Handbuch E-Learning

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Was konstituiert erfolgreiches Lernen?

Was ist also der konstitutive Kern erfolgreichen Lernens? In der Lebendigkeit der Kommunikation der Lernenden zeigt sich, dass das Lernen als das Eindringen in einen gesellschaftlich relevanten Gegenstandsbereich offensichtlich erst durch den Diskurs mit den anderen, also vor allem mit den Lehrenden und den anderen Lernenden oder auch mit anderen Fachexperten oder Partnern, konstituiert wird. Der Lerngegenstand, die Ziele, Inhalte und Methoden sind das gemeinsame Dritte, auf das sich das Lehren begründet darstellend und das Lernen reflektiert fragend jeweils beziehen. Aufgrund der Kompetenzdifferenzen zwischen den Beteiligten ist die Konstituierung des Lerngegenstandes ein Prozess subjektiv begründeter und reflektierter Auseinandersetzung. In dieser Auseinandersetzung wird der Lerngegenstand zu einem immer besser differenzierten und in seinen Kontexten bestimmten Gegenstand.

Dies geschieht in Praxisgemeinschaften oder in sich auf Praxis beziehenden Gemeinschaften (Arnold 2003b; Lave/Wenger 1991). Darin zeigt beispielsweise der Lehrende oder ein Lernender, wie er an einen Gegenstand reflektiert und begründet herangeht oder herangehen würde, gibt eine Einführung in die theoretischen und methodischen Grundlagen und praktischen Herangehensweisen, zeigt die Bedeutung in unterschiedlichen Praxisfeldern auf – und all dies im Diskurs in der Lern­gemeinschaft. Die Lernenden erfahren die Grundlagen und Aufgaben einer Fach­disziplin im Kontext der Wissenschaften und der gesellschaftlichen Praxis durch reflektierte Erfahrungen und kritische Auseinandersetzungen mit dem Denken und Handeln eines Lehrenden als Experten seiner Disziplin und ihrem eigenen Handeln im Wissenschafts- und Praxisbezug. Sie erwerben dadurch zugleich reflexive und soziale Kompetenzen zur eigenen erfolgreichen Teilhabe in den jeweiligen Wis­senschafts- und Praxisfeldern. Durch die unmittelbaren Diskurse in Lerngemein­schaften erfahren sie zugleich eine wichtige, oft auch prägende Förderung der Entwicklung ihrer Persönlichkeit.

Bildung ist subjektives Ergebnis des Lernens

Durch reflexiv lernendes Handeln in Bildungsprozessen gleichen die Lernenden zunehmend ihre Kompetenzdifferenzen zu den Lehrenden und Fachexperten aus. Dies geschieht nicht in der Weise, dass sie zu einem Klon des Lehrenden werden, sondern dass sie ein eigenständiges Kompetenzprofil durch ihre begründeten Lernhandlungen herausbilden. Im Diskurs mit den Lehrenden, Lernenden, Experten und Nichtexperten werden die ausgetauschten Informationen erst zu Wissen im Subjekt umgearbeitet, indem die Lernenden den Informationen individuelle Bedeutungen zuschreiben. Wissen ist immer eine subjektive Leistung und nur im Subjekt existent als ein wesentliches Fundament seiner Kompetenzen. Daher kann das Wissen, das sich beispielsweise ein Lehrender im Laufe seiner Ausbildung und Tätigkeit erworben hat, niemals direkt, in Inhalt und Form gleich, auf einen Lernenden übertragen werden. Vielmehr muss er sein Wissen in Informationen und Handlungen transformieren, die für die Lernenden Anlass sein können, sich aus vorhandenen oder gewonnenen eigenen Begründungen heraus damit aktiv zu befassen, wenn es für sie daraus etwas zu lernen gibt. Erst dadurch wird ein Lerngegenstand als ein gemeinsamer konstituiert, und in der begründeten Auseinandersetzung damit erwirbt der Lernende – auch in mehr oder weniger intensiver Kommunikation und Kooperation mit anderen Lernenden – seine Lernfähigkeit und seine Kompetenzen. Lernen muss immer noch jeder selbst, und dies muss durch die medialen und personellen Arrangements ermöglicht und gefördert werden (Lerche 2009, 173–176).

