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// 2. Kapitel – Beutekunst //


Betreff: Raubzug

Datum: 18. 04. 2019, 19 : 32:14

Liebe Anna, zum einen bin ich neugierig auf Deine Männersammlung. Zum anderen will ich mir eigentlich gar nicht wirklich bildhaft vorstellen, wie engagiert Du Deiner Sammelleidenschaft möglicherweise nachgegangen bist.

Meine Frau hat auch gesammelt. Während meines Gerichtsprozesses gegen sie stellte sich heraus, dass ich nicht ihr erstes Opfer war.


Betreff: Opferstammtisch?

Datum: 18. 04. 2019, 19 : 39:04

Dann scheint sich ihre Vorgehensweise bewährt zu haben. Deine Frau ist sich treu geblieben. Respekt! Warum hast Du während fast zwei Jahrzehnten Ehe nie bemerkt, dass Deine Frau so viel negative Energie hat, um es freundlich auszudrücken?

Habt ihr Opfer eine Selbsthilfegruppe gegründet?


Betreff: Re: Opferstammtisch?

Datum: 18. 04. 2019, 20 : 39:33

Das habe ich mich auch gefragt. Im Grunde gab es Anzeichen, die ich aber gar nicht als so negativ empfunden hatte. Meine Frau war schon immer ein Sparfuchs mit Streitlust. Es gab keine Reparatur in Küche oder Bad, die ohne anschließenden Rechtsstreit zu Ende gebracht wurde. Meine Frau fand immer Mängel, ließ die Handwerker mehrfach antreten, so lange bis die Sache vor Gericht landete. Da wurde über Kaminkacheln und Küchenabflüsse gestritten. Sie hat das immer allein gemanagt, ich bekam das nur am Rande mit, worüber ich sehr froh war. Es war so zusagen ihr Fachgebiet in unserer Ehe.

Ich musste aber auch feststellen, dass Handwerker nicht zimperlich sind. Für sie lebte ich mit einem Handwerkerschreck zusammen, mitgehangen und mitgefangen. Sie zerstachen mehrfach die Reifen meines Autos. Das meiner Frau blieb verschont.

Opferstammtisch? Ja. Ihr Beutezug hatte System, auch bei meinen Vorgängern. Obwohl Sonja mit den beiden nicht verheiratet war, gab es viel zu holen. Inventar und Geld. Mit einem der beiden habe ich Kontakt aufgenommen. Ich brauchte Rat. Beim Bier stellten wir fest, dass meine Frau nach einem bestimmten Muster vorging: Ist der Mann aus dem Haus, räumt die Maus die Bude aus.

Ich war auf einer Lesereise, deshalb nicht zu Hause. Alles fühlte sich normal an. Ja, der Haussegen hing schief, dennoch freute ich mich auf meinen Sohn und betrat nach vier Tagen Abwesenheit unsere Wohnung. Ich dachte bis zu diesem Zeitpunkt zumindest, dass es „unsere“ Wohnung war.

Meine Schritte hallten im Flur. Das war ein neues, mir bisher an dieser Stelle unbekanntes Geräusch und das Erste was mir spanisch vorkam. Es lag wohl daran, dass der Flur leer war. Ich ging weiter ins Wohnzimmer. Ich wusste bis dahin gar nicht, dass wir so schöne gepflegte, gut aufgearbeitete Eichendielen hatten. Der Teppich und das Mobiliar waren verschwunden.

Weiter: die Küche. Sie sah aus wie ausgeweidet. Aus der Wand ragten Wasseranschlüsse, wie Gedärm hingen Kabel aus den Löchern in der Wand, wo früher Steckdosen waren, sogar die Einbauküche hatte sie ausgebaut, die tonnenschwere Granitplatte herausgeschleppt oder herausschleppen lassen.

Im Schlafzimmer traf ich nur auf ein paar Staubmäuse, im Bad auf mein Parfum und meine elektrische Zahnbürste, natürlich ohne Ladegerät. Das Katzenklo war das Einzige was an Leben erinnerte und sogar gefüllt war, nicht mit dem Kater, sondern mit seinem Nachlass. Aber das Schlimmste kommt noch: mein Arbeitszimmer. Alle Bücher weg, mein Rechner weg, alle Ordner mit Buchführung und Kontoauszügen, Recherchematerial, Krankenkassenunterlagen, Versicherungsordner, Reisepass. Alles weg. Ich war quasi nackt, unmündig, arm und vor allem hilflos, eine Person ohne persönliche und berufliche Identität.

