Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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1. Teil Medienrecht

1. Teil Medienrecht › Rundfunkrecht

Rundfunkrecht

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel Rahmenbedingungen der Rundfunkregulierung

2. Kapitel Rundfunk im internationalen Recht

3. Kapitel Rundfunkrechtliche Grundlagen

4. Kapitel Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

5. Kapitel Privater Rundfunk

6. Kapitel Recht der Werbung im Rundfunk

7. Kapitel Jugendschutzrecht

8. Kapitel Rundfunktechnik und Infrastrukturregulierung

1. Teil Medienrecht › Rundfunkrecht › 1. Kapitel Rahmenbedingungen der Rundfunkregulierung

1. Kapitel Rahmenbedingungen der Rundfunkregulierung

Inhaltsverzeichnis

I. Wirtschaftliche Anforderungen an die Rundfunkregulierung

II. Überblick über das System der Rundfunkregulierung

III. Neuordnung der Rundfunkregulierung in Zeiten von Digitalisierung und Konvergenz

IV. Ansätze zur Deregulierung

Literatur:

Antrag der Bundestagsfraktion DIE LINKE v. 14.5.2013, BT-Drucks. 17/13466; Auer-Reinsdorff/Conrad Handbuch IT- und Datenschutzrecht, 2. Aufl. 2016; Baer Braucht das Grundgesetz ein Update?, Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2011, 90; Bauer Eigene Gattung – eigene Regulierung, pro media 12/2013, 29; Benda epd-Dokumentation Schieflage: MABB-Medienratsvorsitzender Benda zu Problemen des Medienföderalismus, epd medien 59/2007, 29; Berger Von Fernsehgeräten und Torwächtern zu regulatorischer Divergenz – Warum hybride TV-Empfangsgeräte nicht regulierungsbedürftig sind, CR 2012, 306; Binder Mehr Vielfalt durch Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks?, ZUM 2015, 674; Böge/Doetz/Dörr/Schwartmann Wieviel Macht verträgt die Vielfalt?, 2007; Bornemann/Erdemir Jugendmedienschutzstaatsvertrag, 2017; Bräutigam/Rücker E-Commerce, 2017; Bullinger Von presseferner zu pressenaher Rundfunkfreiheit, JZ 2006, 1137; Christmann Anforderungen an eine moderne Plattformregulierung – Eine Übersicht zu den Marktentwicklungen und Regulierungsfeldern, ZUM 2015, 14; Cornils Die öffentlich-rechtliche Haftung der Landesmedienanstalten, K&R Beihefter 1/2014 zu Heft 4, 1; Danckert/Mayer Die vorherrschende Meinungsmacht von Google – Bedrohung durch einen Informationsmonopolisten, MMR 2010, 219; Di Fabio Verfassungsrichter mahnt zu Regulierung mit Augenmaß, FAZ v. 22.9.2007, 14; Die ARD in der digitalen Medienwelt, ARD-Digitalstrategie v. 18.6.2007 epd medien 53/2007, 20; Dörr Die Googleisierung der Informationssuche, K&R 12/2013, Editorial; ders. Ein Grundrecht der Medienfreiheit – Gleiches Recht für alle?, K&R Beihefter 2/2013 zu Heft 5, 9; ders. Medienrecht: Einspeiseentgelte für Kabelverbreitung, JuS 2016, 86; ders. Haftung des Suchmaschinenbetreibers für Suchergebnisse, GRUR-Prax, 2017, 281; Dörr/Holznagel/Picot Legitimation und Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Zeiten der Cloud, ZUM 2016, 920; Dörr/Schwartmann Medienrecht, 4. Aufl. 2012; Dreizehnter Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ v. 19.3.2013, BT-Drucks. 17/12542; Enßlin Datendrossel braucht Regulierungsgefieder, pro media 6/2013, 32; Eumann Guter Rat. Gremienaufsicht: Notwendig, aber auch reformbedürftig, epd medien 12/2007, 8; Geppert/Schütz Beck‘scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013; Gersdorf Hate Speech in Sozialen Netzwerken, MMR 2017, 439; Hain Ist die Etablierung einer Internetdienstefreiheit sinnvoll?, K&R 2012, 98; Hain/Ferreau/Brings-Wiesen Regulierung sozialer Netzwerke revisited, K&R 2017, 433; Hellermann Schutz der Verbraucher durch Regulierungsrecht, Der Schutzauftrag des Rechts (VVDStRL), 2011; Hoffmann-Riem Regelungsstrukturen für öffentliche Kommunikation im Internet, AöR 2012, 509; Holznagel Die Zukunft der Mediengrundrechte in Zeiten der Konvergenz, MMR 