Handbuch E-Learning

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Lernen durch Lehren und Forschen

Als eine weitere konstruktivistische Lehrmethode hat in Deutschland der Ansatz des Lernens durch Lehren in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen (Lernen durch Lehren 2010; Martin 2001; Renkl 1997). Er wird inzwischen nicht nur in Schulen eingesetzt, sondern auch in der Weiterbildung und in Hochschulen, und dort auch um den Faktor Forschen erweitert (Grzega 2003, 2005; Mieg/Lehmann 2017). Die Übernahme von Lehrfunktionen und Forschungsaufgaben geschieht hier nicht um ihrer selbst willen, sondern zielt primär auf eine Vertiefung und Intensivierung des Lernprozesses. Die Wissenskonstruktion erfolgt handlungsorientiert in situierten, sozial ausgehandelten Problemlösesituationen. Dabei geht es nicht nur darum, dass die Lernenden zu Experten für bestimmte Inhalte werden und diese präsentieren. Ein wesentliches Element ist auch die ständige Interaktion und der Diskurs mit der gesamten Lerngruppe, die als neuronales Netz zur gemeinsamen Wissenskonstruktion verstanden wird. Die Aufgabe der Lehrenden besteht darin, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, sowohl durch die Gestaltung effektiver Lernumgebungen als auch durch aktive Präsenz in den durch die Lernenden gestalteten Vermittlungsphasen. Wichtig ist dabei, die Lernenden bei der (nachträglichen) linearen Ordnung des Wissens (Linearität a posteriori) und im Diskurs darüber zu unterstützen. Der Erwerb dieser Kompetenzen ist zugleich Vorbereitung auf eine Wissensgesellschaft, in der die Fülle und Nichtlinearität von Informationsangeboten im Internet sowie die Ansprüche an (nicht digitale und digitale) Selbstrepräsentation und Kommunikation ständig wachsen (Martin 2001). Inzwischen haben Studien zudem gezeigt, dass Lernen durch Erklären nicht nur in Präsenzveranstaltungen effektiv ist, sondern bspw. auch, wenn Lernende anderen (ggf. auch fiktiven) Personen Sachverhalte in Videos oder Texten erläutern (Fiorella/Mayer 2013, 2014; Hoogerheide/Loyens/van Gog 2014).

Konnektivismus

Mit den zuletzt beschriebenen Ausprägungen konstruktivistischer Ansätze wird bereits eine Verbindung zwischen den klassischen Lerntheorien und neuen didaktischen Theorien geschaffen, die zurzeit entwickelt werden und sich stärker an den Anforderungen von E-Learning und einer vernetzten Welt orientieren (Downes 2005; Kerres 2006). Einer der erfolgreichsten Ansätze ist dabei der Konnektivismus; allerdings ist umstritten, ob es sich tatsächlich um eine Lerntheorie handelt.

Der Begriff Konnektivismus (engl. Connectivism) wurde von George Siemens (2004) geprägt; der theoretische Hintergrund wird u. a. gemeinsam mit Stephen Downes kontinuierlich weiterentwickelt (Connectivism & Connective Knowledge 2010; Downes 2012). Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die klassischen Lerntheorien den neuesten Entwicklungen im Bereich des Lernens, insbesondere im Zusammenhang von Web 2.0, nicht mehr entsprächen. Im Gegensatz zu deren Paradigma, dass Erkenntnisse und Erfahrungen, die ausschlaggebend für den Lernerfolg sind, eigenständig durch die Lernenden selber gemacht werden, könne Wissen heute, bedingt durch eine stetig wachsende Informationsflut, nicht länger nur als persönlich verinnerlichtes Gut gelten, sondern müsse veräußerlicht werden, um Ordnung in den herrschenden Informationsüberfluss zu bringen. Die zunehmende Komplexität von Informationen mache es nötig, Netzwerke aus Personen und Informationen zu bilden (Görting/Pelka/Schmitt 2008, 6). Zentrale Metapher für Lernen wird damit – angelehnt an die Verknüpfungen in Hypertexten – die Vernetzung über Knoten und die Verbindungen zwischen zwei Knoten. Als solche Knoten gelten dabei sowohl die Lernenden selbst und weitere Personen als auch andere Ressourcen, z. B. Internetseiten und Printmedien. Lernen wird danach verstanden als ein Prozess, in dem durch neue Verbindungen zu anderen Knoten ein Netzwerk aufgebaut wird, in dessen Zentrum das Wissen wo und nicht mehr das Wissen was oder Wissen wie stehe. Die Verbindungen werden damit wichtiger als deren Inhalt; Lernen und Wissen beruht danach auf der Kenntnis der Vielfältigkeit von Meinungen. Um kontinuierliches Lernen zu ermöglichen, ist es deshalb notwendig, Verbindungen zu pflegen, zu erhalten und neu aufzubauen. Eine Grundvoraussetzung ist die Fähigkeit, Zusammenhänge zwischen Wissensfeldern, Ideen und Konzepten zu erkennen (Downes 2012, 85 ff.; Wikipedia 2016a).

