Die Bibel - ein menschliches Buch

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Die Bibel - ein menschliches Buch

1. Auflage, erschienen 01-2021

Umschlaggestaltung: Romeon Verlag

Text: Angela Madaus

Layout: Romeon Verlag

ISBN (E-Book): 978-3-96229-849-4

www.romeon-verlag.de

Copyright © Romeon Verlag, Jüchen

Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung und Vervielfältigung des Werkes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks und der Übersetzung, sind vorbehalten. Ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Verlages darf das Werk, auch nicht Teile daraus, weder reproduziert, übertragen noch kopiert werden. Zuwiderhandlung verpflichtet zu Schadenersatz.

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R1199 - rv102

Angela Madaus

DIE BIBEL - EIN MENSCHLICHES BUCH

Religion und Mythos

In Dankbarkeit meinen Eltern und

meiner Familie gewidmet.

Vorwort Die Bibel – ein religiöses und literarisches Phänomen

Die Bibel ist unbestreitbar ein besonderes Buch. Es stellt sozusagen das Gründungsdokument einer Weltreligion, des Christentums, dar. Es ist aber auch ein zutiefst menschliches Buch, weil es von menschlichen Grunderfahrungen berichtet. Die Bibel ist jedoch weder ein Helden-Epos noch eine Sammlung von Mythen oder eine Anleitung für ein moralisch gelingendes Leben, sondern die Bibel spricht vom Zusammentreffen menschlicher Erfahrung und göttlicher Offenbarung.

In der Bibel sind aber auch verschiedene geistige Ströme ineinander geflossen: griechische Sprache und Kultur, absorbiert durch die Weltmacht Rom, Kultivierung der Religion durch den Monotheismus, den Ein-Gott-Glauben in seiner Prägung durch das jüdische Volk, das neben Jahwe in der Diaspora noch andere Götter kennengelernt hat, die es teils übernommen, teils abgewehrt hat. In der Bibel hat sich schließlich auch ein mythischer Bodensatz erhalten, der noch in den einzelnen biblischen Erzählungen durchschimmert. Die poetische Schöpfungsgeschichte ist wohl der bekannteste Mythos, der aber in seiner biblischen Fassung entmythologisiert wurde und so zum Hymnus auf den Schöpfergott wurde.

Die Bibel ist in vielen Jahrhunderten entstanden, und es erstaunt nicht, dass sie als kulturelles Gedächtnis das meist gelesene und übersetzte Buch der Menschheit geworden ist. Sie bewahrt und deutet kollektive Erfahrungen, die Menschen über viele Jahrhunderte hinweg gemacht haben, vermittelt diesen Erfahrungsschatz von Generation zu Generation weiter und stellt so ein universales literarisches Zeugnis dar, das seit 2000 Jahren im Alltag und in Kunst und Literatur nachhaltig rezipiert wird.

