Handbuch E-Learning

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Entwicklung eines hybriden Bildungsraums

Die Steigerung der Internetzugänge in der Bevölkerung und der leichtere Zugang durch die wachsende Zahl an leistungsfähigen und nutzerfreundlichen mobilen Endgeräten auf der einen Seite sowie die vielfältigen im Internet vorzufinden Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten auf der anderen Seite führen dazu, dass das Internet als virtueller Bildungsraum verschiedene Bildungsräume miteinander verbindet. Dafür können z. B. QR-Codes (QR steht für engl. Quick Response, schnelle Antwort) in Lehrbüchern abgedruckt werden. Bei QR-Codes handelt es sich um eine Möglichkeit, Informationen für eine maschinelle Auslese zu hinterlegen (siehe ausführlich http://qrcode.wilkohartz.de/ [20.04.2015]). Interessierte Lernende können diese einscannen und bekommen weitere Informationen aus dem virtuellen Bildungsraum bzw. der Lernplattform bereitgestellt.

Für die Zukunft des Lernens prognostizieren Erpenbeck/Sauter (2013), dass das Lernen im Prozess der Arbeit via Cloud Computing stattfinden wird, wobei semantische Netze (Semantic Web) zum Austausch über die Bedeutungen von Informationen genutzt werden. Das Lernen wird zukünftig darüber hinaus deutlich stärker kompetenzorientiert erfolgen, wobei die Emotionen und Motivationen der Lernenden die Kompetenzkerne darstellen, durch die sie Kompetenzen bilden (ebd., 2 f.). Mobile Endgeräte werden dieses Zukunftsszenario Realität werden lassen. Mit ihnen ist eine Realisierung von Lernen im Prozess der Arbeit problemlos möglich (de Witt 2013). Zugriffe auf den virtuellen Bildungsraum, der Austausch über Informationen und deren Bedeutungsbewertung sind stets nur einen Klick weit entfernt. Die Verfügbarkeit von Informationen, wenn diese gebraucht werden, und deren Anwendung bzw. Verwertung in Echtzeit können als Zeichen für ein motiviertes und kompetenzentwickelndes Lernen gesehen werden. Die Verbindung von realen und vir­tuellen Bildungsräumen zu einem hybriden Bildungsraum ist eine Entwicklung, die viele Lernende vollzogen haben, Bildungseinrichtungen jedoch oft vor organisatorische und pädagogische Herausforderungen stellt.

Die Integration mobiler Geräte zur Gestaltung hybrider Bildungsräume

In der Vergangenheit fand eine Integration von E-Learning in formale Bildungsangebote dadurch statt, dass eine technische Infrastruktur in Form von PC-Arbeitsräumen, mobilen Notebookstationen, Laptopklassen oder ähnlichen Formen bereitgestellt wurde, sodass den Lernenden der Zugang zu Lehrangeboten möglich war. Diese Organisation von E-Learning war mit hohen Kosten durch Anschaffung von Hard- und Software verbunden. Hinzu kamen Aufwendungen für Wartungen, die Bildungseinrichtungen z. T. vor erhebliche Herausforderungen stellten. Diese werden mit den aktuellen Entwicklungen für Bildungseinrichtungen geringer, weil immer mehr Lernende eigene Endgeräte besitzen, mit denen sie auf digitale Lernressourcen zugreifen können. Das Akronym BYOD (Bring Your Own Device) bezeichnet die Integration der nutzereigenen Endgeräte in die Lehr-Lern-Szenarien (Horizon 2015, 36 f.). Die Anwendungsmöglichkeiten sind reichhaltig, aber nicht nur positiv zu beurteilen.2) Der Mehrwert der Nutzung mobiler Endgeräte liegt nicht darin, auf Online-Informationen zurückzugreifen. Sie bieten darüber hinaus Möglichkeiten des kollaborativen Arbeitens der Lernenden oder die Nutzung von Lernapplikationen (Apps) auf den Geräten (Ebner 2013). Zugleich kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Nutzer über die entsprechenden Endgeräte verfügt, sodass bei der Planung mobiler Lerneinheiten zuvor deren Verfügbarkeit sichergestellt werden muss.