Ein weiterer Ansatzpunkt des Konnektivismus ist das prozessartige, dialogische Lernen, das in Gegensatz zu statischem, textbasiertem Lernen gestellt wird. Durch den Dialog zwischen Lehrendem und Lernendem und zwischen Lernenden untereinander entstehe eine Zwei-Wege-Erfahrung, in deren Verlauf die Lernenden durch den ständigen Dialog und Austausch ihr Wissen an die sich stetig in Bewegung und Weiterentwicklung befindliche Wirklichkeit anpassen, Bedeutung formen und interpretieren (Görting/Pelka/Schmitt 2008, 6). Der Lernprozess besteht auch darin, zu entscheiden, was gelernt wird, und die Bedeutung der eingehenden Informationen im Kontext einer sich verändernden Realität einzuordnen, denn eine Antwort, die heute richtig ist, kann morgen aufgrund möglicher Änderungen in der Informationsgrundlage bereits veraltet sein. Ziel eines jeden konnektivistischen Lernens ist es, Wissen aktuell zu halten (Wikipedia 2016a). Für Siemens (2006) stellt das Internet an sich den Netzwerkgedanken des Konnektivismus am besten dar: „Das Lernen ist das Netzwerk.“ Der konnektivistischen Theorie zufolge hat sich das Lernen damit vom Verständnis einzelner Elemente hin zur Erfassung eines großen Ganzen bzw. eines Zusammenhangs gewandelt.

Kritik und Konsequenzen konnektivistischer Ansätze

Kritik am Konnektivismus bezieht sich u. a. darauf, dass es sich nicht um eine Lerntheorie, sondern eher um eine pädagogische Sicht auf Bildung handele: Während Lerntheorien sich mit der Frage befassen, wie Menschen lernen, geht es im Konnektivismus mehr um das Was und Warum des Lernens, also den curricularen Aspekt (Verhagen 2006). Ein zentrales Problem ist auch, dass im Konnektivismus die Bedeutung von Fakten und Tatsachen relativiert wird oder im pluralistischen Netzwerk von Meinungen und Verbindungen sogar ganz verschwindet.

Bildungspolitische und didaktisch-methodische Konsequenzen der konnektivistischen Perspektive sind z. B. für alle Interessierten kostenfrei und offen zugängliche Kurse, in denen Lernmaterialien in verschiedenen Formaten online zur Verfügung gestellt sowie von den Lernenden selber eingebracht werden können – z. B. Artikel, Videos, Audioaufzeichnungen – und von ihnen selbst durch die Werkzeuge ihrer Wahl in Beziehung zueinander gesetzt werden, etwa durch Forendiskussionen, Blogeinträge oder den Austausch in sozialen Netzwerken. Konnektivistische Online-Kurse waren die ersten gemeinschaftsorientierten Massive Open Online Courses (sog. cMOOCs; vgl. zu MOOCs Kap. 4.3.3), z. B. der 2008 von George Siemens und Stephen Downes gemeinsam angebotene Kurs „Connectivism and Connective Knowledge“ (Downes 2012, 27 ff.).