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Utopie und Religion

3. Die Rezeption der Bibel

4. Bibelrhetorik

5. Befreiung und Gerechtigkeit

5.1 Der Exodusgott

5.1.1 Moses

5.1.2 Das Buch Exodus

5.1.3 Das Buch Deuteronomium (das zweite Gesetz)

6. Frauen im Alten Testament

6.1 Judit, die listige Witwe

6.1.1 Judith in der Malerei

6.1.2 Friedrich Hebbels Judith

6.2 Rut, die Moabiterin

6.2.1 Solidarität und Freundschaft

7. Zu Gott auf dem Weg über den Anderen

7.1 Die Ethik ist die erste Philosophie (Emmanuel Levinas)

7.1.1 Aufriss

7.1.2 Dezentrierung des Subjekts – ein neuer Humanismus

7.1.3 Ethik und Religion

7.1.4 Gott fällt ins Denken ein

7.1.5 Levinas und das Judentum

7.2 Der Andere in Kafkas Erzählung: Der Steuermann

7.2.1 Der Andere als Kafkas Lebensproblem

8. Weltdeutung durch den Logos

8.1 Das Johannesevangelium

8.1.1 Der Prolog des Johannesevangeliums

8.1.2 Exkurs: Logos in Goethes Faust

8.1.3 Die Theologie des Johannes

8.2 Die Katechese am Jakobsbrunnen

8.2.1 Die Dramaturgie des Geschehens

8.3 Der historisch - biblische Hintergrund

9. Weltdeutung durch den Mythos

9.1 Der Mythos – eine Begriffsbestimmung

9.2 Mythos und Logos

9.3 Mythos und Religion

9.4 Grundmythen der Antike

9.4.1 Prometheus und die Büchse der Pandora

9.4.2 Der Sisyphus-Mythos

9.5 Mythen der Moderne

9.5.1 Mythen in historischer Perspektive

9.5.2 Der Venedig-Mythos

10. Religion im säkularen Staat

10.1 Das Böckenförde-Diktum

10.2 Religionsfreiheit im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

10.3 Was die Welt zusammenhält – Jürgen Habermas und Joseph Ratzinger (Papst Benedikt XVI.) im Gespräch

11. Ausblick

1. Einleitung

Die Bibel richtig zu lesen, stellt eine Herausforderung besonderer Art dar. Lesen bedeutet hier, sich auf eine eigenartige Sprache einlassen, sich in eine andere Welt aufmachen, aber auch wieder zurückkommen in die Gegenwart, die Bibel zurück-übersetzen in das Heute.

Diese Übersetzungsarbeit ist notgedrungen eine persönliche und eine unabgeschlossene, manchmal eine vorläufige, abhängig vom Auffassungsvermögen und von der Offenheit des Lesers. Die Bibel hat eine Botschaft, die durch Menschen übermittelt wird, die sich als Zeugen eines Heilsereignisses verstehen. Sie ist deshalb auch keine Ansammlung kluger Sätze und Beispiele im Sinne einer Kasuistik, sie ist keine Sittenlehre, die für alle Wechselfälle des Lebens eine Antwort bereithält, sie zeigt einfach Menschen vor Gott.

Deshalb ist die Bibel ein zutiefst menschliches Buch; nichts Menschliches ist ihr fremd. Die Bibel erzählt von einzelnen Menschen in ihren Ängsten, Freuden, Leiden, von Scheitern, Hoffnungslosigkeit, aber auch von Hoffnung wider alle Vernunft. Sie spricht ferner von Menschen in ihrem jeweiligen Sozialgefüge, die in besonderem Maße der verständnisvollen Kommunikation und des Schutzes bedürftig sind.

 

Menschlich bedeutet in diesem Sinne ein Qualitätsurteil, etwas, was dem Menschen zukommt, was ihn ausmacht als Mensch. Der Mensch, ein sinnliches und rationales (im Sinne von Vernunft plus Verstand), aber auch ein irrationales Wesen, ein Wesen ohne festgelegte Bestimmtheit, das nicht festgestellte Tier, wie es Nietzsche ausdrückt. Der Mensch ist frei und abhängig zugleich. Er kann und muss Entscheidungen treffen. Er kann Großes vollbringen, sich aber auch bewusst und unbewusst irren und täuschen, er kann sich für das Böse entscheiden, dem und den Mitmenschen in vollem Bewusstsein etwas zuleide tun, unmenschlich handeln, in letzter Konsequenz heißt das, er kann töten wollen.

Für alles, was er tut, ist er deshalb vor sich selber – vor seinem Gewissen – und vor dem Nächsten verantwortlich.

Die Bibel, das ist die Priorität des Anderen im Verhältnis zu mir.

(Emmanuel Levinas)

2. Utopie und Religion

Dieses Suchen und Finden in allem, was lebt und sich regt, in allem Werden und Wechsel, in allem Tun und Leiden, und das Leben selbst im unmittelbaren Gefühl nur haben und kennen als dieses Sein, das ist Religion.

(Friedrich Schleiermacher, Reden über die Religion)

Alle Religion war Wunschwesen, (…) aber sie war kein zersplittertes oder begrenztes Wunschwesen, sondern totales, und keine völlig nichtige Illusion, sondern versucherische, mit einer Vollendung im Sinn, die nicht ist.

