Sternstunden

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Sternstunden
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Andreas Wojak



Sternstunden



Geschichten,



die das Herz berühren



Verlag am Eschbach




INHALT



1  COVER

2  HAUPTTITEL


 Inhalt




 Einführung



         Sternstunden des Lebens


 Glück



 Überraschung



 Die Geschichte vom Kalifen



 Osterbotschaft aus Shanghai



 Die Suche nach dem Pirol



 Leben und Tod



 Der Rückruf



         Sternstunden der Liebe


 Zufälle gibt es nicht



 Kindersekt in Kristallgläsern



 Komm herüber



         Sternstunden mit der Familie


 Ein gutes Geschäft



 Klebrige Solidarität



 Reich beschenkt



 Brotsuppe



 Erd- oder Feuerbestattung



 Der Platz des Weihnachtsbaums



 Schwesterherz



 Bounty



         Sternstunden im Leben mit Tieren


 Treuer Begleiter



 Blümchen hört dich



 Himmlische Katze



 Rückkehr



 Schuster Walter



         Sternstunden der Vergangenheit


 Bahnhof des Glücks



 Erleichterung



 Lebensentscheidend



 Heimat



10 

         Sternstunden des Alters


 Der Hochsitz



 Es nützt nichts



 Vergesslichkeit



 Eine Freundin brauchen



11 


 ÜBER DEN HERAUSGEBER



12 


 ÜBER DAS BUCH



13 


 IMPRESSUM



14 


 HINWEISE DES VERLAGS






Einführung



Liebe Leserin, lieber Leser,



innehalten, berühren, berührt werden – darum geht es in weitestem Sinne in den „Sternstunden-Geschichten“. Wobei die „Stunde“ manchmal nur eine Minute oder einen Augenblick dauert, sich bisweilen aber auch auf einen ganzen Lebensabschnitt bezieht, verdichtet auf wesentliche Momente.



„Sternstunden der Menschheit“ heißt ein Buch des großen Literaten Stefan Zweig, das historische „Augenblicke“ kunstvoll einfängt. Anders der vorliegende Band: Unterschiedlichste Menschen erzählen hier von kleinen und großen Begebenheiten ihres Lebens, eben ihren persönlichen „Sternstunden“. Es sind kurze Texte, manchmal nur wenige Sätze, die beim Lesen und Hören eigenes Erleben in Erinnerung rufen. „Das kenne ich, das habe ich auch schon ganz ähnlich erlebt!“, lauten immer wieder die Reaktionen. Die Geschichten spiegeln oft auch allgemeine Erfahrungen wider.



Nachdem mein Büchlein „Herzwärts – Geschichten, die die Seele wärmen“ (Verlag am Eschbach 2019) so viel Resonanz fand, entstand bald die Idee einer Fortsetzung. Also sammelte ich neue Geschichten. Gelegentlich stieß ich in meinem Umfeld auf sie oder sie wurden mir zugetragen. Es dauerte nicht lange, und schon bald hatte ich mehr, als sich in einem Band unterbringen ließen. Nach welchen Kriterien durfte und sollte ich auswählen? Das war – wieder einmal – keine leichte Aufgabe. Letztlich habe ich mich auf mein eigenes Gefühl verlassen: Jede Geschichte musste zuerst einmal mich berühren und mein Innerstes erreichen, bevor sie Eingang in die vorliegende Auswahl fand.



Ich wünsche Ihnen viel Freude mit den Sternstunden-Geschichten – ob Sie sie nun lesen, vorgelesen bekommen oder ob Sie die Geschichten anderen Menschen vorlesen.



Andreas Wojak



Haben auch Sie eine „Sternstunden-Geschichte“ erlebt?



Dann schreiben Sie sie einfach auf und schicken Sie den Text an:

sternstundengeschichten@t-online.de




Sternstunden des Lebens




Glück



Anna, meine zweieinhalbjährige Enkelin, ist ein ungewöhnlich zufriedenes und auch genügsames Kind. Sie kann lange versunken mit ihrer Puppenstube spielen, und wenn sie isst, dann wirkt das fast wie eine Meditationsübung: Löffelchen um Löffelchen schiebt sie sich gemächlich in den Mund. Als ich sie dabei beobachtete, hielt sie auf einmal inne, sagte – mehr zu sich selbst als zu mir –: „Hab ich ein Glück!“, und aß ruhig weiter.



Dagmar Dreyer



Das Wenigste gerade, das Leiseste,



das Leichteste, einer Eidechse Rascheln,



ein Hauch, ein Husch, ein Augenblick – wenig



macht die Art des besten Glücks.



Friedrich Nietzsche




Überraschung



Fünf bange Tage dauerte es nach der Lateinarbeit, bis unsere Lehrerin, Frau Herbold, mit den zensierten Arbeiten unterm Arm den Klassenraum betrat. Latein war mein Problemfach und meine Versetzung in diesem Jahr akut gefährdet.



Ich hatte auch Englisch bei der jungen Lehrerin, schon seit der 5. Klasse. Meine Begeisterung für diese Sprache spiegelte sich – auch als Ergebnis ihrer Art zu unterrichten – positiv in den schriftlichen Noten wider.