Eine Evaluation der Nutzung mobiler Endgeräte im Unterricht zeigt, dass deren Einbindung zu einer größeren Vielfalt der Anwendung verschiedener Sozialformen führt. Ebenfalls konnte der Einsatz vielfältiger Aufgabenstellungen verbucht werden (Gutknecht-Gmeiner/Neugschwentner 2012, 17). Weiterhin können sie zur kurzfristigen Evaluation bzw. Rückmeldung der Lehre durch Personal Response Systeme (PRS) bzw. „Clicker“ (Tschernack/Zender/Lucke 2012, 39) dazu beitragen, Lehrprozesse besser an den Lernbedarfen zu orientieren und damit das Lernen zu fördern.

Schiefner-Rohs/Heinen/Kerres (2013) zeigen, dass der Einsatz von persönlichen Geräten im Unterricht in großen Teilen keinen didaktischen und inhaltlichen Unterschied zu bisherigen Konzepten (z. B. Laptopklassen) mit sich bringt. Demgegenüber stellten sie fest, dass sich Schüler den Einsatz eigener Geräte für das Lernen wünschen, da sie mit diesen im Umgang vertrauter sind. Das heißt, Lernende müssen sich nicht erst in ein fremdes System einarbeiten und können sich dadurch stärker dem Lernprozess widmen. Zugleich erleichtert der Einsatz persönlicher Geräte die organisatorischen und strukturellen Prozesse (z. B. Wegfall des Supports für defekte Hardware) in der Bildungseinrichtung, was für das Lehrpersonal zugleich mehr Freiräume für die Gestaltung der didaktischen Konzepte bietet (ebd., 10 f.). Unterschiede zu bisherigen 1:1-Konzepten, wie z. B. ein Laptop pro Lerner in Laptopklassen, sehen die Autoren hingegen in der Übernahme von Verantwortung der Lernenden für die Hardware. Gleichzeitig erfordert die Umsetzung des BYOD-Konzepts mehr Flexibilität der Lehrenden, da keine einheitlichen Lernapps genutzt werden dürften sowie unterschiedliche Informationen für den Lernprozess herangezogen werden, wobei sich hierin zugleich kreatives Potenzial für die Gestaltung des Unterrichts verbirgt (ebd., 11 f.). Natürlich birgt das Konzept nicht nur Vorteile, sondern es stellen sich auch Herausforderungen ein. Insbesondere datenschutzrechtliche Fragen und Aspekte der IT-Sicherheit sind vonseiten der Bildungsanbieter zu lösen, wie sie bereits bzgl. des Einsatzes persönlicher Geräte in Unternehmen diskutiert werden (Disterer/Kleiner 2014).

Dass mit der Nutzung persönlicher Endgeräte im E-Learning die Vermischung realer und virtueller Bildungsräume zunimmt, zeigt sich in der Weiterentwicklung des BYOD-Konzepts. So ist derzeit eine Erweiterung der Perspektive der Nutzung der jeweiligen Geräte der Lernenden hin zu ihrer Lernumgebung zu beobachten. Das dahinterstehende Konzept Bring Your Own Environment (BYOE, Bring deine eigene Umgebung mit) (Ritter/Bittner/Kao 2014) verdeutlicht dies. Auf ihrer „mobilen Lernumgebung“, die sich Lernende mit ihren Geräten aufbauen, haben sie die für ihr Lernen präferierten Lerninstrumente, Lerninhalte und Apps, oder sie gelangen zu den für sie relevanten sozialen (Lern-)Gemeinschaften. Lernende nutzen nicht mehr nur die für sie durch Lehrende zur Verfügung gestellten und im Bildungsraum vorfindbaren Ressourcen (z. B. Bücher, Tafel, Mitlernende), sondern erweitern ihre Lernumgebung in die Bereiche, die für sie lernförderlich sind und ihren Lernbedarfen entsprechen.

