Handbuch E-Learning

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Learning Management Systeme

Während CMS stark auf die Organisation von Inhalten ausgerichtet sind, wurden Learning Management Systeme (LMS) vor allem entwickelt, um Lehr- und Lernprozesse mit digitalen Medien zu unterstützen. In den LMS „wird selbst erstellter oder zugekaufter Content in einer Datenbank verwaltet und den Lernenden zur Verfügung gestellt. Dabei wird der individuelle Lernprozess […] vom System mitverfolgt (Tracking) und protokolliert. Die Lernenden können miteinander über synchrone (z. B. Chat) oder asynchrone (z. B. Diskussionsforum, File-Sharing) Kommunika­tionstools kommunizieren und kollaborieren“ (ebd., 30). Darüber hinaus unterstützen LMS auch die Verwaltung der Kurse und der Lernenden oder bieten Hilfsmittel zur Erstellung von Online-Materialien für die Dozenten und Tutoren an.

Learning Content Management Systeme

Jedoch zeigte sich in der Praxis, dass ein LMS allein virtuelles Lehren und Lernen nicht ausreichend unterstützt, da LMS nur bedingt für die Erstellung, Verwaltung und Bearbeitung von Lernmaterial geeignet waren. Dies ist insofern ein wichtiger Faktor, als die Produktion multimedialer Lernmaterialien ein sehr zeit- und kostenaufwendiger Prozess sein kann. Nicht nur selbst erstellte Inhalte, sondern auch extern produzierte und zugekaufte Lernmaterialien müssen von einem System gut verwaltet werden können und (wieder-)verwendbar sein. Darüber hinaus wird es zunehmend interessanter, auf externe Ressourcen im Netz zuzugreifen, diese mit in das System zu integrieren und zu verwalten. Diesen Anspruch erfüllen wiederum CMS. Aus diesem Grund wurden die Vorteile der LMS mit denen der CMS in Learning Content Management Systemen (LCMS) zusammengeführt.

Autorenwerkzeuge

Zur eigenen multimedialen Erstellung von Lerninhalten werden zusätzlich Autorenwerkzeuge angeboten, die entweder bereits in Lernplattformen enthalten sind oder als zusätzliche Software genutzt werden können. Die Funktion solcher Software ermöglicht es den Lehrenden, ohne Programmierkenntnisse eigene Inhalte für die digitale Distribution aufzubereiten. Mit diesen Instrumenten ist es Lehrenden bspw. möglich, weiterführende Aufgaben oder zusätzliche Erläuterungen zu einer digitalen Lernsequenz zusammenzustellen. Die mittlerweile große Fülle an Instrumenten und Editoren, die auch als Open Source Software im Netz verfügbar ist, erlaubt es, auch mit geringem technischen Vorwissen Lerninhalte und Lernressourcen zu erstellen.

Mit der Entwicklung des Web 2.0 muss darüber hinaus der Lehrende nicht mehr alleiniger Inhaltsproduzent sein. Vielmehr können die Lernenden in den Prozess der Inhaltsproduktion integriert werden. Vielfältige Erfahrungen auf diesem Gebiet liegen bereits vor (Hofhues/Bianco 2009; Kilian 2010).

Virtuelle Lernwelten

Einige Lernplattformen greifen die Raummetapher als begehbare dreidimensionale Lernwelt auf, in der Seminarräume und darin befindliche Gegenstände wie Tafel, Tische u. a. Arbeitsgeräte räumlich abgebildet werden (Schulmeister 2005a, 104). Lehrende, Experten, Tutoren, Lernende und Zuschauende können sich als zwei- oder dreidimensionale Abbildungen oder Spielfiguren (Avatare) durch diese Räume bewegen und in Echtzeit kommunizieren. Solche Systeme haben ihren Ursprung in den virtuellen Spielwelten der textbasierten MUDs (Multi User Dun­geons, Labyrinth- bzw. Rollenspiele für mehrere Benutzer) und der MOOs (Multi User Dungeons Object-Oriented). Letztere beziehen grafische Repräsentationen wie 3D-Objekte und Virtual Reality Objects mit ein.