1/2011, Editorial; ders. Digitalisierung der Medien – Regulatorische Handlungsoptionen, Gutachten im Anhang zum Zweiten Bericht des Medienrates, 2006; Hopf Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, K&R 2011, 6; Hornung/Müller-Terpitz (Hrsg.) Rechtshandbuch Social Media, 2015; Interview mit Jacqueline Kraege, pro media 8/2013, 22 f.; Jung Der Rundfunkbegriff muss überprüft werden, pro media 6/2013, 23; Keber Big Data im Hybrid-TV – Mit dem Zweiten sieht das Erste besser, RDV 2013, 236; Kluth/Schulz Konvergenz und regulatorische Folgen, Gutachten im Auftrag der Rundfunkkommission der Länder, 2014; Kocks/Sporn Electronic Programm Guides – Eine urheberrechtliche Bewertung, 2011; Krautscheid/Schwartmann Fesseln für die Vielfalt? Das Medienkonzentrationsrecht auf dem Prüfstand, 2010; Kretschmer Die Medienregulierung ist gegenwärtig grenzwertig, pro media 7/2013, 10 f; Leitantrag der SPD zu den Anforderungen an eine neue Medienpolitik, epd medien 68/2007, 19; Mantz Freund oder Feind auf meiner Leitung? – (Un-)Zulässigkeit des Eingriffs in den Datenstrom durch TK-Anbieter mittels Deep Packet Injection, MMR 2015, 8; Otto Handlungsbedarf – Eine Neuordnung der deutschen Medienaufsicht ist unabkömmlich, Funkkorrespondenz 9/2006, 17; Paulus/Nölscher Rundfunkbegriff und Staatsferne im Konvergenzzeitalter, ZUM 2017, 179; Säcker/Mengering Netzneutralität – oder: die Himmelfahrt des Wortes, K&R 2013, 559; Schmid Brüssel wartet schon, FAZ v. 6.8.2007, 36; Schneider Silberstreifen am Horizont, Ende der Zurückhaltung: Die Digitalisierung als neue Triebkraft für die Medienpolitik, Funkkorrespondenz 45/2006, 1; Scholz Was soll öffentliche Kommunikation künftig leisten?, pro media 7/2013, 6 f.; Schütz Kommunikationsrecht, Regulierung von Telekommunikation und elektronischen Medien, 2009; Schütz/Schreiber Smart TV: Diskriminierungsfreier Zugang zu Portalen auf TV-Endgeräten – Lösungsmöglichkeiten mit den bestehenden medien-, tk- und kartellrechtlichen Vorgaben, MMR 2012, 659; Schwartmann Die Beteiligung von Presseunternehmen am Rundfunk, Rechtsgutachten zur Novellierung des § 33 Abs. 3 LMG NRW, 2010; ders. Für ein Mediengrundrecht, K&R 5/2013, Editorial; ders. Leben im Schwarm – Wie das Internet uns verändert, 2011; ders. Meins bleibt Meins, FAZ v. 16.12.2010, 8; ders. Vom Kosmos zur Schildergasse, Kölner Stadt-Anzeiger v. 5.1.2011, 21; ders. So bekämpft man die Lüge im Netz, F.A.Z. v. 16.1.2017; ders. „Die Meinungsfreiheit endet an den Schranken des Grundgesetzes“, pro media 2017, 12; ders. Verantwortlichkeit Sozialer Netzwerke nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz, GRUR-Prax 2017, 317; Schwartmann/Hentsch Eigentum an Daten – Das Urheberrecht als Pate für ein Datenverwertungsrecht, RDV 2015, 221; dies. Urheberrecht in Fällen, 2017; Schwartmann/Sporn Landesmediengesetz Nordrhein-Westfalen, 2013; Sporn Die Ländermedienanstalt, 2001; ders. Ein Grundrecht der Medienfreiheit – Gleiches Recht für alle!?, K&R Beihefter 2/2013 zu Heft 5, 2; Spies/Ufer Quo vadis Netzneutralität? Status quo und Ausblick – Ein langer Weg zu einem tragfähigen Kompromiss in der EU, Deutschland und den USA, MMR 2015, 91; Stadelmaier Dringend erforderlich: Die Reform der Medienaufsicht in Deutschland, Funkkorrespondenz 45/2006, 3; Telecoms and Media An Overview of regulation in 52 jurisdictions worldwide, 2009; Terpitz/Rachhaus „Hybrid-TV“ – Eine neue Technik als Herausforderung für das Recht, Passauer Schriften zur interdisziplinären Medienforschung, Band I, 2011, 309; Vierter Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ v. 2.2.2012, BT-Drucks. 17/8536; Wagner Zum Entwurf der Netzneutralitäts-Verordnung: Wichtiges fehlt noch!, pro media 9/2013, 16; Westphal Föderale Privatrundfunkaufsicht im demokratischen Verfassungsstaat, 2007; Zypries Editorial: Warum wir ein NetGB brauchen, K&R 6/2010, 1.