Lernerfolg ist keine Frage des Behaltens der dargebotenen Informationen, sondern entscheidend ist, welche Kompetenzen durch selbst erarbeitetes Wissen herausgebildet werden konnten, und dies zeigt sich erst im weiteren Verlauf des Lernens oder in der späteren Arbeit, nicht in punktuellen Tests. Denn Wissen und Kompetenzen von Experten und Novizen unterscheiden sich nicht nur quantitativ, sondern aufgrund der mit dem Lernen zugleich stattfindenden Prozesse der „Wissenskompilierung“ auch qualitativ (Kerres 2001a, 163). Bildung als erworbenes Kompetenzprofil einer Person ist immer ein komplexes kompiliertes Ergebnis der Leistungen des Lehrens und der Leistungen des Lernens. Sie kann daher weder einfach gemessen noch verkauft oder gekauft werden wie ein gewöhnliches Produkt. Bildung als Qualität einer Person ist auf keinem Markt handelbar.

Bildung ist kein handelbares Produkt

Wenn interaktive Lernprogramme und virtuelle Bildungsangebote häufig als „Bildungsprodukte“ bezeichnet werden (wie z. B. von Bertelsmann Stiftung/Heinz Nixdorf Stiftung 2000, 14, 18, 27, 54 usw.), so wird Lehren und Lernen einfach identisch gesetzt und das Subjekt zum Objekt der lehrenden Modellierung gemacht. Genauso wenig macht es Sinn, in quantifizierender Redeweise wie bei industriellen Prozessen von „Lerneffektivität“ und „Nutzen-/Kosteneffizienz“ zu sprechen (ebd., 55) und diese am Behalten, bewertet in Noten oder Punkten, messen zu wollen. Wissen wiedergeben zu können ist kein brauchbarer Indikator für erworbene Kompetenz. Zwar lassen sich die Kosten von Bildungsprozessen berechnen, aber nicht ihre Wirksamkeit und ihr Nutzen, weil diese bzw. dieser sich erst im weiteren Lernen bzw. in der späteren Arbeit der Ausgebildeten, in ihrer Teilhabe an der gesellschaftlichen Lebensgestaltung und in ihrem lebenslangen Lernen offenbaren. „Wir müssen umdenken und begreifen, dass die Kosten von Bildung in Wahrheit Investitionen in unser aller Zukunft sind, an der wir ein existenzielles gesellschaftliches Interesse haben“ (Kluge 2003, 240; Zimmer/Psaralidis 2000).

Bildungsinhalte benötigen einen Kontext

In Hochschulen ist die Integration von Forschung und Lehre für die Aktualität der Studieninhalte und damit zur Erhaltung ihrer gesellschaftlichen Relevanz wichtig. Dies hat zur Konsequenz, dass die Studiengegenstände, die Ziele, Inhalte und Herangehensweisen nie abschließend bestimmt und festgelegt werden können. Daher kann keine Lehrveranstaltung der anderen gleichen, was die Voraussetzung für ihre Vereinheitlichung und mediale Objektivierung wäre. Mit den akkreditierten Studienmodulen in Bachelor- und Masterstudiengängen geschieht genau das Gegenteil. In der Bestandszeit von Studieninhalten gibt es bedeutsame Unterschiede. So kann es einerseits geschehen, dass eine junge Theorie schon bald durch eine noch jüngere Theorie ersetzt wird. Andererseits gibt es theoretische und wissenschaftliche Grundlagen von langer Dauer, wie z. B. die physikalischen Gesetze der technischen Mechanik. Diese könnten dazu verleiten anzunehmen, dass zumindest diese Grundlagen gut für virtuelle Studienmodule geeignet seien. Dabei wird jedoch übersehen, dass diese Grundlagen ihren Stellenwert im Studium erst aus ihrer Bedeutsamkeit für den im Diskurs immer wieder neu zu bestimmenden Studieninhalt erhalten. Das bedeutet, dass die jeweiligen Grundlagen nur bezogen auf den jeweiligen Studieninhalt vereinheitlicht werden können, also jeweils auch mit diesem aktualisiert werden müssen. Daher bietet auch die Standardisierung von kleinsten, noch sinnvollen Lerninhalten nicht immer eine angemessene Lösung. Dagegen sind das selbst organi­sierte Lernen, also das eigenständige Mitbestimmen und Mitbearbeiten eines Lerngegenstandes, und die Präsentation und gemeinsame Diskussion des Lernergebnisses zu fördern.