Zunächst ging ich zu unseren Nachbarn. Die freuten sich, mich noch einmal zu sehen, dachten ich sei in der vergangenen Woche ausgezogen. Und wie schnell das alles ging, so viele Leute hätten mitgeholfen, sagten sie. Die Beschreibung der Diebesbande passte auf die beiden Brüder meiner Frau und auf einen Unbekannten, vermutlich ihr nächstes Opfer.

Ich ging wie betäubt zurück in meine leeren Hallen und ließ mich auf der verwaisten Kloschüssel nieder, der einzige Ort, der mir gemütlich erschien, die einzige Sitzgelegenheit. Ich starrte auf das Katzenklo direkt neben mir und sehnte mich zum ersten mal in meinem Leben nach einem Schnaps. Ich war wie schockgefrostet, zu keiner Entscheidung fähig. Meine erste Nacht in nunmehr allein „meiner“ Wohnung verbrachte ich im Schlafsack.


Betreff: Ob sie sauer war?

Datum: 18. 04. 2019, 21 : 13:54

Starker Tobak! Ich kann mich nicht des Eindruckes erwehren, dass Deine Frau ein wenig sauer war. Entschuldige, aber ein leichtes Grinsen musst Du mir zugestehen. Deinen Humor hast Du Dir immerhin bewahrt.


Betreff: Re: Ob sie sauer war?

Datum: 18. 04. 2019, 21 : 44:34

Wahrscheinlich habe ich meinen Humor erst nach all dem entwickelt.

Oh ja, sie war sauer, sie hat eine echte Mutation durchgemacht. Das war ja nur der Anfang. Das Schlimmste kam freilich noch. Das Wort „Ehegatten-Splitting“ hat nun für mich eine völlig neue Bedeutung erlangt. Aber, ich finde, ich habe mir jetzt eine erheiternde Geschichte von Dir verdient, ein glanzvolles Stück aus Deiner Sammlung.


Betreff: Beischlaflos in Bovenmoor

Datum: 18. 04. 2019, 22 : 58:11

Gut, sollst Du haben.

Es trug sich in dem winzigen Ort Bovenmoor zu. Er liegt westlich von Hamburg auf dem ganz platten Land, Kühe und endlose Wiesen, sumpfige Gräben, mehr muss ich nicht sagen. Es war Sommer, Hochsommer. Und es war mein erster Wochenendausflug mit dem Mann. Wir freuten uns auf drei lauschige Tage und zwei heiße Nächte im Haus seiner Schwester, die zum Glück nicht dabei war. Das Hüttlein war traumhaft schön, Baujahr 1787, ein denkmalgeschütztes altes Bauernhaus. Reetdach, verwilderter Garten mit uralten Kirschbäumen, Wiese mit Wegen, die mit rundlichen Steinen gepflastert waren. Ich freute mich auf unsere erste gemeinsame Nacht. Die Situation brüllte geradezu danach. Es verging der erste Tag, er machte keine Anstalten, mir ernsthaft näherzutreten. Das heißt nicht, dass wir uns nicht nahe gekommen wären, aber es blieb eben bei meinen unerfüllten Wünschen. Auch in der zweiten Nacht sollte sich das nicht ändern. Ich wollte explodieren und wurde immer wieder daran gehindert.

Zwischenzeitlich standen wir gemeinsam in der Küche. Er machte Salat, wusch Romanesco-Herzen, schnitt Tomaten und briet klein geschnittene Hähnchenbruststreifen. Ich bot meine Hilfe an. Doch er lehnte ab. „Heute musst Du das noch nicht machen, es ist erst ab morgen Deine Aufgabe.“ Ich hielt das für einen Witz, freute mich daran und mochte ihn noch viel lieber.

Am letzten Tag erlebte ich jedoch eine Schlüsselsituation, die sich zum Glück schon im Frühstadium unserer Bekanntschaft einstellte. Wir saßen draußen unter dem alten runzeligen Kirschbaum beim Frühstück. Eigentlich eine himmlische, romantische Situation. Wir hatten das weiße Tischtuch ausgebreitet, Kaffee gekocht, den Tisch gedeckt. Er saß mir gegenüber und sah mich ernst an. „Ernst“ ist eigentlich zu freundlich ausgedrückt. Er starrte mich eher fordernd und streng an. Seine Finger trommelten ungeduldig auf das weiße gestärkte Tischtuch. Er wartete offenbar auf etwas und darin war er sehr ausdauernd. „Was ist?“, fragte ich. Keine Antwort, nur Fingertrommeln. Irgendwann, nach gefühlten zehn Minuten kam die Antwort: „Der Zucker fehlt!“