 

I. Wirtschaftliche Anforderungen an die Rundfunkregulierung

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Die Medien schreiten in der Phase des Umbruchs von der analogen zur digitalen Verbreitung von Inhalten zunehmend fort. Digitalisierung ermöglicht, dass sich Verbreitungswege und Rezeptionsmöglichkeiten vervielfachen. Unterschiedliche Inhalte werden auf unterschiedlichen Verbreitungswegen auf unterschiedliche Endgeräte übertragen. Bewegte Bilder mit Darbietungscharakter können heute nicht mehr nur allein von Rundfunkveranstaltern, sondern über soziale Netzwerke als „User Generated Content“[1] von jedermann verbreitet werden. Die Grenzen zwischen Produzenten und Konsumenten werden auf diese Weise weitgehend aufgehoben. Diese Entwicklung zeichnet sich auch in der Gestaltung herkömmlicher Rundfunkprogramme ab. Immer häufiger werden hier partizipative Elemente in der Weise integriert, dass sich die Nutzer vor, während oder im Anschluss an ein Fernsehformat in sozialen Netzwerken über den Inhalt des jeweiligen Programms austauschen können.[2] Als Kehrseite der zunehmenden Partizipation und Interaktion über soziale Medien stellt sich indes die weitreichende Kommerzialisierung von Nutzerdaten dar. Sofern Inhalte nicht mehr lediglich konsumiert, sondern aktiv mitgestaltet, verbreitet und kommentiert werden, geht hiermit die Preisgabe einer Vielzahl persönlicher Informationen einher. Diese Daten weisen häufig Personenbezug auf und sind für die Anbieter der entsprechenden Plattformen von erheblichem Vermögenswert. Daten werden als Rohstoff der Zukunft bezeichnet. Vor diesem Hintergrund muss die Frage nach der Beteiligung des Nutzers an den Einnahmen der Dienste diskutiert werden, die diese aus der Verwertung seiner personenbezogenen Daten erlösen. Personenbezogene Informationen, etwa die persönliche Kaufhistorie bei einem Onlinehändler, sind dieser Rohstoff, der genutzt wird.[3]