Modularisierung darf nicht zu stupidem Auswendiglernen führen

Auch die aktuelle, vor allem unter ökonomischen Prämissen geführte Diskussion um die Modularisierung des Studiums scheint in einer durchgehenden Vereinheitlichung aller Lerninhalte den besten Weg zu einem kürzeren und effektiveren Lernen zu sehen. Der Erwerb der Inhalte soll jeweils direkt am Ende eines Moduls geprüft und mit Punkten belohnt werden. Nicht bedacht wird dabei, dass eine solche Form von Modulen leicht zum Auswendiglernen von Antworten auf in immer gleicher Weise gestellte Fragen führt und so gerade die geforderte Kompetenzentwicklung für komplexe und sich verändernde berufliche Anforderungen behindert. Lebendigkeit und Aktualität des Lernens werden so gerade verhindert. Denn Kompetenzen und Expertenwissen entstehen erst in der reflektierenden und kompilierenden Auseinandersetzung mit allen Lerninhalten in Lern- oder Praxisgemeinschaften. Wenn Module dagegen als offene Lernabschnitte mit problembezogenen selbstständig zu erbringenden Leistungen verstanden werden, dann machen sie das Lernen nicht zu einem Prozess stupiden Nachvollziehens und Auswendiglernens, sondern geben ihm Lebendigkeit und können in der Tat zu einem engagierten und praxisorientierten Lernen beitragen. Gerade Online-Lernmodule verleiten zu einer Vereinheitlichung der Inhalte, statt die neuen Möglichkeiten von Computer und Internet für ein lebendiges Lehren und Lernen zu nutzen, wie in den folgenden Kapiteln gezeigt wird.

Verbesserung der traditionellen Fernlehre durch Virtualisierung

Auch an der Fernuniversität Hagen, die quasi als Hochschule für Berufstätige (ca. 80 % der Studierenden) eine Sonderstellung einnimmt, sind die gleichen konstituierenden Faktoren für Bildungsprozesse wirksam: Zum einen sind Berufstätige, darunter ein erheblicher Teil an Gasthörern und Zweithörern von anderen Universitäten, in berufliche Kommunikationen eingebunden, die auch für ihr Fernstudium bedeutsam sind. Zum anderen sollen „die Potenziale des Internets primär für die Intensivierung der Kommunikationsbeziehungen zwischen den Lernenden und der Hochschule genutzt werden“ (Uhl 2003, 65). Diese Intensivierung dient dazu, das bestehende Defizit in der unmittelbaren Kommunikation mit den Lehrenden, das bislang hilfsweise durch Mentoren in reduzierten Präsenzveranstaltungen in dezen­tralen Studienzentren etwas ausgeglichen wird, nunmehr zumindest über asynchrone Online-Kommunikation stärker in Gang zu setzen. Auch hier zeigt sich, welche Bedeutung dem Dialog bzw. dem Diskurs zwischen Lehrenden und Lernenden für den Studienerfolg zukommt.

 

Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich beispielsweise in der beruflichen Weiterbildung. Hier werden seit einigen Jahren Ansätze des Blended Learning, also der Kombination von Präsenzveranstaltung und virtuellem Angebot, favorisiert, weil die reine mediengestützte Weiterbildung letztlich doch defizitär blieb. Mit Blended Learning findet eine Funktionsverschiebung der interaktiven Medien vom Ersatz der Lehrenden zu einem vermittelnden Medium der Lehrenden statt, das damit Teil des pädagogischen Diskurses zwischen Lehrenden und Lernenden wird (Kuhlmann/Sauter 2008). Diese Funktionsverschiebung macht den unmittelbaren subjektiven Diskurs über die Lerngegenstände wieder zur führenden Form in Bildungsprozessen.

Die Zukunft gehört dem Lernen im virtuellen Bildungsraum

Aus der dargestellten Diskussion der konstituierenden Faktoren von Bildungsprozessen könnte nun der Schluss gezogen werden, dass virtuelle Bildungsangebote prinzipiell keinen Erfolg haben können und es daher angebracht ist, zu Präsenzveranstaltungen zurückzukehren. Das wäre jedoch ein unangemessener Kurzschluss, der die zweifelsohne vorhandenen Vorteile der interaktiven Medien und des Internets für Bildungsprozesse missachtet. Von entscheidender Bedeutung für eine erfolgreiche Implementierung ist, wie die Entwicklung der Nutzung von E-Learning zeigt, dass nicht allein die medialen Produktinnovationen in den Blick genommen werden, sondern auch die Prozessinnovationen (Arnold, P. 2009). Es ist also in der Perspektive der Förderung einer ganzheitlichen Kompetenzentwicklung der Lernenden die Frage zu stellen, welche Stärken der Neuen Medien wie in Bildungsprozessen genutzt werden können und wie die Vorteile des Lehrens und Lernens in Präsenzveranstaltungen in und mit Online-Bildungsangeboten erhalten und weiter ausgebaut werden können.