Von diesem Moment an war mir klar, dass ich es mit jemandem zu tun hatte, für den die Frau eine ganz klare Rolle einzunehmen hatte, eine die nicht meiner Vorstellung von einem Gegenüber auf Augenhöhe entsprach. Der wollte mich doch ernsthaft zum unmündigen, geduckten Heimchen erziehen. Du kannst Dir vorstellen, dass diese Rolle mir nicht gerade auf den Leib geschneidert ist. Alle meine Alarmglocken schrillten. Ich war verblüfft und entsetzt darüber, dass es in unserem Zeitalter immer noch Männer gibt, die sich das Rollenverständnis der Fünfzigerjahre bewahrt haben oder es von der eigenen Mutter so anerzogen bekamen.

Am Abreisetag rief ich ratlos bis verzweifelt einen Freund in Leipzig an und schilderte ihm aufgelöst die Situation. Er hörte geduldig zu und fasste mein Klagen ein wenig spöttisch in nur einem Satz zusammen: „Beischlaflos in Bovenmoor!“


Betreff: Re: Beischlaflos in Bovenmoor

Datum: 18. 04. 2019, 23 : 09:01

Besser hätte ich es auch nicht sagen können. Aber, jetzt mach es nicht so spannend, ich will wissen, wieso er nicht mir Dir geschlafen hat. Das ist doch unmöglich, für mich zumindest wäre es das gewesen.

 

Betreff: „Nif“

Datum: 18. 04. 2019, 23 : 11:23

Nun, der Arme war vom Schicksal geschlagen. Weißt Du was eine „Nif“ ist?


Betreff: Re: „Nif“

Datum: 18. 04. 2019, 23 : 12:56

Ein kleines Tierchen?


Betreff: Aw: „Nif“

Datum: 18. 04. 2019, 23 : 13:44

Nein, „Nif“ heißt im Fernsehgeschäft: Nachricht im Film. Und so eine „Nachricht im Film“ ist nicht länger als zwanzig bis dreißig Sekunden. Mehr muss ich nicht erklären, oder? Er wollte sich selbst und mir wohl diesen „Short-Cut“ so lange wie möglich ersparen, ihn hinauszögern.

Und was Dir nicht erspart bleibt, ist mir morgen Deine nächste Geschichte zu präsentieren.

*


Betreff: Hausratversicherung

Datum: 19. 04. 2019, 18 : 19:34

Guten Abend Anna,

Du willst mich ein wenig quälen, stimmt’s? Das macht Dir Spaß, ich weiß. Also, ich zog aus. Die Wohnung war zu groß für mich allein. Mein Sohn lebte zwar fast nur bei mir, aber wir hatten einfach zu viel Freiraum. Wenn ich Dich zitieren darf, war „unsere Wohnung groß genug, um darin eine Fernbeziehung zu führen“.

Ich suchte mir also etwas Kleineres und rief bei meiner Hausratversicherung an, um die Versicherung auf mein neues Domizil umschreiben zu lassen. Ich hatte noch die gute alte Staatliche Versicherung der DDR. Die Allianz hatte nach der Wende alle Verträge übernommen, mit all den Vorzügen, die die uralte Police aus dem Osten zu bieten hatte. Damit war ich gegen alles versichert: Naturgewalten, Flut, Sturm und Feuer sowieso. Das wusste offenbar auch meine Frau.

Ich rief also in der Allianz-Vertretung an und die nette Frau Schubert, unsere Ansprechpartnerin ging ans Telefon und tat verwundert. „Herr Nowitzki, Sie haben doch gestern erst Ihre Versicherung an Ihre Frau überschrieben.“ „Was habe ich gestern gemacht?“ Frau Schubert dachte wohl, ich wolle sie auf den Arm nehmen oder ich sei betrunken und könne mich an nichts mehr erinnern. „Ihre Frau hat gestern das Schreiben persönlich vorbeigebracht mit Ihrer Unterschrift Herr Nowitzki und mit der Unterschrift Ihrer Frau darauf.“ Aha.


Betreff: Re: Hausratversicherung

Datum: 19. 04. 2019, 19 : 00:04

Nein, das ist nicht wahr! Sie hat Deine Unterschrift gefälscht? Ich bin sprachlos.