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Immer größerer Beliebtheit erfreut sich die Übertragung von Inhalten über das Internet, die angesichts der umfassenden Verbreitung mobiler Endgeräte örtlich und zeitlich nahezu unbeschränkt empfangen werden können. Das Internet dient dabei nicht nur als zusätzlicher Übertragungsweg von Rundfunkinhalten. Es bietet darüber hinaus die Strukturen zur Verbreitung eigenständiger Angebote, die sowohl massen- als auch individualkommunikativen Charakter haben können. Lineare Rundfunkangebote und non-lineare telemediale Abrufdienste (sog. Video-on-Demand) stehen dabei nebeneinander und werden häufig über dieselbe Plattform angeboten. Differenzen ergeben sich jedoch aus den unterschiedlichen Regulierungsanforderungen, denen Rundfunk und Telemedien unterliegen. Hieraus folgt, dass teils gleiche Inhalte ungleich reguliert sind. Ob dies angesichts der zunehmenden Bedeutung telemedialer Internetangebote noch gerechtfertigt ist, kann nicht nur in rechtlicher, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht von Bedeutung sein.[4] In den Fokus rückt hier insbesondere die Novelle der ePrivacy-Richtlinie.[5] Ihr Regelungsgegenstand ist gem. deren Art. 3 die Sicherstellung der Vertraulichkeit in öffentlichen Kommunikationsnetzwerken und des damit verbundenen Datenverkehrs. Nach Abschluss der öffentlichen Konsultationen der EU-Kommission im Juli 2016 ist der nächste Schritt ein Überarbeitungsentwurf der ePrivacy-Richtlinie. So wird die ePrivacy-Richtlinie nunmehr durch die ePrivacy-Verordnung[6] ersetzt, die ab Mai 2018 in Kraft treten soll. Geplant ist hierbei unter anderem, die bisherigen Regeln und Regulierungen umfassend zu vereinheitlichen und sie insbesondere dem Faktum der Konvergenz anzupassen. Zudem sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, auch neue, künftige Erscheinungsformen mit abzudecken.[7]

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Die zunehmende Konvergenz medialer Inhalte eröffnet neue wirtschaftliche Möglichkeiten, insbesondere bei der Vermarktung von Rundfunkangeboten.[8] Die typische Kette der Wertschöpfung verläuft von der Herstellung eines Inhaltes oder Programms über den Verkauf der Rechte hieran an unterschiedliche Inhalteanbieter. Dies können klassische Rundfunkveranstalter sein, aber auch Anbieter von Telemedien oder sog. Paketierer von Inhalten. Letztere sind etwa Infrastrukturanbieter oder Anbieter von Vermarktungsplattformen (Plattformbetreiber). Insbesondere OTT-Dienste wie Zattoo, die es ermöglichen das Fernsehprogramm nahezu zeitgleich mit dessen Ausstrahlung im TV zu streamen, bilden eine Art Brücke zwischen klassischem Rundfunk und den neuen Diensten. Weiter verläuft die Kette über das Zurverfügungstellen von technischen Dienstleistungen für die Verbreitung der Inhalte. Dies geschieht z.B. durch Kabel- und Satellitennetzbetreiber, aber insbesondere – nach dem Ausbau von ADSL/VDSL – auch durch die Betreiber des herkömmlichen Telefonnetzes.