2.4 Konstituierende Faktoren virtuellen Lehrens und Lernens
Ein pädagogisches Verhältnis kann nur zwischen Menschen bestehen

Nach der Methode der logischen Rekonstruktion (PAQ 1980, 19–62) der Gründe der bislang oft nicht erfüllten Erwartungen von Online-Bildungsangeboten (siehe z. B. Uhl 2003; Haug/Wedekind 2009) und der konstituierenden Faktoren erfolgreicher Bildungsprozesse lassen sich die grundlegenden Voraussetzungen wie die konstituierenden Faktoren für ein erfolgreiches Lehren und Lernen mit digitalen Medien herleiten. Die früher und oft noch immer geltende – bewusst hergestellte oder unbewusst befolgte – generelle Funktionsbestimmung der digitalen Medien im virtuellen Lehren und Lernen als Ersatz personaler Lehre ist danach vollständig aufzugeben. Ein pädagogisches Verhältnis zwischen Lehren und Lernen, das erst durch den Diskurs über die gesellschaftlichen Bedeutungen von Lehr- und Lerngegenständen und die subjektive Zuschreibung von Bedeutungen konstituiert wird, kann prinzipiell nur zwischen Personen bestehen. Ein pädagogisches Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden oder zwischen gemeinsam Lernenden ist, bezogen auf das gemeinsame Dritte, nämlich die Lehr- und Lerngegenstände, immer kommunikativ vermittelt durch die Benutzung vielfältiger Symbolsysteme (z. B. Sprache, Schrift, Formel, Grafik, Zeichnung, Bild, Film), deren Träger sehr unterschiedliche Medien (z. B. Buch, Zeitschrift, Arbeitsblätter, Lernsoftware) sein können.

Zwischen Mensch und Maschine (Computer und Internet) kann prinzipiell kein reflektierter Diskurs über gesellschaftliche und subjektive Bedeutungszuschreibungen geführt werden. Alles, was ein Computer bzw. die darauf laufenden Bildungsmedien einem Lernenden bieten können, ist immer von anderen (z. B. Lehrenden, Experten, Lernenden) bereits Vorgedachtes, präsentiert im Design einer interaktiven Lernsoftware – auch ITS arbeiten nur nach einer begrenzten Zahl vorgegebener Regeln. Daher kann ein interaktives oder gar intelligentes digitales Bildungsmedium niemals den Diskurs mit einer lehrenden Person oder anderen Experten oder Mitlernenden ersetzen.

Computer als exzellentes Medium im pädagogischen Verhältnis

Wohl aber können Computer und Internet als ein neues und exzellentes Medium im pädagogischen Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden genutzt werden (Zimmer 2000a). Die Lehrhandlungen sowie die geforderten und erwarteten Lernhandlungen bezogen auf einen Gegenstand sind in den interaktiven Präsentationen der digitalen Bildungsmedien objektiviert. Sie haben damit eine objektivierte Qualität und stehen den Lernenden zeitunabhängig zur Verfügung. Die Funktionsbestimmung bleibt dabei aber immer die eines interaktiven Mediums im pädagogischen Verhältnis, mit dem von den Lernenden selbst gesteuert nur rekonstruiert werden kann, was darin medial vorgegeben ist. Alle durch die lernende Bearbeitung angeregten und über die medialen Präsentationen hinausgehenden Fragen können nur in Kommunikation mit den Lehrenden oder anderen Lernenden geklärt werden. Das Lernen mit interaktiven Medien erfordert aufgrund der Objektivierung der Lehr- und Lernhandlungen sowie ihrer universellen technischen Funktionalitäten der Informationsverarbeitung und Telekommunikation neue didaktische und methodische Arrangements für das Lehren und Lernen in virtuellen Bildungsräumen. Die Entwicklung einer geeigneten Didaktik und Methodik für das virtuelle Lehren und Lernen steht, obwohl bereits verschiedene Konzepte und vielfältige Erfahrungen vorliegen, noch immer ziemlich am Anfang. Klar geworden ist inzwischen: Die bisher ent­wickelten didaktischen und methodischen Konzepte von Bildungsangeboten in vir­tuellen Bildungsräumen sind noch unzureichend, weil allzu lange an falschen Vor­stellungen über das Lernen als Resultat des Lehrens und über die Substitution personaler Lehre durch den Computer festgehalten wurde. Die erfahrenen Nutzungsdefizite und herausgebildeten neuen Praxen der kommunikativen und partizipativen Nutzung von Computer und Internet durch die Lernenden wurden noch nicht hinreichend kritisch reflektiert aufgegriffen, um neue erfolgreiche Modelle virtuellen Lehrens und Lernens zu entwickeln und zu erproben.