Betreff: Urkundenfälschung

Datum: 19. 04. 2019, 19 : 06:24

Ja, sie war schnell und kreativ in ihrer Vorgehensweise. Überall, wo ich nach und nach hinschaute, war Sonja längst gewesen und hatte abgegrast, ihre Spuren hinterlassen, beziehungsweise eben keine Spuren hinterlassen. Ich habe, nachdem ich Wochen brauchte, um all das zu begreifen, Strafanzeige wegen Urkundenfälschung erstattet. Gegen meine eigene Frau, es ist absurd und unvorstellbar, aber es war so.


Betreff: Re: Urkundenfälschung

Datum: 19. 04. 2019, 19 : 09:22

Ich weiß, dass verletzte Frauen zu einigem fähig sind, aber Deine Sonja scheint ein besonderes Exemplar zu sein. Ich bin schockiert. Fühl Dich auf die Schulter geklopft.


Betreff: Schenkelklopfer

Datum: 19. 04. 2019, 19 : 11:52

Ein echter Schenkelklopfer wäre jetzt eher das Richtige für mich.


Betreff: Re: Schenkelklopfer

Datum: 19. 04. 2019, 19 : 13:44

Okay, keinen Schenkelklopfer, aber ein Iliosakralgelenk hätte ich für Dich. Das ist die Verbindung von Kreuzbein und Beckenschaufel. Interessiert?


Betreff: Aw: Schenkelklopfer

Datum: 19. 04. 2019, 19 : 14:33

Her damit! Ich will wissen, was Du in den letzten sieben Sommern getan hast.


Betreff: Geduld!

Datum: 19. 04. 2019, 19 : 17:36

Okay, aber ich muss Dich auf morgen vertrösten. Der dunkle Schatten Deiner Schwarzen Witwe hat mich zum Frösteln gebracht. Ich nehme jetzt ein heißes Bad und lege mich danach ins Bett. Es ist schön, wenn man eines hat und nicht in den eigenen vier Wänden im Schlafsack campieren muss. Gute Nacht, wir lesen uns morgen. Ich muss wirklich Schluss machen. Anna

****


Betreff: Grüße aus der Badewanne

Datum: 19. 04. 2019, 22 : 37:12

Mein liebes Carlchen,

da bin ich wieder. Ich liege mit dem Laptop in der Badewanne und habe ein Sehnsüchtlein nach Dir. Geht es Dir gut? Ich hoffe doch! Annuschka


Betreff: Re: Grüße aus der Badewanne

Datum: 19. 04. 2019, 22 : 39:45

Guten Abend nach Deutschland, ins harte, kalkhaltige Badewasser! Mir geht es bestens. Gleiche Wohnung, gleicher Mann, gleiche Telefonnummer, gleiche E-Mail-Adresse, und leider auch die gleichen Kinder Unverändert gesund und munter. Bekomme ich jetzt die Fortsetzung in Holzbausteinkunde? Ich bin sehr neugierig.


Betreff: Industrieschlot

Datum: 19. 04. 2019, 22 : 59:59

Klar, Carla, deshalb schreibe ich Dir ja. Ich habe nämlich so etwas wie eine Galgenfrist bekommen. Ich kann aufatmen. Heute Morgen waren wir bei Schmoll-Hase.

„Problem erkannt?“, hat er gefragt. Er wies mit seiner linken Hand auf die beiden Holzbausteingebilde, die grundverschiedener nicht sein konnten und augenscheinlich das große Ungleichgewicht zwischen meiner sexuellen Begierde und der Stefans zeigten. Wir starrten, beeindruckt von der Einfachheit dieser Demonstration, auf den runden Beratungstisch, auf dem sich meine kleine Wendeltreppe im Schatten von Stefans Industrieschlot duckte. Schmoll-Hase hatte die Bauwerke nach der letzten Sitzung beiseitegestellt und vorsichtig in ein Regal geschoben.

Ob er sie schön findet?

„Ja, Problem erkannt“, sagte ich und dachte: Bitte hilf uns Schmoll-Hase!

