt, eine Problematik erneut formuliert, eine selbst erarbeitete Lösung begründet oder eine kritische Stellungnahme abgibt. Dadurch können auch kreative Ideen, Problematisierungen bisher erarbeiteter Ergebnisse oder neue Interessen und Lernziele ausgelöst werden. Denn mit der Erstellung der Präsentation der Lernergebnisse sind die Lernenden gezwungen, sich über ihre eigenen gegenstandsbezogenen Bedeutungszuschreibungen sowie über die der Zielpersonen ihrer Präsentation klar zu werden, damit die präsentierten Ergebnisse allgemein verständlich und diskutierbar werden. Die Ergebnisse können so von anderen empfangen und auch kommentiert, ergänzt und bearbeitet werden. Die autonom und selbst organisiert durch ihr forschendes Lernen erarbeiteten Ergebnisse werden so zu einem Gegenstand lernender Kommunikation und Kooperation für alle beteiligten Lernenden und auch Lehrenden.

... können aber durch Instruktion verhindert werden

Die Präsentation und Diskussion von eigenständig erarbeiteten Lernergebnissen fördern zweifellos die heute in der Wissensgesellschaft notwendige Kompetenz zur inhaltlich fundierten und allgemein verständlichen Kommunikation über notwendige Problemlösungen, erforderliche Entwicklungen, neue Ergebnisse und deren Bedeutung für die Gesellschaft. Dies erfordert in Lehr- und Lernprozessen einen erheblichen Zeitaufwand. Da zugleich mit der Einführung und Nutzung digitaler Medien eine zeitliche Verkürzung von Lernprozessen erhofft wird, entsteht die Gefahr, dass damit gerade die mögliche Autonomie und Selbstorganisation im Lernen erheblich erschwert oder durch implementierte Instruktionsstrukturen unterbunden wird. Während in traditionellen Lehr- und Lernprozessen die Lernenden das Erlernte noch mündlich oder schriftlich in Referaten, Klausuren, Aufsätzen oder Niederschriften referieren, die gewöhnlich von den Lehrenden veranlasst und schließlich kontrolliert und zensiert werden, wird in instruktionalen Lernmedien das Erlernte durch die richtige Auswahl aus vorgegebenen Antworten oder die Eingabe des richtigen Begriffs oder der richtigen Zahl geprüft, was richtig auswendig gelernte Fakten und Formeln voraussetzt. Ganzheitliche Handlungskompetenzen können so nicht erworben und geprüft werden.

2.5.3 Förderung der virtuellen Lernkultur
Sechs Ansatzpunkte

An welchen Punkten muss angesetzt werden, um die Entstehung einer neuen Kultur virtuellen Lehrens und Lernens zu fördern, die die beschriebenen Potenziale virtueller Bildungsangebote aufgreift und gelingende Bildungsprozesse ermöglicht? Den Erfolg ihrer Bildungsprozesse stellen die Lernenden letztlich immer selbst her. Die Lernenden müssen daher im Mittelpunkt aller Überlegungen zur Förderung einer neuen virtuellen Lernkultur stehen. Sechs Ansatzpunkte sind dafür bei der Entwicklung virtueller Bildungsangebote zu berücksichtigen:

 

(1) Aufgabenorientierte didaktische Konzepte: Aushandlung von Lernaufgaben

Didaktische Konzepte müssen den Erwerb ganzheitlicher Handlungskompetenzen für die Berufstätigkeit (Hahne 2003) sowie die Teilhabe an der gesellschaftlichen Lebensgestaltung in den verschiedenen Praxisfeldern als auch die wissenschaftliche Weiterentwicklung des aktuellen Wissensbestands im Lernbereich in ihr Zentrum stellen. Primäres methodisches Mittel ist dabei, dass Lehrende und Lernende in diskursiven Prozessen gemeinsam allgemeine wie spezielle Aufgabenstellungen aus den entsprechenden gesellschaftlichen Aufgabenbereichen ausgliedern, die dafür notwendigen Grundlagen bestimmen und diese lehrend vermitteln und lernend aneignen. Dieser Aushandlungsprozess dient dem tieferen Eindringen in den Lerngegenstand, seiner Ausdifferenzierung und Kontextualisierung. Gleichzeitig ermöglicht ein solches Vorgehen den Lernenden, subjektiv bedeutsame Defizite ihrer Handlungsfähigkeiten wahrzunehmen und auszugleichen, subjektiv bedeutsame Teilelemente auszuwählen und durch kommunikative Bezüge (in Lerngruppen, im Dialog mit Lehrenden, im Kontakt mit Fachexperten etc.) auch partizipative und kooperative Lernprozesse zu erfahren und auf diese Weise in die Prozesse und Methoden adäquater Handlungsweisen schrittweise hineinzuwachsen.