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Die durch die Digitalisierung ermöglichte Konvergenz der Medieninhalte[9] bedingt eine zunehmende Verschmelzung von Rundfunk- und Wirtschaftsrecht.[10] Die Digitalisierung bedurfte in diesem Zusammenhang weiterer spezieller Dienstleistungen zur Umwandlung analoger in digitale Signale, also die Überführung in eine transportable digitale Sendeform[11] (Multiplexing). Die mittels der effektiven Frequenzausnutzung durch die Digitalisierung herbeigeführte Programmvielfalt erfordert ein System der Rezipientenführung, das weit mehr leisten muss als eine Programmzeitung. Die durch ihre Vielseitigkeit und Benutzerfreundlichkeit ausgezeichneten und mit diversen Zusatzinformationen ausgestatteten Elektronischen Programmführer[12] für das Fernsehen (EPGs) bieten heutzutage durch die Möglichkeit der Personalisierung einen entscheidenden Mehrwert für die Zuschauer, die ansonsten kaum in der Lage wären, das umfassende Angebot der Digitalen Welt zu überblicken. Die neue Technik erfordert zudem neue Endgeräte in Form von Decodern (Set-Top-Boxen), die verschlüsselte, digitalisierte Datenpakete über Decoder für die analogen Endgeräte empfangbar machen.[13] Diese sind oftmals mit Conditional-Access-Systemen zur Zugangsberechtigung ausgestattet, die für den Empfang von entgeltlichen Programmen notwendig sind. Der Zugriff auf Konsumenten durch Marketingmaßnahmen, wie kundenbezogene Dienstleistungen, die der mit der Digitalisierung im Online-Bereich verbundene Zugang zu Nutzerdaten in erheblichem Umfang ermöglichen wird[14] (personalisierte Direktwerbung[15]), schließt die Kette.[16]

II. Überblick über das System der Rundfunkregulierung

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Diese medienwirtschaftliche Entwicklung hin zur gattungsübergreifenden Verbreitung von Inhalten nimmt keine Rücksicht auf hergebrachte rechtliche Einordnungen und zwingt die Medienregulierung zum Handeln.[17] Es fällt hierbei schwer, die Fülle der sich stellenden Probleme konkret zu fassen. Angesichts dessen ist es eine außergewöhnliche Herausforderung, die tatsächlichen Entwicklungen einer konsistenten Regulierung zuzuführen. Besondere Schwierigkeiten bereitet derzeit die fehlende Regulierungsgerechtigkeit im Hinblick auf Rundfunk und Telemedien. Angesichts erheblich divergierender Regulierungsanforderungen wird insoweit zu hinterfragen sein, ob die bestehende Sonderdogmatik weiterhin auf die Aktualität, Suggestivkraft und Breitenwirkung des Rundfunks[18] gestützt werden kann oder ob nicht verschiedenen telemedialen Angeboten bereits eine vergleichbare Meinungsbildungsrelevanz[19] zukommt.[20] In Anbetracht der konvergierten medialen Angebotsstruktur muss daher die Abkehr von einer gattungsspezifischen hin zu einer inhaltebezogenen Regulierung vollzogen werden.[21] Diese muss indessen nicht nur der Janusköpfigkeit der Medien als Kultur- und Wirtschaftsgut auf der einen und dem Bedürfnis der Medienunternehmer nach Planungssicherheit auf der anderen Seite gerecht werden. Sie muss zudem teilweise gegenläufige rechtliche Anforderungen insbesondere aus dem deutschen Recht auf der einen und dem europäischen Recht auf der anderen Seite berücksichtigen.[22]

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Um die komplexen Zusammenhänge der Rundfunkregulierung zu verstehen, ist es sinnvoll, einen Überblick über das aktuelle Regulierungssystem zu haben. Ein Anbieter von Rundfunkinhalten muss allein nach deutschem Recht eine Reihe von Regulierungshürden überwinden, um sein „Produkt“ dem Rezipienten auf einem der zahlreichen geeigneten Empfangsgeräte (Fernseher, Radio, Tablet, Smartphone, Desk- oder Laptop etc.) anbieten zu können.[23] Da die inhaltliche Seite des Rundfunks im föderalen System des Grundgesetzes der Kulturhoheit der Länder unterfällt und die Frage des technischen Zugangs zur Infrastruktur als Recht der Wirtschaft in den Hoheitsbereich des Bundes fällt,[24] ist die Verbreitung von Rundfunkinhalten in Deutschland nicht nur intensiv, sondern in vielen Fällen auch doppelt reguliert.[25] Die komplexe Umsetzung des nationalen Medienrechts in die Regulierungsvorgaben und -körper soll nachfolgende Übersicht veranschaulichen.[26]