Erweiterte Anforderungen an den Bildungsraum durch Lernen mit digitalen Medien

Die Integration des virtuellen Bildungsraums mit den realen Bildungsräumen zieht einige Veränderungen nach sich, auf die Bildungsanbieter zunehmend reagieren (Bachmann u. a. 2014; Ogurol u. a. 2014). So gibt es nicht mehr den Klassensaal, den Seminarraum, den Hörsaal oder die Bibliothek als einzigen Bildungsraum, sondern der virtuelle Bildungsraum dehnt sich auf alle physischen Räume aus. Zugleich lässt sich das klassische Lernen zunehmend schwerer vom E-Learning trennen, da die Verfügbarkeit des virtuellen Bildungsraums in den realen Bildungsräumen stets eine Durchdringung beider Räume nach sich zieht. Dieser Entwicklung versuchen einige Bildungsanbieter mit entsprechenden Regelungen, wie z. B. Handyverbot in der Schule oder im Unterricht, entgegenzuwirken. Jedoch stellt sich die Frage, wie lange solche Regularien noch Bestand haben werden, welche pädagogischen Vorteile solche Verbote mit sich bringen oder ob die Nachteile nicht sogar überwiegen und es nicht angebracht wäre, durch entsprechende didaktische Gestaltungen von Lerngegenständen, Prüfungsszenarien etc. die zur Verfügung stehenden Bildungsräume zu verbinden und dadurch Mehrwert für die Lernenden zu schaffen.

Von den Bildungseinrichtungen müssen die Bildungsräume der Zukunft auf vielfältige Weise neu gedacht und angepasst werden. Im Rahmen eines Projekts haben Bachmann u. a. (2014, 17 ff.) Gestaltungshinweise für zukünftige Bildungsräume ausgearbeitet. Sie betonen die wachsende Bedeutung physischer Räume, die Lernen als ganzheitlichen Prozess berücksichtigen. Das heißt, es geht nicht nur um die Aneignung von Wissen und der Erwerb von Kompetenzen, sondern auch um die Enkulturation der Lernenden. Dies hat zur Folge, dass Infrastrukturen für Gruppenarbeiten und informelle Begegnungen geschaffen werden – sowohl physisch als auch virtuell. Bildungsräume sollen von den Lernenden und Lehrenden nach ihren Bedarfen gestaltet werden können. Weiterhin sollen neue Lernende in die Nutzung der virtuellen und realen Bildungsräume eingeführt werden (Kap 3.7).

Bildungsräume müssen zunehmend auf Lernwanderer eingerichtet sein. Da Lernende überall lernen können, bedarf es auch mobil nutzbaren Lehr- und Lernmaterials auf entsprechenden Plattformen. Online Self Services und eine flexible Organisation des Lernens (z. B. Informationen zu Sprechzeiten, Lernplänen, Druckservices u. v. m.) sollten eingerichtet werden. Bildungsräume müssen flächendeckend mit Steckdosen, WLAN-Zugängen und Schließfächern mit Stromversorgung (für Gepäck und mobile Geräte der Lernwanderer) ausgestattet sein. Bewegliches Mobiliar zur Lernraumgestaltung, große Tische sowie Nähe zu den für das Lernen notwendigen Dienstleistungen (Bibliothek, Drucker, Scanner etc., aber auch leicht erreichbare Verpflegung) zeichnen derartige Bildungsräume aus (ebd.).3)

 

3.2 Mobiles und ubiquitäres Lernen

Durch die Digitalisierung entwickelt sich durch die Verbreitung leistungsfähiger mobiler digitaler Endgeräte zunehmend eine Entgrenzung der Bildungsräume in einen hybriden Bildungsraum. Lernen und Lernunterstützung werden durchgängig verfügbar bzw. allgegenwärtig (ubiquitär). Looi u. a. (2009) erkannten mit Blick auf die Entwicklungen persönlicher, mobiler, drahtlos vernetzter Technologien, dass eine neue Evolutionsstufe des E-Learning betreten wird. Sie ist charakterisiert durch nahtlose Lernräume, kontinuierliches Lernen in verschiedenen Szenarien und Kontexten, wie der Verschmelzung privater und öffentlicher Lernräume und auch Lerngegenstände. Diese Entwicklungen werden unterstützt durch Theorien sozialen und situierten Lernens, die die Art, den Prozess sowie die Ergebnisse des Lernens beeinflussen. Die Grenzen zwischen formalem und informellem Lernen lösen sich auf (ebd., 155 ff.). Der Horizon-Report prognostizierte den verstärkten Einsatz dieser Technologien für den tertiären Bildungsbereich seit mehreren Jahren. Im Bericht von 2017 wurde der Einsatz mobiler Endgeräte wie Smartphones, Smartwatches und Tablets zur Unterstützung des mobilen Lernens als wichtige lehr-/lerntechnologische Entwicklung für den Hochschulbereich im kommenden Jahr identifiziert (Adams-Becker u. a. 2017).