Der schien meine Gedanken lesen zu können und sagte: „Stefan, wenn Sie Ihre Freundin behalten wollen, dann rate ich zu Enthaltsamkeit. Sie erdrücken sie förmlich mit Ihrem ständigen Wollen.“ Stefan schaute wie ein bockiges Kind. „Stellen Sie sich vor, Sie säßen täglich an einer reichlich gedeckten Tafel. Es gibt jeden Tag dasselbe an Speisen und Sie dürfen so viel essen, wie Sie wollen. Wie fänden Sie das?“ Stefan räusperte sich verunsichert: „Schlaraffenland?“ – „Nein, mich würde das langweilen.“, rief ich dazwischen. „Ja, und genauso ist es auch, Stefan, können Sie das verstehen?“, half mir Schmoll-Hase. „Ihre Freundin ist einfach satt vom Überangebot.“ Stefan fühlte sich ertappt, schuldig und vor allem ungewollt, abgelehnt. Er tat mir von Herzen leid. „Ich kann Ihnen nur zu einer Lösung raten, die Sie natürlich so nicht annehmen müssen, aber Sie sollten darüber nachdenken“, schob Schmoll-Hase nach. Wir schauten unseren Paartherapeuten hoffnungsvoll an und wünschten uns, dass der Stein der Weisen ins Rollen kommt und unser Problem mit einem einzigen Satz gelöst würde. Schmoll-Hase lehnte sich zurück: „Sie werden jetzt sechs Monate lang auf Sex verzichten.“ Danke, lieber Schmoll-Hase, dachte ich. Danke! Und was denkst Du?


Betreff: Re: Industrieschlot

Datum: 19. 04. 2019, 23 : 07:03

Nun, wie fühlst Du Dich mit dem Gedanken an sechs Monate Pause?


Betreff: Erleichtert,

Datum: 19. 04. 2019, 23 : 08:56

… ehrlich gesagt.


Betreff: Und?

Datum: 19. 04. 2019, 23 : 09:44

… beunruhigt Dich das?


Betreff: „Jemand“

Datum: 19. 04. 2019, 23 : 11:43

Sollte es das? Nein, mich beunruhigt etwas anderes. Es ist jemand aufgetaucht, Carla!


Betreff: Re: „Jemand“

Datum: 19. 04. 2019, 23 : 15:11

Du brauchst gar nicht weiter zu schreiben. Ich kenne Dich, Annuschka. Und ich sage Dir etwas: Ich will es nicht wissen. Ich habe damals vor sieben Jahren mit Dir gelitten und ich will das nie wieder miterleben müssen. Bitte, kümmere Dich um Dich und Stefan, alles andere will ich gar nicht hören.


Betreff: Aw: „Jemand“

Datum: 19. 04. 2019, 23 : 19:10

Carlchen, es gibt auch nichts zu hören. Es ist nichts passiert und das wird es auch nicht. Wir tauschen nur die Geschichten der letzten sieben Jahre aus. Ich melde mich in ein paar Tagen nach der nächsten Schmoll-Hasen-Session. Lass es Dir gut gehen, grüß Deine Familie und Deine beiden Nervensägen. Habe ich Dir eigentlich schon gesagt, dass sie zu groß sind für die Babyklappe? Annuschka


Betreff: Re: „Jemand“

Datum: 19. 04. 2019, 23 : 25:56

Ja, leider, ich müsste sie zerteilen, um sie da noch hineinstopfen zu können. Wenn sie mich nerven, dann drohe ich damit, dass sie Dich in den nächsten Sommerferien besuchen müssen. Für wen wäre das wohl schlimmer?

 

Ich drücke Stefan und Dir die Daumen, fühl Dich umarmt. Carla

****


Betreff: Schenkelklopfer

Datum: 21. 04. 2019, 18 : 18:17

Anna? Bist Du noch da? Ich vermisse Deine Geschichten.

Seit zwei Tagen warte ich vergeblich auf den Knochen, den Du mir zuwerfen wolltest. Ich bin hungrig.


Betreff: Re: Schenkelklopfer

Datum: 21. 04. 2019, 18 : 28:12

Du Armer, Du bist nicht hungrig, Du bist E-Mail-süchtig. Du bist ein J@nkie! Das war übrigens kein Knochen, sondern ein Gelenk, die Verbindung von Kreuzbein und Beckenschaufel. Es heißt Iliosakralgelenk. Willst Du es trotzdem?

PS: Ich war nicht gut drauf in den letzten Tagen, entschuldige. Da bin ich keine gute Schreibpartnerin.


Betreff: Aw: Schenkelklopfer

Datum: 21. 04. 2019, 18 : 29:00

Kein Problem. Her mit dem Iliosakralgelenk.

Dein J@nkie.


Betreff: Iliosakralgelenk

Datum: 21. 04. 2019, 18 : 30:30

Okay, welche ist für einen Mann die schönste Art, zu Tode zu kommen?


Betreff: Re: Iliosakralgelenk

Datum: 21. 04. 2019, 18 : 35:35

„Oft denke ich an den Tod, den herben,

Und wie am End’ ich’s ausmach’?!