(Ernst Bloch, S.1415)

Ernst Bloch beschreibt den utopischen Charakter, aber auch den Ernst von Religion: Religion ist die Suche nach einem vollendeten, umfassenden Sinn, der mich ganz und gar fordert, dem ich mich immer wieder anzunähern suche, im Wissen, dass er immer zukünftig bleiben wird, nie einfach nur ist.

Religion ist nichts Gegebenes, ist aber erfahrbar, existenziell als unmittelbares Gefühl (Schleiermacher) oder als Illusion (Bloch), wobei sich im Wort Illusion eine Doppelbedeutung versteckt, nämlich spielen (lat. ludere) und ein Spiel treiben, täuschen, verspotten (von lat. illudere). Spiel als Metapher für Religion ist nur in seiner Abart negativ oder oberflächlich. In seiner Grundbedeutung drückt das Wort eine Tätigkeit aus, die mit Freude und Ernst verrichtet wird. Das Spiel erfordert die zielgerichtete Hingabe an die Sache und den ganzen Einsatz des Spielenden. Sein Sinn liegt – wie der Sinn der Religion – im versucherischen Tun, im immer wieder neu Tun.

Religion ist aber mehr als ein illusionäres Spiel. Die Religion stellt uns ein ganzheitliches Wunsch- und Idealbild mit dem Anspruch auf Vollendung im Sinn, – wenn auch nicht der Realität nach, – vor Augen. Religion weist deshalb einen ihr immanenten Hoffnungsüberschuss auf, wofür es, wie Ernst Bloch im Prinzip Hoffnung ausführt, in unserer religiösen Kultur eine bestimmte Folie gibt, nämlich die Messias-Idee, die allerdings älter ist als der Messias-Glauben. Was diese Idee in ihrer jüdisch-christlichen Ausprägung jedoch von anderen Kündern und Religionsstiftern wie beispielsweise Buddha oder Zoroaster, einem Zeitgenossen des Propheten Ezechiel (alle drei um 600 v. Chr.), unterscheidet, ist die Wucht der eschatologischen Verheißungen bei Moses und den Propheten und die von ihnen dem Volk als erwartbar vorgestellte endzeitliche Zielgestalt; im Neuen Testament ist es die utopische Frohbotschaft in der Form einer Realerinnerung (Bloch, S.1501) an Jesus Christus, den Menschensohn, dessen Lebensprogramm seit 2000 Jahren Menschen anspricht und herausfordert.

Der Messianismus ist in der Religion die Utopie, die das Ganz Andere des Religionsinhalts in jener Form sich vermitteln läßt, worin es keine Gefahr von Herrensalbung und Theokratie enthält:(…) als das Wunderbare.

(S.1464)

3. Die Rezeption der Bibel

Religion ist nicht primär eine Verstandestätigkeit, sondern eine Herzensangelegenheit. –

Die göttliche Wahrheit ist nicht von erster Linie etwas, was uns intellektuell einleuchtet, sondern was wir … als eine Wirklichkeit erfahren. In ihren ästhetischen Vermittlungen überwältigt uns diese Wirklichkeit, sie reißt uns mit, verschlingt uns, aber sie macht uns etwa in der Musik einfach auch Freude.

(Navid Kermani im Interview mit der Frankfurter Rundschau am 22.8.2015)

Die Kultur Europas bedient sich eines gemeinsamen Vorratsschatzes, dem der Bibel. Im Westen war das sprachliche Fundament dafür über lange Zeit das Lateinische. Christliche Impulse wirkten dann aber weiter in den jeweiligen Nationalsprachen, die den Menschen erst eigentlich die Zunge gelöst haben. Im deutschen Sprachraum schuf Martin Luthers Bibelübersetzung nicht nur das frühe Neuhochdeutsch, sondern er machte mit seiner kraftvollen, allgemein verständlichen Sprache auch die Inhalte der Bibel dem ganzen Volk verständlich, eine wichtige Voraussetzung für die Verbreitung der Reformation. Seine Übersetzung der Psalmen wurde zum Liedgut in den christlichen Kirchen, und in der Vertonung von Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach, über Felix Mendels-ohn-Bartholdy bis Antonín Dvořák und Jean Sibelius gehören sie zum anspruchsvollen Repertoire der Kirchenchöre (der am häufigsten vertonte und gesungene Psalm dürfte Gott ist mein Hirte sein).