Aushandlung von Lernaufgaben bedeutet nicht, dass der Kompetenzvorsprung der Lehrenden unbeachtet bleibt. Im Gegenteil, Lehrende bringen ihren Kompetenzvorsprung auch in virtuelle Bildungsangebote ein, indem sie Aufgabenvorschläge erarbeiten und Prozesshilfen bei der Bearbeitung geben. Aushandlung erfordert vielmehr, dass auch die Interessen, Lerngründe und Arbeitsergebnisse der Lernenden als wichtige Lernressourcen einzubeziehen sind. Eine Rückkopplung der Arbeitsergebnisse der Lernenden an die Gesamtgruppe gehört also unverzichtbar zu aufgabenorientierten didaktischen Konzepten. Gerade durch die Erstellung eigener Arbeitsergebnisse erwerben sie ihre Kompetenzen ganzheitlich und befähigen sich zugleich, sie auch eigenständig erfolgreich einzusetzen. Mit aufgabenorientierten didaktischen Konzepten wird auch zur Kontextualisierung von Lerngegenstand, Lernsituation und Praxisfeld beigetragen. Weitere Vorkehrungen, um den notwendigen Kontext für Lernen herzustellen, können z. B. Erfahrungsgeschichten und Fallstudien sein, aber auch Reflexionshilfen zur jeweiligen Lernsituation und -strategie (Arnold/Smith 2003).

(2) Förderung autodidaktischer Kompetenzen

Zeitlich und örtlich flexibilisiertes Lernen mit vielfältigen Lernressourcen und einem hohen Grad an Individualisierung sowie in neu entstehenden virtuellen sozialen Kontexten stellt hohe Anforderungen an die autodidaktischen Kompetenzen. Die Lernenden müssen ihre Lernziele bestimmen und Diskrepanzerfahrungen machen, ihre Lernzeiten planen, ihre Lernumgebung organisieren und gestalten, die Lernressourcen erschließen und für ihre Lernziele auswählen, eigene Lernschritte bestimmen, planen, durchführen, kontrollieren, bewerten und daraus Schlussfolgerungen für ihren weiteren Lernprozess ziehen, sich gegebenenfalls auch Hilfen organisieren und in dieser Vielfalt an erforderlichen Handlungsschritten Prioritäten setzen. Virtuelle Bildungsangebote sollten daher Vorkehrungen und Hilfen beinhalten, mit denen die Lernenden die notwendigen autodidaktischen Kompetenzen selbstständig erwerben können, und Raum für Erfahrungsaustausch und Reflexion der eigenen Lernhandlungen bereitstellen. Für die Lehrenden bedeutet dies, ihre eigenen Kompetenzen dahin gehend zu erweitern, dass sie die Lernenden beim selbst gesteuerten Lernen und bei dem dazu notwendigen Kompetenzerwerb unterstützen können.

(3) Förderung der Selbstreflexion

Selbst organisiertes Lernen im virtuellen Bildungsraum erfordert die Selbstreflexion der eigenen Lernprozesse. E-Portfolios sind dafür ein sehr brauchbares Instrument. In den E-Portfolios werden alle wichtigen Lernergebnisse gesammelt, die Lernprozesse in ihren Voraussetzungen, Bemühungen, Fortschritten und Leistungen protokolliert und die angestrebten weiteren Lernziele und die zu ihrer Erreichung zu vollziehenden Lernschritte notiert. Diese Sammlungen und Aufzeichnungen sind die Grundlage für Kommentare und Empfehlungen der Lehrenden und anderen Lernenden sowie für die Selbstreflexion. Wichtig ist, dass die E-Portfolios in die didaktischen Konzepte integriert sind (Arnold/Kumar 2014b). Den jeweiligen Lehr- und Lernformen entsprechend können sie unterschiedlich gestaltet sein und auch als alternative Form für realitätsnahe kompetenzorientierte Prüfungen verwendet werden.

(4) Förderung von Medienkompetenzen

Lehrende wie Lernende brauchen für erfolgreiches Lehren und Lernen Medienkompetenzen. Grundlegend ist die Mediennutzungskompetenz zur Erschließung und Nutzung der Lernressourcen. Darüber hinaus brauchen beide aber auch Medien­gestaltungskompetenz: Lernende, die ihre Arbeitsergebnisse in der Gruppe präsen­tieren, müssen dies im virtuellen Raum tun können. Lehrende, die virtuelle Lern­module aktuell ergänzen wollen, müssen mediale Gestaltungskompetenzen haben. Voraussetzung dafür ist, dass die dafür verwendete Software benutzerfreundlich ist. Denn es geht in virtuellen Bildungsangeboten nicht um den Einsatz aller technologischen Möglichkeiten, sondern um eine dem didaktischen Konzept und den Gründen, Zielen, Inhalten und Methoden der Lernenden angepasste funktionsorientierte Gestaltung, die vor allem auch eine leichte Aktualisierung und Erweiterung der Bildungsmedien berücksichtigt. Auch wenn ein Großteil der Erstellung virtueller Bildungsangebote auf medialer Ebene in einem arbeitsteiligen Prozess durch andere Experten (z. B. Lernprogrammautoren, Multimedia-Entwickler) geleistet wird, brauchen Lehrende dennoch auf der Basis allgemeiner Medienkunde und Medienkritik ein Grundverständnis der Produktionsprozesse, der medientechnischen Zusammen­hänge und insbesondere der interaktiven Programmgestaltung, um die Lerninhalte auswählen und inhaltlich aufbereiten und den medialen Herstellungsprozess kooperativ unterstützen zu können.