Ganz sanft im Schlafe möcht’ ich sterben – Und tot sein, wenn ich aufwach’!“

Ich denke Carl Spitzweg meinte damit, im Bett einzuschlafen und nie wieder aufzuwachen, schmerzfrei natürlich. Mir würde dieser Tod auch sehr gut gefallen.


Betreff: Mors in coitu

Datum: 21. 04. 2019, 18 : 50:34

Falsch. Ich habe einmal gehört, dass es kein schöneres Ende für einen Mann gäbe, als beim Sex, im wahrsten Sinne des Wortes, zu Tode zu kommen. Der „mors in coitu“ soll gar nicht so selten sein, wie wir annehmen. Für Couch-Potatos ist er offenbar ein sehr gefährliches Bewegungsmuster. Vielleicht ist er aber auch nur eine überdrehte Männerfantasie, aber es ist auch eine Form des Abschiednehmens, die ich keiner Frau wünschen würde. Denn ich durfte einmal miterleben, wie es sich anfühlt, wenn das Ende kommt, aber zum Glück dann doch nicht eintritt. Willst Du das wirklich wissen?


Betreff: Re: Mors in coitu

Datum: 21. 04. 2019, 18 : 53:44

Mein Magen knurrt.


Betreff: Bleierne Stille

Datum: 21. 04. 2019, 19 : 12:14

Es war meine zweite Nacht mit dem Mann. Ich hatte ihn in seinem Haus besucht. Haus ist untertrieben, es war eher ein Schlösschen. Er war sehr wohlhabend, ein Graf.

Und, nein er war nicht betagt, falls Du das jetzt unterstellen wolltest. Es gab dort noch keinen Treppenlift und er war gut zu Fuß. Nichts deutete also darauf hin, dass sein baldiges Ende bevorstehen würde.

Er roch gut. Ich war anfangs so verknallt, dass ich meine Unterwäsche, die nach unserer ersten Nacht und nach seinem Parfum duftete, zu Hause in eine duftdichte Tüte einsperrte, damit ich bei Bedarf noch daran schnüffeln und mich an ihn erinnern konnte.

Er war kein Mann der Worte, sondern ein Mann der Tat. Folglich kamen wir beide schnell zur Sache und in die Waagerechte. Unser Liebesspiel hatte noch nicht einmal rasante Fahrt aufgenommen, als er urplötzlich auf mir verharrte und erstarrte. Er bewegte sich keinen Millimeter, rührte sich nicht mehr. Er schwieg und er war beim Schweigen sehr schwer. Ist das gemeint, wenn man von „bleierner Stille“ spricht?

Was jetzt? Er atmete zumindest noch, was mir selbst unter seiner reglosen Last sehr schwer fiel. Bevor ich etwas sagen konnte, fiel er von mir herunter wie eine dicke unbewegliche Robbe von der Eisscholle ins Meer. Der arme Mann konnte sich nicht mehr bewegen, er konnte nur noch abrollen und starr liegen bleiben. Und er ächzte für diesen Abend sein letztes Wort zu mir: „Iliosakralgelenk!“


Betreff: Re: Bleierne Stille

Datum: 21. 04. 2019, 19 : 14:10

Der Arme, er war nicht verklemmt, sondern hatte sich etwas eingeklemmt.


Betreff: Verklemmt

Datum: 21. 04. 2019, 19 : 15:55

So war es, einen Arzt musste ich nicht rufen. Er wollte einfach nur allein dahinsiechen und still leiden ohne meine Gesellschaft, aber mit Schmerztabletten. Es war wohl nicht das erste Mal, dass er auf diese Weise verklemmt war.

Und nun erwarte ich für morgen mein Honorar für meine Geschichte.

Schlaf gut, Roger!


Betreff: Re: Verklemmt

Datum: 21. 04. 2019, 19 : 17:51

Schlaf gut, Anna. Und genieße jeden Atemzug!

*


Betreff: Honorar

Datum: 22. 04. 2019, 20 : 10:10

Meine liebe Anna,

„Honorar“ ist ein gutes Stichwort. Dazu habe ich eine Geschichte für Dich, für die ich mich wirklich schämen muss. Die schreibe ich nur Dir, Anna.

Du erinnerst Dich sicher daran, das meine Frau auf einem der Chefsessel des Verlages saß und noch sitzt, für den ich immer noch schreibe.

Wir hatten kein gemeinsames Konto, aber alle Honorare, die ich bei ihrem Verlag verdiente, liefen auf ihr privates Konto. Am Ende haben wir doch ohnehin alles zusammen verbraucht, für die Wohnung und fürs Leben. Sie hatte sich um die Finanzen gekümmert und ich habe ihr vertraut.