Inwieweit eine solche virtuelle Umsetzung realer Räume auch in Lernkontexten über eine erste spielerische Annäherung hinaus sinnvoll ist, wird kontrovers diskutiert. Pätzold (2007, 15) untersuchte das Potenzial von 3D-Lernumgebungen und kam zu dem Schluss: „Zum einen handelt es sich zweifellos um technisch ambitionierte Erweiterungen der bisherigen Möglichkeiten computervermittelter Kommunikation und Gemeinschaftsbildung, die auch ein medienpädagogisches Potenzial haben. Gleichzeitig ist das Potenzial in Bezug auf den Einsatz solcher Umgebungen als Lernwelten aber bisher auf recht spezielle Nischenanwendungen beschränkt.“ In den letzten Jahren gab es einige Bildungsanbieter, die solche Ansätze durchaus erfolgreich testeten. Beispielhaft sei hier die Volkshochschule Goslar erwähnt, die viele Jahre Kurse in Second Life anbot und 2008 damit sogar den europäischen E-Learning-Preis „eureleA“ gewann (Kreisvolkshochschule Goslar 2008). Jedoch nutzen auch andere Lernplattformen die Raummetapher, wenn sie einzelne Bereiche oder Abteilungen mit Raumnamen belegen (Gruppenraum, Bibliothek, Café u. a.; Arnold 2001, 36). Virtuelle Lernwelten scheinen demnach „eine naheliegende Reaktion auf den zunächst noch ungewohnten, ungegliederten und unstetigen virtuellen Lernraum [zu sein und] sind die Versuche, Vorstellungen von realen Lernräumen in den virtuellen Raum zu übertragen“ (Peters 1999, 19).

Virtuelle Klassenzimmer

Als virtuelle Klassenzimmer werden häufig Konferenzsysteme bezeichnet, die für synchrone Online-Seminare genutzt werden und z. B. einen Audiochat oder eine Video-Übertragung mit einem Whiteboardsystem verbinden. So können bspw. Power-Point-Präsentationen und -Vorträge synchron an ortsverteilte Teilnehmer übertragen oder am White­board gemeinsam über geteilte Anwendungen Aufgaben bearbeitet werden. Ebenso können über Konferenzsysteme virtuelle Sprechstunden angeboten oder Gruppenarbeiten synchron für Lernende ermöglicht werden. Im Hochschulbereich stellt das deutsche Forschungsnetzwerk mit Adobe Connect Meetings eine entsprechende technische Infrastrukur zur Verfügung. Solche Systeme können in Lernplattformen integriert sein; sie werden aber auch als Einzellösungen angeboten. Die Durchführung von Seminaren in virtuellen Klassenräumen unterscheidet sich von Präsenzveranstaltungen und muss gut geplant werden (Kap. 6; Arnold 2013b; Gaiser 2002; Kawalek 1997).

Virtuelle Lernumgebungen in der Cloud

Mit der größeren Verfügbarkeit von Breitband-Internetanschlüssen und wachsender Rechnerkapazität sowie unter dem Einfluss von Web-2.0-Technologien gewinnt das Cloud Computing auch im E-Learning und E-Teaching an Bedeutung. Cloud Computing bedeutet zunächst, dass leistungsfähige Rechner Serviceleistungen wie Datenspeicher­kapazität oder Anwendersoftware, z. B. Textverarbeitung, Tabellenkalkulation oder Präsentationssoftware, über das Internet zur Verfügung stellen. Das heißt, Dateien brauchen dann nicht mehr lokal auf Arbeitsrechnern gespeichert oder entsprechende Anwendersoftware installiert werden. Stattdessen können Nutzende mit fast beliebigen Endgeräten auf Daten und Softwareprogramme zugreifen, eine entsprechende Internetanbindung vorausgesetzt. Weiterhin bieten viele der Cloud-Anbieter auch eine automatische Synchronisierung von Dateien zwischen Cloud-Speicherung und verschiedenen lokalen Endgeräten der Nutzenden an.