Subjektwissenschaftliche Lerntheorie

Die subjektwissenschaftliche Lerntheorie (Holzkamp 1993) grenzt sich von allen bisher vorgestellten Lerntheorien ab, indem sie die gesellschaftlichen Lebensbedingungen der Menschen berücksichtigt. Lernen wird weder als Reiz-Reaktions-Mechanismus noch als reine Informationsverarbeitung oder individuelle Wissenskonstruktion verstanden, sondern als eine Form begründeten menschlichen Handelns zur Realisierung der eigenen Lebensinteressen. Lernanlass ist danach eine Diskrepanzerfahrung, d. h. die Erfahrung, eine Situation nicht durch die bisher erworbenen Handlungsmöglichkeiten bewältigen zu können. Positiver Grund für expansives Lernen ist somit eine Erweiterung der eigenen Handlungsmöglichkeiten. Defensives Lernen erfolgt dagegen – wie oft in institutionalisierten Lernzusammenhängen – zur Vermeidung von befürchteten negativen Konsequenzen (Bestimmung zentraler Begriffe Kap. 2.1).

Wesentliche Faktoren der subjektwissenschaftlich begründeten Lerntheorie sind weiterhin die Identifizierung des Lehrlernkurzschlusses (Holzkamp 1993, 391 ff.), d. h. die fälschliche Gleichsetzung von Lehrprozessen mit den intendierten Lern­prozessen, sowie die Thematisierung des pädagogischen Verhältnisses zwischen Lehrenden und Lernenden, das auch Ziel, Inhalt, Form, Bedeutung und Reflexion der Diskurse über die Lerngegenstände bestimmt (siehe Kap. 2). In Bezug auf die Gestaltung virtueller Lernsituationen wird damit auch deutlich, dass multimediale und interaktive Lernmaterialien in Lernprozessen nie den Diskurs mit einem menschlichen Betreuer ersetzen können. Der Ansatz legt somit eine handlungs- bzw. aufgabenorientierte Konzeption von Lernsituationen nahe (Bedeutung von Lernaufgaben Kap. 4.2.2; Konzeption aufgabenorientierter Module zur Kompetenzentwicklung Kap. 4.4).

Umsetzung in Lehrkonzepte I: Instruktionsdesign

Mit dem Begriff Instructional Design (Instruktionsdesign) wurde in den USA seit den späten 1950er-Jahren ein Grundmodell zur Planung und Gestaltung von Bildungsprozessen bezeichnet, das in Übertragung von Mensch-Maschine- bzw. auch von Organisations- und Managementprozessen auf Bildungsprozesse entwickelt wurde. Es geht in vier Hauptschritten vor: Analyse (des Problems bzw. Lernbedarfs), Planung (der Auswahl und Sequenzierung des Lernstoffs), Entwicklung (der Lernmaterialien) und Evaluation (des Lernerfolgs).

Inzwischen gibt es „Hunderte von Modellen des Instruktions-Designs (ID) bzw. des Designs von Instruktions-Systemen“ (Issing 2002, 157), die in ihrem Detailliertheitsgrad und ihrer Schwerpunktsetzung sehr unterschiedlich sind. Issing (ebd.) unterscheidet drei Wirkungsebenen solcher Modelle: die Entwicklung von Bildungssystemen, die Entwicklung von Unterricht und die Entwicklung von Produkten (Medien). Insbesondere die beiden letzten Modellgruppen sind für das Instruktionsdesign von multimedialen Lernprogrammen interessant.

 

Die ersten Modelle (ID1) basieren auf behavioristischen Lernvorstellungen, also der Vermittlung von Wissen durch geeignete Instruktionsschritte, und beziehen sich vor allem auf die Planung von Drill-and-Practice-Programmen. Sie wurden jedoch mit dem Aufkommen des Konstruktivismus immer stärker kritisiert.