(5) Professionalisierung des medienbasierten Lehrens und Lernens

Für die aufgabenorientierte didaktische Gestaltung der virtuellen Bildungsprozesse, für die Förderung der autodidaktischen Kompetenzen der Lernenden sowie für die Förderung der Medienkompetenzen muss die Professionalisierung aufseiten der Lernenden wie auch der Lehrenden entwickelt werden. Lernende müssen Medienkompetenzen, autodidaktische Kompetenzen, Kompetenzen zur Ausgliederung und Bestimmung von Aufgaben und Kompetenzen zur Kommunikation im Internet wie zu kooperativem und partizipativem Lernen und Arbeiten in virtuellen Räumen als Teil ihrer Berufskompetenz in der Wissensgesellschaft begreifen und entsprechend aktive, reflektierende und gestaltende Rollen einnehmen können.

Lehrende müssen das Arbeiten mit virtuellen Bildungsangeboten ebenfalls als Chance der Professionalisierung und Erweiterung ihrer Kompetenzen bzw. Verschiebung ihrer Tätigkeitsschwerpunkte begreifen. Tätigkeiten wie Lernberatung und -begleitung, Moderation von Diskussionen und Kooperationen im virtuellen Raum, diskursive Aushandlung von komplexen Lernaufgaben und die Kooperation mit Mitarbeitenden aus E-Learning-Supporteinrichtungen oder Kompetenzzentren fordern ein anderes Kompetenzprofil von Lehrenden als bislang und eine entsprechende Professionalisierung ihrer Kompetenzen.

(6) Lernförderliche Zeitstrukturen entwickeln

Eine wesentliche Herausforderung bei der Gestaltung einer virtuellen Lehr- und Lernkultur, die erfolgreiches Lernen fördert, besteht darin, geeignete Zeitstrukturen zu entwickeln und anzuwenden. Im virtuellen Raum wird dem ökonomischen Umgang mit Zeit angesichts des Einsatzes einer schnellen Technologie oft nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt. Erfolgreiches Lernen braucht immer eine Eigenzeit. Ein ausreichendes Zeitbudget zur Bearbeitung der Lernaufgaben und für die Aushandlungsprozesse muss daher eingeplant werden. Ebenso müssen Lehrende berücksichtigen, dass viele Lehrhandlungen aufgrund der Neuheit zunächst mehr Zeit benötigen. Lehrende ebenso wie Lernende müssen beachten, dass die überwiegende Schriftlichkeit und Asynchronität der Kommunikation und Kooperation eine Segmentierung und wechselnde Abfolge paralleler Handlungsfolgen zur Folge hat und dadurch zusätzliche Zeitbedarfe entstehen lässt.

2.6 Fazit
Neue Perspektiven für Lehren und Lernen

Die Klärung, Reflexion und Bestimmung der zentralen Begriffe, wie z. B. E-Teaching, E-Learning, Blended Learning, pädagogisches Verhältnis, Lehr- und Lernkultur, Bildung, ist die Voraussetzung, um die Entwicklung und Nutzung bereits implementierter Online-Bildungsangebote beschreiben, analysieren und reflektieren zu können. Sie sind die Instrumente, um die bisherigen Erfolge und Defizite erkennen und daraus Konsequenzen und Perspektiven für Verbesserungen sowie weitere und neue Entwicklungen ziehen zu können. Dies zum Anlass nehmend, sind zunächst die generellen konstituierenden Faktoren von Bildungsprozessen beschrieben worden, um auf dieser Grundlage die konstituierenden Faktoren virtuellen Lehrens und Lernens bestimmen und beschreiben zu können. Die konkrete Ausgestaltung der Potenziale und Perspektiven dieser Faktoren ermöglicht die pädagogische Entwicklung einer erfolgreichen virtuellen Lehr- und Lernkultur, die beispielsweise eine Vielfalt an Lernressourcen eröffnet, ein expansives und kooperativ selbst organisiertes Lernen fördert, den Lernenden neue Beteiligungschancen für ein produktives Lernen in Partizipation mit den Lehrenden ermöglicht. Damit wird auch die Unterstützung der Inklusion sowie einer offenen Bildung ermöglicht. Es ist in vielen Aspekten deutlich geworden, dass mit der durch die digitalen Bildungsmedien, das Internet und die Kommunikation in virtuellen Bildungsräumen veranlassten grundlegenden Umwälzung der pädagogischen Verhältnisse und der Lehr- und Lernkultur eine große Herausforderung an die erfolgreiche medientechnische und mediendidaktische Gestaltung der Lehr- und Lernprozesse entstanden ist. Dazu liefern die folgenden Kapitel wichtige Grundlagen und Anregungen.