Biblische Sprache ist aber noch wirkmächtiger; sie stellt, wie es der katholische Theologe Karl-Josef Kuschel ausdrückt, ein generelles Expressionsreservoir dar, aus dem munter geschöpft wird. So findet sich biblisches Substrat im Deutschen in vielen ganz selbstverständlich benutzten so genannten geflügelten Worten im Umgangswortschatz.

Hier eine willkürliche Auswahl:

diese Krankheit führt nicht zum Tode, weise wie Salomo, ein ungläubiger Thomas, arm wie Lazarus, wie im Paradiese leben, an den Fleischtöpfen Ägyptens sitzen, dem Mammon dienen, Jeremiaden anstimmen, von Pontius zu Pilatus laufen, jemandem die Leviten lesen, hier geht es zu wie in Sodom und Gomorrha, alt wie Methusalem, Matthäi am Letzten …

Letzteres Bonmot geht auf Martin Luther zurück. In seinem Katechismus, im 4. Hauptstück (Über das Sakrament der Taufe) werden die letzten Sätze des Matthäus-Evangeliums zitiert, in der es um die Aussendung der Jünger geht, mit der Verpflichtung, das Evangelium zu verkünden und zu taufen. Luther verbindet hier in der Verwendung des lateinischen Genitivs den Verfasser scheinbar mit dem Weltuntergang: Da unser Herr Jesus spricht Matthäi am Letzten: Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt (Mt 28,20). Und in der Rezeption setzt dann das Sprichwort den leeren Beutel dem Weltuntergang gleich. Die Konnotation – leerer Beutel gleich Weltuntergang – hätte vielleicht sogar Matthäus, dem Zöllner und Geldeintreiber, gefallen!

Trotz aller Säkularisierung im Gefolge der Aufklärung werden biblische Stoffe und Narrative offensichtlich bis auf den heutigen Tag in Kunst und Literatur und, wie man sieht, auch in der Alltagssprache rezipiert, und sie dienen, verfremdet oder widerborstig, als Folie zur Verdeutlichung anthropologischer Grundfragen. So können christliche Narrative menschlicher Erfahrungen zu Spiegelbildern und Projektionsflächen werden, etwa die Gestalt Maria Magdalenas, die (unbiblisch) als Typus der Sündenheiligen in der Kunst tradiert wird, oder Hiob als Chiffre für die Grenzerfahrung des Ausgeliefertseins. Die Bibel kann sogar Diagnosemedium (Karl-Josef Kuschel) sein, wie in Rainer Maria Rilkes Engelliedern und vor allem den Duineser Elegien, in denen der bedürftige Mensch mit seinem persönlichen Schutzengel beständige Zwiesprache hält (euch (Engel) frag ich nach uns), weil er mit ihm in einer symbiotischen Beziehung lebt. Sein ihm von Gott zugewiesener Engel zeigt ihm Gegenbilder zur gedeuteten Welt als einer begrenzten Welt und gibt ihm in schwierigen Lebenssituationen Trost, Geborgenheit und Halt, indem er ihn in den Bereich des inneren, geistig imaginativen Lebens geleitet. In der Unmittelbarkeit des Erlebens macht das lyrische Ich so schließlich die Erfahrung eines gesteigerten, intensiveren Lebens:

Ich ließ meinen Engel lange nicht los

und er verarmte mir in den Armen

und wurde klein, und ich wurde groß:

und auf einmal war ich das Erbarmen,

und er eine zitternde Bitte bloß.

Da hab ich ihm seine Himmel gegeben,-

und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;

er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,

und wir haben langsam einander erkannt…

(Rainer Maria Rilke)

Bei Thomas Mann und Bert Brecht ist die Bibel zwar auch eine Möglichkeit der Selbstdeutung, aber sie dient vor allem als Folie für die Darstellung gesellschaftlicher Verwerfungen, Entgleisungen, Ungerechtigkeiten oder Verbrechen, wobei der immanente Bezug auf die Bibel dem jeweiligen Autor eine literarische Distanzierungs- und Verfremdungsmöglichkeit bietet.