Für Lehrende und Lernende hat die Nutzung von Cloud-Systemen eine Reihe von Vor­teilen (Erpenbeck/Sauter 2013; Kemsies/Strasser 2014; Bora/Ahmed 2013; Masund/Huang 2012):


1. Es entfällt die Anschaffung, Wartung und Administration von Hard- und Software auf eigenen Servern. Damit ist in der Regel eine größere Aktualität und Leistungsfähigkeit von Hard- und Software gewährleistet und die Lehr-/Lernumgebungen sind bei wachsender Nutzerzahl leichter skalierbar.
2. Ebenso entfällt die Installation und regelmäßige Aktualisierung von Software auf den Endgeräten der Lehrenden und Lernenden. Es gibt eine Vielzahl plattformspezifischer wie auch plattformunabhägiger Cloud-Systeme (bezogen auf die Betriebssysteme der Endgeräte der Nutzenden). Dadurch gewinnen Lehrende wie Lernende in der Regel an Flexibilität, da sie mit einer Vielzahl von Endgeräten Zugriff auf die Lernumgebung haben, wodurch die unterschiedlichsten Lernweisen und Lernorte flexibel unterstützt werden. Mobiles und ubiquitäres Lehren und Lernen wird so in besonderem Maße gefördert.
3. Für Lehren und Lernen können mobile Endgeräte der eigenen Wahl genutzt werden. Eigene Arbeits- und Lernweisen müssen daher nicht an neue Software-Funktionen angepasst werden, sondern können unmittelbar weiterhin genutzt werden.
4. Cloud-Systeme sind in der Regel sehr benutzerfreundlich gestaltet und benötigen keine oder nur eine sehr geringe Einarbeitungszeit.

Auf der anderen Seite entstehen aber auch eine Reihe von Nachteilen bzw. Gestaltungsherausforderungen, die es bei der Nutzung von Cloud-Systemen zu beachten gilt:


1. Werden öffentliche Cloud-Anbieter im Sinne der Web-2.0-Technologien genutzt, entstehen für größere Datenspeichervolumen oder andere Premiumdienste oft zusätzliche Kosten, die im gesamten Bildungsangebot und dem didaktischen Konzept berücksichtigt werden müssen.
2. Zudem liegen die Daten, multimedialen Lernressourcen und Texte, erstellt von den Lehrenden, Fachexperten und Lernenden, auf fremden Servern außerhalb der eigenen Bildungsinstitution und häufig auch außerhalb der eigenen Ländergrenzen. Urheberrechtlich geschützte Texte, die geschlossenen Lerngruppen in virtuellen Lernräumen legal in Auszügen zur Verfügung gestellt werden können (siehe Kap. 11.2), können in öffentlich genutzten Cloud-Systemen nicht ohne Weiteres genutzt werden. Auch der Schutz personenbezogener Daten ist nicht im gleichen Maße gegeben bzw. zu regulieren, wie in einem Learning Management System, das auf eigenen Servern installiert ist (Kap. 3.7).