Leichterer Zugang zu Lehr- und Lerninhalten

In der Vergangenheit stellte die Entwicklung und Aufbereitung von Lerninhalten im E-Learning eine zeitaufwendige und kostspielige Herausforderung für Bildungsanbieter dar. Durch die Entwicklung neuer Standards (z. B. HTML 5 ist universell für alle Endgeräte nutzbar) oder Gestaltungsparadigmen (z. B. responsives Webdesign, welches den grafischen Aufbau von Internetinhalten an den jeweiligen Endgeräten optimal ausrichtet) entfällt zunehmend die Notwendigkeit, Lerninhalte jeweils an die verschiedenen Endgeräte anzupassen. Weitere Trends, wie z. B. das Angebot frei verfügbarer Lernressourcen im Internet (Kap. 5.5), ermöglichen es darüber hinaus, auf fremd erstellte Lernmaterialien zurückzugreifen und für die Gestaltung eigener Bildungsangebote zu nutzen. Durch die technische Entwicklung können zahlreiche Internetseiten mittlerweile problemlos über Smartphone und Tablet-PC abgerufen werden. Darüber hinaus finden sich in den verschiedenen App-Stores für die mobilen Geräte zahllose Lern-Apps für verschiedenste Themenfelder. So belegten im April 2015 im Apple-Store Apps der Kategorie Bildung den zweiten Platz bei der Anzahl der Apps (ca. 158.800 Apps entsprechen einem Anteil von ca. 10 % an allen Apps, Unger 2014; wobei im 1. Quartal 2015 ca. 10.000 neue Apps in der Kategorie Bildung hinzukamen). Neben den für Lernen ausgewiesenen Apps kommen weitere hinzu, die bspw. vorzugsweise zur Kommunikation, Kooperation oder Kollaboration entwickelt wurden und dem Lernen nicht originär zugeordnet, aber dafür genutzt werden können, z. B. Apps für soziale Netzwerke, zur mobilen Gestaltung von Weblogs, als Lerntagebuch oder E-Portfolio, zur Zusammenarbeit bei Wikis.

Ein limitierender Faktor scheint die eventuell fehlende Kreativität der Lernenden oder eine unzureichende didaktische Einbindung solcher Programme in die Lehre zu sein. Für Bildungseinrichtungen und Lehrende bedeutet dies, dass weniger Aufwand in die Entwicklung der Lerninhalte investiert, aber stärker überlegt werden muss, wie ein Lehr-/Lernszenario arrangiert sein sollte, damit es den Lernbedarfen und Lernwegen der Lernwanderer (Bachmann u. a. 2014, 42 ff.) entgegenkommt. Dies heißt nicht, dass mobile E-Learning-Angebote nun zwingend in die Lehre aufgenommen werden müssen. Lernende jedoch werden diese Kanäle für die Bewältigung von Lernanforderungen mitnutzen, was einige Änderungen mit sich bringt. So können z. B. Lehrkonzepte, die auf standardisierte Aufgabenstellungen und eindeutige Lösungsansätze zurückgreifen, ein Scheinlernen nach sich ziehen, da die Lösungen im Netz bereitliegen und von den Lernenden nur noch kopiert werden müssen. Komplexe, offene und individualisierte Aufgabenstellungen hingegen lassen sich nicht mehr einfach kopieren, jedoch auch nicht mehr standardisiert abprüfen. Sie können aber zur Kompetenzentwicklung der Lernenden beitragen. Zentral sind demnach Fragen der Integration und Orchestrierung (Specht/Ebner/Löcker 2013), wenn es um die Planung und den Einsatz von Mobile Learning geht. Lernende hingegen stehen u. a. vor den Hausforderungen, geeignete Informationen aus dem Überangebot herauszufiltern, sich bei der Vielzahl der Möglichkeiten auf einheitliche Kooperations- und Kommunikationskanäle mit anderen Lernenden zu verständigen und mit diesen adäquat zusammenzuarbeiten sowie die Lernergebnisse in der gewünschten Form zu präsentieren.