Die Instruktionsmodelle der zweiten Generation (ID2) beziehen deshalb bspw. kon­struktivistische Anforderungen an die Gestaltung von Lernumgebungen (wie Cognitive Apprenticeship oder Anchored Instruction) in die Planung mit ein (Rautenstrauch 2001, 69 f.). So folgt beispielsweise das 4C/ID-Modell (Four Components of Instructional Design; van Merriënboer/Clark/de Croock 2002; van Merriën­boer/Kirschner 2007; van Merriënboer/Sweller 2005) konsequent der Dis­kussion über kognitive Lernprozesse und stellt Lernaufgaben in den Mittelpunkt (Kerres 2013, 225 ff.).

Ein nochmals erweitertes Verständnis des Didaktischen Designs findet sich bei Kerres (2013). Er betrachtet die Entwicklung mediengestützter Lernangebot zusätzlich aus der Perspektive der Softwareentwicklung und unterscheidet hier zwischen Phasen- und Vorgehensmodellen (bei denen der Produktionsprozess in verschiedene aufeinanderfolgende Segmente – z. B. Analyse, Konzeption, Produktion, Distribution – untergliedert ist, ebd., 235–241) bzw. agiler Entwicklung, die „versucht, sich Kundenanforderungen und technischen Entwicklungen schneller und leichter an­zupassen und die Schwerfälligkeit bisheriger Methoden zu überwinden“ (ebd., 241–246). Letztlich kommt er zu dem Schluss, dass alle vorgestellten Methoden ihre spezifischen Vor- und Nachteile haben, und plädiert für ein im Learning Lab der Universität Duisburg-Essen herausgearbeitetes Vorgehen. Dessen Titel „Design dein Design“ (DdD) weist bereits darauf hin, dass hier nicht ein bestimmtes Vorgehen empfohlen wird; das Ziel ist vielmehr, Entscheidungshilfen dafür zu geben, das Vorgehen den jeweiligen Rahmenbedingungen entsprechend zu gestalten und so einen flexiblen Prozess zu ermöglichen, in dem sequenzielle und iterative Elemente begründet miteinander verbunden werden können (ebd., 246–255).

Umsetzung in Lehrkonzepte II: E-Learning-Patterns

Pattern (Muster) sind ein „systematischer Weg, erprobte Lösungsformen für wiederkehrende Problemstellungen zu dokumentieren und zu klassifizieren […] Ein di­daktisches Muster erfasst die Regelmäßigkeiten erfolgreicher Praktiken […] mit der Zielsetzung, erprobte Methoden, Szenarien, Aufbereitungstechniken wiederzuverwenden und auf neue Gestaltungsaufgaben zu übertragen“ (e-teaching.org 2015c; vgl. auch Kohls 2009; Kohls/Wedekind 2008, 217–227; Niegemann u. a. 2008, 89–92). In Lernkontexten und im Bereich des E-Learning lassen sich solche wiederkehrenden Muster in verschiedenen Bereichen finden: u. a. auf der Ebene der Organisationsformen, bei der Gestaltung der Curricula, der Lehr- und Lernszenarien und Veranstaltungsformen, in der Verwendung von Methoden und Werkzeugen sowie bei der Gestaltung von Materialien und Interaktionsformen.

Der ursprünglich aus der Architekturtheorie stammende Entwurfsmusteransatz (Alexander 1979) wurde bald auch auf andere Bereiche übertragen und erzielte seinen Durchbruch mit dem Standardwerk „Design Patterns“ zur objektorientierten Softwareentwicklung (Gamma u. a. 1995). Das erste Wiki wurde von Ward Cunningham mit dem Ziel entworfen, kooperativ Entwurfsmuster zu sammeln (Leuf/Cunningham 2001). Auch die ersten pädagogischen Musterbeschreibungen entstanden in diesem eher technisch geprägten Umfeld (The Pedagogical Patterns Project 2010).