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1. Regulierung der Inhalte

7

Bereits das Anbieten von Inhalten durch einen (privaten) Rundfunkveranstalter[27] ist im Unterschied zur Verbreitung von Presseerzeugnissen und Telemedienangeboten erlaubnispflichtig. Wer privaten Rundfunk veranstalten möchte, bedarf grundsätzlich[28] einer Lizenz der zuständigen Landesmedienanstalt[29] auf Grundlage von § 20 RStV in Verbindung mit dem jeweiligen Landesmediengesetz und ist so einer ex ante Kontrolle unterworfen.[30] Eine Beanstandungskontrolle ex post findet insbesondere in den Bereichen Werbung[31] und Jugendschutz[32] ebenfalls nach dem RStV sowie dem Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV)[33] statt.

2. Regulierung von Verbreitungsentgelten

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Für die Verbreitung von Medieninhalten werden durch die Eigentümer der Infrastruktur Entgelte erhoben. Die Kontrolle der Angemessenheit der Entgelthöhe ist teilweise doppelt reguliert. Sie erfolgt zum einen durch die Bundesnetzagentur und zum anderen durch den Beauftragten für Plattformregulierung und Digitalen Zugang, welcher bei der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) den Zuständigkeitsbereich der ehemaligen Gemeinsamen Stelle Digitaler Zugang (GSDZ) verantwortet, auf Grundlage von §§ 30 ff. TKG bzw. § 52d RStV. An dieser Stelle[34] soll nur kurz auf zwei Revisionsverfahren eingegangen werden, in denen sich der BGH im Juni 2015[35] und im April 2016[36] mit der Frage zu befassen hatte, ob öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten an Kabelnetzbetreiber für die Einspeisung ihrer Fernseh- und Radioprogramme in das Kabelnetz ein Entgelt zu zahlen haben.[37] Der BGH hat hierzu entschieden, dass sich den Regelungen des Rundfunkrechts und auch Art. 14 GG bzw. Art. 12 GG weder eine Kontrahierungs- noch eine Zahlungspflicht entnehmen lasse.

3. Regulierung der Infrastruktur

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Stellt sich ein Medienunternehmer die Frage, auf welchem Verbreitungsweg sein Inhalt übertragen werden soll, so findet er unterschiedliche Regulierungsanforderungen vor.[38] Die Verbreitung von Inhalten über das Internet ist derzeit nicht reguliert.[39] Die Verbreitung von Inhalten über das (herkömmliche) Breitbandkabel in den Netzebenen 3 und 4[40] richtet sich nach Art. 31 Universaldienstrichtlinie und ist im deutschen Recht sowohl in §§ 50 ff. RStV als auch im TKG und darüber hinaus urheberrechtlich reguliert.[41] Die Verbreitung über Satellit ist rundfunkrechtlich demgegenüber so gut wie nicht reguliert, weil die führenden Satellitenbetreiber nicht im Inland ansässig sind. Die meisten deutschen Rundfunkprogramme werden über die luxemburgischen ASTRA-Satelliten und die französischen EUTELSAT-Satelliten ausgestrahlt. Die Verbreitung auf diesem Wege erfolgt auf Grundlage zivilrechtlicher Vereinbarungen.[42] Die Übertragung über terrestrische Sendenetze ist wiederum doppelt reguliert. Hier erfolgt eine Vergabe der Frequenzen nach § 61 TKG, während sich die Vergabe der Übertragungskapazität nach §§ 50 ff. RStV richtet.

 

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Es stellt sich vor dem Hintergrund der fortschreitenden technischen Entwicklungen und insbesondere der Konvergenz die Frage, ob das Konzept der Infrastruktur-Regulierung in seiner jetzigen Form noch zeitgemäß und sinnvoll ist. Der ursprüngliche Hintergrund der Regulierung war in erster Linie die Begrenztheit der zur Verfügung stehenden Frequenzen. Diese Verknappung ist jedoch faktisch heute weder im Rundfunk noch (bzw. erst recht nicht) im Internet vorhanden.[43]