Vorteile

Waren die ersten Ansätze und Diskussionen zum Mobile Learning noch technik­zentriert und beschäftigten sich mit Fragen zu den Funktionen der Geräte und deren Nutzung, folgten alsbald Bezüge zur Bedeutung und den Vorteilen des mobilen Lernens bzgl. der Flexibilität und Mobilität der Lernenden bei der Nutzung. Die technischen Aspekte sind mittlerweile bearbeitet, und die Mobilität der Lernenden ist eine Selbstverständlichkeit geworden. Heute werden die Vorteile vor allen darin gesehen, dass eine Kontextualisierung, eine Personalisierung, eine multimodale Interaktion, Bewusstheit sowie Reflexion des Lernprozesses möglich sind (Specht/Kalz/Börner 2013). Damit ist mobiles Lernen „nicht einfach eine neue Form des E-Learning, die auf mobilen Geräten mit kleinen Displays stattfindet und für die klassische E-Learning-Inhalte direkt auf mobile Endgeräte übertragen werden können oder formelle Lernprozesse über mobile Endgeräte stattfinden. Vielmehr unterscheiden sich E-Learning und Mobile Learning zum einen durch die technologischen Eigenschaften der eingesetzten Endgeräte, zum anderen wird das bisherige internetbasierte Lernen durch ein Qualitätsmerkmal des Mobile Learning besonders erweitert: Kontextualisierung. Dieses Qualitätsmerkmal ist entscheidend für die neuen didaktischen Lernszenarien, die Lernen und Arbeiten verbinden“ (de Witt 2013, 16).

Welche Vorteile und didaktischen Potenziale bietet eine mobile oder ubiquitäre Lernunterstützung durch mobile Technologien? Zum einen können mit mobilen Technologien zahlreiche Brückenfunktionen realisiert werden zwischen formalen und informellen Lernszenarien, zwischen individuellen und sozial integrierten Unterstützungen der Lernprozesse, zwischen verschiedenen Orten und Zeiten, zwischen ma­teriellem Umfeld und digitalen Informationen, zwischen verschiedenen Endge­räten und zwischen verschiedenen Lernaufgaben und Lernhandlungen (Specht/Ebner/Löcker 2013). Speziell können Lerngegenstände und -aufgaben in authentischer Umgebung situiert werden (z. B. Pflanzenbestimmungen auf einer Exkursion, kulturgeschichtliche Zusatzinformationen am individuellen Standort bei einer Stadtbesichtigung, z. B. im „Geschichtsunterricht außerhalb des Klassenzimmers“, Rachbauer 2015). Aber auch innerhalb eines klassischen Kursraums können mit mobilen Endgeräten und geeigneten Aufgabenstellungen die Interaktivität und die Personalisierung in der Lehre erhöht werden, z. B. durch Zusatzrecherchen zu Fachbegriffen oder reflexiven Blogeinträgen (Wegener u. a. 2011a). Lernende können so aktiv einbezogen und insbesondere in ihrer Reflexion unterstützt werden oder personalisierte und situierte Zusatzinformationen multimodaler Art erhalten (für verschiedene Klassifikationen der Einsatzmöglichkeiten sowie einzelne Beispiele siehe de Witt/Sieber 2013; Specht/Ebner/Löcker 2013; für weitere Beispiele siehe die Hinweise zu Augmented Reality in Kap. 4.3.2 und Kap. 5.1.2 und zu Geocaching in Kap. 5.1.3; Wegener u. a. 2011b). de Witt (2013, 18) fasst die Vorteile des Mobile Learning dahin ge­hend zusammen, dass es situatives und kontextualisiertes Lernen ermöglicht, was für das Lernen bedeutender ist als die permanente Netzanbindung. Mobile Learning löst damit konkret ein, was E-Learning allgemein versprach. Mit mobilem Lernen können bedarfsorientiertes Lernen aus aktuellem Anlass, eine Selbststeuerung des Lernprozesses bzgl. der Methoden- und Medienwahl, aber auch der genutzten Hilfsmittel und die Ein­beziehung von Dritten zur Bewältigung von Lerngegenständen realisiert werden. Aktuelle Trends zeigen, dass die Anwendungspalette reichhaltig ist. Specht/Kalz/Börner (2013, 59 ff.) benennen unter anderem

 mobile Endgeräte als persönliche Lernportale, auch als Erweiterung eingesetzter Lernplattformen im E-Learning,

 ortsbasierte und kontextsensitive Lerntechnologien, z. B. zur Sammlung und Wiederverwendung von Lerninhalten,

 mobile Augmented Reality zur Förderung der Vorstellungskraft, Illustration von Lerninhalten oder auch zur Steigerung psychomotorischer Fertigkeiten,