Sie hat sich auch nach der Trennung um ihr Konto und um mein Geld gekümmert. Still, leise und emsig wie ein Bienchen.

Sie hat wohl sehr viel Zeit dafür aufgewendet, mein Geld auszugeben. Es musste verbraucht werden, damit nichts mehr da ist, wenn es zum Prozess zwischen uns kommt. Damit hatte sie wohl auch schon gerechnet. Schließlich war ich nicht ihr erstes Opfer.

Erst acht Monate nach unserer Trennung fiel mir auf, dass immer noch alle Honorare, die ich bei diesem Verlag mit meinen Büchern verdiente, auf ihr privates Konto flossen.


Betreff: Re: Honorar

Datum: 22. 04. 2019, 20 : 12:12

Wieso konntest Du das so lange nicht bemerken?


Betreff: Aw: Honorar

Datum: 22. 04. 2019, 20 : 14:33

Nun, solange Geld aus dem Automaten kam, war ich zufrieden. Dann kam nichts mehr und ich erinnerte mich an meine Verlagshonorare, die mir jetzt auf meinem eigenen Konto gut getan hätten.


Betreff: Kasse gemacht?

Datum: 22. 04. 2019, 20 : 16:13

Sie hat stillschweigend abkassiert? Sie hat Dich nicht darauf hingewiesen, dass immer noch und fälschlicherweise Dein Geld auf ihr Konto fließt?


Betreff: Re: Kasse gemacht!

Datum: 22. 04. 2019, 20 : 18:56

Nein, hat sie nicht. Vor Gericht hat sie später behauptet, wir hätten in besagten acht Monaten noch zusammengewohnt und das Geld wäre für das Auffüllen unseres gemeinsamen Kühlschrankes ausgegeben worden.


Betreff: Kassensturz

Datum: 22. 04. 2019, 20 : 21:51

Das nenne ich doppelte Buchführung oder besser doppelte Haushaltsführung! Und? Hast Du Dein Geld zurückbekommen?


Betreff: Re: Kassensturz

Datum: 22. 04. 2019, 20 : 23:11

Ja, die Richterin hat durch ihre klugen Fragen und durch die vorliegende Strafanzeige wegen Diebstahls gegen meine Frau herausbekommen, das mir von Sonja auch das gesamte Inventar (bis auf das Katzenklo) geraubt worden war und somit kein gemeinsamer Kühlschrank mehr befüllt werden konnte. Das war meiner Anwältin eigentlich bekannt, doch die Gegenseite hielt wohl nichts vom Wahrheitsgebot. Jetzt weiß ich, was es heißt, wie gedruckt zu lügen. Meine Frau hatte dann doch etwas Respekt vor der Richterin und vergessen weiter zu schwindeln, als sie direkt von ihr befragt wurde.


Betreff: Wirtschaftskrise

Datum: 22. 04. 2019, 20 : 25:09

Mal ehrlich, mein Lieber. Das ist dreist und unfair von Deiner Ex-Frau, aber ein wenig muss „Dummheit auch bestraft werden“, wenn ich das mal so sagen darf. Wie kann Mann denn nur so nachlässig mit seinem Geld umgehen!


Betreff: Re: Wirtschaftskrise

Datum: 22. 04. 2019, 20 : 26:00

Ich weiß Anna, ich weiß. Solch ein Börsencrash passiert mir nicht ein zweites Mal.


Betreff: Gute Nacht

Datum: 22. 04. 2019, 22 : 28:05

Anna, hast Du in den letzten sieben Jahren gelegentlich an mich gedacht?


Betreff: Re: Gute Nacht

Datum: 22. 04. 2019, 22 : 32:15

Roger, ich dachte, wir tauschen nur unsere Geschichten aus, Geschichten, die nichts mit „uns“ zu tun haben. Ja, ich habe natürlich an Dich gedacht. Immer an unseren Jahrestagen.

Und Du? Hast Du an mich gedacht, Roger?


Betreff: Gedenken

Datum: 22. 04. 2019, 22 : 34:30

Ja.


Betreff: Re: Gedenken

Datum: 22. 04. 2019, 22 : 35:07

Und was genau hast Du gedacht, wenn Du an mich dachtest?


Betreff: Aw: Gedenken

Datum: 22. 04. 2019, 22 : 36:17

Ich habe an Deine sonnengebräunten Arme gedacht und an das weiße Sommerkleid, was Du bei unserer ersten Begegnung in Moritzburg beim Fernsehdreh getragen hast.