Beschreibungen von Mustern sollten nicht zu allgemein (im Sinne reiner Prinzipien) oder zu speziell (im Sinne von Richtlinien) formuliert werden, sondern eine Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis bilden. Die Beschreibungsfelder können nach Einsatzkontext variieren bzw. darauf abgestimmt sein. Folgende Kategorien sollten jedoch immer beschrieben werden:

 Kontext, d. h., die Rahmenbedingungen, in denen ein bestimmtes Problem auftritt, welches durch die passende Lösungsform beseitigt werden kann, etwa der Hochschulstudiengang, das Curriculum u. a. m.;

 Problem und Einflussfaktoren, die durch den Kontext in Konflikt miteinander geraten und das eigentliche Kernproblem darstellen, z. B. die zu vermittelnde Stoffmenge und die zeitlichen Rahmenbedingungen;

 Lösung durch eine Ausbalancierung der verschiedenen Einflussfaktoren. Um Fehlschläge, aber auch zufällige Lösungen zu vermeiden, werden die schritt­weise herausgearbeiteten erfolgreichen Lösungen erfasst und als Annäherung an ein Lösungsideal wieder verwendbar gemacht (Good Practice statt Best Prac­tice). Durch das Finden besserer Muster können bestehende obsolet werden.

Der Ansatz weist Parallelen zu Methodenbaukästen und Sammlungen didaktischer Methoden und Werkzeuge auf – z. B. Kleines Handbuch didaktischer Modelle von Flechsig (1996) –, unterscheidet sich von diesen Modellen aber durch sein spezielles Beschreibungsformat ebenso wie durch verschiedene Grundsätze, die bei der Findung, Beschreibung und Veröffentlichung berücksichtigt werden müssen: In der Regel werden Pattern aus der Erfahrung abgeleitet und nicht theoretisch deduziert, „sie werden nicht erfunden, sondern gefunden“ (e-teaching.org 2015c). Die dafür verwendete Metapher des Pattern Mining soll zum Ausdruck bringen, dass „bereits vorhandenes implizites Wissen herausgearbeitet werden soll“ (ebd.). Die Verschriftlichung und Veröffentlichung erfolgt – zumindest idealtypisch – in einem gemeinschaftlichen Prozess, z. B. bei den jährlichen Treffen der europäischen Konferenz für Pattern Languages of Programs (EuroPLoP).

Pattern vermitteln also Praxiserfahrungen erfahrener Anwender und tragen dadurch dazu bei, Fehler nicht zu wiederholen. Sie dienen als Analysewerkzeug und stellen Lösungen für Probleme ebenso vor wie Kriterien der Anwendbarkeit und Gültigkeit, mögliche Einflussfaktoren, die damit verbundenen Probleme und schließlich die Konsequenzen der Lösung. Zugleich schaffen sie ein gemeinsames Verständnis und Vokabular und erleichtern so auch die Kommunikation in interdisziplinären Arbeitsgruppen, wie sie gerade bei der Gestaltung von E-Learning typisch sind.

Inzwischen existieren verschiedene öffentlich zugängliche didaktische und für E-Lear­ning spezifische Mustersammlungen (e-teaching.org 2015j), z. B. die Sammlung „Didaktische Design Patterns“ zur Dokumentation didaktischen Wissens an Hochschulen (Vogel/Wippermann 2004; Didaktische Design Patterns 2010) und das E-Learning Design Patterns Repository (2010). Auch auf dem E-Learning-In­formationsportal e-teaching.org sind im Bereich „Lehrszenarien“ (https://www.e-teaching.org/lehrszenarien [13.08.2017]) inzwischen viele Beiträge im Pattern-Format verfasst. Eine kleine Sammlung von E-Learning-Pattern stellt auch das E-Lear­ning-Büro der Universität Hamburg zur Verfügung (http://www.uni-hamburg.­de/elearning/beispiele/elearning-patterns.html [13.08.2017]). Eine Buchveröffentlichung, die 38 Pattern nur zum Thema E-Portfolio vorstellt (Bauer/Baumgartner 2012), zeigt außerdem, dass Handlungsmuster sehr gut geeignet sind, konstruktive Lösungsansätze sowohl auf der (konzeptuellen) Makroebene als auch auf der Mesoebene der Lehrorganisation und der (individuellen, reflektierenden und kollaborativen) Mikroebene zu beschreiben.