Mit der Verbreitung von Cloud-Systemen variieren auch die Nutzungs­szenarien von virtuellen Bildungsräumen: Zum Teil werden Cloud-Systeme als Alternative zu herkömmlichen, von der Bildungsinstitution bereitgestellten virtuellen Bildungsräumen genutzt (Kemsies/Strasser 2014), zum Teil werden Learning Management Systeme selbst in der Cloud bereitgestellt, oder ein klassisches Learning Management System wird mit Schnittstellen zu Datenspeichern in der Cloud versehen (Rachbauer 2014b). Häufig nutzen Lernende wie Lehrende Cloud-Anwendungen auch bereits innerhalb einer eigenen Lern- und Arbeitsumgebung im Sinne einer Persönlichen Lernumgebung (Kap. 3.5.2), z. B. für den Austausch großer Dateien oder das Zusammenarbeiten an Texten oder Präsentationen ortsverteilt in Echtzeit (Kemsies/Strasser 2014). Bildungsinstitutionen reagieren auf diese Entwicklung u. a., in dem sie ihren Angehörigen eigene, interne Cloud-Systeme (z. B. WebDAV, Web-based Distributed Authoring and Versioning) zur Verfügung stellen. Mit Letzteren entfallen die genannten Nachteile, weil alle Daten wieder im Hoheitsbereich der eigenen Einrichtung liegen; oftmals sind diese Anwendungen aber nicht so benutzerfreundlich, leistungsfähig und plattformunabhängig wie die frei verfügbaren Web-2.0-Cloud-Anwendungen oder die Clouds kommerzieller Anbieter, die auf Cloud-Systeme spezialisiert sind. Wieder andere Nutzungsszenarien sind communityorientierte Massive Open Online Courses (cMOOCs) (Kap. 4.3.3; Kap. 5.5), die das gesamte Kursgeschehen für alle zugänglich in die Cloud verlagern (Pscheida u. a. 2014).

 

Ähnliche Funktionen der angebotenen Komplettlösungen

Jede der am Markt angebotenen Komplettlösungen für Lernplattformen weist spezifische Funktionalitäten zur Unterstützung der erläuterten Aktivitätsklassen der Lernenden auf. Jedoch verfügen fast alle Lernplattformen inzwischen über folgende Komponenten (Arnold 2001, 38, in Anlehnung an Britain/Liber 1999):


Ankündigungen/AktuellesKursbeschreibungE-Mail-BereichDiskussionsgruppenTeilnehmerverzeichnisMetadatenTerminverwaltungAufgabenbereich Werkzeuge für synchrone Zusammen­arbeitMultimediale RessourcenStudentischer ArbeitsbereichSuchmöglichkeitenLesezeichen setzenNavigationsmodellAnnotationenLernkontrollen

Lernplattformen als Bildungsräume

Die virtuelle Welt außerhalb der Lernplattform ist für Lernende und Lehrende nur einen Mausklick entfernt. Sie ist durch das Internet selbst als Darstellungsraum (der Inhalte präsentiert), Ereignisraum (in dem Interaktionen stattfinden und Zugänge zu Daten und Informationen geboten werden) und Bedeutungsraum (in dem die Informationen durch Kommunikation Bedeutung erhalten) gegeben, bietet Chancen und Potenziale für das E-Learning und ist damit auch Teil des Bildungsraums (Schulmeister 2007, 19). Die virtuelle Welt des Internets sollte daher durch Verweise, Aufgaben, Recherchen, Einbindung externer (Experten-)Meinungen usw. unbedingt in die Gestaltung der Lehr- und Lernszenarien einbezogen werden.

Zugleich ist bei der Gestaltung von Szenarien zu bedenken, dass Lehrende und Lernende jeweils auch an einem eigenen realen Lernort sitzen; anders als in Präsenz­seminaren wird dieser Lernort nicht geteilt; und es hat sich als sinnvoll erwiesen, in synchronen Kommunikationssituationen die je konkreten Gegebenheiten zumindest in der Einstiegsphase kurz zu thematisieren (Kap. 6.6; Kap. 6.7).

Was machen die – in ihren Funktionalitäten teilweise unterschiedlichen – Lernplattformen zu Bildungsräumen, d. h. zu virtuellen, das Lernen unterstützenden Räumen? Aus pädagogischer Perspektive reicht dabei ein Vergleich der jeweils angebo­tenen Funktionen oder Instrumente nicht aus. Deshalb sollten solche Kriterien herangezogen werden, die den mit dem Potenzial virtuellen Lernens verbundenen möglichen Wandel der Lernkultur unterstützen (Arnold 2001, 39 f.; Arnold/Schüssler 1998, 4 ff.; Griesehop/Bauer 2017), also Interaktivität, Abbau der traditionellen Dominanz der Lehrenden, erleichterter Zugriff auf das weltweit verfügbare Wissen, Kommunikation mit anderen Lernenden sowie Fachexperten (Kap. 2; Kap. 6). Daraus lassen sich in Anlehnung an den Evaluationsansatz von Britain/Liber (1999) folgende Beurteilungsfragen für Lernplattformen als Bildungsräume ableiten:

 Unterstützen sie die Aushandlung von Lernressourcen, z. B. durch Einflussnahme der Lernenden auf Lerninhalte, die Möglichkeit, eigene Arbeitsergebnisse für alle sichtbar einzustellen, auf Informationen zu verweisen?

 Unterstützen sie die Koordinationsprozesse bei der Zusammenarbeit von Lernenden, z. B. durch Werkzeuge zur Gruppenwahrnehmung, Gruppenarbeitsräume, gemeinsame Terminkalenderverwaltung?

 Welche Möglichkeiten bieten sie Lehrenden und Lernenden, Lernprozesse und Lernfortschritte mitzuverfolgen (Monitoring), z. B. durch individuelle Abfrage des Lernstands, Möglichkeiten der Rückmeldung, tutorielle Betreuung?

 Gibt es Möglichkeiten der individuellen Anpassung der Lernplattform, z. B. durch die Wahl individueller Lernwege oder Repräsentation der Lernmaterialien, die Möglichkeit, Annotationen zu machen, Bookmarks zu setzen, die Oberfläche individuell anzupassen?

 Welche Hilfen werden für selbst organisiertes Lernen von Einzelnen oder kooperatives Lernen von Lerngruppen bereitgestellt, z. B. durch Werkzeuge zur Zeitplanung, durch das Einrichten von Webseiten, Diskussionsforen, Mailinglisten?

 Ermöglicht die Lernplattform Adaptivität, d. h. Änderungen am Konzept und an den Lernressourcen, z. B. durch Kommentar- und Bewertungsfunktionen?

Nicht alle Merkmale sind auch in allen Lernzusammenhängen gleich wichtig. Ein solcher Fragenkatalog kann aus didaktischer Perspektive zur Bestimmung von Kriterien für die eigene Arbeit beitragen. So benötigt eine einfache Informationsveranstaltung oder das Abprüfen deklarierter Wissensbestände nicht zwangsläufig die Möglichkeiten der Kooperation der Lernenden, ein gruppendynamischer Prozess mit hohen Anteilen reflexiven Lernens hingegen benötigt diese zwingend. In Abhängigkeit von den zu erreichenden Zielen und den eingesetzten Methoden kann bereits im Vorfeld entschieden werden, welche Funktionen eine Lernplattform für eine erfolgreiche Unterstützung des Lernprozesses mitbringen sollte.

3.5.2 Persönliche Lernumgebung
Der virtuelle Bildungsraum 2.0

Eine Persönliche Lernumgebung (Personal Learning Environment, PLE) ist „konzeptionell nichts anderes als die persönliche Wissens- und Lernumgebung […] Technisch läuft eine PLE auf (Web-)Applikationen hinaus, die für eine individuelle und dezentrale Zusammenstellung vieler verschiedener (Web-2.0-)Werkzeuge (versus einer fremdorganisierten Umgebung wie klassische Learning Management Systeme) offen ist und dem Lernenden im Idealfall lebenslang und unabhängig von bestimmten Bildungsinstitutionen zur Verfügung steht“ (Reinmann 2008a, 55). Es wurde schon angesprochen, dass aufgrund der neuen Internettechnologien und der dadurch veränderten Internetnutzung auch Lernplattformen einer größeren Offenheit und Adaptierbarkeit für die jeweiligen Nutzer bedürfen. Lernen findet nicht mehr nur in geschlossenen LCMS statt, sondern vorzugsweise auch im Internet, ohne dass eine Bildungsinstitution dahintersteht – und es ist denkbar, dass mehrere virtuelle Bildungsangebote von Lernenden parallel genutzt werden. Dabei finden die individuellen Lernprozesse kontinuierlich und durch vielfältige Interaktionen statt (Attwell 2007). PLE zeichnen sich durch eine hohe Individualisierung aus. Sie sind dafür im Gegensatz zu vielen Lernplattformen weniger vorgefertigt, sondern können vom Lerner an seine Bedürfnisse angepasst werden. Das betrifft sowohl die Instrumente als auch die Einbindung von Informationsquellen und (Lern-)Gemeinschaften.