Betreff: Gute Nacht 2.0

Datum: 22. 04. 2019, 22 : 37:02

Gute Nacht, Roger!


Betreff: Re: Gute Nacht 2.0

Datum: 22. 04. 2019, 22 : 38:00

Träum was Schönes, Anna!

****


Betreff: Annuschka?

Datum: 22. 04. 2019, 22 : 39:00

Annuschka? Wo bist Du? Was machst Du? Weinst Du oder lachst Du? Carlchen


Betreff: Hausaufgaben

Datum: 22. 04. 2019, 23 : 19:10

Meine liebe Carla,

ich liege schon im Bett und lache, denn ich weiß, Du bist neugierig auf die News aus der Praxis des berühmten Dr. Schmoll-Hase. Du sollst sie haben.

Nach unserem letzten Besuch bei ihm habe ich sehr erleichtert und Stefan sehr entsetzt die Praxis verlassen. Ich freute mich, dass der enorme Druck aus unserer Beziehung gewichen war, Stefan konnte sich nicht vorstellen, wie er seinen ganz persönlichen Druck ein halbes Jahr lang ertragen sollte. Dennoch haben wir beschlossen, auf Schmoll-Hases Vorschlag einzugehen.

„Wie geht’s“, hat er uns gefragt, wie immer, wenn wir bei ihm ankamen. Stefan wusste auf die Frage, die in diesem Falle gar nicht rhetorisch gestellt war, sondern wirklich nach einer Antwort verlangte, nicht, was er erwidern sollte. Also war ich wieder einmal schneller: „Alles fit bei uns, Herr Schmoll-Hase“, sagte ich und meinte eigentlich nur meinen eigenen Zustand. Von Stefan ließ sich ein schwaches „Naja, geht so“, vernehmen.

„Nun, dann überlegen wir jetzt gemeinsam, wie es weitergehen kann mit Ihnen beiden.“ Schmoll-Hase rückte sich in seinem Sessel zurecht und schaute uns an, als erwarte er den Vorschlag von uns. Schweigen.

„Haben Sie Geheimnisse voreinander?“, fragte er keck in die Runde. Stefan und ich sahen uns irritiert an. Ich bekam sofort meine beiden Grübelfalten auf der Stirn. „Nein, ich hoffe nicht, sollten wir?“, fragte ich.

„Schade für Sie beide, Geheimnisse verursachen nämlich Neugierde. Sie sollten neugierig aufeinander sein! Sind Sie nicht neugierig auf Ihre Freundin, Stefan? Wissen Sie etwa schon alles über sie?“ Schmoll-Hase hatte irgendetwas vor mit uns. Stefan dachte angestrengt nach. Während er noch nach den richtigen Worten suchte, kam ihm Schmoll-Hase zuvor.

„Sie bekommen eine Hausaufgabe.“, hat er gesagt. „Jeder von Ihnen überlegt sich bis zu unserem nächsten Treffen eine Überraschung für den anderen, ein Geschenk. Was es ist, wird nicht verraten. Das Geheimnis wird erst gelüftet, wenn Sie wieder hier bei mir am Tisch sitzen, vorher dürfen Sie kein Sterbenswörtchen darüber verlieren. Bis dahin machen Sie sich gegenseitig interessant.“ Schmoll-Hase guckte triumphierend, als wüsste er bereits, womit wir uns überraschen würden.

Ich hatte sofort eine kreative Idee für meine Überraschung für Stefan. Ich platzte fast vor Vorfreude. Schenken hat mir schon immer Spaß gemacht, nicht nur zu Weihnachten und an Geburtstagen.

Stefan schaute ernst. Du kennst ihn. Das bedeutet: Er denkt. „Was soll das für ein Geschenk sein? Etwas Materielles? Ein Wellness-Wochenende? Ein Ausflug?“, hat er gefragt. „Das ist Ihnen überlassen, Sie könnten gemeinsam auf einen Berg steigen, vielleicht ist aber auch ein Kuss schon ein Geschenk für Ihre Anna. Sie sollten aber auf keinen Fall etwas schenken, wovon sie schon zu viel hat. Solch ein Geschenk würde sie nur noch satter machen, Sie wissen, worauf ich hinaus möchte, Stefan?“ Schmoll-Hase ist eben auch nur ein Mann. Er hatte Stefan sofort durchschaut. In dessen Augen erlosch die letzte Hoffnung auf ein bisschen Sex. Sechs Monate könnten zur Ewigkeit werden. Mir verschafften sie Luft.

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