Thomas Mann arbeitet sich geradezu an der Bibel ab. Die biblische Josephs-Geschichte bot ihm dabei das archetypische Muster für eine Karriere im Exil – und damit dem unverhofft selbst ins Exil geratenen Autor viele Möglichkeiten für subtile Spiegelungen (Deutschlandfunk, 30.9.2018).

Religiöse Bezüge, Bilder und Zeichen sind unverkennbar in vielen anderen seiner Romane auffindbar beispielsweise im Doktor Faustus. Es gibt hier sogar explizit theologische Passagen. Adrian Leverkühn studiert Theologie, wendet sich dann davon ab und der Musik zu, und der Teufel begleitet ihn in mancherlei Gestalt auf seinem Lebensweg. Als Theologe (auf dem Gebiet kennt sich der Teufel nach seiner eigenen Aussage gut aus) oder als Zuhälter führt er Adrian immer wieder in Versuchung und immer tiefer in die Kälte des vergeistigt leidenden Einzelgängers, der für die Suche nach dem genialen Werk mit dem Bösen einen Pakt eingeht und sich seiner Umwelt immer mehr entfremdet. Die Wirkung des Teufels zeigt sich darin, dass die christlichen Werte und Topoi verkehrt werden: So führt die enge Pforte nicht in den Himmel, sondern in die Hölle, und Liebe gibt es nur andeutungsweise (so Adrians Liebe zu seinem Neffen, der als Strafe für diese in Adrians Augen verbotene Liebe stirbt) oder pervertiert, in der Sexualität mit einer Prostituierten). Das Böse dominiert. Über den Hochmut hat der Teufel Adrians Seele gewonnen. Die Pervertierung der christlichen Werte spiegelt sich in Adrians immer diabolischer werdenden Musik mit ihrer Umkehrung aller musikalischen Prinzipien. Folgerichtig endet Adrian in der Verzweiflung, in heilloser Sündhaftigkeit.

Auch der Dramatiker Bert Brecht, aufgewachsen im katholischen Augsburg als Kind einer protestantischen Mutter und eines katholischen Vaters, hat sich ein Leben lang mit der Bibel beschäftigt. Sie war seine Lieblingslektüre, vielleicht weil die Sicht der Bibel immer eindeutig, jedoch nicht eindimensional ist und dadurch die beste Vorlage für Brechts Sprache und Thematik bot. In seinem Werk finden sich durchgängig biblische Bezüge und Zitate. Den motivatorischen Impuls für seine gesellschaftskritischen Anklagen bezieht er, wie er selber ausführt, aus den großen moralischen Kategorien des Christentums wie Leid, Sünde, Verdammnis.

In Bertold Brechts wohl bekanntestem Antikriegsstück Mutter Courage und ihre Kinder, geschrieben 1939 im dänischen Exil, uraufgeführt 1941 in Zürich, beschreibt die gleichnamige Protagonistin scheinbar ungerührt, ja sarkastisch den merkantilen Aspekt des Krieges: Der Krieg ist nichts als die Geschäfte / Und statt mit Käse ists mit Blei. Weil das so ist, zieht die Marketenderin Courage mit ihrem Planwagen durch die vom dreißigjährigen Krieg zerstörte Welt und hofft, sich aus dem Krieg, der ihre Einkommensquelle darstellt, heraushalten zu können. Sie denkt ökonomisch und handelt couragiert, allerdings im Sinn von skrupellos opportunistisch zu verstehen, wird dabei aber realitätsblind, und so verliert sie alle ihre drei Kinder an diesen Krieg, den sie schließlich verflucht, ohne eine Lehre daraus zu ziehen. Auf sich allein gestellt, folgt sie mit ihrem Planwagen weiterhin dem Zug der Soldaten:

 

Das Frühjahr kommt. Wach auf, du Christ!

Der Schnee schmilzt weg. Die Toten ruhn.

Und was noch nicht gestorben ist,

Das macht sich auf die Socken nun.

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