Ich muss dazu erklären, dass ich als Kind und Jugendlicher ein starker Stotterer war und mich nur dann meldete, wenn ich mir hundertprozentig sicher war. Frau Herbold hatte dafür Verständnis, denn sie nahm mich nur dran, wenn ich mich mit strahlendem Gesicht gemeldet hatte. Oder sie stellte ihre Fragen so, dass eine knappe Antwort möglich war. Andere Lehrer waren nicht so einfühlsam. Mit Schrecken denke ich noch heute daran, wie ich mathematische Formeln an der Tafel vor der Klasse erklären musste.



Jedenfalls liebte ich Frau Herbold. Und sie mochte mich wohl auch.



In der letzten Stunde vor der Klassenarbeit hatte Frau Herbold uns den eher vagen Hinweis gegeben, dass es um eine Übersetzung ginge. Als wir den Klassenraum verließen – ich war der letzte Schüler – sprach sie mich an und zeigte mir kurz die betreffende Textstelle im Lateinbuch.



Mit diesem „Geheimwissen“ ging ich am Nachmittag zu Herrn Kosta. Dieser lebte in unserm Dorf und es wurde so einiges über ihn gemunkelt – etwa dass er fälschlicherweise einen Doktortitel geführt hätte. Dennoch war er bei den Bauern im Dorf gern gesehen, weil er ihre Buchführung professionell erledigte. Auch die Damen mochten ihn. Herr Kosta – stets mit Anzug und Krawatte unterwegs – war von ausgesuchter Höflichkeit und redete sie mit „Gnädige Frau“ an, wobei er einen Handkuss andeutete, was nicht nur meine Mutter zu entzücken schien.



Überdies gab der Mann, der über hervorragende Sprach- und Mathematikkenntnisse verfügte, Dorfkindern wie mir, die zum Gymnasium gingen, Nachhilfe-unterricht. Ich bat nun Herrn Kosta, mir den lateinischen Text zu übersetzen, was er prompt erledigte. Danach lernte ich alles Satz für Satz auswendig und machte mir zur Sicherheit noch einen Spickzettel. Aber das erwies sich als überflüssig, der Text ging mir, als es ernst wurde, auch so gut von der Hand.



Nun kam also Frau Herbold mit den durchgesehenen Arbeiten und begann sie an die einzelnen Schüler zu verteilen. Es dauerte und dauerte, ich wurde zusehends nervöser. „Bernd, sehr gut!“, hörte ich sie zu meinem Nachbarn sagen. Danach sah sie mich an:



„Überraschung, Fritz, eine Eins! Weiter so!“



Die Eins hatte zur Folge, dass die Versetzung doch noch klappte.



Fritz Rinne



Was wäre das Leben,



hätten wir nicht den Mut,



etwas zu riskieren.



Vincent van Gogh




Die Geschichte vom Kalifen



Es ging um eine Operation in der Klinik, genauer: Ich war als Dolmetscher eingeschaltet worden, um die für die OP notwendige ärztliche Aufklärung für die Patientin ins Arabische zu übersetzen. Die Frau stammte aus Syrien und hatte gerade ein Kind geboren. Die Geburt war problemlos verlaufen, aber bei der Mutter hatte sich danach eine Komplikation eingestellt.

 



Als ich das Krankenzimmer betrat, saß die Frau auf der Bettkante, ihr Neugeborenes auf dem Schoß. Auf dem Stuhl daneben ihr Ehemann mit einem vielleicht zwei Jahre alten Mädchen. Der Arzt war noch nicht eingetroffen. Mir stieg sofort der strenge Geruch in die Nase. Offensichtlich musste das ältere Geschwisterkind gewickelt werden. Es litt sichtlich unter der vollen Windel.



Ich sprach das an, aber beide Erwachsenen machten keine Anstalten, etwas zu unternehmen. Es war klar: Entweder musste der Vater das Kind wickeln, oder die Mutter musste es tun und in der Zeit das Neugeborene dem Vater anvertrauen. Der Vater sagte, er könne das Kind nicht wickeln – und das Neugeborene auf den Arm zu nehmen, das komme nicht infrage, das würde kein Mann tun.



Mir war die Situation unangenehm, und ich hätte am liebsten selbst gehandelt. Bei meinen beiden, inzwischen erwachsenen Söhnen die Windeln zu wechseln, war für mich immer eine Selbstverständlichkeit gewesen. Aber mir war auch bewusst, dass hier jetzt Behutsamkeit und Zurückhaltung gefordert war. Ich sagte deshalb den beiden, ich würde ihnen eine kleine Geschichte erzählen. Sie ging folgendermaßen:



„Der Kalif Omar war ein barmherziger und gottesfürchtiger Mann. Gelegentlich mischte er sich unerkannt unter sein Volk, um zu erfahren, was man dachte und sprach. Mit seinem Begleiter traf er auf einen Mann, der völlig aufgelöst vor seinem Zelt saß. Er fragte den Mann, was ihm fehle. Der erzählte: ‚Meine Frau bekommt gerade ein Kind, und ich weiß nicht, was zu tun ist.‘ Daraufhin bat der Kalif

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