Gesellschaftliche Einflüsse auf Lerntheorien und Lernkultur

Wie stark lerntheoretische Paradigmen (und die jeweils finanziell geförderten Technologien) auch in Wechselwirkung mit gesellschaftlichen Entwicklungen stehen, zeigen eindrucksvoll die Bezüge, die Pasuchin (2009) herstellt: Zwar werde in der mediendidaktischen Literatur die Abkehr von Lerntheorien in der Regel mit mangelnden empirischen Belegen für deren Effizienz begründet, oft spielten dabei jedoch auch ganz andere Faktoren eine Rolle. So habe etwa das Interesse an einer Effizienzsteigerung des Bildungssystems infolge des Sputnikschocks Ende der 1950er-Jahre (als die Sowjetunion vor den USA den ersten Satelliten in eine Erdumlaufbahn brachte) zum Aufschwung behavioristisch begründeter Lerntheorien geführt, etwa der programmierten Unterweisung. Die Abkehr von diesem Ansatz sei dann nach den Rezessionen erfolgt, die Anfang der 1970er-Jahre durch die Ölkrise ausgelöst wurden und den technologisch begründeten Optimismus erheblich minderten. In den letzten Jahren sei nach „dem jähen Platzen der ‚Dotcom-Blase‘ im Jahre 2001“ auch die erste E-Learning-Euphorie abgeflaut und zeitgleich „auch der Konstruktivismus in Ungnade“ gefallen – etwa bei Downes, der 2005 in einem oft zitierten Artikel dafür plädierte, an den Konnektivismus von Siemens (2004) anzuknüpfen, dessen Ansatz auf Netzwerk-, Komplexitäts-, Selbstorganisations- sowie insbesondere auf Chaostheorien basiert (Pasuchin 2009, 159).

Pragmatismus als Leitlinie didaktischen Handelns

„Muss man sich als Lehrender entscheiden, ob man Konstruktivist oder Kognitivist ist? Ist ein ‚Bekenntnis‘ zu einer Seite notwendig?“ Reinmann-Rothmeier (2003, 38, Hervorh. im Original) verneint diese Frage, und auch andere Autoren schlagen inzwischen unter Rückgriff auf Dewey (1859–1952) den „Pragmatismus als weiterführende Perspektive der Mediendidaktik“ vor. Die zentrale Frage der Mediendidaktik sei, „unter welchen Bedingungen Menschen wie mit Medien erfolgreich lernen können“ (Kerres/de Witt 2002, 13). Der Pragmatismus liege insofern quer zu den bisherigen Konzepten, als damit ein didaktisches Design von Lernprozessen möglich werde, das es erlaube, bei der Planung einer konkreten Lernsituation jeweils zu fragen, „welches Konzept welchen Beitrag liefern kann, um menschliches Handeln und die Handlungsfähigkeit von Menschen zu erweitern“ (Kerres 2013, 150; Härta 2002).

Oberste Leitlinie jeder Gestaltung didaktischer Arrangements ist die Förderung der Entwicklung der Handlungskompetenzen, der Subjektivität der Individuen zur demokratischen Teilhabe an der gesellschaftlichen Lebensgewinnung. Denn die Grundlage der Entwicklung des „immer subjektiv – bewusst oder unbewusst – begründeten Denkens und Handelns sind die jedem Menschen objektiv gegebenen und subjektiv erkannten Möglichkeitsbeziehungen seines individuellen Denkens und Handelns zu den gesellschaftlichen Strukturen und Prozessen und ihren Bedeutungen. [...] Seine ihm immer gegebenen Möglichkeitsbeziehungen zur Welt und zu sich selbst sind dabei Notwendigkeit und Herausforderung zu einem bewussten eigenständigen Denken und Handeln“ (Zimmer 2010a, 2). Kooperative und partizipative pädagogische Verhältnisse und aufgabenorientiert konzipierte, mit (digitalen) Bildungsmedien angereicherte Lernszenarien fördern und unterstützen diese subjektive Entwicklung der Lernenden.

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