Merkmale von Persönlichen Lernumgebungen

Die Besonderheit Persönlicher Lernumgebungen liegt darin, dass kein besonderes Softwaregerüst installiert und gewartet werden muss. Vielmehr legen sich die Lernenden ihre notwendigen Instrumente zum Informieren und Recherchieren, zur Kommunikation und Kooperation, die Lerninhalte und Lernergebnisse in einer eigenen Umgebung zurecht und passen diese immer wieder ihren neuen Bedürfnissen an. Die Lernenden haben u. a. die Möglichkeit, Informationen beliebig zu verknüpfen, Kontakte mit Kommunikationen zu verbinden, Informationen automatisch auf den Startbildschirm zu bekommen. Somit bleiben die relevanten oder als bedeutsam erachteten Informationen auf einen Blick sichtbar und können nach Bedarf durch Zusatzanwendungen erweitert werden. PLE besitzen folgende Merkmale: (1) Interaktion mit Lernobjekten durch alleinige oder gemeinsame Erstellung, Bearbeitung und Kommentierung, (2) Kommunikation und Kollaboration unter Rückgriff auf Werkzeuge des PLE-Anbieters oder von Fremdanbietern (je nach individuellen Präferenzen), (3) Adaptierbarkeit der PLE an die Lernendenpräferenzen bzgl. der inhaltlichen Darstellung als auch der Funktionen (Kaliva 2009).

Schaffert/Kaltz (2009, 6) beschreiben PLE als „Lernanwendungen, bei denen Lerner verteilte Online-Informationen, -Ressourcen oder -Kontakte einerseits selbst in ihre PLE integrieren können und andererseits auch ihre im Rahmen der PLE vollzogenen Aktivitäten und deren Produkte in anderen Online-Umgebungen auf der Basis von Standards zur Verfügung stellen können“. Der Erweiterung der Sichtweise um Standards, die es erlauben sollen, Lernaktivitäten in andere Umgebungen zu implementieren, muss vor dem Hintergrund der Anerkennung, Verwendung und dem Ausbau (in-)formell erworbener Kenntnisse und Kompetenzen besondere Beachtung geschenkt werden. Zwar bietet die Verschriftlichung von Wissensbeständen im Internet die Möglichkeit, eine kompetenzorientierte Prüfung von Lernprozessen und -ergebnissen durchzuführen, es fehlen dafür jedoch noch weitestgehend entsprechende Schnittstellen zwischen Artefakten, welche die Kompetenzen abbilden, den PLE und der Lernendenverwaltung in einer virtuellen Lernumgebung, die mit den entsprechenden Verwaltungssystemen eines Bildungsträgers verknüpft sind (Kap. 10.1.2). In diesem Bereich ist noch Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu leisten. Einem E-Portfolio-System als Teil einer PLE wird hier hohes Potenzial zugesprochen (Baumgartner/Bauer 2013, 93 f.; Mayerberger 2013, 60 ff.; Brahm/Seufert 2007). Zugleich soll darauf hingewiesen werden, dass sich das Konzept der PLE nicht (mehr) nur auf den virtuellen Bildungsraum, Softwareanwendungen, Dateiaustausch etc. bezieht. Vielmehr integrieren sie auch den realen materiellen Raum mit seinen Ressourcen und seiner Ausstattung (z. B. Lernraum in der Bibliothek, Arbeitszimmer zu Hause oder gar der Platz während einer Bahnfahrt etc.). Somit sind auch PLE als hybride Lern- und Arbeitsbereiche möglich (Unger 2014).