 Tangible Interfaces (anfassbare Benutzerschnittstellen an realen Objekten, die Interaktion mit Computern ermöglichen) und Smart Objects, die die Verknüpfung von Realwelt und virtuellem Raum unterstützen,

 cloudbasiertes unterbrechungsfreies Lernen zur Verknüpfung von bislang unverbundenen Arbeits- und Lernkontexten,

 mobile Lernspiele (und -anwendungen),

 situierte Ambient Displays, die die Lernumgebung mit kontextualisierten Informationen anreichern.

Herausforderungen

Herausforderungen beim mobilen bzw. ubiquitären Lernen bestehen einerseits darin, dass pädagogische Einsatzszenarien derzeit überwiegend experimentellen Charakter haben und erst entwickelt und getestet werden. Hinzu kommt, dass Dozen­tinnen und Dozenten über eine Affinität zu den Technologien verfügen sollten (Wegener u. a. 2011b). Auch wenn die Verbreitung mit mobilen Geräten in der Bevölkerung fortschreitet, bleibt weiterhin zu klären, wie die Lernenden mit den entsprechenden Endgeräten auszustatten sind (Leihgeräte, Teil einer Kursausstattung, Nutzung der privaten Endgeräte der Lernenden etc.) bzw. wie intelligente Technologien in die physische Umgebung integriert werden können (Sensoren, Displays etc.). Noch sind in diesem Bereich einige Hürden mit Blick auf angemessene didaktische Gestaltungen, Softwareentwicklungen und Finanzierungsmodelle zu überwinden, und es bedarf einer Medienkompetenz und Kreativität der Lehrenden, Mobile Learning in den Lehr- und Lernprozess zu integrieren. Denn ohne ein Wissen um die technischen Entwicklungen, ihre Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten sowie Eignung und den Transfer in Lehr-/Lernszenarien ist es kaum möglich, die Potenziale auszuschöpfen. Damit würden jedoch die Möglichkeiten beschnitten, anregende und kompetenzfördernde Lehre anzubieten.

Eine weitere Herausforderung liegt darin, einer Verkürzung des Lernens durch die Nutzung mobiler Geräte vorzubeugen. Wenn Lernende den Eindruck gewinnen, dank der mobilen Geräte das Weltwissen in der Hand zu haben und in Echtzeit zur Problemlösung darauf zugreifen zu können, besteht die Gefahr, dass Lernen im Sinne eines Bildungs- und Kompetenzentwicklungsprozesses auf der Strecke bleibt. Lernen ist und bleibt ein anstrengender Prozess, in welchem z. B. neues Wissen aufgebaut oder eingespurte Erfahrungen revidiert werden, was zu krisenhaften Erlebnissen bei den Lernenden führen kann (Haug 1981; Heyse 2010, 71). Lehrenden kommt die Aufgabe zu, diesen Prozess zu begleiten und den damit verbundenen Mehrwert sichtbar zu machen. Dies kann durchaus mithilfe des Mobile Learning erfolgen, denn es bietet die Möglichkeit, „zur Reflexion impliziter Handlungsmuster und Lernerträge“ (Rohs 2013, 83–85) anzuregen. Im E-Learning und Mobile Learning stecken viele Potenziale, aber sie haben auch Nachteile, „wie die Beschleunigung und Verdichtung der Kommunikation, das Verschwinden von Gewissheiten, die Oberflächlichkeit virtueller sozialer Beziehungen, aber auch die zunehmende Unkontrollierbarkeit der eigenen personenbezogenen Daten. Daher ist es im Sinne eines Bildungsgedankens wichtig, sich mit den Veränderungen in Alltag, Beruf und Freizeit auseinanderzusetzen, dabei eben nicht in einer abwehrenden Haltung zu verharren, sondern gleichzeitig die digitalen Medien für den eigenen Lebensweg zu nutzen […] Bildung muss m. E. die Zielvorstellung auch für mobiles Lernen sein“ (de Witt 2013, 22 f.).