Neue Beteiligungschancen für die Lernenden

Die im Unterschied zu allen traditionellen Medien neue Funktionalität der über das Internet vernetzten Computer, nämlich die universelle Informationsverarbeitung und Kommunikation, macht eine grundlegende Veränderung und Weiterentwicklung der in Präsenzveranstaltungen bewährten didaktischen und methodischen Strukturen notwendig. Wenn Ausgangspunkt und Kern eines Lernprozesses die diskursive Bestimmung, Differenzierung und Kontextualisierung des Gegenstandes im Hinblick auf den Erwerb von Kompetenzen für eine spätere Berufstätigkeit und Teilhabe an der gesellschaftlichen Lebensgestaltung in den verschiedenen Praxisfeldern sind, dann eröffnen Computer und Internet den Lernenden vor allem breite Möglichkeiten kooperativ selbst organisierter und selbstbestimmter Beteiligung an diesen Diskursen. Den Lernenden eröffnet sich die Chance, viel weiter gehender als in den regelmäßigen, aber terminlich eng begrenzten Präsenzveranstaltungen an der Bestimmung ihres Lerngegenstandes mitwirken und die übliche unbefragte Dominanz der Lehrenden durch das Einbringen eigener Vorstellungen und erarbeiteter Erkenntnisse hinterfragen oder relativieren zu können (vgl. Kap. 5.4). Dies fördert die Entwicklung der eigenen fachlichen, methodischen, sozialen, zeitlichen und räumlichen Kompetenzen.

Diskursive Ausgliederung von Lernaufgaben

Für die didaktische Konzeption eines Online-Bildungsangebotes bedeutet dies, die von Lehrenden und Lernenden gemeinsam vorzunehmende diskursive Ausgliederung von Lernaufgaben aus den jeweiligen wissenschaftlichen und/oder praktischen Aufgabenfeldern in das Zentrum der lehrenden und lernenden Bemühungen zu stellen. Diese Ausgliederung kann beispielsweise durch computerbasierte Simulationen vorbereitet werden, die den Lernenden die Erfahrung von Kompetenzdiskrepanzen ermöglicht. Diese Erfahrung bildet dann den Ausgangspunkt für den Diskurs über die in der Simulation präsentierten und in kritischer Reflexion gemeinsam anzustrebenden Ziel- und Handlungsorientierungen. Computer und Internet als ortsunabhängige und zeitflexible multisymbolische Präsentations- und Kommunikationsmedien bieten dazu gute Chancen für eine breitere aktive Beteiligung der Lernenden, die sich eben nicht nur in Rezeption erschöpft. Vielmehr fordert sie gerade dazu auf, an der Ausgliederung und Definition konkreter Lernaufgaben im eigenen Interesse engagiert mitzuwirken, beispielsweise in kooperativ selbst organisierten Lerngruppen. Durch eine flexible Aufteilung zwischen Präsenz- und Online-Phasen können die methodischen Vor- und Nachteile beider Phasen zur Erhöhung der Qualität und Effizienz des Lehrens und Lernens ausgeglichen werden, beispielsweise indem die Präsenzphasen vor allem zur inhaltlichen Diskussion und die Online-Phasen zur inhaltlichen Vorbereitung in kleinen Lerngruppen genutzt werden. Zwischenergebnisse der Lerngruppen können im Internet wiederum den anderen Lernenden wie den Lehrenden zur kritischen Stellungnahme präsentiert werden, um den eigenen Lernprozess reflektiert zum optimalen Erfolg zu führen.

Computer und Internet ermöglichen vielfältige Kooperationen und Kommunikationen sowie Informationsbeschaffungen und Präsentationen der Lernenden in ihrem Lernprozess bezogen auf die jeweils gemeinsam bestimmten Lernaufgaben. Sie können sich dadurch mit Unterstützung der Lehrenden selbst organisiert in die aktuellen Probleme und Aufgaben in Wissenschaft und Praxis hineinarbeiten und somit im Bildungsprozess die beruflich relevanten Kompetenzen erwerben. Dementsprechend sind auch neue, aufgabenorientierte Prüfungsformen zu entwickeln (Zimmer/Dippl 2003).